Ein neuer Spiegel für die Stadt Sanierung Rathaus St.Gallen Inhaltsverzeichnis 5 Spiegel der Stadt 6 Auf der Suche nach dem richtigen Ort Zur Planungsgeschichte des Rathauses am Bahnhofplatz 14 Neues Haus, neue Seele 18 Zweites Sehen Die Sanierung des Rathauses St.Gallen aus architektonischer Sicht 32 Die neue Fassade 34 Erfolg in zwei Etappen 36 Technische Aspekte 38 Multifunktional und transparent 40 Ein Fenster zur Gegenwart Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus 50 Plandokumentation 54 Anhang Impressum Herausgeber Stadt St.Gallen, Hochbauamt www.hochbauamt.stadt.sg.ch Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen Gestaltung Andrea Gmünder Beat Bühler, HGKZ Zürich Fotografien Ernst Schär, Fotograf, St.Gallen Boltshauser Architekten, Zürich Druck Typotron AG, St.Gallen Auflage 1‘000 Ex. Publikation Juni 2007 Spiegel der Stadt Elisabeth Beéry, Stadträtin Das sanierte Rathaus setzt einen städtebaulichen ­Akzent am richtigen Ort, ist mit seiner modernen Haustechnik ökologisch durchdacht und arbeitet nachhaltig. Das neue Gebäude entspricht nicht nur vom energetischen Standpunkt und den aktuellen Sicher- St.Gallen hat wieder ein neues Rathaus! «Wow – ein heitsaspekten zeitgemässen Ansprüchen, es ist auch schlanker, moderner Turm aus Glas und Stahl. Schön, vollständig behindertengerecht erschlossen und bietet chic, modern», höre ich immer wieder Passanten, komfortable Lösungen auch für die Bedürfnisse von Freunde und Bekannte sagen, wenn sie unser neues seh- und hörbehinderten Mitmenschen. Die offenen Aushängeschild sehen. Tatsächlich: zu jeder Tageszeit Strukturen ermöglichen den Mitarbeitenden Weitblick spiegelt sich die Stadt im Glas des Rathauses anders, und eine spezielle Atmosphäre – zufriedene Mitarbei- es ist wie ein Film anzusehen. terinnen und Mitarbeiter waren ein primäres Ziel. In der Geschichte der St.Galler Rathausbauten, die Ein offenes, einladendes und helles Entree mit Aus- bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückgeht, konnte mit kunftsdesk empfängt Stadtbewohnerinnen und -be- diesem Gebäude nun ein echter Exploit erreicht wer- wohner. Eine originelle Treppensituation führt in den den. Über die Jahrhunderte hinweg entstanden und ersten und zweiten Stock, zu den Büros von Einwohner-, ver­schwanden verschiedene Rathäuser an diversen Zivilstands- und Steueramt. Stadtrat und Verwaltung Standorten. Der Vorläufer des heutigen Rathauses haben im neuen Gebäude ideale Konferenzräume und wurde 1973 –1976 erbaut – kein prunkhafter Reprä- funktionale Sitzungszimmer erhalten; selbstverständ- sentativbau, sondern ein zweckmässig gestaltetes, lich gehört auch eine kleine Cafeteria dazu. Im gesam- 13- stöckiges Ver­­waltungsgebäude an optimaler Lage ten Gebäude können Kunstwerke zeitgenössischer beim Hauptbahnhof. Das alte Rathaus – das ehemalige Ostschweizer Kunstschaffender bewundert werden. Hauptpostgebäude – musste damals dem heutigen Diese Kunstwerke wurden im Rahmen von Kunst Bushof auf dem Bahnhofplatz weichen, an dessen am Bau bewusst angekauft. Das ‹Tüpfli auf dem i› Umgestaltung derzeit intensiv gearbeitet wird. ist jedoch die Terrasse im 14. Stockwerk, die eine phan­ tastische Rundsicht über die Stadt erlaubt. Wir danken allen, die zum Gelingen unseres neuen Rathauses und der entsprechenden Broschüre beigetragen haben: Hochbauamt, Planergemeinschaft, beteiligten Firmen, Handwerkern, insbesondere auch unseren Mitarbeitenden und dem Personal des Hausdienstes im Rathaus, welche alle während der rund zweijährigen Bauphase erhebliche Unannehmlichkeiten zu erdulden hatten. Modell zu 2 1 2 Auf der Suche nach dem richtigen Ort angeordneten Neubau am alten Standort. Dieser wäre über eine ‹Seufzerbrücke› mit der erwähnten Bau­lücke verbunden gewesen. Diese Studie machte deutlich, dass der öffentliche Verkehr sich als drittes Element Szenen einer städtebaulichen Entwicklung Edgar Heilig räumlich immer stärker bemerkbar machte. Mit einer Verschiebung des Standortes konnte mehr Platz für die Anlegekanten der Trams und Busse geschaffen 1 Die Planungsgeschichte für das renovierte Rathaus werden. Es ist zu vermuten, dass diese Anlage der ei­ begann mit baulichen Problemen: Das alte Rathaus gentliche Grund für die neue Stellung des Rathauses am Bahnhofplatz – es stand an der Stelle des heutigen war. Bushofs – drohte im Moor zu versinken. Das ebene Stadtgebiet westlich der Altstadt ist bekanntlich sump- 3 Noch stärker auf den Verkehr – vor allem auf den fig und besteht aus Torfschichten, die wenig tragfähig, Öffentlichen – war der ‹Allgemeine Ideenwettbewerb vom Stand des Grundwassers abhängig und anfällig über die Gestaltung des Bahnhofgebietes› von 1955 – für Setzungen sind. Offenbar war auch die Fundierung 1956 ausgerichtet. Den Ausgangspunkt bildete der des alten Rathauses, gebaut 1885 – 1987 als Haupt- Grossbrand des Hotels ‹Walhalla-Terminus› im Som- post, nicht stabil genug. Man rechnete schon lange mer 1955. Im Herbst des gleichen Jahres beschloss mit dem Abbruch. Die Ingenieur-Gutachten von 1963 das Parlament zudem den Ersatz der Trams durch und 1971 zeichneten ein alarmierendes Bild: das Rat- ­Trolleybusse. Die Stadt wollte zuerst Klarheit über die haus war nicht mehr zu retten. An eine sehr teure räumlichen Verhältnisse im gesamten Bahnhofgebiet ­Unterfangung war auf Grund des schlechten baulichen und kam mit einem Baustopp einem zu schnellen Zustands nicht zu denken. Die Setzungen gingen ­Wiederaufbau des Hotels zuvor. Neben der Stadt und ­zuletzt soweit, dass die Fensterbögen des schönen Pa­ der Walhalla-Terminus AG sass die SBB als dritte Part- lazzos mit Pfählen gestützt werden mussten. nerin im Boot. Diese hatte schon lange beabsichtigt, den Standort des alten Bahnhofs besser zu nutzen. 2 Der zweite Grund, warum man sich bereits in den vierziger Jahren auf die Suche nach neuen Lösungen Das alte Rathaus stand zu diesem Zeitpunkt offenbar für das Rathaus machte, war die stetig wachsende bereits zur Disposition. Der Wettbewerb jedenfalls Verwaltung. Zuletzt war diese an elf Standorten in der nahm keine Rücksicht auf den Bestand – das Rathaus Innenstadt verstreut. Die ersten Studien befassten wurde im Programm nicht einmal erwähnt. Offenbar sich noch mit Erweiterungen des alten Rathauses, waren damals bereits andere Standorte für einen Neu- etwa in Verbindung mit dem Standort des heutigen bau im Gespräch. Im Jurybericht steht denn auch der Hotels ‹Metropol›, welches damals eine Baulücke war. lapidare Satz: «Das Preisgericht stellt einmütig fest, 1949 folgten die Entwürfe des Stadtbaumeisters Er- dass die Entfernung des Rathauses eine zwingende win Schenker für einen entlang der Kornhausstrasse Voraussetzung ist.» 1 Die Fahrleitungen für die Trolleys sind schon ab­ gespannt, für den Abbruch vorbereitet: die letzten Tage des alten Rathauses beim Bahnhof. Einst als stolzer ­historistischer Palazzo für die Hauptpost gebaut, später für die Stadtver­waltung auf Bescheidenheit getrimmt musste es zuletzt gestützt werden. 