Der tektonische Bau Deutschlands Martina Küster und Bernhard Stöckhert Nordrand des Harzes bei Thale Querprofil SW NO Ramberg Teufelsmauer Thale Bodeaue alk Keuper hie Musch elk Bunts andste in Zech stein fer Sc Granit Oberkreide Das variszische Grundgebirge aus Schiefern und Granit ist von Süden auf das meso zoische Deckgebirge aufgeschoben, wo bei diese Schichten steil gestellt wurden. 0 Salzstock im Untergrund Norddeutschlands Profil Tertiär rit hyd An hyd Salz Unter1000 An Ob.- Kr. rit Tertiär Oberkreide Unter- kreide kreide Lias 2000 Lias Keuper al k h el k M u sc Buntsandstein 3000 Keuper Muschelkalk Buntsandstein Tiefe in m Das im Gegensatz zu anderen Gesteinen auch bei niedrigen Temperaturen fließ fähige Salz steigt unter der Auflast der jüngeren Sedimentgesteine in Form von Salzstöcken auf, wobei die darüberliegenden Schichten verformt werden. Oberrheingraben Blockbild n ese Vulkan Kaisersruine tuhl tertiäre Vo g Sedim ld wa arz hw Sc ente km bruch h ~ 300 aft 5 °C fließe nd 1 0 Profil im Krustenmaßstab WNW OSO Vulkanismus vor 14 Mio Jahren Vo gesen Rheingraben Kaiserstuhl Vo rbergzo ne Schwarzwald tertiäre Sedimente bruchhaft ~ 300°C fließend km 5 10 Profil im Lithosphärenmaßstab Schwarzwald Vogesen bruchhaft fließend ~300°C Magma kontinentale Kruste Lithosphäre ~1200°C Mantel Asthenosphäre 30 60 90 120 Tiefe in km Die Störungen am Grabenrand reichen bis 10 km Tiefe. Dort beginnen die Gesteine bei Temperaturen von etwa 300°C sich (extrem langsam) plastisch zu verformen. © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 36 Die Erde ist ein unruhiger Planet. Getrieben durch die Restwärme aus der Zeit ihrer Entstehung und durch die Wärmeproduktion beim radioaktiven Zerfall wird der Erdmantel kontinuierlich umgewälzt. Diese Konvektion erfolgt im festen Zustand und daher für menschliche Zeitmaßstäbe sehr langsam. Sie führt jedoch zu einer kontinuierlichen Verformung der Erdkruste, der äußersten Schale der Erde, auf deren Oberfläche sich unser Leben abspielt. Die Verformung der Erdkruste ist Gegenstand der Tektonik, eines Zweiges der Geowissenschaften. Deutschland liegt auf kontinentaler Kruste im Inneren der Eurasischen Platte. Die nächsten Plattengrenzen liegen heute im Mittelmeerraum ( konvergent) und am mittelatlantischen Rücken ( divergent). Die Alpen repräsentieren eine geologisch junge Kollisionszone zwischen dem Mikrokontinent Apulia und Europa. Bei dieser Kollision, die im Tertiär vor weniger als 50 Mio. Jahren erfolgte, wurde die im Verhältnis zum Erdmantel spezifisch leichtere kontinentale Kruste verdickt und in Folge dessen mit Geschwindigkeiten von etwa einem Millimeter pro Jahr herausgehoben, was zur Entstehung des Hochgebirges der Alpen führte. Kollisionen zwischen größeren und kleineren Kontinenten haben in Mitteleuropa nördlich der Alpen zuletzt vor rund 400 bis 300 Mio. Jahren stattgefunden. Man spricht von der variszischen Gebirgsbildung. Die abgetragenen Gebirge aus jener Zeit bauen die unteren Stockwerke der kontinentalen Kruste unter Deutschland auf. Nördlich der Alpen ist die Kruste etwa 30 km dick. Aufbau und Struktur der tieferen Stockwerke sind nur aus geophysikalischen Experimenten bekannt. Die tiefste deutsche Bohrung, die kontinentale Tiefbohrung (KTB) Oberpfalz bei Windischeschenbach hat 1994 mit 9101 m nicht einmal ein Drittel der Gesamtdicke der Kruste durchstoßen. Anhand von