Darmzentrum Mülheim an der Ruhr Kolorektale Karzinome Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der beteiligten Institutionen in Mülheim Vorwort V orliegende Broschüre wurde von den Mitgliedern des Qualitätszirkels Kolorektale Karzinome in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Kliniken und Praxen der Fachbereiche Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Chirurgie, Gastroenterologie, Onkologie und Strahlentherapie erarbeitet. Sie beinhaltet und berücksichtigt die Vorgaben aus den Leitlinien der nationalen und internationalen Fachgesellschaften. Der Zweck der Broschüre ist eine Orientierung für die beteiligten wie für die überweisenden Ärzte zu bieten und die Tätigkeiten der verschiedenen in den Behandlungsprozess involvierten Nachbardisziplinen darzustellen. Nachdem Wissenschaften einem permanenten Wandel unterworfen sind, werden auch die Inhalte dieser Schrift in gewissen Abständen überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Eine neue Auflage ist daher spätestens zum Ende des Jahres 2006 zu erwarten. Für jede kritische Anmerkung und jeden Verbesserungsvorschlag sind die Autoren jederzeit dankbar. * = Leitlinien zur Therapie des Rektumkarzinoms entsprechend des Konsensus der CAO, AIO und ARO 3 Inhaltsverzeichnis I n h a l t I. S c r e e n i n g I I . K o l o n k a r z i n o m 1. 2. 3. 4. 5. 6. Präoperative Diagnostik Operative Therapie Therapeutische Sondersituationen Pathohistologische Diagnostik / TNM-System Adjuvante Therapie Palliative Therapie I I I . 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. I V . R e k t u m k a r z i n o m Präoperative Diagnostik Praeoperative (neoadjuvante) Tumortherapie Operative Therapie Therapeutische Sondersituationen Pathohistologische Diagnostik Adjuvante Therapie Palliativmassnahmen N a c h b e h a n d l u n g 1. 2. Rehabilitation Nachsorge I. Screening Primärprävention der asymptomatischen Bevölkerung Die jährliche Durchführung eines Tests auf okkultes fäkales Blut - bestehend aus 3 Testbriefchen für drei konsekutive Stühle (FOBT) - ist ab dem 50. Lebensjahr bei allen asymptomatischen Personen zu empfehlen. Ein positives Testergebnis macht endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich. Eine Koloskopie sollte spätestens mit 55 Jahren durchgeführt werden und ist im Abstand von 10 Jahren zu wiederholen. Eine vorangehende digitale rektale Untersuchung ist obligater Bestandteil der Koloskopie. die 4 Primärprävention bei erhöhtem Risiko Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu einer von drei definierten Risikogruppen: 1. Personen mit einem individuell gesteigerten Risiko für ein sog. sporadisches kolorektales Karzinom sind Verwandte ersten Grades von Patienten, welche ein Kolonkarzinom vor dem 60. Lebensjahr entwickelt haben oder mehr als ein Verwandter ersten Grades betroffen ist. In diesem Fall sollte eine komplette Koloskopie 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten erfolgen, spätestens im Alter von 50 Jahren. 2. Anlageträger eines h e r e d i t ä r e n k o l o r e k t a l e n K a r z i n o m s (Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Attentuierte Familiäre Adenomatöse Polyposis (AAPC), Hereditäres Non-Polyposis Coli Kolonkarzinom-Anlageträger ( HNPCC )). a) (FAP) Risikopatienten bei denen eine FAP bestätigt wurde, sollten spätestens ab dem 10 LJ. jährlich rekto-sigmoideoskopiert werden. Bei Nachweis von Polypen muss eine komplette Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie, möglichst zwischen Pubertät und dem 20. Nach Lebensjahr kontinenzerhaltender erhaltenem jährlich wiederholt Proktocolektomie Rectumstumpf eine ist Rectoskopie eine alle werden. Pouchoskopie 4 jährlich, Monate bei erforderlich. b) (AAPC) Risikopatienten aus Familien mit attenuierter FAP sollten erstmals im Alter von 15 Jahren koloskopiert werden. Finden sich keine Polypen sind jährlich Coloskopie ab dem 20 LJ erforderlich. Die Therapie ist Abhängig vom Alter des Pat. , der Anzahl und Histologie der Polypen. Bei endoskopisch nicht beherrschbaren Polypen ist eine Kolektomie indiziert, ansonsten sind jährliche coloskopien notwendig. c) ( HNPCC ) Risikopersonen sollten ab dem 25 LJ. jährlich komplett koloskopiert werden, in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in der Familie. 5 Weiterhin ist eine kontinuierliche genetische Betreuung sinnvoll, da die weitere Klärung bestimmter Mutationen im Individualfall zu besonderen Konsequenzen führen könnte. In vielen Fällen sind prophylaktische chirurgische Massnahmen zu erwägen. Hier sind ausführliche gemeinsame Erörterungen aller beteiligten Fachdisziplinen in jedem Einzelfall anzustreben. 