2 Für den Ideenwettbewerb über das Bahnhofgebiet (1956) entwarf Moritz Hauser eine städtebauliche Situation mit einem Hoch­ haus an der Stelle des alten Bahnhofs, einem flachen Verbindungsbau und einer zurückgesetzten Bauflucht für das ‹Walhalla›. Ein pavillonartiger Baukörper an der Stelle des Rathauses vermittelt zwischen dem ‹Metropol› und der ‹Wal­halla›. Moritz Hauser erhielt den ersten Preis. Sein Projekt bildete die Basis für den Überbau­ ungsplan von 1957. Das Preisgericht lobt die sehr einfach und unspek­ta­ kulär gesetzten Baukörper und die gute verkehrliche Organisation der Freiräume. Die Verkehrsanordnung war ein bedeutender Teil des Wettbewerbs. Zu kom­plizierte Unter- oder Überfahrten fanden keine Gnade beim Preis­ gericht. (Situationsplan Moritz Hauser, erster Preis) 3/4Nach mehreren Versuchen, das alte Rathaus zu erweitern, folgte 1949 das erste Neubauprojekt des Stadtbaumeisters. Schon damals stand die Verkehrsa­ nordnung und die Bahnhof­ vorfahrt im Vordergrund mit dem Rathaus als würdigen Rahmen – eine interessante Kombination von Rathaus- und Bahnhofplatz. (grosses Bild: Modell Richtung Süden fotografiert, Bahnhof und 4 Bahnlinie im Vordergrund.) 3 1 Als Vergleichsbeispiel das Projekt des dritt­ rangierten Architektur­ büros Bärlocher und Unger: Die kubische Auf­teilung und die städte-bauliche Wirkung ist eine völlig andere. Ein Hochhaus, in den Baukör­ per ‹Wal­­­halla› integriert, dominiert den Bahnhof­ platz. Die Bauvolumen waren dem Preisgericht insgesamt zu massig und die Etappierung schwierig. 1 Der Wettbewerb wurde zum Meilenstein in der Bauge­ schichte der Stadt St.Gallen: Gefordert war eine zeitgemässe, zukunftsorientierte Lösung und ein breites Spektrum an Lösungsansätzen, andererseits die Überwindung von wirtschaftlicher Depression und bewah- 2 Die Standortabklärungen für das neue Rathaus, 1965 und 1967, wider­ spiegeln die Prioritäten der Konjunkturjahre. Für die Entscheidung waren letztlich doch über­geordnete und heute noch gültige ­Kriterien bestimmend: die städte­bauliche Situation in Bezug zur Zentrumsbildung, die Verkehrssituation, ­hygienische Gesichts­ punkte (Besonnung, Bepflanzung, Lärm, etc.), die Erschliessung, die Unterbringung des Raumprogramms, die Chancen für eine schnelle Realisierung. rendem Landi-Geist. Im Vordergrund stand eine Gesamtlösung für den Verkehr, für den städtebaulichen Rahmen und für den zentralen Freiraum Bahnhofplatz. Dem hohen Anspruch entsprach das illustre Teilnehmerfeld: Die meisten bedeutenden St.Galler Architekten waren zur Stelle. Ein grosser Teil der Eingaben löste das angedachte Raumprogramm mit einem Hochhaus. Obwohl nicht ausdrücklich gefordert, war ein solcher Lösungsansatz zwischen den Zeilen bereits im Programm thematisiert. Der Bericht des Preisgerichts im Originalton: «Eine massvolle Dominante im Ostteil des Wettbewerbgebietes ist erwünscht. ­Diese wird am besten in einem Hochbau gefunden, welcher sich diagonal gegenüber dem Postturm erhebt.» Der Wettbewerb sollte den «divergierenden Bauten um den Bahnhofplatz herum einen ruhigeren und einheitlicheren Charakter verleihen». Das ­Resultat wurde 1957 in einen rechtsgültigen Überbauungsplan umgesetzt. Mit diesem Wettbewerb war das alte Rathaus eigentlich schon abgebrochen. Doch es dauerte noch gute zwanzig Jahre, bis es wirklich soweit war. Der Betrieb konnte zuletzt nur noch mit Mühe aufrechterhalten werden. Mit ‹Rathaus› verband man, wie es im ­ Be­richt zur Abstimmung von 1972 heisst, «ein zweckmässig gestaltetes Verwaltungsgebäude an günstiger Lage». Als repräsentatives Gebäude des Stadtparla- ments galt das in der Zwischenzeit renovierte Waaghaus. Die fünf Standorte von 1965. Standort 4 wurde bevorzugt: 1 Liegenschaft ‹Helvetia› an der St.Leonhard- Strasse 2 Liegenschaft Zollikofer und Landverband (heute Neumarkt 4 + 5) 3 Schochengasse (heute Raiffeisen) 4 Rosenbergstrasse (Villa Am Berg) 5 Unterer Brühl Die erneute Abklärungs­ runde von 1967: 6 ‹Alter Bahnhof›, heute realisiert, 7 St.Leonhard-Strasse 7 (heute ‹La Suisse›- Gebäude) 8 Hinterer Teil Rathaus zusammen mit Bahnhofplatz 1 9 Vadianstrasse 3/5 (Geviert bis zur Fron­gartenstrasse) 10 St.Leonhard-Strasse 15 (Technische Betriebe) mit Vadianstr. 6/8 «Von diesen Standorten blieb unter Berücksich­ tung der finanziellen Be­- lastung der Stadt einzig derjenige des Alten Bahnhofs realiserbar» (Botschaft 4. Juni 1972) 4 «Wohin mit dem neuen Rathaus?» titelte das Tag- bracht, überzeugten aber ebenso wenig… bis Gemein­ blatt im April 1968. Nach mehr als zehn Jahren war derat Lumpert eine Motion einreichte und auf den ­diese Frage noch immer nicht geklärt. Warum? Am Standort des SBB-Hochhauses hinwies. Die SBB ­hatte ­Eifer und der Ernsthaftigkeit der Suche nach einem ge­ ihr Bauvorhaben in der Zwischenzeit weiterentwickelt eigneten Ort für das neue Rathaus fehlte es gewiss und 1963 mit einem eingeladenen Wettbewerb ein nicht. Alarmierend war der bereits erwähnte Bericht neues Projekt aufgelegt. Durch die Konjunkturdämp- des Ingenieurs Zähner von 1963 mit der Prognose: fungsmassnahmen des Bundes geriet es auf die lange Das Rathaus hält höchstens noch fünf Jahre. Dieser Bank. Und so lag die Stadt mit ihrem Interesse am Bescheid löste politische Hektik aus: Eine ­Kommission Standort ‹Alter Bahnhof› für den Neubau des Rat- erarbeitet das Raumprogramm. Der Architekt Oskar hauses gerade richtig. Es wurden nochmals andere Müller untersuchte im Auftrag des Hochbauamtes fünf Ver­gleichsstandorte überprüft – mit negativem Ergeb- mögliche Standorte, erstattete 1965 dem ­Gemeinderat nis. Ein Vorprojekt befasste sich mit der Tauglichkeit Bericht und empfahl die Liegenschaft der Villa ‹Am des SBB-Geschäftshauses als Verwaltungsgebäude. Berg› an der Rosenbergstrasse gegenüber dem Bahn- Danach wurde eine entsprechende Projektierung ein- hofplatz. Nun war die Bühne frei für die Politiker. geleitet. Die Vorteile des Standortes waren seine zen- Der Gemeinderat konnte sich für den Standort nicht trale Lage, die unmittelbare Nähe der öffentlichen richtig erwärmen, dieser lag zu sehr hinter den Gelei- ­Verkehrsmittel und die besseren Voraussetzungen für sen, zu wenig am Puls der Innenstadt. Verschiedene die Sanierung des Bahnhofplatzes als Drehsscheibe par­lamentarische Vorstösse verlangten weitere Abklä- des öffentlichen Verkehrs. rungen. Neue Standorte wurden zur Diskussion ge2 5 4 6 7 10 8 9 1 2 3 1 2 3 5 Die Stadt St.Gallen baute also ihr Rathaus im Bau- Was weiter folgte, entsprach dem damaligen Standard