1999-23 Cushing-Syndrom infolge ektoper ACTH

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Der besondere Fall
C. Eggenberger a, M. Brändle a, b,
R. L. Galeazzi a, G. A. Spinas b, C. Schmid b
a
b
Klinik A für Innere Medizin,
Kantonsspital St. Gallen
Abteilung für Endokrinologie
und Diabetologie,
Departement für Innere Medizin,
Universitätsspital Zürich
Schweiz Med Wochenschr 1999;129:890–95
Peer reviewed article
Cushing-Syndrom infolge ektoper
ACTH-Produktion:
ungewöhnliches Fallbeispiel,
Klinik, Diagnostik und Therapie
Summary
Ectopic ACTH secretion due to malignant tumours is the most frequently underdiagnosed
form of Cushing’s syndrome. The majority of
neoplasms causing ectopic ACTH syndrome
are small-cell cancers of the lung or carcinoids.
Other well-documented cases include adenocarcinoma of the lung, medullary thyroid carcinoma, pancreatic islet tumours and malignant thymoma. We report a rare case of
metastatic colonic adenocarcinoma with ectopic ACTH syndrome. Clinical features such
as proximal muscle weakness, peripheral
oedema, hypertension or hirsutism in women,
or the presence of unexplained hyperglycaemia, hypokalaemia or metabolic alkalosis
in patients with known malignancy strongly
suggest ectopic ACTH syndrome. Removal of
the source of ACTH is the treatment of first
choice, but often not feasible. Most often,
treatment modalities are only palliative, with
drugs directed against hypercortisolism such as
aminoglutethimide, metyrapone, ketoconazole
or mifepristone.
Keywords: Cushing’s syndrome; ectopic
ACTH secretion; colon cancer
Eine ektope ACTH-Produktion durch maligne
Tumoren verursacht die häufigste nicht diagnostizierte Form des Cushing-Syndroms. Am
häufigsten wird ein ektopes ACTH-Syndrom
durch ein kleinzelliges Bronchuskarzinom oder
ein Karzinoid, seltener durch ein Adenokarzinom der Lunge, ein medulläres Schilddrüsenkarzinom, ein Inselzellkarzinom des Pankreas
oder ein malignes Thymom verursacht. Wir berichten über ein Cushing-Syndrom infolge ektoper ACTH-Produktion durch ein metastasierendes Adenokarzinom des Kolons, eine Rarität, die bisher erst zweimal in der Literatur
beschrieben wurde. Bei klinischen Zeichen wie
Muskelschwäche, Unterschenkelödemen, arte-
rieller Hypertonie oder Hirsutismus bei Frauen
sowie bei Laborbefunden wie Hypokaliämie,
Hyperglykämie oder metabolischer Alkalose
sollte bei Patienten mit malignem Leiden ein
ektopes ACTH-Syndrom gesucht werden.
Nach Möglichkeit ist eine kausale Therapie,
das heisst eine Reduktion der ACTH-produzierenden Zellmasse anzustreben. Häufig ist es
nur möglich, die Produktion oder Auswirkung
der exzessiven Cortisolmengen mit Medikamenten (Aminoglutethimid, Metyrapone, Ketokonazol, Mifepriston) im Sinne einer palliativen Therapie zu hemmen.
Keywords: Cushing-Syndrom; ektope ACTHProduktion; Kolonkarzinom
Cushing’s syndrome due to ectopic
ACTH secretion
Zusammenfassung
Korrespondenz:
Dr. med. C. Eggenberger,
Oberarzt Medizin,
Kantonsspital Bruderholz,
CH-4101 Bruderholz
890
Der besondere Fall
Schweiz Med Wochenschr 1999;129: Nr 23
Einleitung
Exzessive ektope ACTH-Produktion ist eine
relativ häufige und gut dokumentierte Ursache
eines klinisch charakteristischen Syndroms,
das bei etwa 15% aller Patienten mit endogenem Cushing-Syndrom gefunden wird [1, 2].
