März 2015 Diagnostic Update Retikulozytenzahl bei Hunden und Katzen IDEXX Laboratories gibt bei jedem großen Blutbild die Retikulozytenzahlen mit an. Hintergrund Die Bestimmung der Retikulozytenzahl erfolgte bislang vorwiegend bei anämischen Patienten, um zwischen regenerativer und nicht regenerativer Anämie unterscheiden zu können. Diese Information kann als Orientierung für eine zielgerichtete diagnostische Aufarbeitung verwendet werden, um die Ätiologie der Anämie näher zu bestimmen. Auch bei nicht anämischen Tieren kann eine Retikulozytose vorliegen. Dabei kann es sich um eine transiente physiologische Reaktion bzw. um einen Indikator für die Reaktion des Knochenmarkes auf einen erhöhten Bedarf an Erythrozyten handeln. Dies kann während der Erholungsphase nach einem Blutverlust oder einem hämolytischen Prozess der Fall sein und so lange andauern, bis der Hämatokrit des Patienten wieder im Bereich des Ausgangswertes liegt. Andernfalls kann eine persistierende Retikulozytose bei einem nicht anämischen Tier auf einen kompensierten oder teilweise kompensierten, anhaltenden, okkulten Blutverlust bzw. auf eine zugrunde liegende hämolytische Erkrankung oder eine Störung, die eine absolute Erythrozytose verursacht, hinweisen. Durch eine frühzeitige Identifizierung und Therapie des zugrunde liegenden Krankheitsprozesses lassen sich bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Angabe der Retikulozytenzahl IDEXX Laboratories bietet eine fortschrittliche und sensitive objektive Messmethode zur Bestimmung der Retikulozytenzahl – sowohl bei IDEXX im Labor als auch in den IDEXX HämatologieAnalysegeräten zur praxisinternen Diagnostik (IDEXX ProCyte Dx®, IDEXX LaserCyte® Dx). Dadurch sind die absolute Retikulozytenzahl sowie der Prozentsatz an Retikulozyten Bestandteil eines jeden großen Blutbildes, das vom IDEXX Labor für die Diagnostik bei Hunden und Katzen erstellt wird. Die praxisinternen Hämatologie-Analysegeräte von IDEXX werden diese zusätzliche Information auch in Zukunft bei allen kompletten Blutbildern liefern. Da der Prozentsatz an Retikulozyten im Zusammenhang mit der Gesamtzahl der Erythrozyten gesehen werden muss, wird dafür kein Referenzbereich angegeben. Die Bestimmung der absoluten Retikulozytenzahl ist die objektivste Methode der Messung der Reaktionsfähigkeit des Knochenmarkes auf einen erhöhten peripheren Bedarf; aus diesem Grund wird hierfür ein Referenzbereich angegeben. Ursachen einer Retikulozytose Eine Retikulozytose kann sowohl auf physiologische als auch auf pathologische Prozesse zurückzuführen sein. Nachfolgend liefert dieser Artikel einen kurzen Überblick über die bekannten physiologischen Ursachen und die häufigsten pathologischen Ursachen der Retikulozytose. Physiologische Retikulozytose Die physiologischen Ursachen einer Retikulozytose sind noch nicht wirklich bekannt, da die Bestimmung der Retikulozytenzahl bislang nicht routinemäßiger Bestandteil der Blutuntersuchung bei nicht anämischen Tieren war. Da jedoch das Knochenmark die Retikulozyten als Vorstufe der Erythrozyten freisetzt und die meisten dieser Blutzellen zur Milz wandern und dort verbleiben, um ihre Entwicklung zu reifen Erythrozyten abzuschließen, kann jede Milzkontraktion, egal welcher Ursache, zur Freisetzung von Retikulozyten in den Blutstrom führen. Mögliche Ursachen sind: Aufregung unmittelbar vor oder bei der Blutabnahme, körperliche Anstrengung oder bestimmte Arzneimittel einschließlich Epinephrin. In diesem Fall wäre die Retikulozytose transienter Natur und die Morphologie der roten Blutzellen wäre normal. Unser Verständnis weiterer Ursachen einer physiologischen Retikulozytose wird in dem Maße steigen, in dem wir mehr Erfahrung bei der Interpretation einer Retikulozytose bei nicht anämischen Tieren gewinnen. Pathologische Retikulozytose Die pathologischen Ursachen einer Retikulozytose resultieren in der Regel aus einer gesteigerten Produktion von roten Blutzellen im Knochenmark, zu der es sekundär nach äußeren oder inneren Blutverlusten und hämolytischen Erkrankungen