Proteinmarkt Fachartikel Futterselektion

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Futterselektion in Milchviehherden bei Einsatz eines
Futtermischwagens - Ergebnisse einer Diplomarbeit
Prof. Dr. Leonhard Durst, FH Weihenstephan- Triesdor, Stefan Pickel, Dipl. Ing. agr (FH),
Anna Maria Miller, Dipl. Ing. agr. (FH) VFR GmbH Neustadt/Aisch
Bis vor zehn Jahren arbeiteten die Futtermischwagen häufig recht aggressiv. Es fand eine starke
Nachzerkleinerung der Grundfuttermittel statt, und
die ganze Futtermischung sah oft aus wie „Brei“.
Deshalb wurde in den letzten Jahren verstärkt auf
eine ausreichende Futterstruktur geachtet. Die
Mischsysteme wurden den geänderten Anforderungen angepasst. Jetzt können Mischungen
meistens strukturschonender erstellt werden.
Jedoch konnte in den letzten Jahren immer
häufiger beobachtet werden, dass die Tiere die
Mischung im Trog ausselektieren. Für eine
Bestandsaufnahme über das Problem „Futterselektion“, wurde das Selektionsverhalten von
Milchkühen auf 15 nordbayerische Milchviehbetriebe ermittelt.
Wissen Sie, was ihre Kühe fressen?
Stellt man diese Frage einem Milchviehhalter,
bekommt man die Komponenten und die Mengen
der einzelnen Futtermittel genannt, die in den
Futtermischwagen geladen werden. Was davon
von den Kühen gefressen wird, unterscheidet sich
in der Praxis häufig sehr stark von den
berechneten Vorgaben. Die teilweise sehr unterschiedlichen Trockenmassegehalte der verfütterten Silagen werden bei der Einwage meist nicht
berücksichtigt und auch verbleibenden Futterreste
werden oft nicht berücksichtigt.
Mit Futtermischwagen soll eine homogene Mischung
entstehen, bei der Tiere mit jedem Bissen die gleiche
Ration aufnehmen. Foto: Pickel
Was davon von den Kühen gefressen wird, unterscheidet
sich in der Praxis häufig sehr stark von den berechneten
Vorgaben. Foto: Pickel
1
Durch den Einsatz eines Futtermischwagens soll
es möglich sein, aus den einzelnen Futterkomponenten eine homogene Mischung zu
erstellen, bei der die Tiere mit jedem Bissen die
gleiche Ration aufnehmen. Durch die damit
mögliche zeitgleiche Aufnahme von Grund- und
Kraftfutter sollen eine gleichmäßige Nährstoff-
versorgung im Pansen erreicht und damit Stoffwechselprobleme vermieden werden.
Auf einigen Betrieben treten jedoch immer wieder
gehäuft Probleme auf, wie sie normalerweise bei
der Verfütterung einer unausgeglichenen Ration
oder bei zu hohen Kraftfuttermenge vorkommen.
Oft sind die Gründe für diese Erkrankungen nicht
auf den ersten Blick zu erkennen. Eine mögliche
Ursache kann eine Selektion der Mischration sein.
Die Kühe haben den ganzen Tag Zeit, sich die
„guten Bissen“ – vor allem die Kraftfuttermittel aus der Mischung zu suchen. Die einzelnen
Futterkomponenten werden nicht mehr im
richtigen Verhältnis zueinander als Mischung
gefressen. Es kommt dadurch zu einer zeitweiligen überhöhten Kraftfutteraufnahme und
dadurch ausgelöst zu starken Schwankungen des
Pansen-pH-Wertes. Treten in einer Herde gehäuft
stark schwankende Milchfett-, Milcheiweiß- und
Milchharnstoffgehalte auf, kann dies ein
Anzeichen für eine „unausgeglichene“ Ration in
Folge selektiver Futteraufnahme einzelner Tiere
oder auch der gesamten Herde sein.
Versuchsanstellung
In der Erhebung wurde die Veränderung der
Zusammensetzung von Partikel Längen einzelner
Rationen von 15 verschiedenen Betrieben erfasst.
Die gefütterten Rationen bestanden aus unterschiedlichen Anteilen Gras- und Maissilagen,
Abbildung 1: Partikellängenverteilung der Grassilagen
2
Stroh, teilweise Biertreber und Melasse und
wurden je nach Inhaltsstoffen der Silagen mit Soja
und Rapsextraktionsschrot, Getreide und Mineralfuttermittel aufgewertet. Der Kraftfutteranteil lag
zwischen 3,1 kg und 8 kg je Kuh und Tag. Die
Mischungen wurden sowohl mit Horizontal- als
auch Vertikalmischern erstellt.
