ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG www.springer-medizin.ch Abklärung bei Mikrohämaturie Ein Steinleiden schliesst einen Tumor nicht aus Jochen Binder, Matthias Eishold, Ronald Bräutigam, Frauenfeld D ie Prävalenz der asymptomatischen Mikrohämaturie beträgt beim Erwachsenen 0,19 bis 21 Prozent. Die Angaben variieren stark aufgrund verschiedener Definitionen der klinisch signifikanten Erythrozyturie und der unterschiedlichen Alterszusammensetzung der untersuchten Populationen. Wir empfehPD Dr. med. len in Anlehnung Jochen Binder an die Leitlinien E-Mail: der AUA («[email protected] rican Urological Association») folgende Definition der klinisch relevanten Mikrohämaturie: drei oder mehr Erythrozyten pro Gesichtfeld in der mikroskopischen Untersuchung des Urinsediments in zwei von drei regelrecht entnommenen Urinproben [1]. Der Streifentest des Urins ist in vielen Fällen unzuverlässig und differenziert nicht zwischen Erythrozyten, Hämoglobin und Myoglobin. Ein positiver Urinschnelltest erfordert daher immer eine mikroskopische Kontrolle zur Bestätigung des Vorliegens einer Erythrozyturie. Im Gegensatz zur Makrohämaturie handelt es sich bei der Mikrohämaturie oft um einen inzidentellen Befund. Dieser ist jedoch in bis zu 10% mit einem Malignom des Urogenitaltrakts assoziiert. Trotz dieses Risikos hat eine Studie gezeigt, dass bis zu 90% der Personen mit Mikrohämaturie in der Routineuntersuchung keine weitere Abklärung erhielten [2]. Für den Grund- 12 versorger stellt die Mikrohämaturie eine besondere klinische Herausforderung dar. Nur eine ausführliche Anamnese und die körperliche Untersuchung erlauben eine individuelle Einschätzung des Risikos für einen urothelialen Tumor und die Entscheidung über weitergehende Untersuchungen und/oder die Zuweisung zum Urologen. Einen entsprechenden Algorithmus zeigt Abbildung 1 [3]. Ätiologie und klinische Diagnostik Die Ätiologie der Mikrohämaturie ist vielfältig und reicht von klinisch irrelevanten Ursachen bis zu potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen (Tab. 1) [3]. In einer prospektiven Studie an 4020 Patienten mit Erythrozyturie (Mikrohämaturie 53,2%, Abb. 1 Abklärung der Mikrohämaturie Mikroskopische Urinuntersuchung zur Bestätigung der Erythrozyturie Ð Infektzeichen? (Dysurie, Pollakisurie, Flankenschmerzen, Leukozyturie, Nitritnachweis, Bakterien) Ð Wenn Ja: Infektbehandlung. Urinkontrolle 6 Wochen nach Therapieabschluss Ð Anhaltspunkte für glomeruläre Ursache? (Proteinurie, Kreatininerhöhung, Erythrozytenzylinder, dysmorphe Erythrozyten) Ð Wenn Ja: Zuweisung zu Nephrologen Ð Andere Ursachen wahrscheinlich? (Extremsport, Urethraltrauma, Menstruation, Medikamente) Ð Wenn Ja: Wiederholung der Urintestung nach Absetzen der vermuteten Faktoren Ð In allen anderen Fällen: Zuweisung zu Urologen Ð Bildgebende Abklärung des oberen Harntrakts (Sonographie, CTU, selten IVU) Ð Abklärung des unteren Harntrakts (Urinzytologie, meist Zystoskopie) HAUSARZT PRAXIS 2007 | 1 modifiziert nach [3] Die Mikrohämaturie ist ein häufiger Befund bei der Routineuntersuchung des Urins beim Erwachsenen und ist klinisch signifikant beim Nachweis von mindestens drei Erythrozyten pro Gesichtsfeld. Ihre Ätiologie reicht von inzidentellen Ursachen bis zu lebensbedrohlichen Erkrankungen. Das Fehlen evidenzbasierter Richtlinien erschwert