3. Risikopersonen auf dem Boden einer chronisch entzündlichen D a r m e r k r a n k u n g sollten kontinuierlich optimal medikamentös entzündungshemmend eingestellt sein, da damit sehr wahrscheinlich eine präventive Wirksamkeit gegen das Kolorektale Karzinom verbunden ist. Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die über 8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die über 15 Jahre besteht, erfolgt eine komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien in jährlichem Abstand. Bei eindeutiger hochgradiger Dysplasie ist dem Patienten die elektive, evtl. kontinenzerhaltende Proktocolektomie zu empfehlen. Bei Pouchanlage ist postoperativ eine jährliche Pouchoskopie erforderlich. 6 II. Kolonkarzinom 1. 1.1 Praeoperative Diagnostik Obligatorische apparative Untersuchungen • Anamnese und klinische Untersuchung • Coloskopie mit Biopsie. Bei hochgradig stenosierenden, nicht passierbaren Tumoren empfiehlt es sich, den restlichen Darm mittels Röntgenkontrastdarstellung, intraoperativ palpatorisch und innerhalb von 3 Monaten postoperativ endoskopisch zu untersuchen. • Sonographie Abdomen (Leber, Niere, Aszites) mit Bilddokumentation • Röntgenbild des Thorax in 2 Ebenen • Tumormarker CEA, CA 19–9 1.2 Ergänzende Untersuchungen • CT Abdomen bei unklarem sonographischen Befund • CT Thorax bei Verdacht auf Lungenmetastasen • Zystoskopie bei Verdacht auf Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus und/oder Adnexen 7 2. Operative Therapie Die chirurgische Therapie des Kolonkarzinoms unter kurativer Zielsetzung besteht in der Resektion des tumortragenden Colonabschnitts mit dem regionalen Lymphabflussgebiet, ggf. unter Mitentfernung adhärenter Organe (s.u. multivisceraler Resektion). Zur Entfernung des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist grundsätzlich eine minimale Resektionsgrenze von 2 cm ausreichend. Das regionäre Lymphabflussgebiet geht über diesen Bereich hinaus. Entsprechend der Gefäßversorgung breiten sich Lymphknotenmetastasen tangential (bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt), vorwiegend jedoch in zentraler Richtung aus. Für das Ausmaß der Darmresektion ist damit weniger die Tumorausbreitung in der Darmwand als das nach zentraler Gefäßligatur zu entfernende Lymphabflussgebiet entscheidend. Nur bei strenger Selektion kann auch eine lokale Therapie in Form einer Coloskopischen Polypektomie erfolgen (s.u.). 2.1 Karzinome des Coecums und des Colon ascendens Der Regeleingriff ist die Hemicolektomie rechts mit radikulärer Entfernung des Lymphabflussgebietes der A. colica dextra und der A. ileocolica. Der Stamm der A. colica media kann erhalten werden, die nach rechts ziehenden Äste der A. colica media werden durchtrennt. Das große Netz wird im Bereich des zu resezierenden Quercolons mitentfernt. 2.2 Karzinome der rechten Flexur und des oralen Colon transversum Der Regeleingriff ist die erweiterte Hemicolektomie rechts. Hierbei wird zusätzlich die A. colica media am Ursprung der A. mesenterica superior zentral ligiert. Die aborale Resektionsgrenze liegt nahe der linken Flexur, die unter bestimmten anatomischen Bedingungen, z.B. schlechter Durchblutung, mit entfernt werden muss. Das große Netz wird mit dem Lig. gastroepiploicum und der A. und V. gastroepiploica dextra nach abgangsnaher Durchtrennung reseziert. Damit werden evtl. vorhandene Lymphknotenmetastasen über dem Pankreaskopf erreicht. 2.3 Transversumkarzinome Bei Tumoren in der Mitte des Transversum erfolgt die Transversumresektion mit der zentralen Ligatur der A. colica media, situationsabhängig unter Mitresektion der Flexuren. 8 Das große Netz wird mit dem Lig. gastroepiploicum und der gastroepiploischen Arkade reseziert. Bei nahe einer Flexur gelegenen Tumoren ist die erweiterte Hemicolektomie rechts bzw. links mit Entfernung des benachbarten Lymphabflussgebietes erforderlich. 2.4 Karzinome der linken Kolonflexur Regeleingriff ist die erweiterte Hemicolektomie links mit Entfernung der Lymph­ abflussgebiete von A. colica media und A. mesenterica inferior. Hierdurch bleibt die A. rectalis superior erhalten, wodurch das untere Sigma belassen werden kann. Abhängig von der Tumorlokalisation und der Durchblutung kann die rechte Colonflexur erhalten werden. Die Lymphknoten am Stamm der A. mesenterica superior sollten aus diagnostischen Gründen bis zur Aorta disseziert werden. 2.5 Karzinome des Colon descendens und oberen Sigmas Der Regeleingriff ist die Hemicolektomie links mit radikulärer Unterbindung der A. mesenterica inferior. Die aborale Resektionsgrenze am Darm liegt im oberen Rectumdrittel. Die linke Flexur wird in der Regel mitreseziert (Transversorectostomie). Aus technischen Gründen kann es erforderlich sein, die A. colica media zu durchtrennen, um eine spannungsfreie Anastomose sicherzustellen. 