Oberflächenaufschlüssen, Bohrungen und Bergbau sowie Ergebnissen der geophysikalischen Tiefenerkundung lässt sich der Krustenaufbau in Deutschland räumlich und zeitlich wie folgt gliedern : (1) Das variszische Grundgebirge besteht in Deutschland aus Gesteinen, die vor mehr als 300 Mio. Jahren im ausgehenden Erdaltertum ( Paläozoikum) in unterschiedlicher Tiefe bei entsprechenden Drucken und Temperaturen zum Teil sehr stark deformiert wurden. Es enthält außerdem Tiefengesteine, vor allem Granite, die durch langsame Abkühlung in großen Magmenkammern auskristallisierten. Im heutigen Mitteleuropa befanden sich damals mehrere Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Relief, Boden und Wasser Rheinisches Schiefergebirge Querprofil im Krustenmaßstab NNW Rheinisches Schiefergebirge Karbon Devon 10 20 30 SSO Saar-NaheBecken Rot liegend n arbo Oberk kontinentale Kruste der unteren Platte (vor-devonisch) 40 oberer Mantel Tiefe in km Ozeanische Kruste Bei der Kollision zweier Kontinente vor etwa 300 Millionen Jahren wurden die mächtigen devonischen Sedimentpakete durch Faltung und Überschiebung von ursprünglich etwa 300 km Breite auf etwa 150 km Breite zusammengestaucht. © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 Plattengrenzen mit dazwischenliegenden Kleinplatten, bei deren abschließender Kollision die heute zusammenhängende kontinentale Kruste Europas zu einem ausgedehnten Bereich innerhalb der Eurasischen Platte verschweißt wurde (variszische Gebirgsbildung). In der Karte wird – stark vereinfacht – unterschieden zwischen Grundgebirge aus mittel- bis hochgradig metamorphen Gesteinen, die einst in mehr als 15 km Tiefe bei Temperaturen von über 500 °C gelegen haben, Grundgebirge aus niedriggradig metamorphen Gesteinen, die bei der variszischen Gebirgsbildung weniger als etwa 15 km tief versenkt waren, sowie Grundgebirge aus gefalteten oberkarbonischen Sedimentgesteinen mit Steinkohleflözen. (2) Die spätvariszischen Sedimentbecken und Gräben sind durch Dehnung der Kruste im frühen Perm ( Rotliegend) während der Abtragung des variszischen Gebirges entstanden. Sie sind mit grobklastischen Sedimentgesteinen gefüllt, dem Abtragungsschutt des variszischen Gebirges. Dazu wurden in heftigen Vulkanausbrüchen große Mengen von Magma gefördert, das zu vulkanischen Gesteinen erstarrte. (3) Das permo-mesozoische Deckgebirge in Deutschland besteht aus den Sedimenten, die sich größtenteils in einem Schelfmeer im Zeitraum zwischen etwa 250 und 65 Mio. Jahren vor heute auf dem variszischen Grundgebirge abgelagert haben ( Beitrag Asch/ Lahner/Zitzmann, S. 32). Die Öffnung des Atlantiks und der kleineren ozeanischen Bereiche im Süden Mitteleuropas wirkte sich im Mesozoikum auch in Mitteleuropa durch wiederholte Verformung aus, wobei sich neue Störungen bildeten und bereits existierende in unterschiedlicher Weise reaktiviert wurden . Diese bestimmen insbesondere im mittleren Teil Deutschlands das kleinräumige Verteilungsmuster von Grund- und Deckgebirge, während im Süden eine weiträumige Aufwölbung zur Entwicklung des Schichtstufenlandes ( Beitrag Beyer/Schmidt, S. 84) führte. Eine besondere Rolle spielt in Mitteleuropa das Salz, das im oberen Perm (Zechstein) abgelagert wurde. Da Salz im Gegensatz zu anderen Gesteinen schon bei den niedrigen Temperaturen der oberen Kruste im festen Zustand langsam fließen kann, bildeten sich im Verbreitungsgebiet