Pathophysiologie der atopischen Dermatitis

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M E D I Z I N
Natalija Novak
Thomas Bieber
Pathophysiologie der
atopischen Dermatitis
Neue Erkenntnisse und der Nutzen für die Praxis
Zusammenfassung
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine komplexe, multifaktoriell bestimmte Erkrankung.
Wichtige Konsequenz für die Praxis ist die
Berücksichtigung genetischer Aspekte der Erkrankung, um frühzeitig Kinder mit erhöhtem
Risiko zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten. Insbesondere die Beobachtungen zur intrinsischen Form der atopischen
Dermatitis belegen, dass die AD zwar häufig
mit Sensibilisierungen einhergeht, diese aber
nicht zwingende Voraussetzung für die Manifestation der Erkrankung sind. Dies deutet auf
weitere, bislang noch nicht vollständig identifizierte Auslöser der Erkrankung hin. Daher ist
insbesondere die intrinsische Subgruppe von
Patienten von großem Forschungsinteresse.
Auch in Hinblick auf viele therapeutische Strategien, die von einer Prädominanz IgE-vermit-
telter Mechanismen bei dieser Erkrankung
ausgehen, haben sich in den letzten Jahren
viele neue Aspekte ergeben, die zum Umdenken auffordern.
Schlüsselwörter: Allergie, atopische Dermatitis, Immunglobulin, Molekularbiologie, Pathophysiologie
Summary
Pathophysiology of Atopic Dermatitis
Atopic dermatitis represents a chronic inflammatory skin disease which results from complex interactions between genetic and environmental
mechanisms. An important consequence for
the daily clinical practice will be to characterize
the genetic background underlying this disease
finally. Especially the observations pertaining
D
ie atopische Dermatitis (AD) ist
eine chronisch entzündliche Hauterkrankung die in den zurückliegenden 30 Jahren einen dramatischen
Inzidenzanstieg in der westlichen Welt
erfahren hat, sodass mittlerweile nahezu
10 Prozent aller Kinder und etwa drei
Prozent der Erwachsenen in den Industrieländern von dieser Erkrankung betroffen sind. In den letzten Jahren konnten wesentliche Fortschritte bei der
Charakterisierung der genetischen, epidemiologischen und immunologischen
Mechanismen erzielt werden, die dieser
komplexen Erkrankung zugrunde liegen und die die Basis für effektive therapeutische Strategien bilden.
Kaiser Augustus – ein Atopiker
der Geschichte machte
Eine der ältesten dokumentierten „atopischen“ Familienanamnesen führt fast
2000 Jahre zurück in das julisch-claudische Kaiserhaus (48). Hier waren minKlinik und Poliklinik für Dermatologie (Direktor: Prof. Dr.
med. Dr. és sci. Thomas Bieber), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
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the intrinsic form of atopic dermatitis prove
that although atopic dermatitis often goes along
with sensitizations, sensitizations are not a necessary prerequisite for the manifestation of the
disease. Therefore the group of intrinsic patients
is of particular interest. Moreover, effective new
treatment strategies for each subtype of atopic
dermatitis might develop in the future. These
could be quite different from most of the recent
therapeutic strategies which are based on
the concept of a predominance of IgE-mediated
mechanisms. Altogether, future approaches in
clinically oriented research will be needed to
complete the understanding of this kind of
disease and develop effective therapeutic strategies and prevention mechanisms in this ever
challenging disease.
Key words: allergy, atopic dermatitis, immunglobulin, molecular biology, pathophysiology
schichtlich sondern auch aus
dermatologischer Sicht außergewöhnlich und hat schon damals das Paradebeispiel eines
klassischen Atopikers verkörpert, da er gleichzeitig an allergischer Rhino-Konjunktivitis, allergischem Asthma bronchiale und einer atopische
Dermatitis, also dem Vollbild
der so genannten atopischen
Diathese gelitten hat.
Eine Krankheit
auf der Suche nach
ihrem Namen
destens drei miteinander verwandte
Familienmitglieder Atopiker – einer davon war Kaiser Augustus. Das Wort
Atopie selbst kommt von dem griechischen Wort Atopos und bedeutet so viel
wie am falschen Ort oder außergewöhnlich. Atopie ist definiert als eine
familiär gehäufte Bereitschaft zur
Überempfindlichkeit der Haut und der
Schleimhäute (75). Wie man den Aufzeichnungen über Kaiser Augustus entnehmen kann, war er nicht nur ge-
Es existiert wohl keine andere dermatologische Erkrankung, für die ein
ähnlich großes Repertoire an verschiedenen Namen geschaffen wurde,
wie die atopische Dermatitis (20). Die
Vielzahl der für die AD in den letzten
Jahren verwendeten Namen spiegelt
die laufende Veränderung im Verständnis der zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen dieser Erkrankung wider. Jedoch ließ die
außerordentliche Komplexität der Er-
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krankung sowie der rasante Zugewinn
an Daten über den genetischen Hintergrund, die Epidemiologie, Pathophysiologie sowie die Klinik der atopische Dermatitis es bis heute nicht zu,
einen alle zufriedenstellenden Konsensus in dieser Hinsicht zu schaffen.
Die Chronologie der Namen, die in
den letzten 100 Jahren für diese
Entität geschaffen wurden, ist in der
Tabelle dargestellt. Im nachfolgenden Beitrag wird durchgehend die Bezeichnung atopische Dermatitis gewählt.
Klinisches Bild und
verschiedene Facetten
Das klinische Bild der AD ist oft klassisch: Es handelt sich dabei um eine
chronisch entzündliche Hauterkrankung die typischerweise von heftigem
Juckreiz begleitet wird und meist in
der frühen Kindheit beginnt und bis in
das Erwachsenenalter persistieren
kann. Für die Diagnosestellung wichtig ist das Vorliegen stark juckender
ekzematöser, manchmal auch lichenfizierter Läsionen in typischer Lokalisation (33). Zudem weisen die Patienten meist charakteristische Atopiestigmata (19), wie beispielsweise eine
tiefe Furchung der Handlinien die
auch „Ichthyosis- oder I-Hand“ genannt wird, halonierte periorbitale
Regionen sowie eine doppelte Unterlidfalte nach Dennie-Morgan, eine
Ausdünnung der Augenbrauen im
seitlichen Bereich (Hertoghe-Zeichen), einen weißen Dermographismus und eine ausgeprägte Xerosis
der Haut auf. Das klinische Bild der
AD wandelt sich oft mit dem Lebensalter der Betroffenen. Das erste Zeichen ist der typische Milchschorf im
Bereich des Gesichts und der Kopfhaut im Säuglingsalter, der seinen Namen durch die „nach verbrannter
Milch“ aussehenden, gelblich-weißen,
festhaftenden Krusten erhalten hat.