die Entscheidung des Grundversorgers in der Praxis, wie weiter vorzugehen ist, im Zentrum steht aber der zuverlässige Ausschluss eines Malignoms des Urogenitaltrakts. CME-SCHWERPUNKT Makrohämaturie 46,8%) fand sich in der Mikrohämaturiegruppe in 4,8% und bei Makrohämaturiepatienten in 18,9% ein Malignom des Urogenitaltrakts [4]. Die Diagnostik erfolgte mittels flexibler Zystoskopie und Sonographie. Bedarfsweise wurde zusätzlich ein Intravenöses Urogramm (IVU) durchgeführt. Der Prozentsatz der Patienten, bei denen die Mikrohämaturieabklärung keine Ursache findet, ist in allen Untersuchungen gross und beträgt bis zu 68%. Je jünger ein Patient, desto seltener wird eine Ursache für die Mikrohämaturie gefunden [5]. Eine allgemeine Empfehlung zum Screening asymptomatischer Patienten auf Mikrohämaturie existiert nicht. Trotzdem wird der inzidentelle Befund einer isolierten Mikrohämaturie häufig im Urinstatus erhoben. Viele Urinstreifentests sind so empfindlich, dass sie bereits ein bis zwei Erythrozyten pro Gesichtsfeld detektieren [6]. Der Urinschnelltest hat eine Sensitivität von 91 bis 100% und eine Spezifität von 65 bis 99% auf Myoglobin, Hämoglobin und Erythrozyten. Die wohl häufigste Situation, in der eine Mikrohämaturie nachgewiesen wird, ist bei der Urinabklärung aufgrund von Symptomen eines Harnwegsinfekts. Der Urinstreifentest weist dann meist ausser Blut auch Leukozyten und Nitrit nach. In diesen Fällen sollte die antibiotische Behandlung des Infekts zum Verschwinden der Mikrohämaturie führen. Weiterführende Diagnostik ist nicht notwendig, wenn die Urinkontrolle sechs Wochen nach Infektbehandlung unauffällig ist. Die Anamnese kann wichtige Hinweise auf andere Ursachen der Mikrohämaturie liefern. Extreme sportliche Betätigung, sexuelle Aktivität, Harnröhrenverletzungen, rektale Prostatapalpation oder Menstruation führen in vielen Fällen zu einer transienten Erythrozyturie. Innerhalb von 48 Stunden nach Beendigung dieser Aktivitäten oder Zustände sollte jedoch eine Mikrohämaturie nicht mehr nachweisbar sein. Zu bedenken ist allerdings, dass auch eine tumorbedingte Mikrohämaturie durchaus passager sein kann. Die umfassende Medikamentenanamnese ist ebenfalls bedeutsam (Tab. 2). So bedingen einige verbreitete Substanzen wie z.B. Analgetika und Breitspektrumpenizilline unter Umständen eine Erythrozyturie. Bei einer Hämaturie unter oralen Antikoagulantien oder unter Plättchenaggregationshemmern (ASS, Clopidogrel) muss unbedingt eine urologische Ursache ausgeschlossen werden. Weitere wichtige Hinweise liefert aufgrund des erhöhten Risikos für ein urotheliales Carcinom die Raucheranamnese (auch Passivrauchen) und die Berufsanamnese. Eine nephrologische Ursache der Mikrohämaturie muss differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Der Nachweis von Erythrozytenzylindern oder >80% dysmorphen Erythrozyten im Sediment spricht für eine glomeruläre Störung, ebenso eine signifikante Proteinurie (>500 mg/24 h) oder ein erhöhtes Serumkreatinin. In diesen Fällen muss der Nephrologe zu weiterführender Diagnostik und ggf. Nierenbiopsie hinzugezogen werden. In den Fällen, in denen eine Infektion, eine harmlose transiente Mikrohämaturie oder eine glomeruläre Ursache nicht HAUSARZT PRAXIS 2007 | 1 Tab. 1 Differenzialdiagnose der Mikrohämaturie Glomeruläre Ursachen ˘ Alport-Syndrom ˘ Morbus