Förderkonzept des Bioökonomierates Lebensmittelkonsum, Ernährung & Gesundheit 3 Zusammenfassung In der Innovationspolitik der deutschen Bundesregierung nimmt die Bioökonomie heute eine zentrale Stellung ein. Während das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bereits seit nahezu zwei Jahrzehnten verschiedene Teilgebiete der Bioökonomie, wie zum Beispiel die Pflanzenforschung, intensiv fördern, wurde die sozialwissenschaftliche Forschung, insbesondere die Konsum-, Verbraucher- und Verhaltensforschung, im Bereich der Bioökonomie bisher nur unzureichend in Fördermaßnahmen abgebildet. Der Bioökonomierat empfiehlt, dass die Bioökonomie den Dialog mit den Konsumenten und allen gesellschaftlichen Gruppen von Anfang an sucht, intensiv begleitet und pflegt. Dafür ist der Sektor Lebensmittel und Ernährung in seiner Unmittelbarkeit in besonderer Weise geeignet. Grundlage für einen erfolgreichen Dialog ist jedoch eine sozialwissenschaftliche Forschung, die Bedarf, Erwartung und Verhalten von Verbrauchern ermittelt, analysiert und ein vielfältiges Instrumentarium sowie geeignete Kommunikationsformen entwickelt, die nachhaltigere und gesundheitsförderliche Konsumformen unterstützen. Das aktuelle Förderkonzept wurde von der Arbeitsgruppe Ernährung & Gesundheit um Prof. Dr. Hannelore Daniel, Prof. Dr. Lucia Reisch sowie Prof. Dr. Ulrich Hamm erarbeitet. Es wurde am 26.11.2013 vom Bioökonomierat verabschiedet. 4 Förderkonzept Lebensmittelkonsum, Ernährungsverhalten, Gesundheit in der Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 1. Einleitung Die Bioökonomie hält vielversprechende Lösungsansätze für die großen Herausforderungen der Zukunft bereit.[1] Neue biologische und technologische Erkenntnisse und Verfahren für eine mengenmäßig ausreichende, qualitativ hochwertige und nachhaltige Produktion sowie die Bereitstellung und Verarbeitung von Biomasse können einen grundlegenden Wandel der industriellen Rohstoffbasis bei Produkten und Produktionsprozessen herbeiführen und zur Minderung der Belastung der Umwelt und Schonung der endlichen Ressourcen der Erde beitragen. Insofern kann die Bioökonomie einen bedeutsamen Beitrag zur „Green Economy“ leisten. Ebenso bietet sie große Potentiale für die nachhaltigere Lebensmittelproduktion, die globale Ernährungssicherung und gesundheitsförderliche Lebensstile. Diese Chancen sollten der Gesellschaft vermittelt werden – bei der gleichzeitigen offenen und umfassenden Kommunikation möglicher Zielkonflikte oder gar Risiken. Das Verständnis für Bioökonomie erfordert den Dialog zwischen Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgern. Auch die Medien spielen hier eine prominente Rolle. Dabei kann und darf es nicht um „Wissenschaftsmarketing“ oder „Akzeptanzbeschaffung“ für biobasierte Wirtschaft gehen, sondern um eine ehrliche Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken, deren Bewertung und Abwägung, letztlich also um das Schaffen von sozial robustem Wissen. Dazu werden gegenwärtig neuartige Partizipations- und Dialogformen u. a. in den Feldern Energie(-infrastruktur) und Nanotechnologie entwickelt und getestet; inwieweit sie auf die Bioökonomie übertragbar sind, sollte geprüft werden. Im Sektor Lebensmittel ist dies eine besondere Herausforderung, da Konsumenten in Deutschland einerseits einen hohen Anspruch an die Natürlichkeit der Produkte formulieren und andererseits ein ausgeprägtes Preisbewusstsein aufweisen. Der Sektor ist zudem wie nur wenige andere Lebensbereiche emotionalisiert und von einem hohen Maß an Entfremdung von der Produk- Verzehr von zu wenig Obst, Gemüse 31% Abendlicher Heißhunger 31% Verzehr von zu viel Süßem 26% Unregelmäßiges Essverhalten 26% Zu wenig trinken 25% Verzehr von zu fettem Essen 25% Genuss von zu viel Kaffee 23% Zu wenig Zeit zum Essen 23% Zu einseitige Ernährung 22% Kann Essen nicht ablehnen 22% Esse oft zu viel 19% Esse zu viel zwischendurch 18% Muss zu oft alleine essen 15% Konsum zu vieler süßer Getränke 15% Verzehr von zu viel Fleisch 15% Verzehr von zu vielen Fertiggerichten 