Vorlesung Phytopathologie Jutta Ludwig-Müller Einleitung Vorstellung der Krankheitserreger Pathogenitätsmechanismen Resistenzmechanismen Bekämpfungsmöglichkeiten Pflanzenschutz Literatur ·Phytopathologie. Allgemeine und biochemische Grundlagen (Elstner, Oswald, Schneider, eds.), Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg, 1996 ·Pflanzenkrankheiten (F. Schönbeck), Teubner Studienbücher Biologie, Stuttgart, 1979 ·Phytopathologie und Pflanzenschutz. Wörterbücher der Biologie (Gerd Fröhlich), UTB 867, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1979 ·Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz (Horst Börner), 8. Auflage, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, 2009 ·Allgemeine Phytopathologie (Eckart Schlösser) Thieme Verlag, Stuttgart, 1983 ·Plant Pathology (George N. Agrios) Academic Press, San Diego, CA, USA, 1997 allgemein: ·Pflanzenbiochemie (Hans W. Heldt, Birgit Piechulla) Spektrum Verlag, 2008 ·Strasburger: Lehrbuch der Botanik, neueste Auflage, Spektrum Verlag, 2008 Was ist Phytopathologie? Untersuchung der Ursachen von Pflanzenkrankheiten (Ätiologie) Schaderreger, Umweltfaktoren (Voraussetzungen) welche Vorgänge führen zu einem bestimmten Krankheitsbild: phänotypische, physiologische, molekulare Untersuchungen (Pathogenese) Interaktion Pflanze – Pathogen Entwicklung von Methoden, die es ermöglichen, eine Pflanzenkrankheit zu kontrollieren Die Herausforderung für die Phytopathologie ist, Ernteausfälle von Nutzpflanzen durch Krankheitserreger zu minimieren bei gleichzeitiger Steigerung der Ertragsrate und der Qualität der Nahrungsmittel Die Phytopathologie untersucht.... …Identifizierung von Pathogenen …biologische Kontrolle von Pflanzenkrankheiten …chemische Kontrolle von Pflanzenkrankheiten …öffentliche Meinung über Pestizide …alternative Kontrollmöglichkeiten für Pflanzenkrankheiten …Mechanismen der Pathogenese …Epidemiologie von Pflanzenkrankheiten …genetische Vererbung von Resistenz und Pathogenität …Gen-für-Gen Interaktion …Resistenzzüchtung …Krankheitsentwicklung auf der zellulären und molekularen Ebene …Entwicklung molekularer Werkzeuge für Krankheitskontrolle …Informationstechnologie und Computerprogramme zur Simulierung von Pflanzenkrankheiten …Sammlung von Feld- und Labordaten und deren Integration Wann ist eine Pflanze krank? Wenn die normale Funktion einer pflanzlichen Zelle in irgendeiner Weise durch Pathogene beeinträchtigt wird, so dass sie diese nicht mehr oder nur noch beschränkt ausüben kann, dann gilt eine Pflanze als krank. Welche Pflanzenteile können krank werden? Meristeme Blüten Frucht Blatt Spross Wurzel Bedeutung von Pflanzenkrankheiten: Pflanzenkrankheiten können die Art der Pflanzen und der Industrie in einem Gebiet limitieren/beeinflussen Pflanzenkrankheiten reduzieren die Quantität und Qualität der Pflanzenproduktion Pflanzenkrankheiten können Stoffe und Lebensmittel verursachen, die für Mensch und Tier giftig sind Pflanzenkrankheiten sind verantwortlich für große finanzielle Einbußen Pflanzenkrankheiten verursachen bei der Bekämpfung hohe finanzielle und ökologische Kosten Geschätzte Ernteverluste der Krankheits- und