Fabry (Angiokeratoma corpis diffusum) ˘ Rapid progressive Glomerulonephritis (Goodpasture-Syndrom) ˘ Hämolytische Urämie ˘ Purpura Henoch-Schönlein ˘ IgA-Nephropathie (oft Makrohämaturie) ˘ Lupus-Nephritis ˘ Membranoproliferative Glomerulonephritis ˘ Mesangioproliferative Glomerulonephritis ˘ Post-Streptokokken Glomerulo nephritis ˘ Andere postinfektiöse Glomerulonephritis (viral, Endokarditis) ˘ Syndrom der dünnen Basalmembran (benigne familiäre Hämaturie) ˘ Wegener’ Granulomatose Nichtglomeruläre Ursachen ˘ Tubulointerstitielle Nierenerkrankungen Akute Tubulusnekrose Familiär Hereditäre Nephritis Polyzystische Nierenerkrankung Infektionen: Pyelonephritis, Tuberkulose, Schistosomiasis Interstitielle Nephritis ˘ Medikamenten-induziert, z.B. Methicillin, Aminoglykoside, Cephalosporine, Gyrasehemmer, Paracetamol, Cyclophosphamid ˘ Infektionen wie Syphilis, Toxoplasmose, CMV, EBV ˘ Systemische Erkrankungen wie Sarkoidose, Lymphome, Sjögren’ Syndrom ˘ Flankenschmerz-Hämaturie-Syndrom ˘ Metabolisch Hyperkalziurie Hyperurikosurie ˘ Nierenzell-Carcinom ˘ Solitäre Nierenzysten ˘ Vaskuläre Erkrankungen Arteriovenöse Malformationen Maligne Hypertension Nierenarterienembolie Nierenvenenthrombose Sichelzellanämie Extrarenale Ursachen ˘ Benigne Prostatahyperplasie ˘ Urolithiasis ˘ Koagulopathie ˘ Kongenitale Missbildungen Posteriore Urethralklappe ˘ Endometriose ˘ Fremdkörper ˘ Infektionen Prostatitis Epididymitis Urethritis Zystitis ˘ Radiogene oder Medikamenten-induzierte inflammatorische Prozesse, Strikturen ˘ Transitionalzell-Carcinom der Blase, Urethra, Nierenbeckenkelchsystem und Harnleiter ˘ Trauma ˘ Tumorinfiltration ˘ Andere Ursachen Menstruelle Kontamination Geschlechtsverkehr Anstrengungshämaturie 13 CME-SCHWERPUNKT modifiziert nach [3] Tab. 2 Medikamente, welche Hämaturie verursachen ˘ Aminoglykoside ˘ Amitriptylin ˘ Analgetika ˘ Antikonvulsiva ˘ Aspirin ˘ Busulfan ˘ Chinidine ˘ Cyclophosphamid ˘ Diuretica ˘ Marcoumar ˘ Orale Kontrazeptiva ˘ Penizilline (Breitspektrum) ˘ Vincristin identifiziert worden sind, müssen eine bildgebende Abklärung des oberen Harntrakts und weiterführende Untersuchungen des unteren Harntrakts erfolgen. Bildgebende Abklärung des Harntrakts Die Intravenöse (IV-)Urographie, die Sonographie und die Computertomographie (CT) werden wahlweise eingesetzt zur Abklärung des oberen Harntrakts bei Mikrohämaturie. Bei unklaren Befunden oder Kontrastmittelallergie steht ausserdem die retrograde Pyelographie zur Verfügung. Jede dieser Methoden besitzt Vorteile. Die IV-Urographie galt jahrzehntelang als Standardbildgebung der oberen Harnwege. Sonographie und vor allem die Spiral CT-Urographie gewinnen kontinuierlich an Bedeutung. An zahlreichen Institutionen hat inzwischen die CT-Untersuchung die konventionell radiologische IV-Urographie weitgehend abgelöst. Intravenöse Urographie: Die IV-Urographie ist traditionell die initiale radiologische Untersuchung in der Abklärung des oberen Harntrakts bei Mikrohämaturie und ist in den meisten urologischen Praxen verfügbar. Sie definiert die Anatomie der Harnwege von der Niere bis zur Blase. Nachteile des IV-Urogramms sind die geringe Sensitivität bei flachen und intramuralen urothelialen Tumoren und bei kleinen Nierentumoren unter 3 cm Durchmesser. Der Vorteil der geringen Untersuchungskosten wird dadurch geschmälert, dass