2.6 Karzinome des mittleren und unteren Sigmas Der Regeleingriff ist die (radikale) erweiterte Sigmaresektion. Die A. mesenterica inferior wird zentral oder distal des Abganges der A. colica sinistra unterbunden. Ein onkologischer Vorteil der stammnahen Unterbindung der A. mesenterica inferior ist nicht erwiesen. Die V. mesenterica inferior sollte kranial am Pankreasunterrand durchtrennt werden. Die Resektionsebenen am Darm finden sich im Bereich des Colon descendens und im oberen Rektumdrittel. 3 3.1 Therapeutische Sondersituationen Multiviszerale Resektionen Bei Adhärenz benachbarter Strukturen ist neben der radikulären Lymphknotendissektion nach Möglichkeit die En-bloc-Resektion der befallenen Organe (multiviscerale Resektion) anzustreben. Biopsien aus der Gegend der vermuteten Tumorinfiltration sind nicht hilfreich, 9 da diese zu einer Tumorzelldissemination mit dem Risiko eines lokoregionären Rezidivs führen können. 3.2 Fernmetastasen Die Resektion von (syn- und metachronen) Fernmetastasen (Leber, Lunge u.a.) ist indiziert, sofern eine Resektion, die den onkologischen Radikalitätsprinzipien entspricht (R0-Resektion), möglich und das Risiko des Eingriffes vertretbar ist. Bei Inoperabilität s.u. Palliativmaßnahmen. 3.3 Mehrfachkarzinome des Kolorektums Bei Mehrfachkarzinomen des Kolons orientiert sich das Resektionsausmaß an den Lymphabflussgebieten. Daraus kann sich eine Colektomie mit Ileorectostomie ergeben. Bei gleichzeitigem Rektumkarzinom ist der Eingriff entsprechend dem Vorgehen bei Rektumkarzinomen zu erweitern (s. Rektumkarzinom) 3.4 Begleitende Kolonadenome Gleichzeitig vorhandene Adenome, die endoskopisch nicht abtragbar sind, können eine Erweiterung der Darmresektion notwendig machen, wobei auf eine Erweiterung des Lymphabflussgebietes verzichtet werden kann. 3.5 Colitis ulcerosa, familiäre adenomatöse Polyposis, HNPCC Bei auf dem Boden einer Colitis ulcerosa oder familiären adenomatösen Polyposis entstandenen Karzinom ist die Proktocolektomie, soweit möglich unter Einhaltung der Kontinenz, indiziert. Die Karzinomerkrankung, zumal im begrenzten Stadium, ist keine grundsätzliche Kontraindikation für die Anlage eines ileoanalen Pouch. Bei hereditärem Nicht-Polypose-Kolonkarzinom (HNPCC, bevorzugt ist das Colon ascendens) kann eine subtotale Colektomie erwogen werden. 3.6 Karzinomdiagnose am endoskopisch entfernten Polyp Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch entfernten Polypen ein Karzinom, kann auf eine chirurgische Nachresektion mit radikalem Vorgehen nur dann verzichtet werden, wenn es sich um ein auf die Submukosa beschränktes risk“-Karzinom (pT1, G1–G2, keine i n f i l t r a t i o n ) bei histologisch tumorfreier Polypenbasis handelt. „low Lymphgefäß­ 10 3.7 Eingeschränkte Radikalität Eine Einschränkung der Radikalität im Sinne einer Segmentresektion des Colons ohne systematische Entfernung regionaler Lymphknoten ist als palliative Maßnahme bei diffuser Fernmetastasierung und selten bei Patienten in reduziertem Allgemeinzustand oder im hohen Alter indiziert. 3.8 Notfalloperationen Bei Ileus, Tumorperforation oder Darmperforation bei stenosierendem Tumor ist das Vorgehen abhängig von der vorliegenden Situation. Nach Möglichkeit sollten die Erfordernisse der onkologischen Chirurgie eingehalten werden. 3.9 Laparoskopische Operation Die Ergebnisse der laparoskopischen Resektion sind derzeit nicht definitiv beurteilbar, so dass diese Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger Nachbeobachtung zur Anwendung kommen sollten. Bei palliativer Zielsetzung können laparoskopische Segmentresektionen oder Umgehungsanastomosen vorteilhaft sein. 4. Pathohistologische Diagnostik 1. Eine Dignitätsbestimmung im Schnellschnitt (z.B. bei großen villösen Tumoren) ist aus untersuchungstechnischen Gründen nicht sinnvoll. 2. Nach radikaler Tumorresektion sind für die weitere Therapieplanung Aussagen über die lokoregionäre Invasionstiefe Vollständigkeit des Tumors der Tumorentfernung (pT-Klassifikation), das (R-Klassifikation), Grading und die den Lymphknotenstatus (pN-Klassifikation) notwendig, da sich hieraus die Indikation zur Nachbehandlung ergibt. 