Schaderreger Die Bedeutung von Pflanzenschutzmitteln Effekt von Veränderungen in der Landwirtschaft und Gesellschaft auf die Entwicklung und die Verbreitung von Pflanzenkrankheiten Pflanzenzüchtung Kulturpraktiken (Monokultur) Düngemittel Pestizide Verstärkte Mobilität Pflanzenschutz - Vorbeugende Maßnahmen - Physikalische Bekämpfungsmaßnahmen - Chemische Bekämpfungsmaßnahmen (Insektizide, Fungizide, Nematizide ...) - Beizung und Entseuchung von Saat- und Pflanzgut - Schutz im Nacherntebereich (Vorratsschutz) - Bodenentseuchung - Biotechnische Verfahren - Biologische Bekämpfungsmaßnahmen - Integrierter Pflanzenschutz Krankheitsursachen Biotische Schäden Abiotische Schäden Temperatur Krankheitserreger Viren, Bakterien, Pilze) Strahlung Schadtiere Krankheit Boden Pflanzen Verletzung Osmose Schaden Phytotoxizität (direkt/indirekt) Konkurrenz Schaden oder Stress Verringerte Photosynthese Ertrags- und Qualitätsverluste Krankheitssymptome Schadsyptome Werden durch Befall der Pflanze induziert Werden durch Fraß der Pflanze hervorgerufen Pathogen lebt in der Pflanze Parasit ernährt sich vorwiegend auf der Pflanze • Viroide • Viren • Phytoplasmen • Bakterien • Pilze • Nematoden (wandernde: saugende, fressende) • Spinnentiere (Milben) • Molluscen (Schnecken) • Insekten obligate fakultative Parasiten • Nematoden (sedentäre: gallbildende, zystenbildende) • Vögel • Nagetiere u.a. • Epiphyten Diagnose von Pflanzenkrankheiten Pathogen oder Umwelt Infektiöse Krankheit Krankheit, die durch mehr als ein Pathogen verursacht wird Nicht-infektiöse Krankheit Identifizierung einer bisher nicht bekannten biotischen Krankheitsursache (Koch‘sche Regeln): 1. Pathogen muss immer und in allen untersuchten Pflanzen mit der Krankheit assoziiert sein 2. Pathogen muss isoliert und in Reinkultur genommen werden. Auf Nährmedium müssen die Eigenschaften beschrieben werden (nicht obligate Parasiten) oder es muss auf einem anfälligen Wirt kultivierten werden (obligat biotrophe Parasiten), wo alle Merkmale aufgenommen werden. 3. Pathogen muss aus der Kultur bzw. Wirtspflanze isoliert werden und nach Inokulation einer gesunden Pflanze die gleichen Krankheitssymptome hervorrufen 4. Die beschriebene Prozedur muss wiederholt werden und exakt die selben Symptome produzieren Vorbedingungen für die Entstehungen von Krankheiten und Beschädigungen Disposition der Pflanze Fähigkeit zum Befall der Pflanze - Pathogenität Pathogenität Begriff ist qualitativ: ja oder nein, pathogen oder nicht pathogen! - Virulenz Virulenz Begriff ist quantitativ: schwach virulent oder hoch virulent! Zusammentreffen vor Wirt und Schaderreger Indirekte Übertragung - Übertragung durch Vehikel - unbelebte Überträger (Anemochorie, Hydrochorie) - Übertragung durch Vektoren - Direkte Übertragung - Autonome Übertragung - Besondere Formen der Übertragung Pflanze – Mikroorganismen Interaktion Kontakt keine Erkennung keine Interaktion Erkennung Inkompatibilität Hypersensitive Reaktion (HR) Kompatibilität Infektion Pathogenese Nekrosen Ausschluss des Pathogens Symbiose Der Krankheitszyklus - Inokulation: Art des Inokulums (primär, sekundär) Quelle des Inokulums Verteilung