Kap.16 Magenkarzinom

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GASTROENTEROLOGIE
MAGENKARZINOM
1. Screening/Surveillance
• Risikoerkrankungen: Chronisch atrophische Gastritis mit intestinaler Metaplasie,
M. Ménétrier, subtotale Gastrektomie, adenomatöse Polypen, hyperplastische
Polypen > 2cm, FAP, HNPCC.
• Familiäre Belastung: Hereditäres diffuses Magenkarzinom (HDGC).
• Vorsorge: Adenomatöse Polypen, FAP, HNPCC, HDGC. Allgemeines Screening
der Normalbevölkerung nicht etabliert.
2. Klinisches Bild
Meist nur unspezifische Beschwerden: Völlegefühl, Schwäche, Leistungsabfall,
Oberbauchbeschwerden, Foetor ex ore. Warnsymptome sind Blutung,
Gewichtsverlust. Da eine frühzeitige Diagnosestellung von entscheidender
Bedeutung für die Prognose ist, ist die Indikation zur ÖGD großzügig zu stellen.
3. Tumorklassifikation
• Histologie: Adeno- (~70%), undifferenziertes (~20%), Siegelringzell- (~10%),
adenosquamöses, Plattenepithel-, kleinzelliges und andere Karzinome.
• Laurén-Klassifikation: Intestinaler Typ (häufiger distal) mit makroskopisch meist
klaren Tumorgrenzen, diffuser Typ (häufiger proximal) mit oft erheblicher
Diskrepanz zwischen makroskopischem und histologischem Tumorrand und
diffus-infiltrativem Wachstum.
• Magenfrühkarzinom: Karzinome, die auf die Mukosa und Submukosa
beschränkt sind, unabhängig von Lymphknotenbefall (LK). Bei Tumoren bis
Mukosa in 3% LK, bei Tumoren bis Submukosa in 20% LK. Magenfrühkarzinome
können häufig lokal begrenzt therapiert werden. Allerdings muss darauf geachtet
werden, dass sie multifokal auftreten können. Die Klassifikation erfolgt in drei
Typen: Typ I: vorgewölbt;Typ IIa: leicht erhaben; Typ IIb: flach; Typ IIc: leicht
eingesenkt; Typ III: ulceriert. Intravitalfärbung mit Kongorot oder Methylenblau
erhöht die Treffsicherheit.
• Tumorlokalisation:
Korpus
(40%),
Kardia-subkardial-Fundus
(30%),
Angulusfalte-Antrum-Pylorus (20%), gesamter Magen (5-10%). Kardiakarzinome
sind alle Karzinome des gastroösophagealen Übergangs von 5 cm oral bis 5 cm
aboral der Schleimhautgrenze (s. Ösophaguskarzinome).
• Tumorausbreitung: Zum Zeitpunkt der OP bereits in ~60% Infiltration der Serosa
und in ~70% bereits Lymphknotenmetastasen. Ausbreitung per continuitatem
(Leber, Pankreas, Milz, Colon, Netz), über Lymphgefässe (retropankreatische,
mesenteriale, paraaortale Lymphknoten gelten als Fernmetastasen) und
hämatogen (beim intestinalen Typ überwiegend Leberfiliae, bei diffusem Typ
überwiegend Lungenmetastasen). In etwa 6% der Fälle Knochenmetastasen.
4. Diagnostik und Staging
• Endoskopie: 6 bis 8 Biopsien aus dem Randbereich und dem Zentrum der
Läsion. Die Linitis plastica, die sich submukös flächenhaft ausbreitet, entzieht sich
häufig dem endoskopischen Nachweis. Diagnostisch wegweisend kann hier die
Magen-Brei-Passage sein.
• Endosonographie: Methode der Wahl zur Beurteilung der Eindringtiefe (TStadium) und des Lymphknotenstatus (N-Stadium). Unterscheidung zwischen
Mukosa- / Submukosatyp des Frühkarzinoms nur in etwa 70% der Fälle.
• Computertomographie: Schlechter als die Endosonographie zur Beurteilung des
lokalen Lymphknotenstatus (N-Stadium). Mittels CT Abdomen und Thorax werden
Fernmetastasen (M-Stadium) ausgeschlossen.
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GASTROENTEROLOGIE
•
MAGENKARZINOM
Skelettszintigraphie bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren oder im Falle
von Beschwerden.