recht der SBB – vom Gemeinderat beschlossen am von Hochhausbauten. Die Konstruktion sah eine Ske- 10. Dezember 1968. Anstelle eines Baurechtszinses lettbauweise mit vorgehängten und vorfabrizierten wurde eine Ladennutzung im Erdgeschoss zu Guns- Metallfassaden vor, ebenso die volle Klimatisierung ten der SBB vereinbart. Das heisst: Die Schalterhalle der Büros. Im Grundriss waren frei unterteilbare Büro- sollte im ersten Obergeschoss und weitere Publikums­ flächen um einen Erschliessungskern mit Lift und nutzungen in einem zweiten Sockelobergeschoss lie- Nottreppe angeordnet. Eine grosszügige, über eine gen. Dies war die markanteste Änderung des SBB- breite und offene Treppe erreichbare Schalterhalle soll­ Projektes. Aus einem schlanken, bewusst niedrig te das Herzstück bilden. gehaltenen Verbindungsbau zum Bahnhof wurde ein dreigeschossiger Sockelbau, aus dem das Hochhaus Bis zum Baubeginn wurde das Outfit noch mehrmals aufsteigt. Auch der ursprünglich kompakte Grundriss geändert. Auch nach der Abstimmung vom 4. Juni 1972 des Hochhauses mit zwei ineinander geschobenen gab es noch Anpassungen am Grundriss. Der bronze- Quadraten erfuhr Ausweitungen und Verschleifungen. ne Ausdruck (‹Goldfinger›) wurde erst 1974 mit der Ver­- Man entschied sich für eine 13-geschossige Variante, gabe der Fassadenkonstruktion entschieden. Das die die Möglichkeit bot, fünf Geschosse zu vermieten. Hoch­haus erhielt damit eine geschlossene Haut, wäh- Der bisher auf 8 Geschosse festgelegte Überbauungs- rend frühere Lösungen mehr Transparenz und eine plan wurde entsprechend angepasst. stärker ausgeprägte horizontale Schichtung gezeigt und gesamthaft skulpturaler gewirkt hatten. Das Hochhaus, auch dies eine weitere bedeutende Änderung des Konzeptes von 1956, wurde neu auf die Anmerkung: Quellen, historische Materialien und Fotos Poststrasse ausgerichtet und gegenüber der von der aus der Baudokumentation der DBP. Bahnlinie diktierten Orientierung des grossen Bahnhofs abgedreht. Diese Geometrie bestimmte dann auch die Gestaltung des Bahnhofplatzes durch breite, gepflasterte Bänder und führte zu Überschneidungen im Sinne einer ‹Collage City›. 1 So präsentierte sich das Rathaus-Projekt der Bür­ gerschaft im ‹Bericht und Antrag des Stadtrates über den Bau eines neuen Rat­ hauses am Bahnhofplatz› Für die Abstimmung vom 4. Juni 1972. 2 Auf dieser Modellaufnahme von 1963 wirkt das Hoch­ haus plastisch, skulptural. (Wettbewerb SBB, Projekt Prof. Walter Werner Custer, Zürich). 3 Eine Modellaufnahme des überarbeiteten Projektes, Baueingabe SBB,1964. 4 Fassadenvariante in einer plastisch wirkenden Kons­ truktionsweise während der Projektierungsphase von 1972. 5 Das Rathaus wie wir es kannten. 4 5 10 11 1 2 12 3 Neues Haus, neue Seele Gebäudehülle und die Haustechnikinstallationen auf. Daraus resultierte ein Fassadenkonzept mit niedrigen Investitionskosten und einer ökologisch vertretbaren Erwin Boppart, Projektleiter Kon­struktion. Der Charakter der beiden Nutzungsbereiche Flachbau und Hochbau sowie der architekto- Das Rathaus wurde aufgrund eines Gestaltungsplanes, nische und ästhetische Stellenwert des Rathauses welcher auf der Grundlage eines Wettbewerbes ba­ wurde ebenfalls näher untersucht. sierte, von der Architektengemeinschaft Prof. W. Cu­ ster, F. Hochstrasser und H. Bleiker erstellt und im Jah- Mitte 2000 stimmte der Grosse Gemeinderat der re 1976 bezogen. Mit dem Flach- und Hochbau neben Stadt St.Gallen (heute Stadtparlament) der Ausarbei- dem Bahnhof hat das Gebäude eine besondere städte- tung eines Sanierungsprojektes mit Baukostenberech- bauliche Bedeutung. nung zu. In der ersten Phase wurde ein öffentlicher Studienauftrag durchgeführt. Dieses selektive Verfah- Bereits im Jahre 1984 wurden an der Fassade die er­ ren befasste sich mit der Fassadensanierung, einer sten Glasverfärbungen erkennbar. Die unschönen Ver- Aufstockung um drei Geschosse sowie der Gestaltung änderungen wurden durch die undichten Randverbin- des Ladenbereiches im Erdgeschoss. Sämtliche neun dungen der Glaselemente verursacht. Die eindringende eingereichten Vorschläge zeugten von einer breit ge­ Luft löste die Sonnenschutzschicht auf. Die defekten fächerten und tief gehenden Auseinandersetzung mit Glaselemente wurden jeweils ersetzt. Eine im Jahre der gestellten Aufgabe. Das Spektrum der vorgeschla- 1991 erstellte Grobdiagnose schlug diverse Varianten genen Lösungen reichte dabei von einer respektvollen zur Mängelbehebung vor. Parlamentarische Vorstösse Haltung gegenüber dem Bestehenden bis zur ku- betreffend den Zustand und eine energetische Sanie- bischen Auflösung des Hochbaues. Zur Weiterbearbei- rung des Gebäudes erfolgten in den Jahren 1992 und tung wurde das Projekt ‹Goldfinger› von Boltshauser 1993. Mit der 1993 abgeschlossenen Instandstellung Architekten aus Zürich empfohlen. der Parkgarage wurden erste Massnahmen zur Wert­ Das Projekt schlug eine Lösung mit einem Verbund- erhaltung des Rathauses getroffen. fenster und dazwischen liegendem Sonnenschutz vor. Im Jahr 1994 stimmte der Stadtrat der Ausarbeitung Es entsprach den Zielsetzungen der Gestaltung, der einer detaillierten Problemanalyse zu, welche als Ent- Energietechnik und der Ökologie und erfüllte die nut- scheidungsgrundlage für eine mögliche Sanierung die- zerspezifischen Anforderungen und die ökonomischen nen sollte. Absichten, Bedürfnisse und Realisierungs- Kriterien am besten. Eine Aufstockung um drei Ge- möglichkeiten sollten unter Berücksichtigung von schosse wäre machbar und aus städtebaulicher wie Dringlichkeit, Etappierung und Finanzbedarf aufge- auch aus architektonischer Sicht erwünscht gewesen. zeigt werden. Mit Vorstudien in den Jahren 1995 bis Da diese Nutzungserweiterung aber nur mit einem 1996 konnte die Machbarkeit nachgewiesen werden. ­privaten Investor hätte realisiert werden können, wur- Das Energiekonzept zeigte diverse Varianten für die de auf sie verzichtet. 