3. Ist aufgrund der Anamnese (s.o.) die Diagnose eines hereditären Non-PolyposisKolonkarzinom (HNPCC) wahrscheinlich, werden entsprechende zusätzliche Untersuchungen vorgenommen. TNM-System und Stadieneinteilung der UICC Die Tumorausbreitung wird nach den Regeln der UICC (2002) für Kolon- und Rektumkarzinome einheitlich klassifiziert. Die Prognose der Tumorkrankheit korreliert mit der Infiltration des Karzinoms in die Darmwand und seiner Ausdehnung in benachbarte Strukturen 11 (T), dem Ausmaß des Lymphknotenbefalls (N) und dem Auftreten von Fernmetastasen (M). Das exakte Ausmaß der Tumorausbreitung wird durch Indizes dieser Komponenten angegeben. Prätherapeutisch wird die Klassifizierung der Tumorausbreitung im TNM-System aufgrund der klinischen, endoskopischen, sonographischen und radiologischen Untersuchungsbefunde als Basis für die Operationsplanung vorgenommen. Die postoperative Beurteilung (pTNM) bezieht die pathohistologischen Befunde des Operationspräparates ein. Aus den T-, N- und M-Kategorien werden vier Tumor-Stadien abgeleitet. TNM / pTNM-Klassifikation (UICC 2002) 1. T Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ T1 Tumor infiltriert Submucosa T2 Tumor infiltriert Muscularis propria T3 Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in Subserosa oder in nicht peritonealisiertes pericolisches oder perirectales Gewebe T4 Tumor perforiert das viscerale Peritoneum oder infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen 12 2. NX N Regionäre Lymphknoten Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen nach Lymphadenektomie von mindestens 12 Lymphknoten regionärer N1 Metastasen in 1 - 3 pericolischen bzw. perirectalen Lymphknoten N2 Metastasen in 4 oder mehr pericolischen bzw. perirectalen Lymphknoten 3. MX M Fernmetastasen Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen 4. Stadieneinteilung des Kolorektalen Karzinoms (UICC 1997) Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium I T1 N0 M0 T2 N0 M0 Stadium IIA T3 N0 M0 Stadium IIB T4 N0 M0 Stadium III jedes T N1 M0 jedes T N2 M0 jedes T jedes N M1 Stadium IV } Dukes A } Dukes B } Dukes C 13 5. Adjuvante Therapie des Kolonkarzinom Grundlage für die Indikation zur adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienklassifizierung, insbesondere die Bestimmung des pN-Status. pN0 soll nur diagnostiziert werden, wenn mindestens 12 regionäre Lymphknoten untersucht und metastasenfrei waren. Immunhistologische Befunde von isolierten Tumor­ zellen in Knochenmarksbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen haben derzeit noch keine Bedeutung für die Indikation zur adjuvanten Therapie. Möglicherweise kann die Indikation zur adjuvanten Therapie auf der Grundlage solcher Befunde zukünftig weiter differenziert werden. Für Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium I und IIA oder nach R0-Resektion von Fernmetastasen ist eine adjuvante Therapie ausserhalb von Studien nicht indiziert. Im Stadium IIB ist unter Berücksichtigung der Risikofaktoren eine adjuvante Therapie zu empfehlen. Im Stadium III ist grundsätzlich eine adjuvante Therapie indiziert. Bei Patienten im guten Allgemeinzustand ist eine Therapie nach dem FOLFOX-4 Protokoll über 6 Monate zu empfehlen. Bei Patienten in reduziertem Zustand ist grundsätzlich eine Therapie mit Capecitabine oral zu empfehlen. Beide Therapien sind über 6 Monate durchzuführen. Eine Indikation für eine Therapie mit 5-FU als Bolus mit Folinsäure ergibt sich derzeit nicht mehr. 6. Palliative Therapie Auch bei nachgewiesener Fernmetastasierung empfiehlt sich abhängig vom operativen Risiko die Entfernung des resektablen Primärtumors in Form einer segmentalen Resektion zur Sicherstellung der Darmpassage (s.o.). Bei nicht-resektablem Tumor sind Umgehungsverfahren indiziert. Bei disseminiertem Tumorbefall mit multiplen Stenosen muss eventuell eine dauerhafte Stomaanlage erwogen werden. Als Therapie der Wahl bei der Behandlung fortgeschrittener Kolonkarzinome, insbesondere mit nicht operablen Fernmetastasen (z.B. Leber, Lunge) wird derzeit eine Therapie mit einer Dreierkombination angesehen. Derzeitige Regime nach den FOLFOX- oder FOLFIRIProtokollen sind unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen und der potentiellen Nebenwirkungen als primäre Regime einzusetzen. Bei reduziertem Allgemeinzustand kann ggf. eine primäre Therapie mit 5-Fluorouracil als Dauerinfusion über 24-Stunden plus Folinsäure (AIO-Protokoll oder De Gramont-Protokoll) oder eine orale Therapie mit Capecitabine erwogen werden. Der Einsatz von Bevacizumab in der Primärtherapie sollte unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage und unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen erwogen werden. Bei Therapieversagen nach einer Irinotecan-haltigen Therapie kommt der Einsatz des EGF-Rezeptor-Antagonisten Cetuximab in Betracht. Derzeit wird vor dem Einsatz dieses monoklonalen Antikörpers der immunhistochemische 14 Nachweis einer EGF-Rezeptor-Expression gefordert. Der Expressionsnachweis sollte dementsprechend rechtzeitig veranlasst werden. Neoadjuvante Therapiekonzepte sollten unter primärer interdiszipinärer Planung durchgeführt werden. Die durchzuführende neoadjuvante Therapie richtet sich