Zudem sind Säuglinge und Kleinkinder meist im Kopf-, Gesichts- und
Halsbereich von ekzematösen Hautveränderungen betroffen, die durch
das ständige Kratzen exkoriiert und
superinfiziert sein können (Abbildung a). Im Schulkindalter dominie-
ren dann die klassischen Beugenekzeme in den Ellenbeugen-, Kniekehlenund Handgelenken (Abbildung b). Die
AD kann in einigen Fällen bis ins Erwachsenenalter persistieren, als Spätmanifestation bei Erwachsenen erstmalig in Form eines dyshidrosiformen
Handekzems auftreten oder sich auch
als „head and neck“-Dermatitis manifestieren (Abbildung c).
Das klinische Spektrum ist breit gefächert und reicht von Minimalvarianten wie der Pityriasis alba bis hin zu
schweren erythrodermischen Formen,
bei denen nahezu die gesamte Körperoberfläche befallen ist (33). Eine
Übersicht über die klinischen Erscheinungsformen und Differenzialdiagnosen der AD ist in den Textkästen 1 und
2 dargestellt.
Beim diagnostischen Vorgehen
steht zunächst die Anamnese und das
klinische Bild im Vordergrund sowie
mögliche (Nahrungsmittel-) Allergien
und Unverträglichkeiten in Kombination mit typischen Atopiestigmata. Im
nächsten Schritt kann durch die Be´
Tabelle
stimmung des Serum-IgE und allergenspezifischen IgE, der Prick-Testung,
des Atopie-Patch-Tests oder bei Verdacht auf eine Kontaktsensibilisierung
auch durch Epikutantestungen das
Vorliegen möglicher Sensibilisierungen verifiziert werden (Grafik 1).
Extrinsische
und intrinsische Form
Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass Sensibilisierungen und Allergien wesentlicher Bestandteil der AD
sind. Seit den Arbeiten von Wüthrich
in den 1980er-Jahren wurde bekannt,
dass bei etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit AD nach Bestimmung der
allergen-spezifischen IgE und PrickTestung keine Sensibilisierungen auf
Aero- und Nahrungsmittelallergene
nachweisbar sind, obwohl diese Patienten ein völlig identisches klinisches Bild der Erkrankung aufweisen
wie Patienten mit Sensibilisierungen.
Ähnlich wie man es schon vom Asth-
´
Benennungen der atopischen Dermatitis
Prurigo diathésique
Besnier (1892)
Névrodermite diffuse
Brocq (1902)
Prurigo Besnier
Rasch (1903)
Eczéma constitutionel
Brocq (1927)
Früh- und spätexsudatives Eczematoid
Rost (1928)
Eczema Infantum
–
Eczema flexurarum
–
Neurodermatitis disseminata and pruriginosa
–
Hay fever eczema / Asthma eczema
–
Neurodermitis
Rost und Marchionini (1932)
Atopic Dermatitis
Wise und Sulzberger (1935)
Endogenes Ekzem
Korting (1954)
Neurodermitis constitutionalis sive atopice
Schnyder und Borelli (1967)
Neurodermitis atopica sive constitutionalis
Wuthrich (1983)
Pures / gemischtes atopisches Ekzem
Wuthrich (1989)
Atopiforme Dermatitis
Bos (1998) (2002)
Extrinsisches / intrinsisches atopisches Ekzem
Wuthrich (1989)
IgE-mediiertes / Nicht IgE-mediiertes atopisches Ekzem
–
Allergic / non-allergic Atopic Eczema Dermatitis Syndrome
Johansson (2001)
Die hohe Anzahl und Vielfalt der verschiedenen Namen, die man im Laufe der Jahre für diese Entität geschaffen hat, spricht für die Unklarheit
und die Vielzahl von Fragen, die die AD aufwirft.
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ma und der Rhinitis kennt, unterscheidet man daher bei der AD eine mit Allergien und Sensibilisierungen einhergehende Form und eine ohne Allergien und Sensibilisierungen auftretende
Variante der Erkrankung (10, 19, 23,
29, 30, 39, 41, 44, 52, 55, 67, 68). Diese
Unterscheidung ist von hoher klinischer Bedeutung, da sie für die Betreuung und präventive Strategien bei
Patienten mit AD relevant ist.
Genetik und Epidemiologie
Die AD hat in den letzten 30 bis 40
Jahren einen dramatischen Inzidenzanstieg in der westlichen Welt erfahren. Der Gipfel der Inzidenz liegt in
den ersten drei Lebensmonaten. Eine
positive Familienanamnese für AD
nimmt einen hohen Stellenwert bei
der Einschätzung des Erkrankungsrisikos ein. Mithilfe von epidemiologischen Studien konnte gezeigt werden,
dass das Risiko für ein Kind an AD zu
erkranken sich verdoppelt, wenn eines
der Elternteile an AD erkrankt ist und
sich verdreifacht, wenn beide Elternteile an AD leiden (1, 53). Diese und
andere Hinweise auf einen hohen Einfluss genetischer Faktoren haben in
den letzten Jahren zur Initiierung umfangreicher genetischer Studien dieser
komplexen Erkrankung geführt.
Neben einer Reihe von Kandidatengenen für die AD konnten kürzlich
auch gemeinsame Kandidatengene
der AD mit einer anderen chronisch
entzündlichen Hauterkrankung der
Psoriasis vulgaris nachgewiesen werden, die hauptsächlich auf Chromosom 1q21 und 17q25 lokalisiert sind.
Dies ist der erste Hinweis auf eine
mögliche gemeinsame genetische Prädisposition für chronisch entzündliche
Hauterkrankungen von Patienten mit
AD und Patienten mit Psoriasis. Hier
könnten Genprodukte infrage kommen, die die Einwanderung bestimmter Entzündungszellen begünstigen
oder für die (fehlerhafte) Kontrolle einer lokalen Entzündungsreaktion relevant sind.
Als langfristige Konsequenz für die
Praxis könnten Patienten mit hohem
Risikoprofil für AD und atopische Erkrankungen schon in der frühen Kind-
A 110
heit identifiziert werden, um durch
frühzeitige prophylaktische Maßnahmen das Auftreten und den Schweregrad der Erkrankung vermindern zu
können.