Die Assoziation von ektoper ACTH-Produktion und Tumorleiden wurde erstmals von
Brown erkannt und anschliessend von Liddle
et al. beschrieben [3, 4]. Tumoren, die ein ektopes ACTH-Syndrom verursachen, werden
heute den neuroendokrinen Tumoren zugeordnet. Dabei handelt es sich in etwa der Hälfte
der Fälle um Lungentumoren (Bronchuskarzinoid, kleinzelliges Bronchuskarzinom) [5], in
je etwa 10% um Thymustumoren (maligne
Thymome oder Thymuskarzinoide), Inselzellkarzinome des Pankreas sowie Phäochromozytome, selten um abdominale Karzinoide oder
medulläre Schilddrüsen-Karzinome. Nur ausnahmsweise verursachen Leber-, Prostata-,
Mamma- oder Kolonkarzinome dieses Syndrom [6].
Wir beschreiben den ungewöhnlichen Fall einer Patientin mit ektopem ACTH-Syndrom bei
metastasierendem Adenokarzinom des Kolons
und gehen anschliessend auf Klinik, Diagnostik und Therapie des ektopen ACTH-Syndroms ein.
Fallbeschreibung
Bei einer 51jährigen Frau wurde im März 1996 wegen Verdacht auf
ein rechtsseitiges Ovarial-Karzinom (FIGO IIIc) eine totale Hysterektomie, beidseitige Adnexektomie, Omentektomie sowie Biopsien
auffälliger Sigmaauflagerungen durchgeführt. Die histologische Untersuchung ergab jedoch die Diagnose eines Adenokarzinoms des
Kolons, weshalb im April eine anteriore Sigmaresektion vorgenommen wurde. Es konnte die definitive Diagnose eines metastasierenden, ulzerierenden, zum Teil stark schleimbildenden, mässig differenzierten Adenokarzinoms des Sigma (pT4 pN2 pM1 G2) gestellt werden. Die anschliessend eingeleitete palliative Chemotherapie musste
wegen Tumorprogression in ihrer Dosis und Zytostatikakombination mehrmals gewechselt werden. Am 7. 10. 1997 wurde die Patientin wegen zunehmender AZ-Verschlechterung, Muskelschwäche,
Beinödemen und progredienter Hepatopathie hospitalisiert. Bei der
klinischen Untersuchung imponierten ein balloniertes Abdomen mit
Aszites, ausgeprägte Unterschenkelödeme und ein abgeschwächtes
Atemgeräusch basal beidseits. Computertomographisch wurden
multiple Lebermetastasen, Aszites sowie bilaterale Pleuraergüsse
festgestellt. Im Aszites wurden zytologisch maligne Zellen eines wenig differenzierten Adenokarzinoms nachgewiesen. In den laborchemischen Untersuchungen bestand, trotz Sistieren der Diuretikamedikation und Elektrolytsubstitution, eine hartnäckige Hypokaliämie (2,0 mmol/l) sowie eine persistierende Hyperglykämie (7,3
mmol/l). Die Bestimmung des Kortisols im Plasma um 08.00 h und
16.00 h sowie im 24-h-Urin ergab massiv erhöhte Werte (Tab. 1).
Das ACTH betrug 722 ng/l. Das Plasmakortisol konnte mit 2 mg
Dexamethason nicht supprimiert werden. Aufgrund der rasch progredienten Klinik und der Laborbefunde stellten wir die Diagnose
eines Cushing-Syndroms infolge ektoper ACTH-Produktion durch
das bekannte metastasierende Adenokarzinom des Kolons und leiteten angesichts der disseminierten Metastasierung lediglich eine
palliative, medikamentöse Therapie zur Hemmung der Kortisolproduktion mit Aminoglutethimid (500 mg täglich) ein. Die Patientin verstarb am 23. 10. 1997.
Autoptisch wurde ein disseminierter Tumorbefall mit Peritonealkarzinose, Pleurakarzinose, Leber-, Milz- und Fettgewebsmetastasen sowie eine Hyperplasie der Nebennieren festgestellt. Die histologische Aufarbeitung der Nebennieren zeigte eine ausgeprägte, diffuse kortikale Hyperplasie mit zahlreichen kompakten eosinophilen
Zellen sowie vereinzelt angedeutete Noduli. In den immunhistochemisch untersuchten Metastasen konnte keine ACTH-Expression
nachgewiesen werden. Die Hypophyse zeigte histologisch ein reguläres Baumuster, und immunhistochemisch fanden sich keine Anhaltspunkte für ein Adenom oder eine Hyperplasie ACTH-produzierender Zellen.