nach den ggf. bereits durchgeführten Vortherapien. Eine Therapie mit Bevacizumab muß 6 Wochen vor der geplanten Resektion beendet sein. Behandlungsmöglichkeiten für nicht-resektable Lebermetastasen sind die laserinduzierte Thermotherapie oder die Chemoembolisation. Die Indikation zu diesen Therapieformen kann aufgrund der derzeitigen Datenlage individuell erwogen, jedoch nicht generell empfohlen werden. III. Rektumkarzinom Als Rektumkarzinom gelten Tumoren, deren aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 15 cm oder weniger von der Anocutanlinie entfernt ist. Die Therapie des Rektumkarzinoms sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen Untersuchung geplant werden. Neben der prätherapeutischen Sicherung der Karzinomdiagnose wird eine Tumorklassifikation vorgenommen. 1. Praeoperative Diagnostik 1.1 Obligatorische apparative Untersuchungen • Rectoskopie und Biopsie • Koloskopie des gesamten Kolons. Bei hochgradig stenosierenden Rektumkarzinomen empfiehlt es sich, den restlichen Darm intraoperativ palpatorisch und coloskopisch (evtl. auch 3 bis 6 Monate postoperativ) zu untersuchen. • Endosonographie Ist eine endosonographische Beurteilung wegen Tumorstenose nicht möglich, sollte eine Computertomographie oder MRT des kleinen Beckens in jedem Fall durchgeführt werden. • Sonographie Abdomen (vor allem Leber, Niere, Ureter) • Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen • Tumormarker CEA, CA 19–9 15 1.2 • Ergänzende Untersuchungen CT-Abdomen/Becken bei unklarem sonographischen Befund und Verdacht auf organüberschreitendes • Tumorwachstum (NMR evtl. Alternative zum CT) Bei Verdacht auf lokale Infiltration zusätzliche urologische Untersuchung (Zystoskopie) bzw. gynäkologische Untersuchung, iv-Pyelogramm 1.3 Präoperative histologische Diagnostik 1.3.1 Biopsie des Primärtumors Bei Diagnose eines Karzinoms sollte – soweit möglich – auch Aussagen zum Tumortyp, Differenzierungsgrad und zu einer möglicherweise vorhandenen Lymphgefäßinvasion gemacht werden. Für die Bestimmung des Tumortyps ist die WHO-Klassifikation maßgeblich, die zwischen Adenokarzinom, muzinösem Adenokarzinom sowie weiteren, selteneren Karzinomtypen (z.B. Siegelringzellkarzinom, adenosquamöses Karzinom etc.) unterscheidet. Bei der Bewertung des histologischen Differenzierungsgrades ist die Unterscheidung sog. "low-grade-Karzinom“ und "high-grade-Karzinom“ für die Therapieplanung ausreichend. Als high-grade-Karzinome werden schlecht differenzierte, muzinöse und nicht muzinöse Adenokarzinome (G3), Siegelringzellkarzinome, kleinzellige und undifferenzierte Karzinome klassifiziert. Bei Vorliegen eines high-grade Karzinoms empfiehlt es sich, einen größeren Sicherheitsabstand nach distal (2–3 cm am frischen Resektat ohne Zug gemessen) einzuhalten. Die intratumorale Heterogenität, insbesondere größerer Karzinome, kann Ursache dafür sein, dass die high-grade-Qualität eines Tumors in einer Biopsie nicht erfasst wird. Die Diagnose high-grade-Karzinom schließt ebenso wie der Nachweis einer Lymphgefäßinvasion lokale Therapiemaßnahmen in kurativer Intention aus. 1.3.2 Polypektomie und lokale Tumorexzision Bei ektomierten Adenomen bzw. lokalen Tumorexzisionen ist außer der histologischen Dignitätsbeurteilung (Adenom vs. Karzinom) auch die Vollständigkeit der Tumorentfernung histologisch zu verifizieren: Entfernung im Gesunden, Entfernung nicht im Gesunden, Entfernung zweifelhaft im Gesunden. Letztere Beurteilung sollte dann abgegeben werden, wenn Tumorgewebe im Bereich der durch die Diathermieschlinge verursachten Koagulationsnekrose liegt oder die Abtragungsfläche nicht eindeutig identifiziert werden kann. Die definitive Unterscheidung zwischen einem Rektumadenom und einem „Adenom mit Adenokarzinom“ 16 setzt Kenntnisse des Wachstumsverhaltens an der Basis des Polypen voraus. Deswegen ist die vollständige Polypektomie unabdingbare Voraussetzung für den Ausschluss bzw. die definitive Feststellung eines malignen Wachstums. Oberflächliche Biopsien aus Adenomen und aus Adenomen mit Adenokarzinom können ein gleichartiges histomorphologisches Bild bieten und gestatten keinen sicheren Ausschluss eines Karzinoms. Liegt histologisch ein Karzinom vor, so ist darüber hinaus der histologische Tumortyp, der Differenzierungsgrad sowie eine möglicherweise vorhandene Lymphgefäßinvasion zu dokumentieren. Dabei wird in gleicher Weise wie oben beschrieben zwischen high-gradeKarzinomen und low-grade-Karzinomen unterschieden. Eine Indikation zur radikalen Resektion ergibt sich a) bei Unvollständigkeit der Karzinomentfernung, b) bei High-grade Karzinomen (G3, G4), c) bei nachweisbarer Lymphgefäßinvasion, d) bei Invasion der Muscularis propria (pT2), wobei jedoch das