1 Ehemaliges Rathaus von der Poststrasse 2 Rohbau Oktober 1974 3 Rathausansicht von Westen 4 Fahrzeugbrand Januar 2004 5 Alte und neue Fassade 4 5 13 Während der Vorprojektphase zeigte sich, dass zu- Ein Fahrzeugbrand am 24. Januar 2004 im 2. Unterge- sätzliche finanzielle Mittel für die Haustechnik und für schoss der Parkgarage verursachte grosse Schäden an die Umbaumassnahmen notwendig waren, sofern die Decken, Wänden und Boden. Sämtliche elektrischen Zielsetzungen und Empfehlungen eingehalten werden Installationen und die Lüftungsanlage wurden zerstört. sollten. Geänderte Vorschriften im Bereich des Brand- Alle Geschosse des Hochbaues wurden in Mitleiden- schutzes sowie Änderungen beim Energiegesetz schaft gezogen. Aus sicherheitstechnischen und finan- führten ebenfalls zu höheren Kosten. Die zwischen- ziellen Gründen war die Nutzung des Hochbaues nicht zeitlich notwendig gewordene Erneuerung der univer- mehr zu verantworten. Der Bezug eines zentral gele- sellen Gebäudeverkabelung bedingte eine Anpassung genen Provisoriums wurde unausweichlich. Mit dem der Haustechnikanlagen im Bereich der Brüstungen; Brandfall hatte sich die Situation markant geändert die dringende Sanierung sämtlicher Aufzugsanlagen ­unter anderem, da selbst die Wiederherstellung des war ebenfalls zu berücksichtigen. ehemaligen Zustandes nicht mehr bewilligungsfähig gewesen wäre. Der Stadtrat empfahl deshalb, die ge­- Im Jahre 2002 wurden dem Stadtrat vier Projektvari- samte Erneuerung der Fassaden, der Haus­technik­an- anten vorgelegt. Sie reichten von einer minimalen Sa- lagen und des Innenausbaus sowie die Umsetzung nierung über eine Sanierung mit flexibler Büronutzung der Brandschutzvorschriften und betrieblicher Verbes- bis hin zur Verschiebung der Sanierung um 10 Jahre serungen in einer Etappe zu realisieren. An der städ- und einer Neubauvariante. Im Sommer 2003 wurde tischen Volksabstimmung vom 28. November 2004 beschlossen, gemäss dem Konzept ‹von Aussen nach wurde dem Kredit zur Sanierung des Rathauses mit Innen› eine Vorlage für die erste Sanierungsetappe grossem Mehr zugestimmt. auszuarbeiten. 14 15 1 16 Zweites Sehen Die Sanierung des Rathauses St.Gallen aus architektonischer Sicht Aita Flury eine innenräumliche Neuorganisation ermöglichen und zudem Strategien aufzeigen, wie der Baukörper besser in den historischen Kontext eingebunden werden könnte. Das heute umgesetzte Projekt von Roger Boltshauser Architekten aus Zürich besticht durch eine Haltung, die trotz etlichen Veränderungen von einer vordergründigen Unscheinbarkeit der Eingriffe geprägt Gestern und heute: ist. Nebst einer klugen Verfeinerung der Fassade sind Sperrige Unverkennbarkeit und neue Eleganz auf elegante Weise und mit wenigen Eingriffen volumetrische Justierungen vorgenommen worden, die Seit 1976 fungierte das von den Architekten Custer städtebaulich und innenräumlich eine erhebliche Wir- Hochstrasser Bleiker als Turmhochhaus mit ausla- kung entfalten. Das neue Rathaus ist eine Hommage dendem Sockelbau erbaute Rathaus als Visitenkarte an den Bestand, die als interpretierte Reverenz an die der Stadt St.Gallen. In seiner ikonografischen Sperrig- Entstehungszeit die vorher schlummernden Qualitäten keit zwar unverkennbar, war der gestalterische Wert der Anlage zur Geltung bringt. Ziel ist eine subtil kalku- des Gebäudes umstritten: nicht zuletzt, weil die Le- lierte Ausdrucksabsicht und die damit einhergehende bensdauer vieler Bauteile innerhalb kurzer Zeit abge- Veränderung der Wahrnehmung; die dafür angewen- laufen war. Die zufällige ‹Erblindung› der Fassade liess deten Massnahmen und Methoden werden erst im schliesslich die neue architektonische Bearbeitung des zweiten Sehen begreifbar. Das ‹landmark› hat dabei Rathauses zwingend werden und die Stadt als Auf- ein adäquates Mass an Vertrautheit bewahrt: In gegen- traggeberin formulierte für die Sanierung des Merkzei- standsgerechter Weise wurde das Rathaus zur ur­ chens einen Wettbewerb mit einem ehrgeizigen Anfor- banen und eleganten Adresse transformiert, an wel- derungsprofil: Nebst der üblichen Brandschutz- und cher die Geschichte des Hauses dezent und doch Energiehaushaltproblematik sollte der neue Vorschlag bestimmt weiter geschrieben worden ist. 2 17 1 Isometrie: Rathaus – Hauptbahnhof – Hauptpost 2 Situation mit Grundriss Erdgeschoss Neue architektonische Festlegungen: kalen und nach mehr Plastizität mittels vorstehender Transparenz und Festigkeit durch Verfeinerung T-Profile räumlich verstärkt. Diese T-Schwerter stehen und Justierung dabei am Rand etwas weiter vor – eine subtile, aber wirksame Massnahme für eine formale Kräftigung der Die Architekten begreifen Konstruktion als eine Um- Eckpartie. Das gestalterische Gesamtpotential dieser setzung von Wahrnehmungsthemen und entwickelten Passtücke aus Stahl zeigt sich vor allem auch unter daraus die neue Grammatik für die Rathausfassade. den nicht zu vernachlässigenden Bedingungen, die Als überzeugendes Resultat zeigt sich uns heute ein das vermeintlich eigenschaftslose Material Glas heute gleichzeitig transparenter und fester Bau aus Glas und mit sich bringt. Heute ist jede erdenkliche Funktion Stahl. ­einer Glasfassade mittels Schichtenfolge herstellbar, das Paradoxe daran aber ist, dass damit einhergehend Zur Unterstützung der Idee, den Turm optisch in die das Urbild des Baustoffes Glas, nämlich seine Durch- Höhe zu treiben, wurden für die Fassade in Mies’scher sichtigkeit und Farblosigkeit, eingeschränkt wird: Der Tradition Gestaltungsmittel angewendet, die als not- Transparenzgrad und der Farbton von Glas steht in wendige, künstlerische Bearbeitung des Seriellen und ­direkter Relation zur Energiebilanz; eine Bedingung, Rationalen verstanden werden können. Diese hatte die heute die Glasauswahl zu einer rechnerisch stark den Gebäuden Mies van der Rohes im Chicago der eingeschränkten Grösse macht und nur allzu oft zu 50-er Jahre die unverkennbare dunkle Transparenz und einem totalen Transparenzverlust führt. Um diesem Eleganz eingeschrieben, wodurch sich dessen Bauten unerwünschten Ausdruck entgegenzuwirken, sind es für immer von den darauf massenweise folgenden wiederum die T-Schwerter, welche die Mehrschichtig- Epigonen unterschieden. Wie Mies etwa bei seinen keit der Fassade aktivieren, indem sie deren optische ersten Hochhäusern zu dem in der Fassadenebene lie- Tiefe betonen. Die Profile durchdringen die äussere genden statischen Primärraster in einer zusätzlichen, Verglasung aus dem Inneren und verleihen dadurch vertikalen Subteilung die berühmten Doppel-T-Träger dem Baukörper etwas Schwebendes. Diese Massnah- einführte und damit auf die Abstraktion technischer me verschiebt die Wirkung der Haut weg von der Tatsachen verwies, so wurde die neue Fassade des ­nackten, verspiegelten Gläsernheit und produziert den Rathauses auf der Suche nach der Betonung der Verti- Effekt einer mehrdeutigen Transparenz. 