Die im Trog befindliche Ration wurde 3- bzw. 4mal täglich mit der Schüttelbox in drei
Längenfraktionen (größer 19 mm, 8 bis 19 mm
und kleiner 8 mm) ausgesiebt. Die Schüttelbox
besteht aus drei Kästen. Die beiden oberen
Kästen haben jeweils einen gelochten Boden (19
mm und 8 mm) durch den die Partikel beim
Schütteln fallen. Dadurch teilt sich die Probe in
drei Längenfraktionen auf. Im oberen Kasten
findet man Partikel die größer als 19 mm sind, in
der Mitte die Partikel zwischen 8 und 19 mm und
im unteren Kasten alles was kleiner als 8 mm ist.
Zusätzlich wurde die Trockensubstanz der
vorgelegten Rationen ermittelt. Durch die Zu- bzw.
Abnahme des Anteils der einzelnen Fraktionen
konnte aufgezeigt werden, ob bestimmte
Futtermittel bevorzugt gefressen werden und ob
der TS-Gehalt der Mischung einen Einfluss darauf
hat. Auch die Partikellängen der Grundfuttermittel
wurden in die Betrachtung mit einbezogen. Die
verfütterten Mais- und Grassilage wurden
ebenfalls mit der Schüttelbox untersucht. Bei Heu
und Stroh wurde die Schnittlänge der Presse
ermittelt.
Die Partikel-Längen der Grassilagen sind in
Abbildung 1 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass
die Grassilagen häufig einen sehr hohen Anteil an
langen Partikeln aufweisen. Dies ist wegen der
besseren Strukturwirkung von den Betrieben oft
erwünscht. Bei den weiteren Auswertungen stellte
sich heraus, dass gerade Rationen mit sehr
langen und trockenen Grassilagen stärker
selektiert werden können.
Die eingemischten Feinpartikel werden zuerst
gefressen. Insofern ist der Vorteil der „besseren“
Struktur durch lange Partikel nicht mehr gegeben.
In der Praxis sollte besonderes Augenmerk auf
die mittellangen Partikel gelegt werden. Sie
können gut eingemischt werden und haben
trotzdem Strukturwirksamkeit im Pansen.
Tabelle 1: Verteilung der Siebfraktionen in den Ausgangsmischungen
Betrieb
1
2
3
4
5
6
7
>19mm
48% 48% 46% 34% 64% 53% 43%
11% 28% 54% 46% 37% 45% 26%
45%
8-19mm 14% 22% 26% 39% 15% 20% 25%
38% 36% 12% 26% 25% 26% 44%
26%
<8mm
51% 36% 34% 27% 37% 28% 29%
30%
38% 30% 28% 27% 21% 27% 32%
8
In einer TMR werden im lufttrockenen Material
Anteile >19 mm von 5-10 %, im Bereich 8-19 mm
von 35-45 % und unter 8 mm von 45-55 % als
optimal angesehen (LKV Sachsen, 2008). In
Tabelle 1 ist zu erkennen, dass die meisten
Betriebe zu viel im Obersieb und zu wenig im
Mittelsieb hatten. Allerdings ist zu beachten, dass
diese Vorgabe für eine Voll-TMR gilt. Eine VollTMR wurde jedoch nur von den Betrieben 8, 10
und 15 gefüttert. Die übrigen Betriebe fütterten bei
Leistungen über dem Milcherzeugungswert der
aufgewerteten Teil-TMR zusätzlich Kraftfutter
entsprechend der Leistung der Kuh über eine
Transponderstation. Diese zusätzlichen Kraftfuttermengen
müssten
für
eine
exakte
Betrachtung dem Untersieb zugerechnet werden.
9
10
11
12
13
14
Dadurch würden sich die Anteile in der größeren
Siebfraktionen vermindern. Die Veränderung der
Zusammensetzung
der
15
untersuchten
Mischungen im Tagesverlauf ist in Tabelle 2
dargestellt. Dabei wird jeweils die prozentuale
Veränderung zwischen der vorgelegten Mischung
und des Futterrestes angegeben. Dabei ist
deutlich zu erkennen, dass der Anteil an feinen
Futterpartikeln (< 8 mm) bei allen untersuchten
Mischungen mehr oder weniger stark abnimmt.