11% Richte mich beim Essen nach anderen 11% Frust und Stress als Essensgründe 10% Keine Defizite 15% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Anteil der Befragten 35% Quelle: IfD Allensbach; 2008; Deutschland; 4.000 Befragte zwischen 16 und 79 Jahren Rubrik Abb. 1: Selbsteinschätzung von Verbrauchern: Häufigstes Fehlverhalten bei der Ernährung tion gekennzeichnet. Gleichzeitig bieten Lebensmittel und Ernährung jedoch in ihrer Mittlerfunktion für viele Teilgebiete der Bioökonomie sowie für die Ernährungssicherung und die menschliche Gesundheit ein zentrales Feld für die Kommunikation des Verbrauchernutzens der Bioökonomie. Der Bioökonomierat hat mehrere Themenbereiche identifiziert, in denen politisches Handeln zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung sowie Umsetzung prioritär ist.[1] Auch für das Handlungsfeld Lebensmittel, Ernährung, Gesundheit hat er Empfehlungen vorgelegt.[2] Diese behandeln Themen entlang der gesamten Lebensmittelkette: von der Genese und Optimierung des Ertrags und der Umweltfreundlichkeit ihrer Produktion (pflanzlicher und tierischer Lebensmittel), über Technologien und Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit und der Ressourcenoptimierung in der Be- und Verarbeitung bis zur Logistik und Vermarktung. Was bisher aber nicht oder nur unzureichend in das Themenfeld integriert wurde, sind die Forschungsansätze zum besseren Verständnis des Konsumentenverhaltens und seiner Werteordnung sowie die Ansätze, wie dieses Verhalten im Sinne eines nachhaltigeren Konsums und eines gesundheitsförderlichen Lebensstils zu beeinflussen sind. 2. Forschungsbedarf zu Konsum, Ernährungsverhalten und Gesundheit In vielen Teilgebieten der Bioökonomie kommt dem Verbraucherverhalten zukünftig eine noch größere Bedeutung zu. Im Lebensmittelsektor gilt 5 6 Milchprodukte (z. B. Joghurt, Quark) 59,7% 59,2% 47,9% 48,4% Koffeinhaltiger Kaffee 47,5% 46,8% Teigwaren, Nudeln 39,9% 41,1% Tafelschokolade Salziges Knabbergebäck 32,5% 31,8% Kekse, süßes Knabbergebäck 31,3% 31,4% Gemüse (Tiefkühltheke) 30,6% 31,1% Tee in Aufgussbeuteln 29,8% 29,6% Bio-Obst, -Gemüse 29,3% 28,5% 26,0% 26,6% Gewürzsoßen Backwaren zum Aufbacken 25,3% 25,0% Bonbons, Fruchtgummi 24,5% 25,0% Fisch (Tiefkühltheke) 24,4% 24,9% 22,7% 23,1% Schokoladenriegel Olivenöl 20,1% 19,8% Müsli, Cornflakes 18,8% 19,0% Geflügel (Tiefkühltheke) 18,1% 19,4% Pudding, Dessertcreme 17,7% 18,6% Fertiggerichte (Tiefkühltheke) 16,5% 16,8% Speiseeis 15,7% 15,9% Fixprodukte 13,5% 14,2% Pralinen 13,4% 13,9% Fertigsuppen 12,5% 13,0% Müsliriegel 12,2% 12,5% Feinkostspezialitäten 11,5% 11,3% 11,4% 13,6% Katzenfutter Tomaten- oder Gemüsesaft 11,4% 11,4% Hundefutter 11,4% 11,5% Kakao, Kakaogetränke 10,5% 11,2% Fertiggerichte (nicht tiefgekühlt) Koffeinfreier Kaffee Diabetikerlebensmittel Babykost 8,2% 8,7% 6,9% 7,2% 3,4% 3,6% 2,5% 2,7% Abb. 2: Meistgekaufte Produkte und Lebensmittel des täglichen Bedarfs in Deutschland 2012 (grün) und 2013 (grau). Prozentwerte = Einkäufe der befragten Haushalte innerhalb von 14 Tagen vor dem Zeitpunkt der Umfrage. Quelle: IfD Allensbach dies gleichermaßen für die Minderung der Lebensmittelverluste, der Nachhaltigkeit im Konsum und einer insgesamt gesundheitsförderlichen Ernährungsweise. Gesunde, an den Lebensstil und die Erwartungen der Konsumenten angepasste sowie umweltverträgliche und dabei noch möglichst preisgünstige Lebensmittel können durch den Einsatz modernster Technologien auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette erhalten werden. Im Lebensmittelbereich stehen die Verbraucher jedoch neuen Technologien mit besonderer Skepsis gegenüber. Der Verbraucherwunsch nach möglichst naturbelassenen Lebensmitteln aus traditioneller Produktion (wie vielfach auch durch die Werbung zu Unrecht suggeriert) trifft hier auf nur ungenaue Kenntnisse von Verfahren und Techniken der heutigen Lebensmittelerzeugung. Ein Bewusstsein dafür, dass moderne Methoden der Lebensmittelproduktion dem Konsumenten durchaus dienlich sein können und bereits häufig