Die Hygiene-Hypothese
Die so genannte Hygiene-Hypothese
ist die meist favorisierte Erklärung für
den rasanten Inzidenzanstieg der AD
(13, 60, 61). Diese Hypothese besagt,
dass eine erhöhte Inzidenz der AD
und anderer atopischen Erkrankungen im Zusammenhang mit einem
höheren Lebensstandard sowie mit
den hygienischen Verhältnissen in den
Industriestaaten, bestehend aus steigendem Einsatz von Antibiotika und
neuen Impfstrategien steht (69). Auch
wird vermutet, dass die Reduzierung
der Kinderzahl pro Ehepaar positiv
mit dem Auftreten der AD korreliert.
Sicher ist, dass ein wesentlicher Teil
der Faktoren, die zu einer atopischen
Erkrankung führen, bereits in der
frühen Kindheit wirksam sind. Bestandteile von Bakterien können über
verschiedene Rezeptoren des angeborenen Immunsystems, beispielsweise
die Toll-like-Rezeptoren (TLR) Immunantworten auslösen, die zur Produktion hoher Mengen von typischen
Th1-Zytokinen wie Interferon-γ führen. Durch die Reduktion bakterieller
und viraler Infektionskrankheiten in
Kombination mit einer möglicherweise reduzierten Fähigkeit von Atopikern, die Th1-vermittelnden Signale
über entsprechende Rezeptoren aufzunehmen, kommt es zu einer Abnahme des protektiven Effekts der Th1Immunantworten zugunsten der für
atopische Erkrankungen charakteristischen Th2-Antworten. Dies kann zu
einem Fortschreiten der Erkrankung
führen (Grafik 2).
Insbesondere die Mikroflora im Gastrointestinaltrakt der Kinder hat sich
im Rahmen der Veränderung der Lebensgewohnheiten in der westlichen
Welt dahingehend gewandelt, dass der
protektive Effekt durch das Verschwinden bestimmter Bakterienstämme vermindert wurde. In Anlehnung
an diese Theorie konnten in finnischen
Studien durch Einnahme von Lactoba-
cillus rhamnosus (ATCC 53103) von
Müttern mit atopischen Erkrankungen in der Schwangerschaft und bei
deren Kindern bis zum sechsten Lebensmonat eine signifikante Abnahme
der AD-Inzidenz erzielt werden (27,
28). Man konnte nachweisen, dass
durch die Zufuhr von Lactobacillus
rhamnosus der Gehalt an antiinflammatorischen Zytokinen, wie „transforming growth factor“ (TGF)-β in der
Muttermilch sowie Interleukin-10 (IL10) im Serum dieser Kinder gesteigert
wird. Hierdurch kann insbesondere
bei Kindern mit erhöhten Serum-IgEWerten ein protektiver Effekt hinsichtlich der Manifestation einer AD
erzielt werden (50).
Als Konsequenz für die Praxis setzt
man daher große Hoffnung auf die
frühzeitige Identifizierung von Risikokindern durch die Charakterisierung
prädiktiver Faktoren im Nabelschnurblut. Dies könnte eine Aussage über das
Risiko des Kindes, später an einer atopischen Dermatitis zu erkranken, ermöglichen. Bei diesen Kindern könnte
der positive Einfluss von Th1-Immunantworten gezielt, beispielsweise durch
den Einsatz von Probiotika, unterstützt
werden (4).
Einfluss von Umweltfaktoren
Aufschluss über die hohe Bedeutung
von Umweltfaktoren bei der Entwicklung der extrinsischen und intrinsischen Form der AD haben epidemiologische Untersuchungen von Patienten aus der ehemaligen DDR und
BRD erbracht. Im Anschluss an den
Fall der Mauer im Jahr 1989 war die
Anzahl der AD-Patienten, die an der
intrinsischen Form litten, in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Im Verlauf der nächsten Jahre
nahm die Zahl der Patienten mit intrinsischer AD in Ostdeutschland zugunsten der extrinsischen Variante ab
(54). Diese Daten weisen klar auf den
Einfluss der Angleichung des Lebensstils, das heißt die Veränderung von
Lebensgewohnheiten und anderen
bisher nicht identifizierten Umweltfaktoren als wichtige Parameter bei
der Entstehung der extrinsischen und
intrinsischen Variante der AD hin.
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Weitere Hinweise erbrachten Verlaufsstudien mit Kindern, die an AD
erkrankt waren. Man konnte nachweisen, dass bei Kindern, die zunächst von
der intrinsischen Form der AD betroffen waren und keine Sensibilisierungen aufwiesen, sich im Verlauf von
fünf bis zehn Jahren größtenteils Sensibilisierungen entwickelten und somit
die initiale intrinsische Form der AD
in eine extrinsische Form überging.
Dies bedeutet, dass die intrinsische
Variante der AD die ursprüngliche
Form der Erkrankung darstellt, die bei
70 bis 80 Prozent der Patienten in Abhängigkeit von bestimmten Genkonstellationen sowie Umwelteinflüssen
in die extrinsische Variante übergehen
kann.
a
Vor- und Nachteile
des Stillens
Die Vor- und Nachteile des Stillens von
Risikokindern sind in den letzten Jahren sehr kontrovers diskutiert worden,
da sowohl positive als auch negative
Effekte auf die Entwicklung der atopischen Dermatitis bei gestillten Kindern nachweisbar waren (16, 56, 69). In
einigen Studien wurde ein protektiver
Effekt der Muttermilch für Kinder von
Eltern mit atopischen Erkrankungen
nachgewiesen, sodass auf der Basis
dieser Studien das Stillen von Risikokindern für mindestens drei Monate
befürwortet werden kann. Vermutlich
führen unter anderem antientzündliche, tolerogene Zytokine, die in hohen
Mengen in der Muttermilch vorhanden
sind, über die Produktion von IgA zu
einem protektiven Einfluss auf die
Entwicklung der AD (26). Bei Risikokindern hat sich zudem die allergenarme Ernährung der Mutter in der
Schwangerschaft und Stillzeit als günstig herausgestellt und ist daher in Einzelfällen empfehlenswert.