1 Wettbewerbsmodell ‹Goldfinger› 2 Schalteranlage Einwohneramt im 1. Obergeschoss 3 Sitzungszimmer im 2. Obergeschoss 1 18 3 2 19 20 Je nach Blickwinkel und Lichteinfall verändern sich durch diese Schrägverzahnung wird der Flachbau nun ­dabei Einblicks- und Reflexionsgrad als auch das Farb- als eine – zusammenhängende – städtische Fassade spektrum der Fassade wesentlich; ein kaleidosko- erfahrbar. Diese Massnahme führt zu einer grund­ pischer Reiz, der vom temporalen Moment abhängt sätzlichen Beruhigung der Gebäudevolumetrie und zu und sich besonders stark in der Übergangszeit der einer feinmaschigeren Verräumlichung von Haus und Abenddämmerung, wenn der optisch im Stadtgewebe Platz. Eine dritte und letzte Justierung des Volumens versinkende Turm langsam zu einem von Innen heraus sucht schliesslich nach einer Präzisierung der Kopfsitu- leuchtenden Körper oszilliert, entfaltet. Auch in Mo- ation zum lateralen Bahnhofsgebäude hin: ein einge- menten der besonders starken Lichtbrechung, in wel- schossiger Technikaufbau führt eine hierarchische chen das Glas total reflexiv wird, bleibt der harte Glas- Klärung zum Zwischenstück der bestehenden Glas­­ körper durch die Nadelstreifen der Schwerter als Haus überdachung ein und schafft gleichzeitig als Gegenmo- greif- und begreifbar. Die enge Setzung der Schwerter ment der sich zum ‹Pärkli› hin aufbäumenden Geste bewirkt zudem perspektivenabhängig palisadenartige des Sockelbaus eine Ausbalancierung des Flachbaus. Verdichtungen, die das atektonische Glas zum Komplementärbaustoff werden lassen und sich in einem prekären Shift der dünnen, transparenten Haut hin zur tektonischen Wand äussert. Dieser Ausreizung der Fassadenverfeinerung unter Anwendung eines singulären Elementes folgen in logischer Konsequenz wenige volumetrische Justie­ rungen des Gesamtbaukörpers. Nebst der erwähnten Steigerung des Höhentriebs für den Turm durch die Überhöhung des Konferenzgeschosses, ist es vor allem die Entschärfung der schroffen, sägezahnartigen Abwicklung der Flachbaufassade zum Bahnhofsplatz hin, die für das neue Verhältnis vom Gebäude zur Umgebung räumlich wirksam wird. Die inversen Gebäudeecken werden im Bereich der stadt- und platzgerichteten Südfassade parallel zur Gleisgeometrie aufgefüllt; 21 Veränderte Repräsentanz und neue Brauchbarkeit Heute erreicht der Besucher die oberen Sockelge- Die neuen Publikumsbereiche über die neue, von Geschoss zu Geschoss spannende, schosse über einen zusätzlichen Publikumslift oder ausschwingende Treppe. Die Setzung der Treppe er- Die baukünstlerischen Interventionen der äusseren, folgte an alter Stelle, ihre freihändige Weichheit und volumetrischen Justierungen des Baukörpers verbin- die Anstrengungen konstruktiver Art verweisen auf den sich mit räumlichen Klärungsgesten im Innern, die ihre Bedeutung als zentrales Scharniergelenk für die mit der dringlichen Steigerung der Brauchbarkeit und vertikale Entwicklung der Publikumsbereiche. Wie die neuen repräsentativen Vorstellungen direkt gekoppelt Aussentreppen-Anlagen der Renaissance Paläste be- sind. Das leicht veränderte Rathaus-Volumen generiert tont sie die Wichtigkeit des darüber liegenden Haupt- insbesondere für die Publikumsbereiche massgeben­ geschosses, des piano nobile im ersten Obergeschoss. de räumliche Potentiale für die Reorganisation. So Dieses zeichnet sich durch den grosszügigen, öffent- führt einerseits die lapidare Massnahme der Schräg- lichen ‹Open Space› der Raumfigur aus, welche hier verzahnung zu einem valablen Flächengewinn im partiell an die Fassaden tritt und damit innenräumlich ­Flach­bau und eröffnet damit neue Optionen für die die Stadt- mit der Bahnhofsseite zu verspannen ver- Raumfolgen im ersten und zweiten Obergeschoss. mag. Hantelförmig umlagert der Publikumsbereich die Die eingeschossige Aufstockung des Turmschafts an- Kerne mit den Ämtern und Diskretschaltern und ord- dererseits erlaubt den Ausbau eines krönenden, über- net Wege, Aufenthaltsbereiche und die Wahrnehmung höhten Konferenzgeschosses mit Aussicht über die der Besucher neu. Insbesondere die Hauptschalter­ Dächer der Stadt. halle, die als Bestandteil dieser Abwicklung an der ­süd­westlichen Ecke des Gebäudes implementiert Grundsätzlich wurde für den Flachbau die Präzisierung wurde, profitiert von ihrer vorzüglichen Lage und Aus- der Raumlogik zwischen öffentlichen und privaten Be- richtung direkt auf den Bahnhofplatz: in der Umkeh- reichen verfolgt. Durch die geschickte Verknüpfung rung von früher liegt die Bedienungstheke von der von Wartebereichen und Erschliessungszonen können Fassade abgerückt im Gebäudeinneren, währenddes- die Publikumsbereiche in der neu angelegten Geome­ sen der Publikumsbereich an die Fassade gelegt wur- trie des Sockelbaus als klar definierte und grosszügige de und somit in direkter Interaktion zum Stadtraum Raumfigur interpretiert werden, welche sich nun vom steht. Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss erstreckt. Ihr Ausgangspunkt bildet der neue Eingangsbereich im Erdgeschoss, welcher durch die teilweise Schliessung der düsteren Aussenräume zwischen Gleisbereich und Platzraum sowie durch die Beruhigung der Abwicklung zur adäquaten Empfangssituation uminterpretiert wurde. 1 Schalter des Einwohneramtes im 1. Obergeschoss 2 Neue Treppenanlage 1 22 2 23 1 2 24 ser dynamischen Raumsequenzen übereck und das Die neuen Büros damit erweiterte Raumerlebnis für jeden Arbeitsplatz Von der modernen Verwaltungsarbeit wird heute of- werden zum Ausgangspunkt für die Raumeinteilung: fene Kommunikation im Team erwartet, Transparenz Der Spielraum pro Etage reicht dabei vom zweiteiligen und Flexibilität sind Gradmesser des Gelungenseins Grossraumbüro durch totale Ausräumung bis hin zu einer heutigen Arbeitswelt. Ganz in diesem Sinne ver- mehrfach unterteilten Geschossen, welche durch ein- langte das geforderte Bürokonzept für das neue Rat- gebaute Kammern, die als abteilungsinterne Bespre- haus nach offenen und flexiblen Teambürostrukturen. chungsräume oder Spezialbüros genutzt werden, ge- Die Kleinteiligkeit der ursprünglichen Zellenbüros ent- gliedert sind. Diese sind direkt an der Befensterung sprach nicht mehr der Vorstellung von heutigen Ar- ausgerichtet, werden räumlich nach Möglichkeit von beitsabläufen; die vorgefundenen räumlichen Bedin- den Eckpositionen des Gebäudes aber abgesetzt, um gungen vermittelten weder das Bild der transparenten die Dynamik der Gebäudeabwicklung nicht zu unter- Kommunikation noch waren sie bezüglich Wirtschaft- binden. Die flexible Systembauweise dieser installati­ lichkeit und Flexibilität optimal. Die Entwurfsstrategie onsfreien ­Boxen erlaubt ein praktisches, freies (an drei sucht vor dem Hintergrund der harten Parameter der Raster gebundenes) Versetzen der Einheiten und da- Turmgrundrisse nach Variabilität unter gleichzeitiger mit unaufwändige, teamspezifische Anpassungen der Erzeugung von räumlich spannungsvollen Situationen. Raum­auf­teilung. Die ökonomische Überprüfung dieser Die vorgefundene Einschnürung des Turms und deren offenen Teambüroflächen zeigt eine klare Erhöhung heftige Nähe zum zentralen Kern führen zu schleusen- der Brauchbarkeit, indem die betrieblichen Abläufe artigen Verengungen, welche die Gesamtfläche von ­ver­bessert werden, sowie eine Redimensionierung 400 m2 pro Geschoss auf natürliche Art in eine zwei­ des Flächenverbrauchs pro Arbeitsplatz um rund 20%. flüglige Ordnung bringen. Die Veranschaulichung die- 1 Die neuen Büros im Hochbau 2 Cafeteria 3 Explosionsaxonometrie der Hochbaugeschosse mit flexiblen Trennwänden 3 25 !"