individuelle Operationsrisiko einer radikalen Resektion zu berücksichtigen ist. 2. Präoperative neoadjuvante Tumortherapie Im UICC-Stadium II und III ist die neoadjuvante Radio- oder Radiochemotherapie indiziert. Im Falle von uT3/4 uN0-2 ist eine neoadjuvante Radio- oder Radiochemotherapie immer indiziert. Eine Sondersituation besteht bei uT1/2-Karzinomen mit fraglichem Lymphknotenbefall; hier ist auch die primäre Operation (mit ggf. adjuvanter Radiochemotherapie bei pN+), eine sinnvolle Behandlungsoption. Bestrahlungsvolumen: Hintere Beckenhälfte von Deckplatte LWK 5 bis Beckenboden, lateral 1 cm lateral der Linea terminalis. Bestrahlungstechnik: 3-4-Felder-Box, individuell kollimierte Felder, Bestrahlung aller Felder täglich. Bestrahlungsdosis: Einzeldosis 1,8 Gy/Referenzpunkt, 5 mal wöchentlich, bis 50,4 Gy/Referenzpunkt (Dosismaximum < 55 Gy). Die 90 %-Isodose umschließt das Zielvolumen. Bei Radio-(Chemo-)Therapie vor abdomino-perinealer Rektumexstirpation können 56 Gy appliziert werden, sofern das Dosismaximum weniger als 5 % höher liegt. Chemotherapie: 1000 mg 5-FU/m²/d als Dauerinfusion über 5 Tage in der 1. und 5. (6.) Bestrahlungswoche. Operationszeitpunkt nach Vorbestrahlung: 17 4 bis 6 Wochen nach Abschluss der Radiotherapie. Die adjuvante Therapie wird unter Berücksichtigung der Risikofaktoren (N+ oder N-) geplant. Bei N+-Status ist aktuell eine Empfehlung für eine Therapie nach dem FOLFOX-Protokoll zu geben. 3. Operative Therapie 3.1 Standardverfahren Eine kurative Therapie des Rektumkarzinoms erfolgt in der Regel durch Resektion des tumortragenden Rectums im Gesunden und en-bloc-Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes. In streng selektierten Fällen (s.u.) ist eine kurative Behandlung auch durch lokale endoskopische mikrochirurgische oder chirurgische Tumorexzision (Vollwandresektion) möglich. Die folgende Operationsverfahren sind bei Einhaltung der Prinzipien der onkologischen Chirurgie (s.u.) als gleichwertig anzusehen, wobei die Indikationsstellung von der Tumorlokalisation, der Tumorgröße und anderen Faktoren abhängig ist. Nach Möglichkeit werden kontinenzerhaltende Verfahren zu bevorzugt: 1. die anteriore Resektion 2. die abdomino-perineale Rektumexstirpation 3. die intersphinktäre Rektumresektion (auch als abdomino-perineale Rectumresektion bezeichnet). Diese Operation setzt besondere Erfahrungen voraus. Die Operation in kurativer Absicht beinhaltet: 1. die Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest unmittelbar distal des Abganges der A. colica sinistra 2. die komplette Entfernung des Mesorektums bei Karzinomen der unteren zwei Rektumdrittel 3. die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes (s.u.) 4. in der Regel die en-bloc-Resektion von tumoradhärenten Organen (multiviszerale Resektion) 5. möglichst die Erhaltung der autonomen Nervenstränge (Plexus hypogastricus superior und inferior, Nn. erigentes) Bei Karzinomen des oberen Rektumdrittels ist ein aboraler Sicherheitsabstand von 5 cm in situ erforderlich. Dies entspricht am frischen, nicht gespannten Präparat einem Abstand von 3 cm. Die Sicherheitszone ergibt sich aus der Zielsetzung, das dem Rectum anhaftende Fettgewebe (Mesorektum) bis zur Durchtrennungsebene vollständig und nicht konusförmig zu entfernen. Jenseits dieser Sicherheitszone sind im Regelfall keine Satellitenmetastasen im Mesorectum zu erwarten. Bei Karzinomen der unteren zwei Drittel des Rektums sollte das Mesorectum komplett bis zur Puborectalisschlinge entfernt werden. Die Rektumwand wird zur Anastomosierung 18 nahe der Puborectalisschlinge durchtrennt. Bei gutem bis mäßigem Differenzierungsgrad ist ein aboraler Sicherheitsabstand an der Rectumwand von 2 cm ausreichend, bei „highgrade-Karzinomen“ ein aboraler Sicherheitsabstand von 5 cm in situ erforderlich (entspricht 2–3 cm am Resektat). 3.2 Lokale Tumorexzision Eine lokale chirurgische Tumorexzision bei Rektumkarzinomen (Vollwandresektion) ist unter kurativer Zielsetzung vertretbar bei pT1, „low-risk"-Karzinomen (gute bis mäßige Differenzierung, G1–2, keine Lymphgefäßinvasion). Dabei muss die Entfernung im Gesunden erfolgen (s.o.). Geeignete Operationsmethoden sind die transanale chirurgische Exzision oder die endoskopische mikrochirurgische Tumorabtragung. 4. Sondersituationen Bei Mehrfachkarzinomen im Kolorektum (synchron zwei oder mehrere Primärtumoren) richtet sich das Resektionsausmaß nach der Lokalisation der Tumoren, für zusätzliche Kolonkarzinome gelten die Empfehlungen zur Behandlung des Kolonkarzinoms. Beim Rektumkarzinom auf dem Boden einer Colitis ulcerosa oder familiärer adenomatöser Polypose ist die Proctocolektomie, soweit möglich unter Erhaltung der Kontinenz, indiziert. Die Karzinomerkrankung, insbesondere im begrenzten Stadium, ist keine Kontraindikation für die Anlage eines ileoanalen Pouches. Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit nicht abschließend zu beurteilen, so dass diese Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen. Bei Notfallsituationen (Ileus, Tumorperforation, Darmperforation bei stenosierendem Tumor) ist das Vorgehen abhängig von der individuell vorliegenden Situation. Nach Möglichkeit werden die onkologischen Erfordernisse eingehalten. Die Resektion von (syn- und metachronen) Fernmetastasen (Leber, Lunge, u.a.) ist indiziert, sofern eine Resektion, die wahrscheinlich den onkologischen Radikalitäts­ ansprüchen genügt (R0-Resektion), erzielt werden kann und das Risiko des Eingriffes vertretbar ist. Bei Inoperabilität s.u. Palliativmaßnahmen. Bei einem lokoregionären Tumorrezidiv ist der Versuch der kompletten Tumorentfernung gerechtfertigt. Bei Inoperabilität s.u. Palliativmaßnahmen. 5. Pathohistologische Diagnostik Eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung der Resektionslinien kann unter der Frage „Resektion im Gesunden?“ durchgeführt werden. Eine Dignitätsbestimmung im Schnellschnitt (z.B. bei großen villösen Tumoren) ist aus untersuchungstechnischen Gründen nicht sinnvoll. 19 Biopsien aus der Gegend einer verdächtigen Tumorinfiltration sind zu vermeiden, da diese zu einer Tumorzelldissemination mit dem Risiko des lokoregionären Rezidivs führen können (s.u. multiviszerale Resektion). Nach radikaler Tumorresektion sind für die weitere Therapieplanung Aussagen über die lokoregionäre Vollständigkeit der Tumorentfernung (R-Klassifikation), die Invasionstiefe des Tumors (pT-Klassifikation) und den Lymphknotenstatus (pN-Klassifikation) notwendig, wobei sich hieraus u.U. die Indikation zur Nachbehandlung mit einer Chemo- bzw. Radiochemotherapie ergibt. 6. • Adjuvante Therapie Die adjuvante Chemotherapie erhöht im Gesamtkollektiv aller Patienten mit Stadium II und lll die 5-Jahresüberlebensrate um 10%. • Der positive Effekt ist im Stadium lll stärker als im Stadium ll ausgeprägt. • Im Stadium llla steigt durch adjuvante Chemo-Radiotherapie die 5-Jahres- Überlebensrate von 40 auf 60%, im Stadium lllb von ca. 25 auf 40% und im Stadium lllc von 12 auf 30%. • Die kontinuierliche 5-FU-Infusion ist bei paralleler Radiotherapie der Bolusgabe überlegen • Etabliert ist die adjuvante Chemotherapie unter Verwendung des Chemo­ therapeutikums 5-FU. 5-FU kann als bevorzugtes Verfahren als kontinuierliche Dauerinfusion täglich parallel zur Bestrahlung appliziert werden (O’Conell-Protokoll). Alternativ hierzu ist auch eine 5-FU-Therapie in den Wochen 1 und 5 der Bestrahlung parallel zur Radiatio in niedrigerer Bolusdosierung über 3 Tage (NCI-Protokoll) oder in höherer 24-h-Dosierung Tag 1-5 (AIO-Protokoll) möglich. • In Risikokonstellationen kann eine adjuvante Therapie nach dem FOLFOX-Protokoll erwogen werden. Adjuvante Radiotherapie • Die adjuvante Strahlentherapie senkt das Lokalrezidivrisiko signifikant. • In älteren Studien ohne TME-Operationsverfahren wurde durch die adjuvante Strahlentherapie das Lokalrezidivrisiko halbiert von >20 auf etwas über 10%. • Der positive Einfluss auf das Überleben ist mittlerweile in Studien nachgewiesen. Durchführung Bei neoadjuvanter Chemo-Strahlentherapie stehen zwei (drei) Therapieregime alternativ zur Auswahl. 1. Wahl: O’Conell-Protokoll: Voraussetzung: Portanlage. 20 Therapieregime: kontinuierliche 5-FU-Infusion mit 225mg/m2 KO und Tag parallel zur Radiotherapie mit einer GHD von 50Gy. 2. Wahl: AIO-Protokoll Voraussetzung: Portanlage. Therapieregime: 5-FU-Infusion mit 1000mg/m2 als 24-h-Infusion Tag 1-5 und Tag 29-33 parallel zur Radiotherapie mit 50Gy. 3. Wahl: NCI-Protokoll Voraussetzung: peripherer Venenzugang. Therapieregime: 5-FU-Bolusgabe 500mg/m2 KO Tag 1-3 und Tag 29-31 parallel zur Radiotherapie mit 50Gy. Dieses Protokoll sollte wegen der schlechten Verträglichkeit nur im Ausnahmefällen eingesetzt werden. • Bei adjuvanter Chemo-Strahlentherapie stehen dieselben Therapieoptionen zur Verfügung. Ergänzt wird die kombinierte Chemo-Strahlentherapie durch 4-5 Zyklen zusätzlicher adjuvanter Chemotherapie. Bezüglich der zeitlichen Abfolge kann der Chemo-Strahlentherapieblock entweder direkt im Anschluss an die Operation als erste Therapieeinheit gefolgt von 4 Monaten alleiniger adjuvanter Chemotherapie oder aber in der Mitte des Behandlungsablaufes nach zwei Zyklen alleiniger Chemotherapie eingesetzt werden. • Bei alleiniger adjuvanter Chemotherapie (nach vorausgegangener neoadjuvanter Chemo-Strahlentherapie und operativer Resektion) sollten postoperativ vier bis fünf Zyklen 5-FU 500mg/m2 Tag 1-5 alle vier Wochen appliziert werden. Alternativ ist auch die Gabe von 4 Therapieblöcken à 4 Wochen nach dem FOLFOXRegime insbesondere bei jüngeren Patienten mit hohem Risikoprofil möglich. 