Nahrungsmittelallergene
Es konnte in der Vergangenheit nachgewiesen werden, dass bei 40 Prozent
der Kinder mit mittelschwerer bis
schwerer AD Nahrungsmittelallergene
eine Verschlimmerung der Erkran-
A 112
c
b
Abbildung: a) Im Kleinkindalter sind die Hautläsionen, die oft nässend und superinfiziert sind,
häufig im Kopf-Hals-Bereich lokalisiert; b) im Kindergarten- und Schulalter kommt es zu den
klassischen, meist eher trockenen Beugenekzemen. c) Im Erwachsenenalter können sowohl
Beugenekzeme, als auch die hier typische Kopf-Hals-Dermatitis auftreten.
kung bewirken können (7). Zu den
häufigsten Nahrungsmittelallergenen
zählen Eier, Milch, Weizen, Soja, Erdnuss und einige Fischarten. Um den
Verdacht einer Nahrungsmittelallergie
zu bestätigen, sollte daher in begründeten Fällen zunächst eine Bestimmung des allergenspezifischen IgE und
darüber hinaus auch Prick-Tests/BabyPrick-Tests durchgeführt werden. Sowohl orale Provokationen als auch
Auslassdiäten können zur Verifizierung und Klärung der Fragestellung
hinzugezogen werden. Zudem hat als
ergänzendes diagnostisches Verfahren
hier der Atopie-Patch-Test auf Nahrungsmittelallergene in den letzten
Jahren einen hohen Stellenwert gewonnen (38).
Die diagnostische Sicherung einer
solchen Nahrungsmittelallergie durch
mehrere der hier genannten Verfahren
sollte exzessiven Diätversuchen auf alleinigen Verdacht, die letztendlich nur
zu einer Mangel- oder Unterversorgung
führen, vorgezogen werden. Wichtig ist
auch zu berücksichtigen, dass die klinische Symptomatik durch Sensibilisierungen auf Ei, Milch, Soja und Weizen
häufig im weiteren Verlauf bei vielen
Kindern sehr oft verschwindet, während Sensibilisierungen auf Fisch oder
Erdnuss noch lange klinisch persistieren können.
Aeroallergene
Auch Aeroallergene, wie beispielsweise Tierhaare, Hausstaub aber auch
Pollen und Gräser nehmen als Triggerfaktor der AD einen hohen Stellenwert ein (62, 64). Auch hier hat sich neben der Bestimmung der allergenspezifischen IgE und der Prick-Testung
zur weiteren allergologischen Abklärung der Atopie-Patch-Test bewährt, bei dem Aeroallergene nach
dem Prinzip des Epikutantests auf den
Rücken aufgebracht werden und nach
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zwei bis drei Tagen abgelesen werden
(49). Bei klarem anamnestischen Zusammenhang zwischen der Allergenexposition und der Verschlechterung
des Hautzustandes sowie nachweisbarer Sensibilisierung, hat sich die Allergenreduktion durch entsprechende
Maßnahmen, wie die Verwendung von
allergen- und milbendichten Bettbezügen zur Reduktion der nächtlichen
Allergenbelastung durch Hausstaubmilben, bewährt (43).
Für eine Untergruppe von Kindern
mit AD, die bereits nachweisbare Typ1-Sensibilisierungen auf Aeroallergene haben und bei denen aufgrund einer positiven Familienanamnese ein
erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Asthma bronchiale besteht, konnte in der „early treatment of the atopic
child study“ (ETAC) ein signifikant
verringertes Auftreten von Asthma
durch die frühzeitige Prophylaxe mit
einer antiallergischen Therapie in
Form des Antihistaminikums Zeterizin erzielt werden (9).
Immunologische
Mechanismen
stützt. Diese Zytokinen aktivieren in
hohem Maße dendritische Zellen und
stimulieren die Rekrutierung von Entzündungszellen in die Haut, wie beispielsweise T-Zellen (17, 47, 59). Daher besteht eine wichtige Säule der
Therapie der AD in der effektiven und
konsequenten Basispflege der Haut
mit rückfettenden und rehydrierenden Maßnahmen zur Stärkung der
Hautbarriere der Patienten, beispielsweise mit hypoallergenen, harnstoffhaltigen Externa. Es ist wichtig zu beachten, dass die AD-Patienten aufgrund der reduzierten Hautbarriere
eine erhöhte Anfälligkeit für Kontaktsensibilisierungen aufweisen. Daher
sollten Duftstoffe und Konservierungsstoffe in den Hautpflegepräparaten möglichst vermieden werden.
Textkasten 1
Klinische Merkmale
Essenzielle Merkmale
Pruritus
Beugenekzeme und Ekzeme an den Extremitätenstreckseiten sowie Gesicht
Chronisch rezidivierende Dermatitis
Häufig assoziierte Merkmale
Reduzierte Hautbarriere und
intrinsischer Defekt der Keratinozyten
Positive Familienanamnese für Atopie
Die Hautbarriere, die an der Grenzfläche zur Umwelt für eine effektive
Abwehr zuständig ist, ist bei AD-Patienten gestört (40). Eine veränderte
Zusammensetzung der Ceramide, zellulärer Matrixproteine und Enzyme
soll diesem Phänomen zugrunde liegen. Als Konsequenz ergibt sich eine
ausgeprägte Hauttrockenheit (Xerosis), ein gesteigerter transepidermaler
Wasserverlust und eine Verschiebung
des pH-Werts in den alkalischen Bereich (36).
Ob nun diese Veränderungen sekundär im Rahmen der lokalen Entzündungsreaktion auftreten oder auch
primär als Ausdruck eines intrinsischen Defektes der Keratinozyten zu
interpretieren sind, bleibt noch ungeklärt. Gleichwohl wird die Möglichkeit eines intrinsischen Defektes der
Keratinozyten durch Beobachtungen
einer vermehrten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen unter-
Hautinfektionen
A 114
Xerosis / Lichenifizierung
Unspezifische Ekzeme an den Händen und Füßen
Erhöhtes Serum-IgE
Positiver Haut-Prick-Test
Beginn in der Kindheit
Andere Merkmale
Ichthyosis
Palmare Hyperlinearität
Kertosis pilaris
Pityriasis alba
Mamillenekzem
Weißer Dermographismus
Dennie Morgan intraorbitale Lidfalte
Periorbitale Verschattung
Hertoghe Zeichen
Gesichtserythem / Gesichtsblässe
Katarakt/Keratokonus
Das klinische Bild der atopischen Dermatitis ist sehr
breitgefächert, wobei klar definierte diagnostische
Kriterien zugrunde gelegt werden.