#$%&'()*$+#+,&$ÿ-#+.#(/ÿ01ÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿ23&$&)*+4,*ÿ5"*3,6,",+7+ÿÿ-*8*"8*/9.&// Den krönenden Abschluss aber bildet der Ausbau des 12. Geschosses zum Konferenzgeschoss mit abteilungsübergreifenden Sitzungs- und Konferenzmöglichkeiten. Die beiden zweigeschossigen Sitzungsräume werden zu den ausgezeichneten Orten des neuen Rathauses, die nebst dem atemberaubenden Blick auf die Stadt eine geschickte Flexibilität anbieten: Im ­offenen Zustand verklammert sich der gepresste Erschliessungskern mit den hohen Räumen zu einem über das ganze Geschoss ausgreifenden Raumorganismus. Im Kernbereich integrierte Faltwandsysteme ermöglichen die Abtrennung der Sitzungszimmer zu eigenständigen Hallensälen, die der Dramaturgie des Vertikal-Strebens als Funktion von Unendlichkeit folgen. Dieser Dynamik wirken der schwere, oben aufgelagerte und sich verzahnende Technikkern sowie die dichte Schwertersetzung in der Fassade als optische Stabilisatoren entgegen; die Glaubwürdigkeit des Aufruhens des Turms auf dem Boden wird für die Raumwirkung in solcher Höhe zum entscheidenden Faktor für das Vertrauen in die Festigkeit eines Gebäudes. 1 Explosionsaxonometrie 2 Blick aus dem Freudenberg­ saal im 12. Obergeschoss 1 26 2 27 Schlussbemerkung Was die architektonische Umformung des neuen Rathauses speziell macht, sind weniger Erfindungen in Form von spezifisch entwickelten Lösungen elaborierter Details oder Elemente. Die Leistung ist vielmehr die Art der Zusammenführung der einzelnen ­Teilsysteme zu einem komplexen Ganzen, das am Schluss wiederum einfach und selbstverständlich erscheint. Dieses zelebriert weder Technik noch Baukünstlertum auf offensichtliche Art. Die Anstrengungen liegen vielmehr darin, Raum und Umraum derart miteinander in Relation zu setzen, dass diese über die menschliche Wahrnehmung unmittelbar zu einem Sy­s­ tem werden. Die Absichten sind dementsprechend auf sinnliche Wahrnehmung angelegt, man begreift Massnahmen und Methoden dafür erst im zweiten Sehen. Die ­ Architekten formulieren dabei mit den Möglichkeiten der Technik, der Struktur, der Raumordnung und des ­Materials. Das Bemerkenswerte am architektonischen Resultat ist zudem, dass das Gebäude trotz teilweise grosser Eingriffstiefe ein adäquates Mass an Vertrautheit bewahrt hat: Die gegenstandsgerechten Transformationen haben das Rathaus zur urbanen und eleganten Adresse, zum neu-alten Landmark, in dem die Geschichte des Hauses dezent und doch bestimmt weiter geschrieben wurde, werden lassen. 28 29 1 30 2 3 Die neue Fassade ten besteht die innere Fassade aus einer ununterbrochenen Abwicklung von Drehflügeln, die zu Lüft­ungsoder Putzzwecken geöffnet werden können. Brüs­- Ein ästhetischer Kanon oder baukünstlerischer Zugang ­tungen und Deckenstirnen wurden sodann von aussen wie sie die heutige Rathausfassade zeigt, kann nicht mit Mineralwolleplatten isoliert und mit einer hinterlüf- ohne profunde bautechnische Kenntnisse entwickelt teten Alu-Blechverkleidung neu eingedeckt. Während- werden. Nebst den harten energetischen Anforde- dem für die inneren Schichten in den engen Vorgaben rungen des Endzustandes sind es gerade auch die des Bestandes Normprodukte eingesetzt wurden, Ökonomie der Produktionsmethoden sowie konstruk- zeigt sich die zweite Glasschicht als massgeschnei- tive Parameter im zu etappierenden Bauprozess, die derte Konstruktion im nach aussen erweiterten Spiel- für die Gestaltungsmöglichkeiten relevant werden. raum der Fassade: Markante, raumgreifende Leichtmetallprofile sind über die ganze Gebäudehöhe jeweils Das ursprüngliche Konzept basierte auf der Beibehal- im Deckenbereich verankert. Aus technischer Sicht tung des bestehenden, engmaschigen Grids der Pfos- übernehmen die Stahl-Lisenen teilweise aussteifende ten-Riegelkonstruktion, die als Grundträger die neu Funktionen; sie sind primär aber eine Art Passstück, zweischalige Kompaktfassade aufnehmen sollte. In welches die vertikalen Halterungen der äusseren Ver- der Umsetzung erwies sich aber, wie so oft, wenn es bundgläser leistet. In ihrer Ausbildung be­tonen sie zu- um Anpassungsarbeiten geht, schlussendlich der dem die äussere Schicht als kastenartigen Zwischen- ­Total-Ersatz als kostengünstiger. Das engmaschige raum, der mittels seitlichen, in die Lisenen integrierten ­Ra­ster von 90 cm wurde aus Proportions- und Eintei- Entlüftungsschlitzen vor Überhitzung geschützt wird lungsgründen übernommen; im Werk produzierte und die Sonnenschutzanlage aus Flachlamellenstoren Norm-Fensterelemente wurden an den Deckenstirnen integriert. Für die äussere Erscheinung entscheidend und gemauerten Brüstungen über Konsolen einzeln ist zudem die Tatsache, dass die einzelnen Lisenen­ angeschlagen und dampfdicht verklebt. Isolierte Pa­ stücke ein Fugenbild zeichnen, das zu den Glasstös- neel­konstruktionen decken die Eckfelder ab, an­sons­ sen versetzt angeordnet ist. 6 5 7 4 8 3 2 Axonometrie der neuen Fassade 1 1 Stahlstütze mit Brand schutzverkleidung EI90 nbb 2 Brüstungsverkleidung Metall vor Heizkörper und KS-Brüstung 1 Fassadenansicht 3 Konvektor-Gitter 2 Horizontalschnitt 4 Alu-Rahmenfenster mit IV Verglasung 3 Vertikalschnitt 5 Rafflamellen 6 VSG-Vorverglasung 10 9 11 7 Lisenen-Profile mit seitlichem Luftauslass; an Geschosskonsolen aufliegend und an Rahmenfenster zurückgebunden. 8 Geklebte Ecke mit örtlicher Rückhalterung 9 Teppich 10 Hohlraumboden 11 Bestehende Betondecke mit Zementüberzug 31 Erfolg in zwei Etappen HRS Hauser Rutishauser Suter AG ‹Hochbau› als erste Etappe Die Rohbauarbeiten an diesen beiden Geschossen wurden durch die permanent zu betreibenden Liftanlagen für die nach wie vor in Betrieb stehenden Geschosse im Flachbau erschwert. Nach Fertigstellung Die kurze Vorbereitungszeit zwischen der Volksabstim- wurden die beiden Liftanlagen nacheinander erneuert. mung im November 2004 und dem Baubeginn im April Riesige Mengen an Material wurden an- und abtrans- 2005 musste optimal genutzt werden. Für die Baustel- portiert. Aufgrund der sehr beschränkt zur Verfügung le zwischen den Bahngeleisen und dem Bahnhofplatz stehenden Lagerplätze musste das Material ‹just in mit regem Bus-, Bahn- und Personenverkehr waren time› angeliefert und verarbeitet werden. Als eigent- umfangreiche Provisorien notwendig. Die Realisierung licher Engpass erwies sich jedoch der Materialtrans- des Projektes in zwei Etappen drängte sich hauptsäch- port innerhalb der Baustelle. Zur Verfügung standen je lich aus betrieblichen Gründen auf. Mit Ausnahme der ein Turmdrehkran und ein Fassadenlift. statischen Tragstruktur wurden alle Bauteile ersetzt. Dies betrifft