vorkommen, ist kaum vorhanden. So sind beispielsweise die zunehmend nachgefragten laktosefreien Milchprodukte nur durch technologische Verfahren herstellbar. Darüber hinaus wird die Lebensmittelauswahl durch viele emotionale Faktoren sowie soziale und sensorische Prägungen beeinflusst. Rationale Entscheidungsprozesse auf Grundlage wissenschaftlich basierter Informationen spielen hier oftmals nur eine untergeordnete Rolle. In Bezug auf Ernährungsinformation und -beratung kommt hinzu, dass die semiwissenschaftliche Ratgeberliteratur keineswegs nur hilfreich ist, sondern Moden und Trends zu folgen scheint, was auch interessierte und willige Konsumenten auf Dauer verwirrt und demotiviert. Elemente einer effektiven und effizienten Ernährungspolitik zu entwickeln, die das Ernährungsverhalten sowohl nachhaltiger als auch gesundheitsförderlicher macht, ist daher eine der größten Herausforderungen. Das Lebensmittelangebot in Deutschland war noch nie so vielfältig, sicher und preiswert wie heute. Jedoch führt die ubiquitäre Verfügbarkeit aller Arten von Lebensmitteln und Getränken in Verbindung mit einem oftmals bewegungsarmen Lebensstil zu kalorischer Überernährung mit zum Teil gravierenden negativen gesundheitlichen Folgen. Diese zeigen sich im Formenkreis der Adipositas und den mit ihr verbundenen Folgeerkrankungen wie Typ 2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie diversen Tumorerkrankungen. Gesundheitsförderliche Lebens- 7 führung und Ernährungsweise zeigen dabei auch enge Bezüge zum Bildungsstand. Um ein besseres Verständnis jener Mechanismen zu erhalten, die Verbraucherentscheidungen im Sektor Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit maßgeblich prägen, ist die Konsum- und Verhaltensforschung mit ihren sozioökonomischen und kulturwissenschaftlichen Ansätzen zu intensivieren und als ein übergeordneter Forschungsschwerpunkt zu formulieren. Was einen solchen Schwerpunkt in besonderem Maße kennzeichnet, ist die notwendige enge Verschränkung unterschiedlichster Wissenschaftsbereiche. Die häufig noch in ihren unterschiedlichen Fächerkulturen verhafteten Sozial- und Naturwissenschaften fördern bisher nicht ausreichend die notwendigen Lernprozesse auf beiden Seiten. Dies gilt gleichermaßen für die Akteure der Wissenschaft und in den Trägereinrichtungen der öffentlichen Forschung. Bei der Bearbeitung dieser Forschungsfragen im Herz der Bioökonomie sollten daher in Konsortien auch „Unusual alliances“ gewagt werden, die – mit festgelegter Arbeitsteilung und Verantwortung – Akteure der Zivilgesellschaft und Unternehmen einbinden. Eine stärkere Vernetzung der bestehenden Forschungseinrichtungen und die intensivere Förderung inter- und transdisziplinärer Forschungsstrukturen sind hier dringend erforderlich. Eine bessere Einbindung der nationalen Großforschungseinrichtungen in das Themenfeld „Lebensmittel, Ernährung, Gesundheit“, insbesondere was die sozialwissenschaftliche Forschung angeht, ist ebenfalls anzustreben. Sinnvoll wäre zudem ein Schulterschluss mit der sich gerade neu institutionalisierenden Verbraucherforschung in Deutschland (vgl. insbesondere: Netzwerk Verbraucherforschung des BMEL; Netzwerk Verbraucherforschung Baden-Württemberg; Kompetenznetzwerk Verbraucherforschung NRW) sowie mit der Deutschen Agrarforschungs-Allianz (DAFA), insbesondere dem Cluster „Gesellschaft“. Ebenfalls relevant ist die sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung (FONA), vor allem die Sozialökologische Forschung (SÖF). Diese beschäftigt sich seit über einem Jahrzehnt unter anderem mit Fragen der Partizipation, Risikowahrnehmung, Akzeptanz und des Engagements – Themen, die im Rahmen der Bioökonomie zentral sind. Aus den genannten Forschungsprogrammen und -initiativen sind nicht nur thematische Anknüpfungspunkte zu erwarten (z. B. Tierwohl – Tierschutzlabel – Tierschutz als Nachhaltigkeitsdimension), sondern auch wichtige methodische Ansätze und Erweiterungen, die andere Disziplinen und Forschungsfelder entwickelt haben. Zu denken wäre hier an experimentelle Ansätze der Verhaltensökonomik und der Umweltpsychologie (Labor- und Feldexperimente, natürliche Experi- Romantik und Realität: Nicht immer haben Verbraucher ein klares Bild von der Lebensmittelerzeugung. 