IgE-tragende dendritische Zellen
Die vermeintlich paradoxe Situation
des Patienten mit AD, der überwiegend an IgE-vermittelter allergischer
Reaktionen wie der allergischen Rhinitis aber auch an ekzematösen, zellulär vermittelten chronisch entzündlichen Reaktion der Haut erkrankt,
wurde pathophysiologisch lange Zeit
nicht in Einklang gebracht. Als jedoch
1986 erstmals IgE-tragende dendritische Zellen in der Haut von Patienten
mit AD beobachtet wurden (44),
konnten diese als das fehlende Bindeglied identifiziert werden. Dendritische Zellen (DZ) sind hoch spezialisierte antigenpräsentierende Zellen,
die im Immunsystem eine wichtige
Rolle einnehmen. Einige Jahre später
wurde der hochaffine IgE-Rezeptor
(FcεRI) als IgE-bindende Struktur
auf DZ in der Epidermis bei der
AD identifiziert. Hierbei konnten
zwei wesentliche epidermale DZ-Typen, die den hochaffinen IgE-Rezeptor (FcεRI) auf ihrer Zelloberfläche
tragen, in der läsionalen Haut bei ADPatienten näher charakterisiert werden. Die klassischen Langerhanszellen
(LZ) sind auch in normaler, nichtentzündlicher Haut zu finden. Nur in
der Haut der AD-Patienten exprimieren Langerhanszellen FcεRI in hohen Mengen (6). Die zweite wichtige
DZ-Population, die nur in entzündlich
veränderter, läsionaler Haut gefunden
werden kann, sind die inflammatorischen dendritischen epidermalen Zellen (IDEC), die die höchste FcεRI-Expression in der Haut aufweisen. IDEC
sind in normaler Haut gesunder Patienten und in nichtläsionaler Haut der
AD-Patienten nicht zu finden. IDEC
werden in der akuten Phase der AD
aus zirkulierenden oder dermalen
Vorläufern rekrutiert (71). Während
die Menge zirkulierender IDEC-Vorläufer im Blut im akuten Schub der
AD abnimmt, steigen diese Vorläufer
nach der Abheilung der Hautveränderungen im Blut aufgrund der nachlassenden Rekrutierung dieser Zellen
wieder an. Es wird vermutet, dass Allergene, die aufgrund der reduzierten
Hautbarriere der AD-Patienten vermehrt in die Epidermis eindringen
können, über IgE-Moleküle tragende
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DZ aufgenommen werden können.
Nach Antigenprozessierung werden
die Allergene dann spezifischen T-Zellen präsentiert, was zu einer weiteren
Steigerung der Entzündungsreaktion
und zur Auswanderung der DZ in die
regionalen Lymphknoten führt.
Bedeutung der T-Zellen
als Effektorzellen
Antigenspezifische aktivierte T-Zellen
sind in den Hautläsionen von Patienten mit AD nachgewiesen worden
(37), wobei sie durch die Expression
des „cutaneous T-cell antigen“ (CLA)
organspezifische Signale zur Einwanderung in die Haut erhalten können
(3). Dabei produzieren diese kutanen
T-Zellen hohe Mengen der Zytokine
IL-4, IL-5 und IL-13, die in der akuten
Th2-dominierten Phase der AD vorherrschen (2). Auch der Chemokinrezeptor CCR10 und das mit der Haut
assoziierte Chemokin CCL27 sind in
den Prozess der T-Zell-Einwanderung
in die entzündliche Haut, den man als
„T-cell homing“ bezeichnet, beteiligt
(21). Da diese Einwanderung von TZellen in der Initialphase der AD eine
bedeutende Rolle für die Entstehung
der Entzündungsreaktion spielt, bietet
dieser Mechanismus einen günstigen
Ansatzpunkt neuer therapeutischer
Strategien. Hierbei soll versucht werden, durch gezielte Blockierung der
Interaktion von Chemokinen und deren Liganden auf den T-Zellen die Rekrutierung von T-Zellen in die Haut zu
blockieren. Ein ähnlicher Mechanismus scheint bestimmten UV-Therapien der AD zugrunde zu liegen, da hierbei durch eine erfolgreiche Therapie
die Anzahl der T-Zellen mit einem
Chemokinrezeptor in den Hautläsionen reduziert wird (66).
Zytokinprofil in der Haut
Bei sensibilisierten Patienten, bei denen bestimmte Allergene (Aeroallergene oder Nahrungsmittelallergene)
klinisch relevant sind, löst deren Applikation auf die Haut im Rahmen des
Atopie-Patch-Tests eine ekzematöse
Hautläsion aus (18). Bei diesem Test
A 116
wurden auch erstmals molekularbiologische Analysen in der frühen Phase
der Hautläsionen möglich und ergaben
deutliche Hinweise auf einen biphasischen Charakter der AD. Dabei
konnte in den ersten 24 Stunden nach
Allergenkontakt eine Immunantwort
vom Th2-Typ und IL-4-, IL-5- und IL13-produzierende T-Zellen nachgewiesen werden. Gleichzeitig nimmt die
Zahl der IgE-beladenen dendritischen
Zellen, wie LZ und IDEC zu. Nach
48 bis 72 Stunden kommt es jedoch
zu einer Umwandlung der initialen
Th2-Immunantwort in eine Immunantwort vom Th1-Typ, bei der Interferonproduzierende T-Zellen dominieren.
Man vermutet, dass dieser Wechsel
durch die Interleukin-12-Produktion
einwandernder Eosinophile und IDEC
gefördert wird. Zudem konnte auch
klar gezeigt werden, dass es sich bei der
AD nicht, wie lange Zeit angenommen,
um eine Th2-Erkrankung handelt, sondern um eine biphasische Krankheit,
bei der zunächst eine Th2- und im weiteren Verlauf eine Th1-dominierte Immunantwort vorherrscht.
Die von T-Zellen über Fas-Liganden vermittelte Apoptose von Keratinozyten führt zum Verlust wichtiger
Zelladhäsionsmoleküle, sodass die
Keratinozyten sich aus dem Zellverband lösen. Infolge dieses Phänomens
entsteht die histologisch für akute ekzematöse Hauterkrankungen charakteristische Spongiose. Zudem werden
durch den Zelltod der Keratinozyten
potenzielle Autoallergene freigesetzt.