Werte der Patientin
Normwerte
Morgenkortisol (8.00 h)
5034 nmol/l
400–690 nmol/l
Kortisol um 16.00 h
5196 nmol/l
85–460 nmol/l
ACTH
722 ng/l
9–52 ng/l
Kortisol im 24-h-Urin
16474 nmol/24h
110–436 nmol/24h
Kortisol nach Dexamethason-Suppression
4095 nmol/l
<140 nmol/l
Tabelle 1
Endokrine Laborresultate.
Diskussion
Die häufigsten Ursachen eines ektopen ACTHSyndroms sind das kleinzellige Bronchuskarzinom und Karzinoide. Das von uns beobachtete
Cushing-Syndrom infolge ektoper ACTH-Produktion durch ein metastasierendes Kolonkarzinom ist eine Rarität und wurde bisher erst
zweimal in der Literatur beschrieben [7, 8].
Die klinischen Leitsymptome beim ektopen
ACTH-Syndrom sind abhängig von der Art
des zugrundeliegenden Tumors. Patienten mit
einem okkulten, langsam wachsenden Tumor
(v.a. Karzinoide, medulläres Schilddrüsen-Karzinom, Phäochromozytom) zeigen das typische
Bild eines Morbus Cushing, so dass die diffe891
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rentialdiagnostische Abgrenzung zum eigentlichen, hypophysären M. Cushing schwierig ist
und oft erst nach Jahren, mit der Manifestation
des Ursprungstumors, gelingt. Symptome wie
zentripetale Fettverteilung, Striae rubrae,
dünne, fragile Haut, Gesichtsschwellung, arterielle Hypertonie und Osteoporose sind Folge
des jahrelangen Hyperkortisolismus [9]. Patienten mit einem rasch wachsenden malignen
Tumor (z.B. kleinzelliges Bronchuskarzinom)
entwickeln durchschnittlich bereits nach 3 Monaten Symptome, welche der exzessiven Glukokortikoid- und Mineralokortikoid-Rezeptor-vermittelten Wirkung des Kortisols zuzuschreiben sind [5]. Oft stehen eine ausgeprägte
proximale Muskelschwäche, Gewichtsverlust,
Hyperpigmentation, Hirsutismus, Unterschenkelödeme sowie eine Glukoseintoleranz, eine
persistierende Hypokaliämie und eine metabolische Alkalose im Labor im Vordergrund [6,
10, 11]. Weil das ektope ACTH-Syndrom zum
Abbildung 1
1 1 mg Dexamethason p.o.
um Mitternacht mit Bestimmung des Serumkortisols am nächsten Morgen
um 08.00 h
2 nach Ausschluss anderer
Krankheiten mit vermehrter Kortisolproduktion
(«Pseudo-Cushing»,
vgl. Text)
3 Quotient aus ACTH im
Sinus petrosus inferior /
ACTH im peripheren Blut
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Teil oligosymptomatisch verläuft und die Beschwerden des rasch progredienten malignen
Leidens im Vordergrund stehen, ist es die am
häufigsten nicht diagnostizierte Form eines
Cushing-Syndroms [12].
Die Diagnose des ektopen ACTH-Syndroms
basiert auf dynamischen Labortests mit Bestimmung von Kortisol und ACTH und dem
Nachweis des zugrundeliegenden Tumors.
Aufgrund der Tatsachen, dass das endogene
Cushing-Syndrom mit einer Prävalenz von
etwa 1 pro 100 000 Personen eine seltene Erkrankung darstellt und diagnostische Tests
zwar eine hohe Sensitivität, aber nur eine mässige Spezifität aufweisen, ist ein unkritisches
Screening mittels biochemischer Parameter an
einem unselektionierten Patientengut kaum gerechtfertigt [13, 14]. Es gilt daher, die Vortestwahrscheinlichkeit durch klinische Selektion
zu erhöhen.