8 Innovationsaufwendungen in Milliarden Euro 3 2,5 2,13 2,37 2,27 2 2,22 2,18 2012 2013* 1,79 1,5 1 0,5 0 2008 2009 2010 2011 Abb. 3: Innovationsaufwendungen der deutschen Nahrungsmittelindustrie in den Jahren 2008 bis 2013 *Schätzung; Quelle: ZEW (in Milliarden Euro) mente) sowie innovative Messansätze der Neurowissenschaften. Ebenso hilfreich könnten partizipative Methoden der Akzeptanzforschung sein wie auch „Nutzer-integrierende“ Ansätze der Innovationsforschung. Ein weitgehend unerforschtes Feld ist auch der Einfluss neuer Anwendungsmöglichkeiten der Informationstechnologie (z. B. Apps, QRCodes) sowie der Einfluss von sozialen Netzwerken auf das Kauf- und Ernährungsverhalten von Verbrauchern. Insbesondere den Fragen, ob und wie gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährungsweisen durch IT-Anwendungen unterstützt werden können, sollte intensiv nachgegangen werden, sind doch mit neuen Medien auch Zielgruppen zu erreichen, die über die traditionellen Formen der Informationsübermittlung nicht erreichbar sind. Konsumenten sind vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, die gezielt auf ihr Einkaufs-, Ernährungs- und Gesundheitsverhalten einwirken. Während im kommerziellen Sektor sehr anspruchsvolle und weitreichende Forschungsansätze entwickelt wurden und ein unermessliches Datenmaterial vorliegt, ist die öffentliche Konsum- und Verhaltensforschung in Deutschland bisher nur unzureichend präsent. Hier besteht dringender Bedarf zum Ausbau einer leistungsfähigen öffentlichen Konsum- und Verhaltensforschung, die unter anderem auch Längsschnittstu- dien zum Verbraucherverhalten durchführt, regelmäßig Haushaltspaneldaten auswertet und Szenarien entwickelt, wie im Sinne öffentlicher Gesundheitsvorsorge das Konsumverhalten gefördert werden kann. Hier sind insbesondere auch internationale Vergleiche hilfreich sowie die Implementierung koordinierter, grenzüberschreitender Programme. Effektivität und Effizienz von Maßnahmen zur Förderung eines gesundheitsförderlichen Ernährungsverhaltens werden selten geprüft. Meist sind die Vorhaben zum Lebensstileingriff nur auf kurze Erfassungszeiträume und interventionell ausgerichtet und besitzen daher vorwiegend nur Kampagnen-Charakter. In ihrer eminenten Bedeutung für den notwendigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem gesundheitsförderlichen Ernährungsverhalten und Lebensstil müssen neue Instrumente und Verfahren erprobt und wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit (evidence-based) geprüft werden. Das gilt auch für die Instrumente der Politik.Dazu sollten in Deutschland Programme etabliert werden, die die Erfahrungen aus anderen Ländern nutzen und eine vergleichende Bewertung erlauben.[4] • Im angloamerikanischen Raum werden seit einiger Zeit Politikinstrumente des „Nudging“ (insbesondere: Defaults, soziale Normen, Framing) und der gesundheitsfördernden „Architektur 9 250 Angaben in Milliarden Euro 200 183,96 176,30 178,51 177,49 177,21 179,08 181,20 198,56 191,45 194,42 207,36 214,66 150 100 50 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Abb. 4: Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland für Nahrungsmittel, Getränke und Quelle: Statistisches Bundesamt Tabakwaren in den Jahren 2001 bis 2012 (in Milliarden Euro) der Wahl“[5],[6] zur Förderung eines umwelt- und gesundheitsbewussten Kauf- und Konsumverhaltens untersucht und praktisch erprobt. Die Ansätze sind vielversprechend, über ihre Übertragbarkeit und langfristige Wirksamkeit ist jedoch noch wenig bekannt. • Im Rahmen einer begleitenden Politikwirkungsforschung (ex ante, ex interim und ex post) sollten Maßnahmen und Verfahren auf ihre Wirksamkeit und Kosteneffizienz überprüft werden. So haben beispielsweise in Großbritannien die Arbeiten der „Behavioural Insights Unit“ der Regierung gezeigt, dass