Botenstoffe Interleukin-16 (IL-16)
(15), Eotaxin aber auch „macrophagederived chemokine“ (MDC), „thymus
and activation regulated chemokine“
(TARC) (24, 25), „regulated on activation, normal T-cell expressed and
secreted“ (RANTES) (24) sowie das
lösliche CD30-Molekül (sCD30) als
Zeichen der verstärkten Krankheitsaktivität im Blut nachweisbar (14).
Diese Stoffe können im akuten Schub
Textkasten 2
Differenzialdiagnosen
Chronische Dermatosen
Seborrhoische Dermatitis
Kontaktdermatitis
Nummuläres Ekzem
Psoriasis
Ichthyosis
Kongenitale Erkrankungen
Netherton-Syndrom (Ichthyosis linearis circumflexa, Trichorrhexis und atopische Dermatitis)
Familiäre Keratosis pilaris
Infektiöse Erkrankungen
Skabies
HIV-assoziierte Dermatosen
Dermatophyteninfektionen
Bösartige Erkrankungen
T-Zell-Lymphome
(Mycosis fungoides, Sézary-Syndrom)
Letter-Siwe-Erkrankung
Immunologische Erkrankungen
Dermatitis herpetiformis
Pemphigus foliaceus
Graft versus host disease
Dermatomyositis
Serologische Marker und
Krankheitsmonitoring
Immundefizienzen
Auch im Blut der AD-Patienten finden
sich charakteristische, krankheitsspezifische Veränderungen, die teilweise
mit der Krankheitsaktivität korrelieren, wie eine Eosinophilie, verlängerte
Überlebenszeit der Eosinophilen und
die Erhöhung des „eosinophilic cationic protein“ (ECP). Neben einem erhöhten Spiegel an Th2-Zytokinen wie
IL-4, IL-5 und IL-13 einerseits und einer erniedrigten Konzentration des
Th1-Zytokins IFN-γ, sind bei vielen
AD-Patienten im akuten Schub hohe
Mengen der chemotaktisch wirksamen
Wiskott-Aldrich-Syndrom
Kombinierte Immundefizienz
Hyper-IgE-Syndrom
DiGeorge-Syndrom (kongenitale Thymusaplasie)
Metabolische Erkrankungen
Zinkmangel-Syndrom
Vitamin-B6- oder Niacin-Mangel
Phenylketonurie
Die AD bietet eine Fülle von differenzialdiagnostischen Erwägungen, die insbesondere deswegen
wichtig zu berücksichtigen sind, weil die AD auch Bestandteil von komplexen Syndromen sein kann.
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im Wesentlichen die Rekrutierung von
Entzündungszellen in die Haut vermitteln. Hieraus ergibt sich für die Praxis
die Möglichkeit, zukünftig den Anstieg
dieser Faktoren als Indikator für einen
bevorstehenden Schub im Sinne eines
Monitoring zur frühzeitigen therapeutischen Intervention zu nutzen. Zudem
könnte man mit neutralisierenden Antikörpern das Anfluten dieser löslichen
Mediatoren und die nachfolgende Rekrutierung von Entzündungszellen in
die Haut inaktivieren, um einem neuen
Ausbruch der Erkrankung entgegenzuwirken.
Neuroimmunologische
Faktoren
Einer der wichtigsten Provokationsfaktoren der AD, der immer wieder anamnestisch als Auslöser akuter Schübe
identifiziert werden kann, sind emotionale Faktoren und Stress. Obwohl
die genauen Interaktionen des Immunsystems der Haut bei der AD mit
dem Nervensystem nicht exakt charakterisiert sind, vermutet man, dass
diese Mechanismen durch neuroimmunologische Faktoren wie Neuropeptide, die in den epidermalen Nerven in direkter Nähe zu dendritischen
Zellen gefunden werden können, eine
bedeutende Rolle spielen (45, 63).
Manche Neuropeptide, wie das „calcitonin-gene related peptide“ (CGPR)
oder das „proopiomelanocortin-derived hormone“ (α-MSH), welches von
Keratinozyten produziert wird, können gegenregulatorische, anti-entzündliche Mechanismen in der Haut in die
Wege leiten (57).
Vermutlich begünstigt der Wegfall
der teilweise zu einer Toleranz führenden Einflüsse dieser Neuropeptide in
Kombination mit zusätzlichen, die allergisch entzündlichen Reaktionen fördernden Effekte bestimmter Neuropeptide den Ausbruch der AD. Die
psychosomatische Mitbetreuung der
Patienten und Strategien zur Stressund Krankheitsbewältigung sowie
Neurodermitis-Schulungen von Betroffenen und deren Familien wirken
sich daher positiv auf den Krankheitsverlauf aus und können in Form von
Aufenthalten in entsprechenden Kur-
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sensibilisiert sich gegen diese
Enterotoxine und produziert
allergenspezifische IgE-Antikörper, wie beispielsweise
Staphylococcus-aureus-Enterotoxin A, (SEA), Enterotoxin B, (SEB), Enterotoxin C
(SEC), Enterotoxin D (SED)
oder „toxic-shock-syndrometoxin“-1 (TSST-1) (34). Es
konnte nachgewiesen werden,
dass die Menge des gebildeten allergenspezifischen IgE
gegen Staphylococcus aureus
Im Mutterleib dominieren während der Schwangerschaft und
in der frühen Kindheit Immunantworten vom Th2-Typ. Durch
direkt mit der Krankheitsakdie Reduktion des Th1-prägenden Einflusses, der durch bakteritivität der AD korreliert.
elle und virale Infektionen vermittelt wird, kommt es in der
Das besondere an SuperKindheit zu einer Manifestation der Th2-Dominanz im Immunantigenen ist, dass sie regusystem dieser Kinder. Dies begünstigt das Fortschreiten atopilär über allergenspezifische
scher Erkrankungen, die in bestimmten Lebensphasen als atopische Dermatitis, allergische Rhinitis und Asthma auftreten
IgE-vermittelte Internalisiekönnen.
rung und den Weg der Prozessierung in der entsprechenDarstellung verschiedener pathophysiologisch relevanden extrazellulär lokalisierter Parameter
ten Proteindomäne der MHCII-Moleküle (MHC, „major
kliniken, die auf das Krankheitsbild histocompatibility complex“) an Tausgerichtet sind, umgesetzt werden. Zellen präsentiert werden können,
Hier haben auch autogenes Training, was eine antigenspezifischen T-Zelldas Erlernen von weiteren Entspan- proliferation ermöglicht. Ferner könnungstechniken und die Akupunktur nen diese Superantigene aber auch
ihren Stellenwert.