Die Veränderung des Feinanteils liegt dabei
zwischen – 5 und – 29 Prozent. Erwartungsgemäß
nahm der Anteil an langen Futterpartikeln zu.
Lediglich im Betrieb 8 ist nur eine geringe
Abnahme von – 1% zu beobachten.
Tabelle 2: Veränderung der Siebfraktionen der Mischung im Tagesverlauf auf den einzelnen Betrieben
3
Betrieb
1
2
3
4
5
6
7
8
>19
+33 +14
+17 +14 +5 +18 +25 -1
8 - 19
-4
-5
-12
-3
0
-6
-11
<8
-29
-9
-6
-12
-6
-12
-15
15
9
10
11
12
13
14
15
+12
+15
+24
+37
+32
+16
+5
+18 +6
-2
-11
-14
-14
-8
+1
-17
-13
-13
-22
-18
-8
-5
-18
sich schließen, dass die Kühe den Feinanteil der
Mischung bevorzugt fressen. Beim Ausselektieren
bleiben vor allem die langen Partikel zurück,
während die mittellangen Futterbestandteile
mitgefressen werden.
Schüttelboxfraktionen auf Betrieb acht (von links nach
rechts: Obersieb 11%, Mittelsieb 38%, Untersieb 51%).
Foto: Pickel
Veränderungen in den
Grundfuttermittel mit einem hohen Anteil an
mittellangen und langen Partikeln (Grassilage,
Heu und Stroh) werden von den Tieren nur dann
in der gewünschten Menge aufgenommen, wenn
sie geschmacklich attraktiv sind. Ist die Grassilage
schlecht vergoren oder sind Heu und Stroh mit
Schimmelpilzen belastet, meiden die Kühe diese
Futtermittel und sie verbleiben als Futterreste im
Trog.
Die kleinen Futterpartikel im Untersieb haben
einen besonderen Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge im Pansen von Wiederkäuern.
Vor allem Kraftfutter und feine Teile der
Maissilage sind in dieser Fraktion zu finden. Diese
Futtermittel sind hochverdaulich, strukturarm und
haben keine anregende Wirkung auf das
Wiederkauverhalten der Kühe. Da diese feinen
Partikel für die Tiere in der Regel sehr
schmackhaft sind, werden sie, wenn möglich,
bevorzugt gefressen. Den feinen Futterpartikeln ist
jedoch bei der Problematik der Futterselektion
besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Werden
diese Partikel verstärkt gefressen, kann es zu
Verdauungsund
Stoffwechselstörungen
kommen.
In der Erhebung ist zu erkennen, dass sich der
Anteil an mittellangen Futterpartikeln in den
Rationen nur geringfügig verändert. Daraus lässt
4
Die Mischungen wurden sowohl mit Horizontal- als auch
Vertikalmischern erstellt. Foto: Pickel
Schaut man jedoch nur auf die absolute
Veränderung der Partikel im Untersieb kann dies
dazu führen, dass der Zeitraum zwischen den
Proben falsch interpretiert wird, denn die
Veränderung der Mischung ist nicht linear. Auch
konnte es vorkommen, dass z. B. der Feinanteil
einer Mischung zuerst abnahm, dann aber
verstärkt längere Partikel gefressen wurden, so
dass er dann im weiteren Tagesverlauf wieder
zunahm. Dieses Phänomen ist in Abbildung 3 gut
zu erkennen. Deshalb ist es nötig, die
Zusammensetzung der Mischung mehrmals im
Tagesverlauf zu kontrollieren.
Abbildung 3: Verlauf der Partikellängenverteilung
auf Betrieb 15
Betrieb 15
Anteil in der Mischung
Siebfraktionen im Tagesverlauf
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Einfüttern
Untersieb <8mm
Mittelsieb 8-18mm
Obersieb >18mm
2.Probe
Probenahmezeit
Futterest
Diese Problematik ist für den Betrieb 15
dargestellt (Abbildung 3). Es ist zu erkennen, dass
der Feinanteil vom Einfüttern bis zur zweiten
Probe um 11,3 % abnimmt. Im Anschluss daran
steigt der Anteil jedoch wieder um 5,9 %.
Betrachtet man jetzt nur die absolute Veränderung
ergibt sich für diese Mischung eine Abnahme von
5,4%. Eine Veränderung von 5% legt die
Vermutung nahe, dass die Tiere nur in einem sehr
geringen Umfang selektieren. Die Betrachtung
des Zeitraumes zwischen der ersten und der
letzten Probe zeigt jedoch das Gegenteil. Die
Tiere selektieren direkt nach dem Füttern den
feinen Anteil aus. Erst nach ein paar Stunden
Verzögerung werden die längeren Futterpartikel
gefressen.