der Zechsteinsalze in Norddeutschland zahlreiche Salzstöcke . Die überlagernden mesozoischen und tertiären Sedimentgesteinsschichten wurden dabei vom aufsteigenden Salz nach oben gebogen und zerbrochen. An einigen Stellen liegen diese vom Salz nach oben geschobenen Gesteine heute frei, umgeben von quartären Ablagerungen, z.B. auf Helgoland, in Lüneburg sowie in Rüdersdorf und Sperenberg bei Berlin. (4) Die alpinen Decken wurden bei der Kollision im Tertiär auf den Südrand des europäischen Kontinents geschoben. Nur ihre vorderste Front liegt in Deutschland. Die vom Mikrokontinent Apulia stammenden Decken wurden relativ zu Europa um Hunderte von Kilometern überschoben. Unter ihrer Auflast senkte sich am Nordrand der Alpen die Kruste ab dem mittleren Tertiär, und das dabei entstehende Molassebecken nahm den Abtragungsschutt des im Süden aufsteigenden Gebirges auf. Die Mächtigkeit der Sedimentserien nimmt von Norden nach Süden zu und erreicht über 4 km. Am Alpenrand wurden die Sedimente der Molasse im späten Tertiär durch die fortschreitende Kollision zusammengestaucht und von den alpinen Decken um viele Kilometer überfahren. (5) Zeitgleich mit der Kollision in den Alpen bildeten sich markante tertiäre Gräben. Sie sind Ausdruck einer horizontalen Dehnung der Kruste und Tektonik Åbenrå Nykøbing Falster E E O S T S E Husum E S D R N O Helgoland Kiel Rostock Kummerower See Lübeck Schweriner See Schwerin Hamburg Bremerhaven Neubrandenburg Müritz Plauer See Emden Szczecin (Stettin) Lüneburg Groningen Oldenburg Jez. Miedwie (Madüsee) Elb e Bremen Neuruppin Eberswalde Cloppenburg r de O Celle Zwolle Nordhorn Apeldoorn Enschede Osnabrück Magdeburg Halberstadt Har Paderborn Dortmund Essen Nordhausen Leipzig Bu ch t Görlitz lda ch is e el os c r fe ge rg bi Trier e-Be d Plauen Bayreuth Würzburg 20 Mannheim r a b e n i n Aalen e Stuttgart Rhein O b e r r h Regensburg nau RiesKrater Ingolstadt Ulm M s ola seb ecke Passau n Landshut In n e ell Reutlingen Molda u ) a( Schichtstufenland Heilbronn Augsburg 0 1 00 Freiburg i. Breisgau VillingenSchwenningen Ammersee Biberach a.d. Riß Mulhouse Ravensburg Konstanz Bodensee Kempten quartäre und tertiäre Vulkanfelder tertiäre Sedimentbecken, Tiefenlinien der Tertiärbasis in m Alpine Decken alpine Decken (ursprünglich Apulia) alpine Decken (ursprünglich Europa) 3000 4 000 Starnberger See Rosenheim Rh ei n Zürichsee Überdeckung durch quartäre Sedimente München GarmischPartenkirchen Zürich Quartäre und tertiäre Sedimente und Vulkanfelder 2 000 gefaltet Basel Inn Chiemsee A l p i n e Permo-mesozoische Deckgebirge Attersee Salzburg e n D e c k variszisches Grundgebirge, niedriggradig metamorph, bereichsweise Plutone (überwiegend Granite) mesozoisches Deckgebirge, überwiegend flach gelagert variszisches Grundgebirge, mittel- bis hochgradig metamorph, zahlreiche Plutone (überwiegend Granite) Salzstöcke (unter mächtiger quartärer Überdeckung) Spätvariszische Sedimentbecken und Gräben Rotliegend-Becken und vulkanische Serien Variszische Grundgebirge Oberkarbon-Becken, mit Steinkohle Störungen (nicht differenziert; spätvariszisch bis rezent) Überschiebungsbahnen (Deckengrenzen) in den Alpen 0 © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 av Süddeutsches Karlsruhe Böhmische Masse Nürnberg V lt g Plzeò (Pilsen) Weiden Offenburg 00 e b in Strasbourg 20 g r z Prag 00 Metz al Ma 00 Kaiserslautern