PET/PET-CT: Derzeit keine gesicherte Indikation beim Magenkarzinom.
Diagnostische Laparoskopie: Zum Ausschluss einer Peritonealkarzinose bei
lokal fortgeschrittenen Karzinomen, zur Bestimmung der Leberbeteiligung und
zum Lymphknotenstaging.
Magen-Brei-Passage in Doppelkontrasttechnik bei unklarem endoskopischem
Befund, z.B. bei submukös wachsendem Karzinom (Linitis plastica).
Tumormarker: CEA, CA 72-4 und CA 19-9 nicht zur Diagnosestellung, nur zur
Verlaufsbeurteilung.
•
•
•
•
TX
T0
Tis
T1
T2
T3
T4
N0
N1
N2
N3
M0
M1
0
IA
IB
II
IIIA
IIIB
IV
TNM-Klassifikation der Magenkarzinome
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
kein Anhalt für Primärtumor
Carzinoma in situ (intraepithelialer Tumor ohne Einbruch in Lamina propria
mucosae
Tumor infiltriert lamina propria mucosae (T1m) oder Submucosa (T1sm)
Tumor infiltriert muscularis propria oder Subserosa oder Ausbreitung in Lig.
gastrocolicum oder hepatogastricum, das grosse oder kleine Netz ohne
Penetration des viszeralen Peritoneums
Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum), infiltriert aber nicht
Nachbarstrukturen
Tumor infiltriert Nachbarorgane
keine regionären Lymphknoten befallen
1-6 regionäre Lymphknoten befallen
7-15 regionäre Lymphknoten befallen
>15 regionäre Lymphknoten befallen
keine Fernmetastasen
Fernmetastasen
Tis
T1
T1
T2
T1
T2
T3
T2
T3
T4
T3
T1-3
T4
jedes T
UICC-Stadien der Magenkarzinome
N0
N0
N1
N0
N2
N1
N0
N2
N1
N0
N2
N3
N1-3
jedes N
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M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M0
M1
GASTROENTEROLOGIE
MAGENKARZINOM
5. Stadienadaptierte Therapie
• Frühkarzinome (T1m): Bei Frühkarzinomen vom Mukosatyp kann eine
endoskopische Therapie erfolgen. Voraussetzungen sind: differenziertes
Karzinom (G1/G2); leicht erhabener Typ (IIa) <2 cm Durchmesser; leicht
erniedrigter Typ (IIc), nicht-ulzeriert, <1 cm Durchmesser; keine
Lymphknotenmetastasen; keine tiefe submuköse Invasion. Die 5-JahresÜberlebensraten erreichen bei Einhaltung dieser Kriterien 86% und liegen in etwa
gleich auf mit der chirurgischen Resektion. Zu beachten ist, dass synchrone
Läsionen vorliegen können. Alternative: laparoskopische „wedge resection“.
• Lokalisierten Stadien (T1sm-T3 N0-N1 M0, ggf. bis T4 N2 M0): Abhängig von
Lokalisation, histologischem Typ und patientenbezogener Risikobeurteilung. Bei
präoperativ unklaren Fällen wird eine explorative Laparoskopie vorgeschaltet.
Distale Karzinome vom intestinalen Typ können in der Regel mit einer 4/5Resektion des Magens behandelt werden. Eine totale Gastrektomie ist in der
Regel bei proximalen Karzinomen und solchen vom diffusen Typ erforderlich.
Karzinome des gastroösophagealen Übergangs vom Typ II und Typ III werden
mittels einer abdominalen transhiatalen erweiterten Gastrektomie und einer
distalen Ösophagusresektion behandelt. Die mit der Gastrektomie assoziierte
Mortalität beträgt ca. 3%. Eine chirurgische Resektion von Fernmetastasen beim
Magenkarzinom ist nicht sinnvoll.
• Neoadjuvante Chemotherapie: Bei lokal fortgeschrittenen und als primär
inoperabel eingeschätzten Tumoren sollte eine neoadjuvante Therapie zur
Tumorverkleinerung durchgeführt werden. Nach Abschluss der präoperativen
Therapie wird dann die R0-Resektion angestrebt. Für die operablen, aber lokal
fortgeschrittenen Tumorstadien T3 und T4 wird gegenwärtig im Rahmen von
Studien der Nutzen einer neoadjuvanten Therapie überprüft. Die postoperative
Morbidität und Mortalität wird durch die neoadjuvante Therapie nicht erhöht. In
der neoadjuvanten Situation hat sich das gut verträgliche Protokoll PLF
(Cisplation, 5-Fluorouracil, Calciumfolinat) bewährt. Nach zwei Zyklen wird zur
Überprüfung des Ansprechens in der Regel ein Zwischenstaging durchgeführt.