den MHC-II-T-Zell-Komplex überbrücken und bestimmte T-Zellen auf
direktem Wege unabhängig von ihrer
Antigenspezifität in außerordentlich
Mikrobielle Einflüsse
kräftigem Maße stimulieren. Zudem
besteht der Verdacht, dass SuperanStellenwert der Superantigene
tigene einen Beitrag zur SteroidreDie Haut und auch die Nasenhöhlen sistenz einiger AD-Patienten beitrader AD-Patienten sind häufig mit Sta- gen, weil sie in der Lage sind, Glucophylococcus aureus besiedelt, die eine corticoid-Rezeptoren so zu verändern,
Dichte von bis zu 1 Million/cm2 Haut dass diese ihre Bindungsfähigkeit verannehmen können. Der Juckreiz und lieren.
das häufige Kratzen führen bei den
Patienten dazu, dass die Bakterien
über extrazelluläre Matrixproteine Rolle von
und so genannte Adhesine in die Pityrosporum ovale
Epidermis eindringen können. Adhesine und damit auch eine hohe Anzahl Auch der Hefepilz Pityrosporum ovavon Bakterien sind insbesondere in le (Malessazia furfur), welcher häufig
Hautarealen zu finden, in denen ein auf der Haut der AD-Patienten nachtypisches Th2-Mikromilieu mit den weisbar ist, spielt eine wichtige Rolle
Th2-Zytokinen IL-4, IL-5 und IL-13 als Triggerfaktor der Hautläsionen.
Insbesondere bei Patienten mit der
vorherrscht.
Von großer pathophysiologischer „head-and neck“-Form kann allerRelevanz bei der AD ist Staphylococ- genspezifisches IgE gegen Pityrocus aureus, weil dieses Bakterium in sporum ovale und in einigen Fällen
hohen Mengen Enterotoxine produ- auch ein positiver Prick-Test oder
ziert (58). Ein Teil der AD-Patienten Atopie-Patch-Test auf Pityrosprorum
Grafik 1
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ovale nachgewiesen werden
(22). Auch allergenspezifisches IgE gegen Candida albicans ist bei einem Teil der
Patienten detektierbar.
Diese Beobachtungen liefern die Begründung, warum
durch eine gezielte antimikrobielle Therapie, wie der
Anwendung von lokalen Antiseptika, antibiotischer oder
in Einzelfällen sogar systemischer antifungistatischer Therapie beispielsweise mit Ketoconazol, eine Verbesserung
des klinischen Bildes erzielt
werden kann und diese antimikrobiellen Strategien oft
Bestandteil einer erfolgreichen Therapie sind.
Grafik 2
Stellenwert von
Virusinfektionen
Auch in Bezug auf Virusinfektionen besteht bei Patienten mit einer atopischen Dermatitis eine erhöhte AnfälligAuf der Basis einer genetischen Prädisposition entwickelt sich
keit. Dies erklärt das begünunter dem Einfluss von Allergenen und Umweltfaktoren
zunächst ein reines Ekzem, welches in Hinblick auf eine positistigte Entstehen von Mollusve Familienanamnese und bei Atopiestigmata und in Abhänken oder Verrucae vulgares
gigkeit des klinischen Bildes als atopisches Ekzem diagnostiaber auch die Entwicklung
ziert werden kann. Mithilfe weiterer diagnostischer Maßnaheines Eczema herpeticatum
men wie der Bestimmung des Gesamt-IgE, allergenspezifischer
bei einigen Patienten. Das
IgE, Haut-Prick-Testungen sowie Atopie-Patch-Tests kann dann
zwischen der reinen, intrinsischen Form und der gemischten,
Eczema herpeticatum stellt
mit Sensibilisierungen einhergehenden extrinsischen Form der
eine wichtige Komplikation
AD differenziert werden.
der AD dar. Hierbei kommt
es meist infolge eines Herpes
Postnataler Wechsel der T-Helferzellen Th2/Th1
simplex labialis zu einer disseminierten Aussaat multipler, einzeln stehender, ausgestanzter Produktion von Typ-1-Interferonen
Hautläsionen auf dem Gesicht und zur Abwehr von viralen Infektionen
dem gesamten Körper unter Ver- zuständig.
schlechterung des AllgemeinzustanEin Grund für die generell erhöhdes und häufig in Verbindung mit Fie- te Anfälligkeit von Patienten mit atober.
pischer Dermatitis für SuperinfektioEine mögliche Ursache dieser ver- nen durch mikrobielle sowie virale
minderten Abwehr von Virusinfekten Einflüsse ist der kürzlich in der Haut
kann neben der insuffizienten Haut- dieser Patienten nachgewiesene Manbarriere und dem charakteristischen gel an Defensinen, die Bestandteil des
Mikromilieu in der Haut ein kürzlich angeborenen Immunsystems sind und
nachgewiesener Mangel an plasmazy- für eine zügige und effektive Abwehr
toiden dendritischen Zellen in der von eindringenden mikrobiellen ProHaut der AD-Patienten sein (73). Die teinen zuständig sind. Durch den fehplasmazytoiden dendritischen Zellen lerhaften Schutzmantel der Haut in
bilden eine Untergruppe der DZ und Kombination mit einem Defizit an nasind im Wesentlichen für die effektive türlichen Abwehrmechanismen durch
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Defensine bei hoher mikrobieller Besiedlungsdichte können daher mikrobielle Superinfektionen eine dramatische Verschlechterung des Krankeitsverlaufs bewirken (42).
Autoallergene
Eine Autoreaktivität gegenüber IgE
wurde schon seit langem bei der AD
vermutet. Zusammen mit Analysen
von Allergenen, die große Ähnlichkeiten mit humanen Proteinen aufweisen,
hat dies zu der Hypothese geführt,
dass auch Autoimmunreaktionen bei
der AD eine Rolle spielen.
Inzwischen konnte eine Reihe von
IgE-reaktiven Autoantigenen identifiziert werden, die hauptsächlich intrazelluläre Proteine darstellen. Zu diesen zählen humane Antigene, die mit
Inhalations- und Nahrungsmittelallergenen kreuzreagieren, Atopie-assoziierte Autoantigene (ARA) sowie
strukturell modifizierte Autoantigene,
die vom Immunsystem als fremd erkannt werden.