nicht nur die gesamte Fassade und den ‹Flachbau› als zweite Etappe Innenausbau, sondern auch die Haustechnik. Bei der zweiten Etappe war nicht mehr die vertikale Distanz massgebend, sondern die Länge des Flach- Bei beiden Etappen wurde das bestehende Gebäude- baus mit rund 120 Metern. Die Erneuerung des Laden- volumen vergrössert. In der Etappe ‹Hochbau› wurde bereiches im Erdgeschoss in Zusammenarbeit mit der die bestehende Terrasse mit dem Sitzungszimmer im SBB stellte an das Planungs- und Bauprogramm zu- 12. Obergeschoss durch ein überhohes Konferenzge- sätzliche Anforderungen. Nach nur zwei Monaten Bau- schoss mit eigener Technikzentrale ersetzt. In der zeit (Juli und August 2006) standen die Räume für den ­Etap­pe ‹Flachbau› wurden die abgesetzten Fassaden­ mieterspezifischen Ausbau bereits wieder zur Verfü- bereiche der Südfassade und teilweise auch der Nord­ gung. Die Bedachungsarbeiten konnten noch vor dem fassade durch entsprechende Anbauten begradigt. Winter abgeschlossen werden, sodass mit dem Fassadenbau begonnen werden konnte. Der gesamte Innenausbau stand in direkter Abhängigkeit zum Fassadenbau. Mit der Erneuerung der Vorplatzflächen konnte die Gesamtsanierung im Juni 2007 abgeschlossen werden. 1 Muster der neuen Fassade 2 Abbrucharbeiten 3 Einbau der neuen Treppenanlage 4 Bauarbeiten im 12. Obergeschoss 1 32 4 2 3 33 Baustatik Elektroanlagen BKM Ingenieure AG IBG B. Graf AG Engineering Als Hauptgrundsatz für die Sanierungsarbeiten galt Energieversorgung immer: Keine Schwächung des bestehenden Hoch- Die Energieversorgung ist im Rathaus ein wesent- baukerns mit neuen Durchbrüchen. Baustatisch wur- licher Faktor für die Funktionstüchtigkeit. Die Nieder- den folgende Bereiche bearbeitet: spannungshauptverteilung im Untergeschoss ist nach –Baustelleninstallation / Fussgängerschutz den aktuellsten technischen Standards erneuert wor- –Rück- und Neuaufbau des 12. Obergeschosses den. Sie ist das Herzstück des Rathauses. Die Läden mit Technikgeschoss im Erdgeschoss werden ebenfalls ab der Hauptvertei- –Deckenergänzungen im Flachbau lung gespiesen und gemessen. Im Notfall wird der –Stützenverstärkungen Betrieb für wichtige Anlagen wie z.B. der Feuerwehr- –Neuer Warenlift vom Untergeschoss lift, die Entrauchung und das Rechencenter durch ei- bis zum Erdgeschoss nen Notstromgenerator sichergestellt. –Neuer Personenlift vom Erdgeschoss bis zum 2. Obergeschoss Flexibilität –Einbau verschiedener Oblichter im 2. Obergeschoss Die Büroarbeitsplatzerschliessung im Doppelboden –Neues Haupttreppenhaus vom Erdgeschoss bringt für den Nutzer eine hohe Flexibilität. Umstel­ bis zum 2. Obergeschoss lungen –Neue Treppenverbindung von der Parkgarage geringem Aufwand realisiert werden. Im Bereich der zum Hauptbahnhof Kommunikation unterstützt die Universelle Kommu­ni­ –Perondachverlängerung ka­tionsverkabelung (UKV) die genannte Flexibilität. Sie –Betonrückbau im Bereich der neuen erlaubt es dem Nutzer, wahlweise Sprach- und Daten- Verkaufsflächen kommunikation über ein Kabel zu betreiben. und Ergänzungen können jederzeit mit –Umbetonieren der Stahlstützen im Erdgeschoss als Brand- und Anprallschutz Sicherheit im Gebäude Die Sicherheit für Personen und Sachen wird durch ver- Hochbau schiedene Anlagen sichergestellt. Für die Brandfrüher- Der Neuaufbau des überhohen 12. Obergeschosses kennung ist im ganzen Gebäude eine zeitgemässe mit dem eingeschobenen Technikgeschoss wurde in Brandmeldeanlage installiert worden. Sämtliche Flucht- Ortsbeton und vorfabrizierten Betonstützen ausge- wege werden über eine mit Akkumulatoren betriebene führt. Die bestehenden Profilstahlstützen mussten zentrale Notbeleuchtungsanlage beleuchtet. Die ge- zur Erhöhung der Tragsicherheit teilweise als Kasten- ordnete, panikfreie Evakuierung von Personen in stützen ausgebildet werden. Gebäuden dieser Grössenordnung ist ein weiteres wichtiges Element der technischen Gebäudesicher- Flachbau heit. Die Deckenergänzungen im Flachbau wurden massiv in Ortsbeton ausgeführt. Durch Betonjeten wurden Behindertengerechte Technik die Bewehrungen bei den Anschlussstellen freigelegt. Den Anliegen der Behindertenorganisationen wurde Die Verbindung von bestehenden Bauteilen zu den grosse Beachtung geschenkt. Die Evakuationsanlage Neubaukonstruktionen wurden mittels HiltiHit, sowie wurde mit einem optischen Warnsystem ergänzt. In durch Verschweissungen der bestehenden Armierung den öffentlichen Zonen und in den Besprechungsräu- mit der Neubewehrung ausgeführt. Die bestehenden men wurde mit dem Beleuchtungskonzept von ­ Randstahlpilze wurden ebenfalls mittels Betonjeten Ch.Keller Design AG speziell auf die vertikale Aus- freigelegt und mittels Vollschweissungen zu Feld- leuchtung geachtet. Die bessere Ausleuchtung des stahlpilzen ergänzt. Zusätzlich zur Erhöhung der Trag- Gesichtsfeldes bietet den gehörlosen Menschen opti- sicherheit wurden CFK-Lamellen an den Decken auf- male Verständigungsmöglichkeiten. geklebt. 34 Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Kälte- und Sanitäranlagen Brandschutz GVA Calorex, Widmer & Partner AG Planungsziele Der Bau des Rathauses mit Flachbau und dem darauf Die primäre Aufgabe der Haustechnikplaner war, das aufgesetzten Hochbau aus dem Jahre 1976 erfolgte Gebäude mit Energie so zu versorgen, dass ein mög- nach dem damaligen Stand der Technik und den dazu lichst hoher Benutzerkomfort resultiert – dies unter anwendbaren Brandschutzvorschriften. Die Brand- Wahrung der ökologischen und ökonomischen Grenz- schutzbestimmungen haben sich im Laufe der Zeit werte. Mit dem Minergiekonzept konnten die Bauphy- nach gemachten Erkenntnissen und Auswertungen sikalischen Werte annähernd halbiert werden. Opti- auch für Hochhäuser massiv verändert. Das Sicher- mierteTageslichtverhältnisse, geringe Lärmimmisionen heitsbedürfnis der Gesellschaft hat sich während die- und geringe Schadstoffbelastung der Raumluft tragen ser Zeit stark gewandelt. Brandereignisse und daraus- zum Komfort und zur Energieeffizienz bei. Die Umbau- folgende Schadensbilanzen haben die Vorschriften neu arbeiten mussten in zwei Etappen unter Berücksichti- geprägt, präzisiert und auch verschärft. gung des laufenden Betriebes realisiert werden. Die Ausarbeitung der brandschutztechnischen Anfor- Gebäudehülle, Raumklima und Haustechnik derungsprofile erfolgte aufgeteilt auf die einzelnen Die Gebäudehülle hat einen direkten Einfluss auf das ­Sanierungsetappen. Eine sofortige Umsetzung der Raumklima und die Ausstattung der Haustechnik. Die teilweise dringend nötigen Massnahmen konnte je- innere Primärstruktur ist aber im wesentlichen die glei- doch bis zur Vorlage eines Baugesuchverfahrens nicht che geblieben. Mittels einer thermischen Gebäudesi- erfolgen. Dies in Rücksicht auf die