Die Rate R0-resezierbarer Karzinome kann durch diese neoadjuvante
Chemotherapie bis auf 65% gesteigert werden.
• Adjuvante Chemotherapie: Wert nicht gesichert, nur innerhalb von Studien.
• Palliative Chemotherapie: Die palliative Chemotherapie ist der supportiven
Behandlung hinsichtlich Überlebenszeit und Lebensqualität überlegen. Vor allem
drei Protokolle, mit denen mediane Überlebenszeiten von 6 bis 11 Monaten und
Remissionsraten bis über 50% erzielt werden, sind verbreitet: Das ELF-Schema
zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit aus und wird vor allem bei älteren
Patienten eingesetzt. Wichtigste Nebenwirkung ist die Alopezie. Wirksamer sind
das ECF- und das PLF-Protokoll. Nachteil des ECF-Schemas ist die 21-tägige 5FU-Dauerinfusion. Als Standard in der palliativen Therapie gilt das PLF-Schema
(Ansprechraten von 60 bis 70% und mediane Überlebenszeiten von 10 bis 11
Monate). Die Wirksamkeit neuerer Substanzen wie Paclitaxel, Docetaxel,
Irinotecan und Oxaliplatin beim Magenkarzinom wird derzeit im Rahmen von
Studien untersucht. Bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand kann auch
eine Monotherapie mit 5-FU/Folinsäure oder Capecitabin durchgeführt werden.
• Endoskopische und chirurgische Palliation bei lokalen Komplikationen wie
Blutung und Stenosen. Bei diffusen Tumorblutungen Argonplasmakoagulation.
Bei Magenausgangsstenosen können als Alternative zur offenen oder
laparoskopischen Gastroenterostomie selbstexpandierende Metallstents appliziert
werden.
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GASTROENTEROLOGIE
MAGENKARZINOM
6. Nachsorge
Nach Gastrektomie vierteljährlich Vitamin-B12-Substitution. Nach kurativer Resektion
in den ersten 24 Monaten alle 3 Monate (bei Magenfrühkarzinom alle 6 Monate),
dann bis zum 5. postoperativen Jahr halbjährlich: Anamnese, körperliche
Untersuchung, Blutbild, Harnstoff, Kreatinin, Albumin, γGT, AP, LDH, CEA, CA19-9,
Oberbauchsonographie, Gastroskopie (halbjährlich bis 24 Monate, dann jährlich).
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Palliative Chemotherapieprotokolle beim Magenkarzinom
Dosis
Protokoll/
Applikationsmodus Therapietage Wiederholung Wichtige Nebenwirkungen
(mg/m2)
Substanz
ELF (Wilke 1990)
Knochenmarksdepression,
Etoposid
120
i.v. (30-60 Min.)
Übelkeit, Stomatitis,
1-3
Tag 22
Calciumfolinat
300
i.v. (10 Min.)
Alopezie, Diarrhö, Hand5-FU
500
i.v. (10 Min.)
Fuß-Syndrom, Angina
pectoris
ECF (Findlay 1994)
Alopezie, Kardiotoxizität,
Epirubicin
50
i.v. Bolus
1
KnochenTag 22
Cisplatin
60
i.v. (30 Min.)
1
marksdepression, GI5-FU
200
i.v. (24 h)
1-21
Beschwerden. Kumulative
max. Dosis Epirubicin:
900-1000 mg/m2, ab 450
mg/m2 Monitoring.
PLF (Wilke 1994)
Knochenmarksdepression,
1, 8, 15,
Calciumfolinat
500
i.v. (120 Min.)
GI-Beschwerden, SehTag 50
22, 29, 36
5-FU
2000
i.v. (24 h)
und Hörstörungen,
Cisplatin
50
i.v. (60 Min.)
1, 15, 29
Elektrolytstörungen,
Kardiotoxizität
Nachsorge:
36
In den ersten 24 Monaten nach nach kurativer
Resektion alle 3 Monate (bei
Magenfrühkarzinom alle 6 Monate), dann bis zum 5. postoperativen Jahr
halbjährlich:
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