Es wird vermutet, dass durch das
heftige Kratzen und den dadurch erzeugten mechanische Schaden diese
Autoallergene aus dem Zellinneren
freigesetzt werden und dann ihrerseits
Mastzellen, autoreaktive T-Zellen und
möglicherweise auch dendritische Zellen aktivieren können (65). Dies würde bedeuten, dass bei der AD allergisch entzündliche Reaktionen zunächst durch exogene Antigene induziert werden und dann durch Triggerfaktoren wie endogene Autoantigene
aufrechterhalten werden können, sodass es zu einem Circulus vitiosus
kommt. Ein rein hypothetisches, aber
durchaus denkbare Szenario besteht
darin, dass die AD zunächst beim
Kleinkind als nichtallergisches, intrinsisches Ekzem beginnt, sich dann bei
den meisten Patienten in die extrinsische, mit exogenen Allergenen einhergehende Form umwandelt.
Im weiteren Verlauf entwickelt sich
durch die chronisch rezidivierenden allergisch entzündlichen Vorgänge eine
autoallergische Reaktion im Sinne einer Art Autoimmunerkrankung, die
hauptsächlich von Autoallergenen dominiert wird.
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Moderne Therapie
Nachdem seit mehr als 50 Jahren die
topische Therapie mit Corticosteroiden und in schweren Fällen auch die
systemische Steroidtherapie Mittel der
Wahl bei der Behandlung der AD ist,
konnte trotz der Weiterentwicklung
der topischen Steroide, der Abwägung
des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zur
Vermeidung von Nebenwirkungen und
Langzeitschäden und der Aufklärung
der Patienten über den richtigen Umgang mit diesen Präparaten die Angst
vor der Medikation mit Steroiden
nicht vollständig beseitigt werden und
stellt nach wie vor ein großes Problem
bei der Langzeitbehandlung der AD
dar. Die Einführung der so genannten
topischen Immunmodulatoren (TIM),
zu denen man die Wirkstoffe Tacrolimus (FK506) und Pimecrolimus zählt,
welche seit dem letztem Jahr in Salben
und in Form einer Creme in Deutschland erhältlich sind, haben zu substanziellen Verbesserungen in der Behandlung der AD geführt (5, 11). Beide Substanzen zählen zu den Makroliden und
sind Abkömmlinge von Ascomycin,
welches in systemischer Form in der
Transplantationsmedizin schon lange
verwendet wird. Als Lokaltherapeutikum wirken die Präparate jedoch nicht
immunsuppressiv, sondern immunmodulierend und binden hochselektiv an
spezifische zytoplasmatische Immunophiline (FK-506-bindende Proteine,
FKBP), die dann Calcineurin binden
und die Phosphatase Calcineurin an ihrer Bindung an den Transkriptionsfaktor NF-AT hindern (46, 70, 72).
Klinisch kommt es in den meisten
Fällen schon nach kurzer Anwendungsdauer zu einer deutlichen Verbesserung des Hautzustandes (51).
Insgesamt besteht die Strategie sowie
der Nutzen für die Praxis bei der Anwendung von TIM darin, dass durch
frühzeitige und konsequente Behandlung das Auftreten und Ausbreiten der
ekzematösen Hautläsionen verhindert
werden kann.
Weitere Therapiemöglichkeiten bestehen neben der klassischen lokalen
oder in einigen Fällen auch systemischen Gabe von Corticosteroiden, in
der Behandlung mit UVA1, PUVA
(Psoralen Ultraviolett A) oder UVB
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sowie in schweren Fällen in der Gabe
von Immunsuppressiva wie beispielsweise Cyclosporin A und der extrakorporalen Photopherese (8, 31–33, 35).
Alternative Behandlungsmethoden
wie beispielsweise Akupunktur, autogenes Training und Entspannungstechniken zielen hauptsächlich darauf ab,
Stressbewältigungstechniken zu erlernen sowie den oft sehr quälenden
Juckreiz besser zu verarbeiten, um das
als Triggerfaktor geltende heftige Kratzen zu reduzieren. Homöopathische
Behandlungsmethoden und traditionelle chinesische Medizin zeigen interindividuelle Schwankungen in der Erfolgsrate (76, 77). Basierend auf einem
Mangel an essenziellen Fettsäuren bei
AD-Patienten wird nach wie vor die
Gabe von essenziellen Fettsäuren wie
γ-Linolensäure in lokaler oder systemischer Verabreichung beispielsweise in
Form von Nachtkerzenöl-Präparaten
kontrovers diskutiert, weil es sich dabei
zwar um eine relativ nebenwirkungsarme Behandlungsmethode handelt, der
Nachweis eines positiven Effektes in
entsprechend angelegten Studien jedoch bislang nicht erbracht werden
konnte (12, 74).
Manuskript eingereicht: 4. 8. 2003, revidierte Fassung
angenommen: 15. 10. 2003
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2004; 101: A 108–120 [Heft 3]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im
Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0303 abrufbar ist.
Anschrift der Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Natalija Novak
Prof. Dr. med. Dr. és sci. Thomas Bieber
Klinik und Poliklinik für Dermatologie
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
Sigmund-Freud-Straße 25
53105 Bonn
E-Mail: [email protected]
[email protected]
MEDIZINGESCHICHTE(N))
AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT
Imagination Geburtsschwindel
Geburtsschwindel der Maria Toft, Kupferstich von William Hogarth, 1726; aus Eugen Holländer:
Die Karikatur und Satire in der Medizin. Stuttgart: Enke-Verlag 1905. Der Maler und Kupferstecher Hogarth (1697–1764) begründete die englische Karikatur.
Maria Toft aus Guilford führte den bekannten Londoner Geburtshelfer Sir Richard Manningham (der gynäkologische Untersucher auf dem Bild) hinters Licht, der entsprechend der Imaginationslehre tatsächlich überzeugt
war, sie habe Kaninchen zur Welt gebracht. Rechts an der Tür ein Bauer, der ein Kaninchen bei sich trägt und vom
Wundarzt Howard, der bei dem Betrug beteiligt war, mit den Worten zurückgewiesen wird: „It´s too big.“ In Renaissance und früher Neuzeit galt die Imagination (lat. imaginatio, Ein-Bildung) als unsichtbarer Werkmeister im
Menschen, der an der Frucht im Mutterleib Muttermale und Missbildungen (zum Beispiel „Hasenscharte“) aber
auch Seuchen (zum Beispiel Pest) hervorrufen könne.
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