des Inokulums -Prä-Eindringphase: Sporenkeimung (Pilze), Samenkeimung (Pflanzen), Schlüpfen von Eiern (Nematoden) Anheften des Pathogens an den Wirt Erkennng zwischen Wirt und Pathogen -Penetration -Infektion: Invasion Kolonisierung Wachstum und Reproduktion des Pathogens -Verteilung -Überdauerung • Ausbreitung des Erregers im Gewebe • Symptomausprägung • Fortpflanzung des Erregers • Ausbreitung des Erregers im Pflanzenbestand • Quantitative und qualitative Verluste Fruktifikationszeit • Eindringen des Erregers in die Pflanze (Infektion) Inkubationszeit Pathogenese Voraussetzungen für die Pathogenese: Infektionszeit Schematische Übersicht über die einzelnen Phasen der Pathogenese Eindringen von Viren in die Wirtspflanze Wunden Blattläuse) saugende oder stechende Insekten als Überträger (z.B. Eindringen von Bakterien in die Wirtspflanze Eindringen von Pilzen in die Wirtspflanze Direct penetration Penetration through natural openings Penetration through wounds Eindringen von Nematoden in die Wirtpflanze Überdauerungsmechanismen für Pathogene Die Verbreitung von Krankheitserregern durch Tiere und Mensch Wichtige Gruppen von Pflanzenpathogenen und ihre Eigenschaften Viren sehr klein; DNA oder RNA als Erbinformation; keine eigene Reproduktionsmaschine auf Wirt angewiesen; Eindringen durch Wunden oder vermittelt durch andere Organismen Mycoplasmen-ähnliche Organismen (MLO) jetzt: Phytoplasmen keine Zellwand, nur 3-schichtige Membran; vielgestaltig; hauptsächlich im Phloem der Wirtspflanze; über Zikaden übertragen; Vorkommen hauptsächlich im tropischen oder subtropischen Bereich; ca. 250 Krankheiten bekannt Rickettsien-ähnliche Organismen (RLO) gewellte äußere Zellwand; vorwiegend im Xylem der Wirtspflanze; ca. 25 Krankheiten bekannt Bakterien Eindringen über Wunden oder natürliche Öffnungen; 3 verschiedene Krankheitsbilder unterscheidbar: 1) Absterbeerscheinungen, Welkeerkrankungen, 2) Formveränderungen, 3) Farbveränderungen; Ausbreitung in der Flüssigkeit der Interzellularen durch Eigenbewegung ( Geißeln) oder in den Leitbahnen Pilze komplexe Lebenszyklen; Ausbildung von Verbreitungsorganen, Verbreitungsmechanismen; z.T. eigenständiges Eindringen in die Pflanze möglich (mechanisch durch Auflösen der Zellwand); Bildung von Organen zur Nährstoffaufnahme in der Pflanze ( Haustorien) Übersicht über Phytopathogene und ihre Größe im Vergleich zur Pflanzenzelle protozoa head of nematode virus mollicutes bacterium fungus (mycelium) Parasitäres Verhältnis Obligate Parasiten: -hochspezialisiert -Vermehrung nur auf lebendem Substrat Nicht obligate (fakultative) Parasiten: -größter Teil des Lebenszyklus auf dem Wirt, i.d.R. aber auch Vermehrung auf totem Substrat möglich Symbionten (oder „sanfte Parasiten“): -je nach Umweltbedingungen haben beide Partner etwas davon, manchmal aber nur der eine; Lebenszyklus im Wirt Ernährungsform: Biotrophie Ernährung ausschließlich von lebenden Pflanzenzellen (obligate P.) (Symbionten) Pertotrophie Erreger schwächt Wirtsgewebe mittels Toxinen und besiedelt es, Ernährung durch geschwächtes Gewebe (nicht obligate P.) Nekrotrophie Ernährung von totem Substrate, das bereits vorhanden