Schnecken bearbeitet und dadurch stark
nachzerkleinert wird. Dieser technisch bedingte
Strukturmangel kann ebenfalls zu Störungen der
Pansenverdauung und des Stoffwechsels führen,
obwohl
die
Futterberechnung
und
die
Beschaffenheit der einzelnen Futtermittel in
Ordnung sind.
Fütterungstechnik
Der Ergebnisse zeigen auch, dass die Futterselektion von der verwendeten Mischtechnik
beeinflusst werden kann. Die Unterschiede sind
vor allem auf die Intensität des Mischsystems
zurück zu führen. Rationen, die mit intensiven
Mischsystemen (Horizontalmischwagen) gemischt
wurden, zeigten weniger Selektion als Mischungen
aus Futtermischwagen mit passiven Mischsystemen (Haspelmischer). Die Ergebnisse der
Vertikalmischwagen erstreckten sich über alle
Bereiche von wenig bis viel Futterselektion.
Die Freifallmischer haben vor allem dann ein
Problem, wenn sehr unterschiedliche Komponenten vermischt werden sollen. So ist es
praktisch nicht möglich, aus einer langen
Grassilage und Kraftfutter eine homogene Ration
zu erstellen. Die Haspelmischer sind zwar in der
Lage sehr futterschonend zu mischen und sehr
locker vorzulegen; jedoch ist in dieser lockeren
Ablage das Hauptproblem zu sehen. Den Tieren
fällt es leicht, in der luftigen Mischung die feinen
Futterpartikel auszuselektieren.
Bei sehr intensiven Mischsystemen (Horizontalmischwagen) zeigt sich ein gegenteiliger Effekt.
Das Futter wird im Mischwagen intensiv durchmischt und nachzerkleinert. Die Mischung wird
kompakt im Trog abgelegt. Dadurch wird es für
die Tiere schwerer, die Mischung zu selektieren.
Bei intensiven Mischsystemen kann es jedoch
passieren, dass die Ration übermischt wird, wenn
das Futter im Mischwagen zu lange von den
5
Der Ergebnisse zeigen auch, dass die Futterselektion von
der verwendeten Mischtechnik beeinflusst werden kann.
Foto: Pickel
Trockensubstanz der Mischung
Als optimaler TS-Gehalt in der Gesamtmischung
sind 40 bis 50% TS anzustreben. Dabei steigt vor
allem bei trockenen Mischungen die Gefahr der
Futterselektion. (Spiekers und Potthast, 2004). Bei
der Auswertung des Versuches konnte jedoch
kein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Futterselektion und dem Trockensubstanzgehalt
der Mischung festgestellt werden. Es scheint so,
dass bei den ausgewerteten 15 Betrieben andere
Faktoren den Einfluss der Trockensubstanz
überlagern.
Es zeigte sich jedoch, dass Trockensubstanz nicht
gleich Trockensubstanz ist. So kann z.B. eine
Grassilage mit niedrigerem Trockensubstanzgehalt wesentlich mehr feine Futterbestandteile an
ihrer Oberfläche binden als eine Maissilage mit
dem gleichen TS-Gehalt. Wird der Feuchtigkeitsgehalt einer Mischung erst durch die Zugabe
von Biertreber in den Optimalbereich gebracht,
verringert das die Selektion nicht. An der Oberfläche der größeren Treberteilchen haften bereits
die Feinteile des Trebers. Es können keine
weiteren Kraftfutterpartikel mehr angebunden
werden.
Grundfutter
Die Bedeutung der Qualität der Grundfuttermittel
ist nicht zu unterschätzen. In Rationen mit hohen
Anteilen an Kraftfutter und Maissilage ist es für die
Grassilage eine wichtige Aufgabe, eine ausreichende Versorgung mit strukturierter Rohfaser
sicher zu stellen. Heu und Stroh sind meist nur in
geringen Mengen in den Rationen enthalten. Es
sind jedoch wertvolle Futtermittel, wenn es darum
geht, zusätzliche strukturwirksame Rohfaser in die
Ration zu bringen.
Um die Wirkung der Raufuttermittel optimal
ausnutzen zu können, ist besonders auf die
Schnittlänge und die Qualität zu achten.