Saarbrücken W Liberec (Reichenberg) g e i r Coburg Aschaffenburg Mainz Neunkirchen Mo s Chemnitz er Frankfurt a.M. Wiesbaden cken Gera E 30 ah r-N aa ng e S h ie ri Fulda Koblenz S hü Do in Rhe M Marburg s Bonn Erfurt Eisenach Werra T Siegen Aachen iße Dresden Fu Köln Luxembourg Ne Torgau Halle/Saale Kassel Düsseldorf Elb e Göttingen al e Sa Duisburg Cottbus Dessau z zer sit Lau ) he in is c Frankfurt/ Oder Braunschweig r se as er ed he Ni Rhe r in BERLIN Potsdam We Bielefeld Münster Nijmegen Me Stendal Hannover Arnhem a durch steile Abschiebungen begrenzt, die zum Teil auch heute aktiv sind ( Beitrag Grünthal, S. 44). Dies gilt insbesondere für die Niederrheinische Bucht und den Oberrheingraben , in dem die Mächtigkeit der tertiären Sedimente bis zu über 3 km beträgt. Um diesen Betrag hat sich die Grabensohle eingesenkt, während sich die Flanken in Schwarzwald und Vogesen um mehr als 1 km gehoben haben. Die Lithosphäre hat sich bei der Bildung des Oberrheingrabens um etwa 5 km senkrecht zum Verlauf des Grabens gedehnt. (6) Weite Teile von Mitteleuropa wurden im jungen Tertiär und im Quartär um bis zu einigen hundert Metern gehoben, so das Rheinische Schiefergebirge , der Harz und das Erzgebirge. In den herausgehobenen Gebieten ist das mesozoische Deckgebirge zum großen Teil abgetragen, und das Grundgebirge oder die darauf liegende Füllung der spätvariszischen Senken und Gräben sind freigelegt. Diese Hebung ist in vielen Bereichen mit der Entstehung von Vulkan-Feldern ( Beitrag Schmincke, S. 60) verbunden, zum Beispiel in Eifel und Westerwald. Vulkanismus ist auch an die tertiären Grabenstrukturen gebunden, zum Beispiel im Kaiserstuhl ( Beitrag Mäckel, S.64). (M use Erst seit den sechziger Jahren des 20. Jhs. haben die Geowissenschaftler mit dem Modell der Plattentektonik einen einheitlichen Rahmen zur Erklärung aller tektonischen Prozesse geschaffen. Die Lithosphäre, bestehend aus der Erdkruste und dem obersten Stockwerk des Erdmantels, zerfällt in eine Reihe von Platten, die sich unabhängig voneinander mit Geschwindigkeiten von einigen Zentimetern pro Jahr bewegen. Es gibt dabei zwei Arten von Kruste, die ozeanische Kruste, die etwa zwei Drittel der Erdoberfläche unterlagert, und die kontinentale Kruste. Sie unterscheiden sich in Dicke, Struktur, chemischer Zusammensetzung, Art der Gesteine sowie Entstehungsgeschichte und Alter grundlegend. Die Topographie der Erde wird von Art und Alter der Kruste sowie von deren tektonischer Geschichte bestimmt. Die Grenzen zwischen den Platten sind die Bereiche, in denen die Erdkruste am raschesten und intensivsten verformt wird. Je nachdem, ob sich die Platten voneinander weg, aufeinander zu oder tangential aneinander vorbei schieben, spricht man von divergenten, konvergenten oder konservativen Plattengrenzen. An divergenten Plattengrenzen wird neue ozeanische Lithosphäre gebildet, an konvergenten Plattengrenzen alte ozeanische Lithosphäre in den Erdmantel zurückgeführt; man spricht von Subduktion. Treffen an einer konvergenten Plattengrenze Kontinente aufeinander, so spricht man von Kollision. Die Subduktion kommt zum Stillstand und die Kruste der kollidierenden Kontinente wird übereinandergeschoben und zusammengestaucht. Dabei bilden sich Gebirgszüge. Moselle Plattentektonik Autoren: M. Küster, B. Stöckhert 25 50 75 Maßstab 1 : 3 750 000 Der tektonische Bau Deutschlands 37 100 km