ist (obligate Saprophyten) Alles eine Frage des Life-Styles! Nekrotrophe Pathogene: Totes Gewebe Cochliobolus heterostrophus Biotrophe Pathogene: Interzellular Cladosporium fulvum Subcuticular Venturia inaequalis Inter- und intrazellular Claviceps purpurea Ustilago maydis Extrazellular mit Haustorien in Epidermis Echter Mehltau Interzellular mit Haustorien im Parenchym dikaryotische Rostpilze Hemibiotrophe Pathogene: Erst biotroph, Magnaporthe grisea dann nekrotroph Phytophthora infestans Colletotrichum spp. Spezialisierung der Erreger Symptomatologie Äußerlich sichtbare Symptome Anatomische und histologische Veränderungen Veränderungen des Stoffwechsels Symptomatologie Äußerlich sichtbare Symptome Tracheobakteriosen, Tracheomykosen - Welkeerscheinungen Virosen - Verfärbungen - Absterbeerscheinungen Abwerfen v. Pflanzenorganen, Dürre, Fäulnis veränderte Phytohormonkonzentrationen - Formveränderungen - Umfallerscheinungen Infektion der Stängelbasis Bakterienexsudate - Ausscheidungen - Beschädigungen (Stich- und Fraßschäden) z.B. Insekten, Milben - Epiphyten und Parasiten als Schadsymptom z.B. Mistel Welkeerscheinungen, hervorgerufen durch Tracheobakteriosen, Tracheomykosen oder Wurzelbefall Schwarzbeinigkeit und Knollennassfäule Erwinia carotovora var. atroseptica Clavibacter michiganensis Verfärbungen, hervorgerufen durch Virosen Viröse Vergilbung der Rübe Mischinfektion Viröse Gelbverzwergung der Gerste BYDV = barley yellow dwarf virus Absterbe-Erscheinungen: Abwerfen von Pflanzenorganen, Dürre, Fäulnis V. inaequalis, P. viticola, Apfelwickler Wassermangel durch Insketen (z.B. Thripse), Monilia Spitzendürre Monilia Spitzendürre Nass- / Trockenfäule Gloeosporium am Apfel, Knollen-Nassfäule E. carotovora Gloeosporium-Fäule am Apfel Knollen-Nassfäule Formveränderungen stehen oft im Zusammenhang mit veränderten Konzentrationen von Phytohormonen Plasmodiophora brassicae Kohlhernie Agrobacterium Wurzelkropf Taphrima deformans Umfallerscheinungen durch Infektion der Stängelbasis Augenfleck Phoma betae an Rübe Parasitärer Halmbruch durch Pseudocercosporella herpotrichoides Ausscheidungen Honigtau Bakterien-Exsudat Feuerbrand an Kernobst, hervorgerufen durch Erwinia amylovora Große Getreideblattlaus an Ähre Besiedlung mit Schwärzepilzen Fraßschäden eine Epidermis fehlt Rübenblattwespe Getreidehähnchen ferner: Bohrfraß: Fraß zwischen den Epidermen Mesophyll fehlt Rübenfliegenlarve Larven von Rapsstängelrüssler, Schnellkäfer, Apfelwickler Kaufraß: Larve des Getreidelaufkäfers Schabefraß: Schnecken Nagefraß: Wühlmaus Anatomische und histologische Veränderungen - Veränderungen von Zellbestandteilen - Kernhypertrophie oder –degeneration - Plasmabewegung, Vakuolisierung - Plastiden (Chlorophyllverlust durch Toxine) - Papillen, Einkapselungen eingedrungener Hyphen - Veränderungen von Geweben und Organen - Gallen - Tumore - Gewebeneubildungen Veränderungen des Stoffwechsels - Wachstumsregulatoren (IES, Gibberelline, Cytokinine, Ethylen, Abscisinsäure) - Photosynthese - Atmung - Phenolmetabolismus - N-Metabolismus (Nukleinsäure- und Proteinstoffwechsel) - Wasserhaushalt Phytohormone und Pflanzenkrankheiten