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Der besondere Fall
Biochemische Diagnostik (Abb. 1)
Diagnose des Cushing-Syndroms
Die oft durchgeführte isolierte Bestimmung des
Serumkortisols als Screeningmethode bei Verdacht auf ein Cushing-Syndrom ist aufgrund
der pulsatilen Hormonausschüttung von geringem Nutzen. Der Low-dose-DexamethasonHemmtest mit Gabe von 1 mg Dexamethason um Mitternacht und Bestimmung des
Serumkortisols am folgenden Morgen um
08.00 h ist in der ambulanten Praxis ein zweckmässiger, einfach durchzuführender Screeningtest. Eine Suppression des Morgenkortisols
unter 140 nmol/l schliesst ein Cushing-Syndrom
aus [12]. Besteht trotz supprimiertem Kortisol
eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit für ein
Cushing-Syndrom, empfiehlt sich die Messung
der 24-h-Urinkortisolausscheidung und eine
Wiederholung des Dexamethason-Hemmtests
nach 1–6 Monaten. Der Nachteil des Lowdose-Dexamethason-Hemmtests liegt in der
tiefen Spezifität (70–80%), d.h. oft wird trotz
korrekter Durchführung eine überzeugende
Suppression des Kortisols nicht erreicht. Dies
ist besonders oft ein Problem bei Patienten mit
«Pseudo-Cushing»-Zuständen wie Stress bei
Intensivstationaufenthalt, grossen operativen
Eingriffen, Polytrauma oder schweren Infektionskrankheiten und Erkrankungen wie Alkoholismus, Depressionen, Anorexia nervosa,
schlecht eingestelltem Diabetes mellitus und
Adipositas. Ein beschleunigter DexamethasonAbbau bei Patienten, die Medikamente wie
Phenytoin, Carbamazepin oder Rifampicin erhalten, kann eine fehlende oder ungenügende
Suppression des Serumkortisols verursachen
[13]. Einen etwa gleichwertigen Screening-Test
bei Verdacht auf Cushing-Syndrom stellt die
Messung der Kortisolausscheidung im 24-hUrin dar. Bei adäquater Urinsammlung, dokumentiert durch Urinmenge und Kreatininausscheidung, wird bei einer Urinkortisolmenge
über dem Referenzwert des entsprechenden
Labors eine hohe Sensitivität (um 95%) für die
Diagnose eines Cushing-Syndroms erreicht.
Auch bei diesem Screening-Test gibt es oft
falsch positive Ergebnisse bei Patienten mit den
oben erwähnten «Pseudo-Cushing»-Zuständen, ausserdem bei Patienten mit Polydipsie.
Die Bestimmung des Kortisols im Urin ist analytisch anspruchsvoller als jene im Plasma, was
ebenfalls für irreführende Ergebnisse verantwortlich sein kann [15].
Ausgehend von der Überlegung, dass gesunde
Personen in der Nacht praktisch kein Kortisol
ausschütten, gilt ein erhöhter Mitternachts-Kortisolwert ebenfalls als Hinweis für ein Cushing-
Syndrom. Ein Mitternachts-Kortisolwert unter
50 nmol/l schliesst ein Cushing-Syndrom mit
grosser Wahrscheinlichkeit aus [16]. Dieser
Test kann allerdings nur unter Spitalbedingungen mit bereits liegendem venösen Zugang
durchgeführt werden.
Sind typische klinische Zeichen eines CushingSyndroms vorhanden, beide Screeningtests
(kleiner Dexamethason-Hemmtest, Kortisol
im 24-h-Urin) pathologisch und bestehen
anamnestisch und klinisch keine Anhaltspunkte für einen Pseudo-Cushing, kann die
Diagnose eines Cushing-Syndroms gestellt
werden.
Differentialdiagnose des Cushing-Syndroms
Als nächster Schritt erlaubt, bei gesichertem
Cushing-Syndrom, die ACTH-Messung die
Unterscheidung zwischen ACTH-abhängigen
und ACTH-unabhängigen Formen. Tiefe
ACTH-Werte unter 5 ng/l (1,1 pmol/l) sprechen für eine ACTH-unabhängige, meist
primär adrenale Form und «normale» bis erhöhte, also nicht supprimierte ACTH-Spiegel
(>10 ng/l bzw. 2,2 pmol/l) für ein ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom (M. Cushing oder
ektopes ACTH-Syndrom). Liegt die ACTHKonzentration über 110 pmol/l, so wird die
Diagnose eines ektopen ACTH-Syndroms
wahrscheinlicher [17].
Die Hauptschwierigkeit bei der weiteren Abklärung besteht in der Unterscheidung eines M.
Cushing (orthotope ACTH-Produktion) von
einem ektopen ACTH-Syndrom [18]. Bei bekanntem Karzinom, wie bei unserer Patientin,
ist die Diagnose eines Cushing-Syndroms infolge ektoper ACTH-Produktion naheliegend.
Die zuverlässigste Methode zur Lokalisation
der ACTH-Quelle in unklaren Fällen ist die
beidseitige Sinus-petrosus-inferior-Katheterisierung zur ACTH-Bestimmung vor und nach
Stimulation mit Corticotropin-Releasing-Factor (vgl. Algorithmus) [19]. Nicht invasive
Funktionstests sind weniger aussagekräftig [6].