kommt. Übersteigt die Rate des Erythrozytenverlustes oder -unterganges Abb.: Retikulozyten (Supavitalfärbung/Neu-Methylenblau) jene der Erythropoese im Knochenmark, wird das Tier anämisch. Halten sich hingegen beide im Gleichgewicht oder ist die Erythrozytenbildungsrate höher als die Rate des Erythrozytenverlustes oder -unterganges, entwickelt sich keine Anämie. Zu einer Retikulozytose kann es auch bei Erkrankungen kommen, die eine absolute Erythrozytose verursachen. Die Werte des roten Blutbildes und/oder der Hämatokrit können am oberen Ende des jeweiligen Referenzbereiches liegen, beim individuellen Patienten aber auch höher als normal sein oder bei offenkundiger Polyzythämie über dem Referenzbereich liegen. ■ Blutverlust Häufige Ursachen von Blutverlust sind: Traumata, gastrointestinale Ulzera, Thrombozytopenie, Koagulopathie, Thrombozytopathie, Neoplasien und Parasitenbefall. Ist ein Tier anämisch, stellt die Identifizierung der Ursache des Blutverlustes in der Regel keine diagnostische Herausforderung dar. Dennoch kann ein geringgradiger Blutverlust insbesondere im Gastrointestinaltrakt und seltener auch im Harntrakt unbemerkt verlaufen. Kommt es nicht zur Erschöpfung der Eisenspeicher im Gewebe, können potenziell hohe Retikulozytenzahlen gemessen werden und der Hämatokrit bleibt innerhalb des Referenzbereiches. In solchen Fällen können vor der Entwicklung der Anämie eine Retikulozytose sowie Anomalien in der Zellmorphologie der Erythrozyten wie Mikrozytose und Hypochromasie vorliegen. ■ Hämolytische Störungen Zur hämolytischen Zerstörung der roten Blutzellen kann es sekundär nach immunvermittelten Krankheiten, mechanischer oder oxidativer Schädigung der Erythrozyten oder nach Stoffwechselstörungen, die mit einer erhöhten Fragilität der roten Blutkörperchen einhergehen, kommen. Auch Infektionen, einschließlich vektorübertragener Krankheiten, sowie hereditär bedingte Erkrankungen, bei denen die Lebensdauer der Erythrozyten verkürzt ist, können neben verschiedenen anderen Krankheiten hämolytische Störungen verursachen. Bei vielen dieser Krankheiten sind morphologische Anomalien der roten Blutzellen zu beobachten. Bei der mikroskopischen Untersuchung eines Blutausstriches lassen sich möglicherweise folgende Strukturen nachweisen: Sphärozyten bei immunvermittelter hämolytischer Erkrankung, Heinz-Körperchen infolge oxidativer Schädigung, sekundär Schistozyten nach mikroangiopathischen Prozessen einschließlich Herzwurmerkrankung und Hämangiosarkom, Akanthozyten bei Leber- und Milzerkrankungen, etc. Auch Zelleinschlüsse in den Erythrozyten wie Babesien oder feline hämotrope Mykoplasmen können eventuell bei der Untersuchung eines Blutausstriches nachgewiesen werden. ■ Absolute Erythrozytose Besteht eine Retikulozytose und liegen die Werte von rotem Blutbild und/oder Hämatokrit am oberen Ende des Referenzbereiches bzw. knapp darüber, sollte weiter nach endokrinen Ursachen gesucht werden. Hyperthyreose, Akromegalie oder Hyperadrenokortizismus sollten in Betracht gezogen werden. Die Erythropoese kann auch durch Androgene stimuliert werden. Aus diesem Grund kann jede Störung, die mit einem Überschuss an Androgenen einhergeht, potenziell eine absolute Erythrozytose und Retikulozytose verursachen. Bei Vorliegen einer Retikulozytose und signifikant erhöhten Werten beim roten Blutbild und Hämatokrit sollten zunächst sekundäre Ursachen einer absoluten Polyzythämie in Erwägung gezogen werden. Häufigere Ursachen einer Polyzythämie sind die Folge einer systemischen Hypoxie. Dazu kann es aufgrund von Rechts-LinksShunts, Lungenerkrankungen oder Obstruktionen der oberen Atemwege sowie bei Aufenthalt in sehr großen Höhen kommen. Seltener ist eine sekundäre Polyzythämie auf renale Erkrankungen einschließlich vaskulärer Defekte und Tumoren oder auf andere EPO-produzierende Tumoren zurückzuführen. Wurden sekundäre Ursachen der Polyzythämie ausgeschlossen, ist eine primäre Polyzythämie zu diagnostizieren, wobei am wahrscheinlichsten eine Polycythaemia vera vorliegt. Richtlinien zur Ergebnisinterpretation