Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Staatsminister Helmut Brunner Eröffnung des Fachsymposiums „Restlos Gut Essen“ 27. Juni 2014, Kulmbach Es gilt das gesprochene Wort! Referat Presse Ludwigstraße 2 80539 München Telefon 089 2182-2215 Telefax 089 2182-2604 [email protected] www.stmelf.bayern.de Anrede! Lebensmittel sind „Mittel zum Leben“. Sie halten uns am Leben! Dies müssen wir uns in einer Zeit, die vom Überfluss gekennzeichnet ist, wieder stärker bewusst machen. Zudem sind Lebensmittelverluste in unserer technologisch hoch entwickelten Gesellschaft kein unausweichliches Schicksal. Einem Großteil dieser Verluste können wir aktiv begegnen! Mir war es deshalb wichtig eine Gesamtsicht, also „vom Feld bis zum Teller entlang der Wertschöpfungskette“ zu erhalten. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass jeder Bürger in Bayern so viele wertvolle Lebensmittel achtlos wegwirft. Mir geht es nicht um Schuldzuweisungen. Wir alle sind gefragt! Landwirte, Verarbeiter, Händler und Verbraucher! Somit habe ich das Kompetenzzentrum für Ernährung zusammen mit der Universität Stuttgart beauftragt, eine Studie zu Lebensmittelverlusten in Bayern durchzuführen. Seite |1 I. Bayerische Studie „Lebensmittelverluste“ Die Studie „Lebensmittelverluste und Wegwerfraten im Freistaat Bayern“ bestätigt auch das, was wir bereits kennen: von der Erzeugung über die Verarbeitung, den Handel, den Großverbraucher und den Privathaushalten, kurz gesagt, entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wandern Tag für Tag Lebensmittel in unsere Mülltonnen. Allein in Bayern sind das jährlich1,3 Mio. t! Besonders betroffen macht mich, dass ein Großteil dieser Lebensmittel zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung verwendbar und genießbar gewesen wäre! Das können wir uns nicht leisten! Mein Ziel ist es, Lebensmitteln wieder den Wert zu geben, der ihnen als Mittel zum Leben gebührt. Dafür tragen wir gemeinsam Verantwortung! Den Fokus auf die einzelnen Wertschöpfungsstufen zu richten, lohnt, um diesem Ziel näher zu kommen: Seite |2 1. Stufe der Erzeuger Erstmals wurde in Bayern eine Hochrechnung für die Erzeugerstufe durchgeführt. Die Verlustrate von 3,4% in der bayerischen Landwirtschaft liegt im europäischen Schnitt und deutlich unter den weltweiten Durchschnittszahlen. Wir haben zwar in weiten Teilen die aktuellen technischen Grenzen in der Landwirtschaft erreicht, aber trotzdem lassen sich auch gute Verhältnisse weiter verbessern. Hier setze ich an: Ich habe deshalb in diesem Jahr die Förderung von modernen Lagerhallen für Obst, Gemüse und Kartoffeln eingeführt und mit meinem Programm „ProGesund“ die Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit verstärkt. 2. Stufe der Ernährungswirtschaft Auch das bestätigt die bayerische Studie: Mit einer Verlustrate von 1,5% im verarbeitendem Ernährungsgewerbe sind wirksame Maßnahmen für Einsparungsmöglichkeiten weitgehend ergriffen. Dagegen hat eine Verlustrate im bundesweiten Durchschnitt von 3,3% auf der Handelsstufe mich dazu bewogen, ein gemeinsames Projekt mit dem Seite |3 Technologie Campus Grafenau zu initiieren. Ziel ist es, mit einem intelligenten Prognosesystem, die gekaufte Menge an Lebensmittel besser vorhersagen zu können. Erste Zwischenergebnisse stellt die Projektleiterin, Frau Prof. Dr. Ahrens, heute auf dem Fachsymposium vor. Zu Recht appellierte der Geschäftsführer vom Handelsverband Deutschland, Stefan Genth, die Wertschätzung für Lebensmittel zu verbessern. Appelle alleine reichen aber nicht aus: „Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut!“ sagt uns Laotse (chinesischer Philosoph). Lockvogelangebote wie: „Zahle zwei, nimm drei!“ tragen sicherlich nicht zu einer verbesserten Wertschätzung bei. Denn wer schätzt die 3. Packung eines Lebensmittels, für die er nicht bezahlt hat! 3. Stufe der Verbraucher Und wie schaut es beim Verbraucher aus? Auf die Frage „Wo fällt Ihrer Einschätzung nach der meiste Lebensmittelabfall an?“ antworteten nur (laut bayerischem ErSeite |4 nährungsmonitor) 1/3 der Befragten mit „Privathaushalte“ – sie haben aber Recht: Der Verbraucher liegt mit einer Verlustrate von 6% klar an erster Stelle! Erstaunlich dabei ist vor allem die Selbsteinschätzung. Sie liegt bei einer Wegwerfmenge von nur 9 kg pro Person und Jahr. Tatsächlich sind es aber 65 kg, die im Müll landen! Die Studie zeigt auch: Jeder kann auf seiner Stufe einen Beitrag zur Verringerung von Verlusten leisten. Aber der Schlüssel liegt mit Sicherheit beim Verbraucher. Gerade sein Nachfrageverhalten bestimmt das Angebot im Einzelhandel. Die Wertschätzung von Lebensmitteln zu verbessern, ist für mich eine Herzensangelegenheit. Die Maßnahmen meiner Verwaltung sollen das Bewusstsein der Verbraucher schärfen. Auf der Stufe des Verbrauchers zeigt sich der Ressourcenverlust mit jedem Kilogramm Lebensmittelabfall besonders deutlich: 1 kg Getreide ist nicht gleich zu setzen mit 1 kg Nudeln! Wieviel mehr an Seite |5 Energie, Wasser, Arbeit und Rohstoffen muss ich aufwenden, bis Getreide zu Nudeln veredelt wurde? Hier und heute startet meine neue Initiative „Lebensmittel sind köstlich und kostbar“. Alle 47 ÄELF setzen sie mit Aktivstationen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und der landesweiten Wanderausstellung „Restlos Gut Essen“ fort! Im Rahmen dieser Initiative habe ich vorab den Fotowettbewerb „köstlich & kostbar“ gestartet. Wie kreativ unsere bayerischen Verbraucher und insbesondere Schüler an dieses Thema herangegangen sind, davon können wir uns anschließend gemeinsam bei der Prämierung der Siegerfotos überzeugen. Die Wertschätzung von Lebensmitteln ist schon von Kindesbeinen an wichtig. KErn hat deshalb einen Lernzirkel für Schulen entwickelt. Im Programm „Erlebnis Bauernhof“ erhalten Grundschüler einen Einblick, wie aufwändig die Erzeugung von Lebensmitteln ist. Ich möchte, dass die Lebensmittel-Wertschätzung Seite |6 so selbstverständlich ist, wie die Mülltrennung in der Umwelterziehung! Deshalb setze ich schon bei den kleinen Verbrauchern an! Ob in Schulkantine, Uni-Mensa, Betriebscasino oder Gastronomie – das Essen Außer-Haus wird zunehmend für fast jeden Bürger bedeutender. Der Blick in die Großküche zeigt auch hier Einsparungspotenzial für Lebensmittelverluste. Unsere diesjährigen Tagungen in der Gemeinschaftsverpflegung standen deshalb unter dem Motto „Lebensmittel wertschätzen – clever Handeln“. Weiterhin setzen wir Feedback-Waagen in GVEinrichtungen ein um das Fachpersonal zu sensibilisieren und vor Ort Einsparpotenziale aufzuzeigen. V. Schluss Die Europäische Union will die unnötigen Lebensmittelabfälle bis 2020 halbieren. Ein ehrgeiziges Ziel! Aber wer sich nicht anstrengt, wird auch nur wenig er- Seite |7 reichen. Schon Mark Twain sagte: „Zum Erfolg gibt es keinen Lift – man muss die Treppe benutzen!“ Meine Aktionspartner sitzen auch hier in dieser Fachtagung! Namhafte Wissenschaftler und Praktiker aus Wirtschaft, Handel und Verbänden begleiten das Symposium. Ich wünsche und erwarte mir von dieser Tagung weiterführende Impulse, die das Bewusstsein für den Wert unserer Lebensmittel schärfen und uns dem europäischen Ziel, die Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2020 zu halbieren, näher bringen! Seite |8