Raufuttermittel werden nur dann gerne gefressen,
wenn sie schmackhaft und frei von Schimmel
sind. Besonders bei Stroh ist auf eine kurze
Schnittlänge von 2 bis 4 cm zu achten, damit es
gut eingemischt werden kann. Langes Stroh wird
von den Kühen ausselektiert, bleibt im Trog liegen
und wird auf dem Misthaufen oder bei den
Kalbinnen entsorgt. Die erhoffte positive Wirkung
des Strohs auf die Verdauungsvorgänge im
Pansen wird somit erreicht. Auch eine separate
Fütterung von Heu kann Probleme bereiten. Ist die
Qualität gut, fressen die Tiere große Mengen
davon, dies geht dann zu Lasten der Futteraufnahme bei der Mischration. Bei schlechterer
Qualität wird zu wenig aufgenommen.
Verhältnisse der Futtermittel in der
Mischung
Den deutlichsten Einfluss auf die Futterselektion
hatte die Zusammensetzung der Ration. Für die
Auswertung wurde das Verhältnis von kurzen
Futtermitteln (Maissilage, Saftfutter und Kraft-
6
futter) zu langen Futtermitteln (Grassilage, Heu
und Stroh) ermittelt. Es zeigte sich bei allen
Rationen, dass bei einem steigenden Anteil von
kurzen Futtermitteln die Futterselektion anstieg.
Dieser Effekt war umso deutlicher, je stärker sich
die Schnittlängen der Futtermittel unterschieden.
Dieses Ergebnis lässt sich relativ einfach erklären.
Die Tiere suchen und fressen bevorzugt die
feinen, schmackhaften Futterpartikel. Ist der Anteil
der kurzen Futterpartikel nun relativ hoch, müssen
sich die Tiere nicht anstrengen, um an die feinen
Partikel zu gelangen. Besteht die Ration dagegen
überwiegend aus Grassilage und enthält wenig
Maissilage und Kraftfutter, dann müssen sich die
Kühe viel stärker bemühen, den feinen Anteil
unabhängig von den langen Partikeln zu fressen
und selektieren insgesamt weniger.
Den deutlichsten Einfluss auf die Futterselektion hatte die
Zusammensetzung der Ration. Foto: Pickel
Jedoch kann die Ursache für dieses Selektionsverhalten nicht nur in der Zusammensetzung der
Ration gesucht werden. Sieht man sich z. B. die
Schnittlängen
der
Grassilagen
in
den
untersuchten Rationen an, stellt man fest, dass
die Silagen insgesamt einen hohen Anteil an
langen Futterpartikeln aufweisen. Grassilage
muss für eine optimale Wirkung im Pansen nicht
ausschließlich aus Partikeln über 18 mm
bestehen. Ein zu hoher Anteil dieser langen
Partikel hat mehrere Nachteile, z. B. die Futterselektion steigt, ebenso die Gefahr von
Fehlgärungen durch mangelnde Verdichtung. Die
Auswertung zeigt, dass bei den Schnittlängen der
Grassilage Reserven vorhanden sind. Die
Futterselektion könnte verringert werden und die
Verdaulichkeit der kurzen Partikel ist besser als
die der längeren Partikel. Ähnlich sah es bei den
Raufuttermitteln aus. Nur auf zwei Betrieben war
das Stroh „gemulcht“ bzw. es wurde eine
sogenannte „Fein-Cut-Presse“ verwendet.
daher individuell und
betrachtet werden.
Kraftfutteranteil und Art der TMR
Die größten Unterschiede findet man vor allem
zwischen der vorgelegten und der gefressenen
Ration. Es ist immer wieder zu beobachten, dass
Kühe die Mischung gezielt durchsuchen und
bestimmte Futterkomponenten bevorzugt fressen.
Verändert sich der Anteil einer Partikellängenfraktion um mehr als 5%, sollte der
Ursache auf den Grund gegangen und nach
Lösungen gesucht werden, sonst kann es schnell
zu einer Fehlversorgung und gesundheitlichen
Problemen der Tiere kommen.
Anders als zu erwarten, zeigte der Kraftfutteranteil
hier keinen Zusammenhang zur Futterselektion
auf. Den Tieren fällt es bei höheren
Kraftfutteranteilen anscheinend nicht einfacher,
dieses aus der Ration zu selektieren. Nicht
auszuschließen ist, dass dominante Tiere das
Kraftfutter und die guten, nährstoffreichen Partikel
der Grundfuttermittel ausselektieren und fressen.