oftmals Folgeuntersuchungen erforderlich sind, wie v.a. CT oder retrograde Urographien. Sonographie: Die Ultraschalluntersuchung ist die sicherste und kostengünstigste Alternative für die bildgebende Abklärung der Mikrohämaturie. Die Exposition zu Röntgenstrahlung und jodhaltigem Kontrastmittel entfällt. Die Sonographie ist so auch die Methode der Wahl bei einer Schwangeren. Nierentumoren mit Durchmesser über 3 cm, Zysten und ein erweitertes Nierenhohlsystem werden im Ultraschall mit hoher Sensitivität nachgewiesen. Im direkten Vergleich mit IV-Urographie ist die Sonographie überlegen bei Nierentumoren, allerdings weniger verlässlich im Nachweis von urothelialen Tumoren des oberen Harntrakts, welche in der Diffenzialdiagnose der Mikrohämaturie eine bedeutendere Rolle spielen. Die Sensitivität der Sonographie in der Detektion von Nierensteinen liegt zwischen 64 und 96% und ist damit niedriger als bei Nativ-CT [7]. 14 Computertomographie: Die moderne CT-Technik bietet eine überlegene diagnostische Sicherheit in der Abklärung des oberen Harntrakts bei Mikrohämaturie. Beim Kolikpatienten gelingt der Steinnachweis im nativen Spiral-CT mit einer Sensitivität von nahezu 100%. Sonographie, IV-Urographie und Röntgenübersichtsaufnahme haben ihre Rolle daher in der Erstdiagnostik zunehmend verloren, behalten aber ihre Bedeutung für die Verlaufskontrolle nach Steintherapie. Im Vergleich mit IV-Urographie hat das native Spiral-CT den Vorteil einer hohen Genauigkeit hinsichtlich Steingrösse und -Lokalisation bei kurzer Untersuchungszeit und niedrigerer Strahlendosis. Bei Nachweis von Nierensteinen in der Mikrohämaturieabklärung kann in der Regel auf das Kontrastmittel-CT verzichtet werden. Besonders bei der schmerzlosen Mikrohämaturie ist jedoch zu beachten, dass Stein und Tumor oft parallel vorkommen (gemäss unseres Lehrsatzes: Stein maskiert Tumor). Ein urothelialer Tumor im Harnleiter kann z.B. einen spontanen Steinabgang behindern. Eine Reevaluation ist daher nach Abschluss der Steinbehandlung zwingend. Die Indikation zur Kontrastmittelgabe ist dann gegeben, wenn das native CT keinen Steinnachweis ergeben hat. Die Sensitivität des Kontrastmittel-CT hinsichtlich der Diagnostik kleiner Nierenparenchymveränderungen ist ebenso überlegen wie die von renalen und perirenalen Abszessen, von Niereninfarkten oder von Gefässaneurysmen. Kleine Tumoren kommen dabei oft besser in den koronaren als in den axialen Schnitten zur Darstellung. In der urographischen Phase nach ca. zehn Minuten (nach Lasixgabe 10 mg bereits nach ca. fünf Minuten) stellt sich der ableitende Harntrakt dar. Die CTUrographie erlaubt nicht nur die Darstellung von exophytischen Urothelveränderungen, sondern auch von planaren oder intramuralen Tumoren, die im IV-Urogramm wenig auffallen. Eine aufwändige Bildbearbeitung mit 3D-Rekonstruktion und die sorgfältige Befundung ist allerdings Voraussetzung, da urotheliale Tumoren auch im CT in bis zu 50% übersehen werden können (siehe auch Abb. 2) [8]. Das CT ist überdies besser als Sonographie und IV-Urographie geeignet, begleitende pathologische Veränderungen im Abdomen und Becken aufzudecken. Befunde im unteren Harntrakt wie z.B. Blasensteine oder Blasentumoren werden im CT ebenfalls häufig diagnostiziert. Daher gilt die Regel, dass die Abklärung des oberen Harntrakts vor der zystoskopischen