Lokalisationsdiagnostik
Falls beim Nachweis einer ektopen ACTHProduktion kein malignes Leiden bekannt ist,
gilt es, mittels geeigneter Techniken den Tumor
zu lokalisieren. Aufgrund der Tatsache, dass in
etwa 50% der Patienten Bronchial-Tumoren
für die ektope ACTH-Produktion verantwortlich sind, sollte in erster Linie ein Thoraxröntgenbild angefertigt werden. Die Mehrzahl der
Bronchuskarzinome lässt sich mit dieser einfachen Untersuchung erfassen. Zum Nachweis
893
Der besondere Fall
bronchialer Karzinoide sind jedoch häufig eine
thorakale Computertomographie oder, wegen
der besseren Sensitivität, eine MRI indiziert
[20]. In ausgewählten Fällen ist eine thorakoabdominale Computertomographie beziehungsweise MRI oder eine Szintigraphie mit
radioaktiv markiertem Octreotid diagnostisch
hilfreich [21].
Immunhistochemie
Zur Erkennung neuroendokriner Tumoren
werden immunhistochemische Marker gesucht. Der Nachweis von ACTH im Tumorgewebe bei ektopem ACTH-Syndrom gelingt
aber lediglich in etwa 70% der Fälle [22]. Insbesondere bei rasch wachsenden hochmalignen Karzinomen wird ACTH oft nicht mehr
korrekt in Vesikeln gespeichert. Zudem wurde
eine gestörte Proteolyse des Proopiomelanocortins (Vorstufe von ACTH) mit Ausschüttung abnormer, aber immer noch biologisch
aktiver ACTH-Vorstufen beobachtet [23]. Dies
sind auch mögliche Erklärungen für den fehlenden ACTH-Nachweis in den Metastasen
des Kolonkarzinoms bei der hier beschriebenen
Patientin.
Therapie
Die Behandlung von Patienten mit ektopem
ACTH-Syndrom sollte immer unter Berücksichtigung ihrer Grundkrankheit und ihrer
Langzeitprognose erfolgen und richtet sich
gegen den ACTH-sezernierenden Tumor und/
oder den Hyperkortisolismus.
Die optimale Behandlung, nämlich die chirurgische Entfernung des ACTH-produzierenden
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Tumors, ist in vielen Fällen wegen des fortgeschrittenen malignen Grundleidens nicht möglich. Gute Resultate wurden für die operative
Entfernung bronchialer Karzinoide, Phäochromozytome und medullärer Schilddrüsen-Karzinome berichtet [24, 25]. Im seltenen Fall einer erfolgreichen Operation kommt es zu einer
akuten sekundären Nebennierenrindeninsuffizienz, so dass postoperativ bis zur Erholung
der supprimierten hypothalamo-hypophysäradrenalen Achse eine Kortisonsubstitution
vorgenommen werden muss.
Bei inoperablen Tumoren liegt das Ziel der Behandlung in der Hemmung der Kortisolproduktion beziehungsweise Kortisolwirkung. Bei
Patienten mit günstiger Langzeitprognose stellt
die bilaterale Adrenalektomie eine effektive
palliative Therapie dar [26]. Bei fortgeschrittenem Tumorleiden mit entsprechend kurzer Lebenserwartung stehen medikamentöse Massnahmen zur Palliation im Vordergrund, wobei
die erhofften Vorteile gegen allfällige Nebenwirkungen abgewogen werden sollten. Eine
Hemmung der Steroidbiosynthese kann mit
Metyrapone, Ketokonazol und Aminoglutethimid schon in wenigen Tagen erreicht werden
[27]. Zur Evaluation der Wirksamkeit und Verlaufskontrolle empfiehlt sich die Messung der
Kortisolausscheidung im 24-h-Urin, wobei
eine biochemische Normalisierung nicht immer auch zu einer klinischen Verbesserung
führt. Mifepriston (RU-486) hemmt im Gegensatz zu den oben erwähnten Medikamenten
nicht die Kortisolsynthese, sondern die Kortisolwirkung am Glukokortikoidrezeptor und
kann als Rezeptorantagonist in ausgewählten
Fällen (Psychose) zur symptomatischen Behandlung des Cushing-Syndroms verwendet
werden.
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