Beim Hund gilt eine Retikulozytenzahl von>110.000/μl Blut als Beweis für eine Reaktion des Knochenmarkes auf einen erhöhten peripheren Bedarf. Je nach Grad der Anämie kann eine Retikulozytenzahl von<110.000/μl auf eine inadäquate Knochenmarkreaktion hinweisen. Die regelmäßige Überwachung von Blutbild und Retikulozytenzahl kann für die Beurteilung der Knochenmarkreaktion im Zeitverlauf nützlich sein. Beim nicht anämischen Hund kann eine Retikulozytenzahl von >110.000/μl Blut als vorübergehende physiologische Reaktion bzw. als eine Reaktion des Knochenmarkes auf einen erhöhten peripheren Bedarf angesehen werden. Persistierende Retikulozytenzahlen von>110.000/μl können auf einen okkulten Blutverlust, eine zugrunde liegende hämolytische Störung oder auf eine Erkrankung hinweisen, die eine absolute Erythrozytose verursacht. Die regelmäßige Überwachung des Patienten mittels Blutbild und Bestimmung der Retikulozytenzahl kann dazu beitragen, die Signifikanz dieses Befundes zu verifizieren. Bei der Katze gilt eine Retikulozytenzahl von>50.000/μl Blut als Beweis für eine Reaktion des Knochenmarkes auf einen erhöhten peripheren Bedarf. Je nach Grad der Anämie kann eine Retikulozytenzahl von<50.000/μl auf eine inadäquate Knochenmarkreaktion hinweisen. Die regelmäßige Überwachung von Blutbild und Retikulozytenzahl kann für die Beurteilung der Knochenmarkreaktion im Zeitverlauf nützlich sein. Bei der nicht anämischen Katze kann eine Retikulozytenzahl von >50.000/μl Blut als vorübergehende physiologische Reaktion bzw. als eine Reaktion des Knochenmarkes auf einen erhöhten peripheren Bedarf angesehen werden. Persistierende Retikulozytenzahlen von>50.000/μl können auf einen okkulten Blutverlust, eine zugrunde liegende hämolytische Störung oder auf eine Erkrankung hinweisen, die eine absolute Erythrozytose verursacht. Die regelmäßige Überwachung des Patienten mittels Blutbild und Bestimmung der Retikulozytenzahl kann dazu beitragen, die Signifikanz dieses Befundes zu verifizieren. Haben Sie ein großes Blutbild bei IDEXX im Labor angefordert, erhalten Sie folgenden Beurteilungstext zu den Retikulozyten-Befunden: Leitfaden für die Beurteilung der Regeneration (Retikulozyten/µl): Hund Katze < 110.000 Normal bei nicht anämischen Patienten < 50.000 Normal bei nicht anämischen Patienten < 110.000 Ungenügend bei anämischen Patienten < 50.000 Ungenügend bei anämischen Patienten 110.000 – 150.000 Geringgradige Regeneration 50.000 – 75.000 Geringgradige Regeneration 150.000 – 300.000 Mittelgradige Regeneration 75.000 – 175.000 Mittelgradige Regeneration > 300.000 Hochgradige Regeneration > 175.000 Hochgradige Regeneration Die Retikulozytenzahl sollte immer im Zusammenhang mit dem Schweregrad der Anämie interpretiert werden. Ursachen einer Retikulozytose Dieser diagnostische Algorithmus liefert einen Überblick über die Ursachen einer Retikulozytose. Es gibt zwei Arten von Ursachen für eine Retikulozytose: physiologische und pathologische Ursachen (siehe Grafik). Retikulozytose Physiologisch Milzkontraktion Pathologisch Blutverluste (innere/äußere) Hämolytische Störungen Absolute Erythrozytose Aufregung Traumata Immunvermittelte Ursachen Endokrine Ursachen Körperliche Anstrengung Gastrointestinale Ulzera Mechanische Schädigung Polyzythämie Medikamente Thrombozytopenie Oxidative Schädigung Primäre Koagulopathie Metabolische Ursachen Sekundäre Thrombozytopathie Infektiöse Ursachen Neoplasien Hereditäre Ursachen Parasiten Verschiedene Erkrankungen Sonstiges ? Die in dieser Übersicht enthaltenen Informationen sollen nur als allgemeine Hinweise dienen. Wie bei jeder Diagnose oder Behandlung sollten Sie sich zu jedem Patienten eine medizinisch fundierte Meinung bilden, nachdem Sie die Anamnese erhoben, eine Allgemeinuntersuchung durchgeführt sowie vollständige Labordaten vorliegen haben. Bei Fragen und zur Befundinterpretation von Ergebnissen unseres Labors und unserer IDEXX Analysegeräte steht Ihnen die Fachberatung von IDEXX gerne zur Verfügung. 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