Rangniedere Tiere müssen den Rest des Futters
fressen. Für sie bleiben meist nur die weniger
schmackhaften und nährstoffärmeren Teile des
Grundfutters. Zusätzlich nehmen diese Tiere
weniger Kraftfutter auf. Somit ergeben sich auch
durch die Selektion bedingte Über- und Unterversorgungen der Tiere innerhalb einer Herde.
sehr
genau vor
Ort,
Schlussfolgerungen
Die Leistungen der Milchkühe steigen stetig an.
Die Zusammensetzungen der Futterrationen
werden immer ausgefeilter und vielseitiger. Doch
viel zu oft wird auf den Betrieben von vier
Rationen gesprochen: die berechnete Ration, die
gemischte Ration, die gefressene Ration und die
im Verdauungstrakt umgesetzte Ration. Für eine
optimale Versorgung der Tiere sollte jedoch alles
versucht werden, aus diesen vier Rationen eine
Ration zu machen.
Aussagekraft der Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Erhebung stellen eine
Momentaufnahme der 15 untersuchten Betriebe
dar. Eine Verallgemeinerung der gewonnenen
Ergebnisse ist nicht ohne weiteres möglich und
sinnvoll. Jedoch können Tendenzen für andere
Situationen abgeleitet werden. Die Zusammenhänge der Futteraufnahme am Trog sind sehr
komplex. Die Erfahrung des Betriebsleiters, die
Beobachtungen des Fressverhaltens einzelner
Tiere, die tägliche Kontrolle des Futterrestes,
sowie des Gesundheitszustandes der Tiere
können wertvolle Aussagen liefern, um die
tatsächliche
Futteraufnahme
beurteilen
zu
können. Jeder Betrieb und jede Ration muss
7
Gut vermischte Rationen lassen sich vor allem mit
passiven Mischsystemen, nur schwer erstellen. Foto:
Pickel
In der vorliegenden Auswertung zeigte sich, dass
vor allem die Zusammensetzung der Ration und
die Beschaffenheit (hier besonders auch die
Schnittlänge der Grassilage) einen starken
Einfluss auf das Selektionsverhalten haben.
Weitere Einflüsse wie die Mischtechnik oder
gezielte Veränderungen einzelner Parameter in
den Rationen konnten mit diesem Versuch nicht
ausreichend geklärt werden. Vor allem lang
geschnittene und trockene Grassilagen stellen ein
Problem dar. Gut vermischte Rationen lassen sich
unter solchen Bedingungen, vor allem mit
passiven Mischsystemen, nur schwer erstellen.
Besonders wenn in diese Grassilage hohe Anteile
an kurzen Futtermitteln (Maissilage, Treber)
eingemischt wurden, ist die Futterselektion
vorprogrammiert.
Das Problem der Futterselektion muss jedoch für
jede Ration individuell betrachtet werden. Jeder
Betrieb
und
jede
Ration
hat
andere
Ausgangsbedingungen und andere Komponenten.
Was in einem Betrieb nicht funktioniert, kann beim
anderen problemlos klappen. Vor allem die Vielfalt
der Einflussfaktoren muss beachtet werden.
Verschiedene
Faktoren
beeinflussen
sich
gegenseitig, verstärken ihre Wirkungen oder
kompensieren sie.
Die Futterselektion wird im Wesentlichen durch
die Zusammensetzung der Ration beeinflusst. Vor
allem in Rationen mit einem verhältnismäßig
hohen Anteil an kurzen Futtermitteln (Maissilage,
Saftfutter und Kraftfutter) war es die Kühe ein
Leichtes, das feine Futter aus der langen
Grassilage zu selektieren. Der Einsatz von
Biertreber wirkte sich in den untersuchten
8
Rationen
eher
fördernd
Selektionsverhalten der Kühe aus.
auf
das
Abhilfe könnte geschaffen werden, indem die
Grassilage kürzer gehäckselt wird. Die kürzere
Grassilage könnte besser eingemischt werden.
Auch werden etwas feuchtere Mischungen von
den Tieren nicht so einfach selektiert wie
vergleichbare, jedoch trocknere Rationen. Eine
Verallgemeinerung der Ergebnisse ist aber nicht
sinnvoll. Beim Verdacht auf Futterselektion durch
die Tiere muss jedoch die Situation auf dem
betreffenden Betrieb individuell untersucht und
nach Lösungswegen gesucht werden.
Literaturverzeichnis kann bei den Verfassern
angefordert werden.
Prof. Leonhard Durst,
Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Telefon: 09826 / 654-221
Email: [email protected]
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