Untersuchung des unteren Harntrakts vorzunehmen ist. Die überlegene diagnostische Sicherheit der CT-Technik in der Abklärung des oberen Harntrakts bei Mikrohämaturie ist unbestritten. Zu beachten ist jedoch die deutlich höhere Strahlenbelastung, wenn Kontrastmittelserien durchgeführt werden. Verglichen mit dem konventionellen IV-Urogramm liegt diese um den Faktor 1,5 höher [9]. Zu berücksichtigen ist allerdings auch die additive Strahlendosis, wenn zur weiteren Abklärung nach IV-Urogramm eine CT-Untersuchung notwendig ist. HAUSARZT PRAXIS 2007 | 1 CME-SCHWERPUNKT b Fotos: Binder a Abb. 2: CT-Urographie (a: Koronare Rekonstruktion, b: 3D-Rekonstruktion): Beispiel eines 45-jährigen Patienten in der Mikrohämaturieabklärung. Als Ursache fand sich ein kleiner Nierenbeckentumor rechts. Histologisch handelte es sich um ein Urothel-Carcinom im Stadium pTa G1. MRI: Die Magnetresonanztomographie kann ebenfalls zur Abklärung des oberen Harntrakts eingesetzt werden. Als Standardverfahren gilt sie jedoch aus Kosten- und Verfügbarkeitsgründen noch nicht. Gerade hinsichtlich des Einsatzes beim Niereninsuffizienten bestehen aktuell Bedenken, da ein neues Krankheitsbild der Nephrogenen Systemischen Fibrose eine eindeutige Assoziation zeigt mit dem Einsatz von Gadolinum als MRI-Kontrastmittel. FAZIT FÜR DIE PRAXIS ˘ Die Mikrohämaturie ist klinisch signifikant beim Nachweis von mindestens drei Erythrozyten pro Gesichtsfeld. ˘ Patienten mit Proteinurie, Erythrozytenzylindern und Kreatininerhöhung müssen dem Nephrologen vorgestellt werden. ˘ Die Mikrohämaturie mit Vorliegen von Infektzeichen sollte nach entsprechender Behandlung des Harnwegsinfekts sistieren. ˘ Patienten mit einer asymptomatischen Mikrohämaturie müssen jedoch weiter abgeklärt werden, ebenso Patienten mit einer nach Infektbehandlung persistierenden Mikrohämaturie. In Frage kommen dann sowohl Pathologien des oberen als auch des unteren Harntrakts. ˘ Die Evaluation beinhaltet daher immer die Bildgebung des oberen Harntrakts. Die CT-Urographie ist dabei hinsichtlich ihrer diagnostischen Sicherheit dem konventionellen IVUrogramm und der Sonographie überlegen. ˘ Die Urethrozystoskopie ist meist obligat zur Komplettierung der Diagnostik, in jedem Fall bei Patienten über 40 oder Risikofaktoren wie Nikotinabusus und berufliche Schadstoffexposition. 16 Retrograde Ureteropyelographie: Die retrograde Kontrastmitteldarstellung von Harnleiter und Nierenbeckenkelchsystem im Rahmen einer Zystoskopie ist in der Regel kein bildgebendes Verfahren zur initialen Abklärung der Mikrohämaturie. Die retrograde Ureteropyelographie hat jedoch eine Bedeutung bei unklaren Befunden, bei Kontrastmittelallergie oder beim niereninsuffizienten Patienten. Über die eingebrachten Ureterenkatheter besteht überdies die Möglichkeit der seitengetrennten Uringewinnung zur zytologischen Untersuchung. Abklärung des unteren Harntrakts Die Abklärung des unteren Harntrakts ist bei Mikrohämaturie in der Regel auch dann erforderlich, wenn die Abklärung des oberen Harntrakts pathologische Veränderungen ergeben hat. So muss beim Nachweis einer Urolithiasis besonders an eine urotheliale Zweitpathologie gedacht werden. Bei jedem Fall muss eine Kontrolle des Urinsediments nach Steinbehandlung erfolgen, bei besonderer Risikolage eine Zystoskopie. Bei 70% der Patienten bleibt die Ursache