7. Palliativmassnahmen Die palliative Chemotherapie entspricht der palliativen Chemotherapie bei Patienten Kolonkarzinom. Bei Patienten mit nicht-resektablen, auf die Leber beschränkte Metastasen kann auch eine intraarterielle Chemotherapie über ein implantiertes Portsystem erwogen werden. Weitere Behandlungsmaßnahmen für nicht-resektable Lebermetastasen sind die Radiofrequenzablation, die laserinduzierte Thermotherapien und die Kryoablation. 21 7.1 Operative Therapie Wenn eine potentiell kurative Therapie nicht möglich ist (z.B. wegen inkurabler Fernmetastasen), soll trotzdem die Indikation zur palliativen Resektion des Primärtumors überprüft werden, weil das lokal fortschreitende Tumorwachstum mit Einbruch in den Plexus sacralis, die Harnblase, Vagina und Os sacrum durch Fistelbildungen, Inkontinenz und Schmerzen zu schwerer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann und mit anderen Maßnahmen kaum zu beherrschen ist. Zudem können bei reduzierter Tumormasse andere Therapiemaßnahmen möglicherweise effektiver gestaltet werden. Anders als bei kurativer Zielsetzung kann es bei der palliativen Resektion aber auch sinnvoll sein, die lokale Radikalität zu Gunsten des Kontinenzerhaltes und des Erhaltes benachbarter Organe einzuschränken. Neben der klassischen Tumorresektion sind vor allem bei stenosierenden Tumoren bei Patienten mit erhöhtem Narkose- oder Operationsrisiko andere Verfahren wie die lokale Tumorabtragung (Kryochirurgie, Laservaporisation) oder die lokale Tumorexzision eine therapeutische Alternative. Die alleinige Anlage eines Deviationsstomas sollte Ausnahmen vorbehalten bleiben. 22 IV. 1. Nachbehandlung Rehabilitation Ziel jeder Rehabilitation sind Sicherung und erforderlichenfalls Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen, wobei die Notwendigkeit rehabilitativer Maßnahmen individuell einzuschätzen ist. Da es sich um ein ausserordentlich inhomogenes Patientenkollektiv handelt, sind die grundsätzliche Bedürftigkeit kaum allgemeingültig darstellbar, noch weniger sind die Inhalte einer Rehabilitationsbehandlung generalisierbar. Die medizinische Rehabilitation umfasst die Diagnostik der krankheits- bzw. operationsbedingten Funktionsstörungen und deren Behandlung mittels Beratung, Training und auch medizinischer Therapie. Weitere Inhalte der Rehabilitation beziehen sich auf psychologische und soziale Folgen der Erkrankung. In beiden Hinsichten erscheint insbesondere eine erfolgreiche berufliche Rehabilitation erstrebenswert. Eine psychosoziale Betreuung und Beratung ist wünschenswert bei Problemen der psychischen Verarbeitung des Tumorleidens, bei aufgetretenen Therapiefolgen (Anus praeter, Kontinenzprobleme, sexuelle Funktionsstörungen u.s.w.), bei sozialen Anpassungsstörungen sowie bei der beruflichen Wiedereingliederung. Gegebenenfalls können stationäre Rehabilitationverfahren erforderlich sein, um die benötigten Maßnahmen koordiniert und konzentriert einzusetzen. Kontakte zu Selbsthilfeorganisationen (z.B. ILCO) sind zu empfehlen. Ein zukünftiges Ziel unserer Arbeit Rehabilitationsprogramms in der Region. ist die Erstellung eines ambulanten 23 8. Nachsorge 8.1 Kolonkarzinom Die Wertigkeit der Nachsorge bei Patienten nach R0-Resektion eines Kolonkarzinoms wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Zielsetzungen der Nachsorge sind die Erkennung und Behandlung von Operations- und Therapiefolgen, die Erkennung von Zweit-Karzinomen oder neuen Karzinomvorläufern (Polypen) sowie die psychosoziale Betreuung der Patienten. Empfohlenes Nachsorgeprogramm: NACHSORGEPASS DES QUALITÄTSZIRKELS ONKOLOGISCHE NACHSORGE IN MÜLHEIM Inhaber: Hier den eingeben Namen Datum der Resektion: R0 Hier Datum der R0Resektion eingeben Bitte tragen Sie als Patient selbst dafür Sorge, dass sämtliche an der Nachsorge beteiligten Ärzte diesen Pass abstempeln. Arztstempel / Tel. und Fax Arztstempel / Tel. und Fax Arztstempel / Tel. und Fax Arztstempel / Tel. und Fax 24 25 Rektumkarzinom: Bei palliativer Resektion wegen Fernmetastasen ist das Nachsorgeprogramm auf die Erhebung der Anamnese und nutritiven Status zu reduzieren, wenn der Patient keine weitere Therapie erhält. Bei Auftreten von Fernmetastasen bzw. Lokalrezidiv besteht die Möglichkeit der operativen Behandlung. CEA-Bestimmung bei Patienten mit kolorektalem Karzinom des Stadium II und III alle 2 - 3 Monate für 2 Jahre empfohlen, die willens und in der Lage sind, sich bei Auftreten von Metastasen einer Metastasenresektion zu unterziehen. 26 Anhänge: Verzeichnis der Mitglieder / Institutionen