ein Vorab-Test der Verständlichkeit und Attraktivität eines staatlichen Programmes zur Steigerung der Energieeffizienz in Haushalten durch die Konsumenten selbst Optimierungen des Programmes erlaubten, die die Inanspruchnahme der angebotenen Optionen deutlich erhöhte. Auch in den USA wurde jüngst ein solches Behavioral Insight Team im Weißen Haus eingerichtet. • Neben Fokusgruppen und Pilotstudien kommen auch „natürliche Experimente“ infrage, die die Wirkung übergeordneter Ereignisse auf die Lebensumwelt des Menschen untersuchen. Als Teil der Konsum- und Gesundheitsforschung lassen sich Maßnahmen und Instrumente identifizieren und in ihrer Wirksamkeit prüfen, die zu günstigen Veränderungen der Konsumgewohnheiten und Lebensstile beitragen können. Die intendierten und nicht intendierten Effekte von Belohnungssystemen (Anreize versus Gebühren) oder von staatlichen Lenkungsmaßnahmen (z. B. Besteuerung hochkalorischer Lebensmittel; Re-gulierung von Portionsgrößen; Auslistung von Produkten) können durch Analyse der Wirkungen in anderen Ländern („Frontrunner“) abgeschätzt werden. Gute Beispiele und Schlüsselerfolgsfaktoren können in vergleichenden Studien identifiziert werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Sektor Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit viele Teilgebiete der Bioökonomie verbindet und diese mit den hier formulierten Forschungszielen sehr nahe an die Verbraucher bringt. Konsumenten in ihrem Verhalten als Marktteilnehmer besser zu verstehen, bedarf einer intensivierten sozial-, kultur- und verhaltenswissenschaftlichen Forschung. Im Spannungsbogen von Konsumentenerwartungen und nachhaltiger Förderung eines umwelt- und gesundheitsbewussten Konsumverhaltens stellt das Themenfeld jedoch auch eine große Herausforderung für die Kommunikation der Bioökonomie 10 dar, die in neuer Qualität eine konzertierte Aktion der Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft einfordert. 3. Z usammenfassung des identifizierten Forschungsbedarfs im Themenfeld • S tärkung der öffentlichen Konsum- und Verhaltensforschung mit Schwerpunkt „biobasierte Produkte“ • A nalyse der Klimarelevanz des Einkaufs- und Ernährungsverhaltens von Verbrauchern • A nalyse der Wirkung von neueren IT-Anwendungen auf ein gesundheitsförderliches und nachhaltiges Kauf- und Ernährungsverhalten von Verbrauchern • Entwicklung und wissenschaftliche Begleitung von „Nudging-Ansätzen“ • S tudien zur Effektivität ökonomischer Anreizsysteme, um Verbraucherverhalten (Gesundheit oder Umweltverträglichkeit) dauerhaft zu verändern (z. B. Prämien versus Steuern/Gebühren) 4. Literatur • Verbesserung der Daten- und Bewertungsgrundlage durch Längsschnittstudien zum Verbraucherverhalten sowie regelmäßige Erhebung und Auswertung von Haushaltspaneldaten (national und international) [1] Bioökonomierat 2013, Eckpunktepapier, www.biooekonomierat.de [2] Bioökonomierat 2012, Die Zukunft im Sektor Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit, www.biooekonomierat.de • P rüfung der Effektivität/Effizienz von Maßnahmen zur Promotion eines gesundheitsförderlichen Ernährungsverhaltens einschließlich vergleichender Politikwirkungsforschung [3] G ortmaker, S. et. al., 2011, Changing the future of obesity: science, policy and action. The Lancet, Volume 378, Issue 9793, Pages 838 - 847 • W issenschaftliche Evaluierung von „natural experiments“ sowie Implementierung und wissenschaftliche Bewertung von Feldversuchen zur Entwicklung eines gesundheits- und/oder umweltverträglichen Konsumverhaltens [5] Thaler, RH, Sunstein, CR, 2009, Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness, Penguin, ISBN-13: 978-0141040011 [4] E U, 2010, http://ec.europa.eu/research/bioeconomy/pdf/vision_paper_oct2010_pagination.pdf [6] Wansink, B., 2014, Slim by design – mindless eating solutions for everyday life, William Morrow, ISBN-13: 978-0062136527 Verbraucherverhalten ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg in die biobasierte Wirtschaft. 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