der Mikrohämaturie allerdings nach Ausschluss glomerulärer Ursachen und nach Bildgebung der oberen Harnwege ungeklärt. Spätestens jetzt muss zur Untersuchung des unteren Harntrakts die Zuweisung zum Urologen erfolgen. Zystoskopie: Alle Patienten ab 40 und solche mit Risikofaktoren für einen Blasentumor sollten eine Zystoskopie zur Abklärung der Mikrohämaturie haben. Die Zystoskopie ist die einzige zuverlässige Methode, um einen urothelialen Tumor der Blase oder Harnröhre festzustellen. Der Nachteil der Zystoskopie ist, dass sie besonders bei Männern schmerzhaft ist und daher meist in Sedoanalgesie durchgeführt wird. Alternativ gibt es heute die flexible Zystoskopie, welche weniger HAUSARZT PRAXIS 2007 | 1 CME-SCHWERPUNKT unangenehm und bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers vergleichbar zuverlässig ist. Urinzytologie: Die zytologische Untersuchung des Urins, oder besser eine Exfoliativzytologie der Blasenspüllösung, erhöht die diagnostische Sicherheit der Zystoskopie zusätzlich. Nach den Empfehlungen der AUA [1] kann bei Patienten unter 40 ohne Risikofaktoren auf die Zystoskopie verzichtet werden, nicht jedoch auf die Urinzytologie. Die zytologische Untersuchung hat eine hohe Spezifität (95–100%), ist aber weniger empfindlich als die Zystoskopie bei der Früherkennung von gut differenzierten Blasen-Carcinomen. Bei hochgradigen urothelialen Tumoren und Carcinoma in situ hat die Zytologie jedoch eine recht hohe Sensitivität. Eine ganze Reihe von Urintestsystemen wurde in den letzten Jahren auf ihre Eignung für eine Blasentumorfrüherkennung evaluiert. Keiner dieser Tests kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt für die Routineanwendung in der Mikrohämaturieabklärung empfohlen werden. PD Dr. med. Jochen Binder Chefarzt Urologie, Kantonsspital Frauenfeld 8500 Frauenfeld/TG E-Mail: [email protected] Literatur: 1. Grossfeld GD, Wolf JS, Litwin MS, et al. Asymptomatic microscopic hematuria in adults: summary of the AUA Best Practice Policy Recommendations. Am Fam Physician 2001; 63: 1145–1154. 2. Sutton JM. Evaluation of hematuria in adults. JAMA 1990; 263:2475–2480. 3. McDonald MM, Swagerty D, Wetzel L. Assessment of microscopic hematuria in adults. Am Fam Physician 2006; 73: 1748–1754. 4. Edwards TJ, Dickenson AJ, Natale S, Gosling J, McGrath JS. A prospective analysis of the diagnostic yield resulting from the attendance of 4020 patients at a protocol-driven haematuria clinic. BJU Int 2006; 97: 301–305. 5. Tomson C, Porter T. Asymptomatic microscopic or dipstick haematuria in adults: which investigations for which patients? A review of the evidence. BJU Int 2002; 90: 185–198. 6. Cohen RA, Brown RS. Clinical practice. Microscopic hematuria. N Engl J Med 2003; 348:2330–2338. 7. Jaffe JS, Ginsberg PC, Gill R, Harkaway RC. A new diagnostic algorithm for the evaluation of microscopic hematuria. Urology 2001; 57 :889–894. 8. Michael M, John H, Wildermuth S, Ruedi C, Marincek B, Boehm T. Diagnostische Abklärung der schmerzlosen Mikrohämaturie: Prospektive Studie zum Vergleich von Bildqualität, Beurteilbarkeit und diagnostischer Sicherheit von MDCT und IVU in einem Untersuchungsgang. Röfo 2005; 177: 1436–1446. 9. Nawfel RD, Judy PF, Schleipman AR, Silverman SG. Patient radiation dose at CT urography and conventional urography. Radiology 2004; 232: 126–132.