vorhandene ‹Be- mulation wurde das sich einstellende Raumklima rech- standesgarantie› der Baute und die Verhältnismässig- nerisch geprüft und daraus die technischen An­forde­- keit für derartig massive Eingriffe ausserhalb des rungen an das Haustechniksystem abgeleitet. ­Umbaukonzeptes. Haustechnikkonzept Der Fahrzeugbrand im Parkinggeschoss bestätigte Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften an einen mass- eindrücklich die bekannten Schwachstellen des bau- vollen Energiehaushalt wurden hohe Anforderungen lichen Brandschutzes im grossen Schadensausmass. an die neue Gebäudehülle gestellt. Für die Frischluft- Es wurden dabei auch noch nicht abschliessend be- versorgung in den Büros mussten hygienisch minima- kannte brandschutztechnische Schwachstellen, wie le Frischluftmengen zugeführt werden. Die Heiz- und zum Beispiel das im Hochbau vorhandene Lüftungs- Kühllasten, zur Einhaltung der geforderten Raumkli­ system mit den speziellen Brandfallschaltungen, auf- magrenzwerte, werden über örtliche Heiz- und Kühlflä- gedeckt. Eine Wiederinbetriebnahme /-herstellung des chen zu- und abgeführt. Damit konnte die Heizleistung Gebäudes mit dem vorhandenen und teilweise un­ um etwa zweidrittel reduziert und die Luftmengen genügenden Brandschutz konnte nach dem Brand etwa halbiert werden, was sich in den Elektro- und nicht mehr verantwortet werden. Für die Wiederinbe- Wärmebetriebskosten positiv auswirken wird. triebnahme hätten massive Eingriffe zur allgemeinen ­Ver­besserung der Sicherheit von Personen, den Sach- Die Treppenhausentrauchung ist den heutigen Feuer- werten und des Gebäudes verfügt und umgesetzt schutzanforderungen angepasst und mit einem Brand- werden müssen. fall-Überdruck-Belüftungssystem ausgerüstet, um den Treppenhaus-Fluchtweg im Brandfall rauchfrei halten Heute wird ein allfälliger Brand durch die Brandmelde- zu können. Der neue Feuerwehrlift und die Entrau- anlage frühzeitig erkannt. Die Gebäudenutzer und die chungsventilatoren funktionieren autonom über die Einsatzkräfte werden rechtzeitig alarmiert. Das Trep- Notstromanlage. Die Haustechnikzentralenstandorte penhaus des Hochhauses wird dabei durch ein Über- mussten aus umbautechnischen Gründen grundriss- druck-Lüftungssystem rauchfrei gehalten, so dass lich in etwa am gleichen Ort bleiben. flüchtende Personen und die angreifenden Einsatzkräfte den Weg ungehindert benützen können. Eine gross- Mit der Regel- und Steuertechnik werden die Energie- flächige Rauchausbreitung im Gebäude wird durch das ströme für Licht und Wärme energieoptimiert zuge- Ausschalten der Lüftungsanlagen und das Schliessen führt und von einem übergeordneten Leitsystem über- der Brandschutzklappen und Türen sowie durch Schleu- wacht. So können Störungen frühzeitig erkannt und sen vor den Aufzugsanlagen verhindert. Weitere ange- behoben werden. ordnete Massnahmen tragen zur Sicherheit bei. Das Gesamtgebäude ‹Rathaus› entspricht heute dem geforderten Sicherheitsstandart nach den geltenden Vorschriften. 35 1 2 3 36 Multifunktional und transparent Hansruedi Dietsche, Projektgruppe Besteller Die Publikumsbereiche sind transparent und gut erreichbar im Flachbau untergebracht. Die Kundschaft kann ihre Anliegen bedarfsgerecht und speditiv erledigen. Eine zentrale Anlaufstelle beim Haupteingang erteilt Auskünfte und leitet die Besuchenden weiter. Die Stadtverwaltung St.Gallen ist in zahlreichen Ge- Zahlreiche Diskretschalter ermöglichen eine individu- bäuden untergebracht, unter denen das Rathaus ein elle Bedienung und Beratung. Im Hinblick auf eine sich eigentliches Verwaltungszentrum darstellt. Es be­her­ abzeichnende Regionalisierung des Zivilstandswesens bergt rund 200 administrative Arbeitsplätze und deckt wurde der gesamte Trauungsbereich neu gestaltet. wichtige Publikumsfunktionen ab, z. B. in den Be­ Das oberste Stockwerk ist als Konferenzgeschoss ge- reichen Einwohnerwesen, Steuern, Zivilstandswesen staltet. Hier ist das Sitzungszimmer des Stadtrates und AHV. Die Raumstrukturen im ehemaligen Gebäu- untergebracht. In einem grossen, repräsentativen Saal de entsprachen den Anforderungen an traditionelle können zudem Anlässe für bis zu 100 Personen durch- Büroarbeitsplätze. Der Anteil der Einzelbüros lag bei geführt werden. Ein zugeordnetes Office ist für Cate- rund 75%, entsprechend hoch waren die Flächenan- ring eingerichtet. Ein weiterer Saal ist mit flexiblen teile pro Arbeitsplatz. Die starren Raumeinteilungen Trennwänden versehen. Bei Bedarf kann zusätzlicher verursachten hohe Kosten für bauliche Anpassungen, Raum für grössere Anlässe geschaffen werden. Die- z. B. als Folge von organisatorischen Veränderungen ser Bereich ist hauptsächlich der betriebsinternen Wei- oder betrieblichen Expansionen. Eine zweckmässige terbildung vorbehalten. Sitzungsinfrastruktur musste im Laufe der Zeit weit­ gehend den zusätzlichen Raumbedürfnissen geopfert Den in einem öffentlichen Gebäude erforderlichen werden. ­Sicherheitsmassnahmen wurde ein grosses Gewicht beigemessen. Die Publikumsbereiche sind räumlich Die Sanierung ermöglichte es, die bekannten Schwach- von den Backoffice-Zonen konsequent getrennt. Risi- stellen zu beseitigen und zahlreiche räumliche und be­ kobeurteilungen und Schutzziele sind in einem Sicher- triebliche Verbesserungen zu erzielen. Die Raumstruktu­ heitskonzept festgehalten. Dieses umfasst alle tech- ren in den sanierten Bürogeschossen sind flexibel. Die nischen, baulichen und organisatorischen Massnahmen überwiegende Zahl der Arbeitsplätze ist in Teamberei- in den Teilbereichen Personenschutz, Brandschutz, chen untergebracht, Einzelbüros bilden die Ausnah- ­Akten- und Datenschutz, Einbruch-, Diebstahl- und me. Dies fördert die Kommunikation und die Koopera- Überfallschutz sowie Unfallverhütung. Das Rathaus tion und unterstützt die Bildung von Teams und Pro- entspricht in Bezug auf die Sicherheit einem zeitge- ­jektgruppen. Die Büroflächen sind multifunktio­nal nutz- mässen Stand. Mit der umfassenden Sanierung ist es bar und intensiver belegt, die Arbeitswege können so gelungen, den Interessen der Bauherrschaft, der Bür- kurz gehalten und die Arbeitsabläufe funktional opti- gerschaft und den Mitarbeitenden gleichermassen ge- miert werden. Über das ganze Gebäude sind zweck- recht zu werden. Die zukunftsgerichtete Umsetzung mässig eingerichtete Besprechungs- und Sitzungsräu- der räumlichen Bedürfnisse an einer dienstleistungs- 1 Freudenbergsaal me verteilt. Eine zentrale Cafeteria dient als Pau­- basierten öffentlichen Verwaltung wird die traditio- 2 Bürogeschoss im Hochbau senraum und als Treffpunkt für alle Mitarbeiten­den. nelle Verwaltungskultur nachhaltig beeinflussen. 3 Büroeingang 4 Schalter Zivilstandsamt 5 Empfangstheke 4 5 37 38 39 Patrick Rohner Norbert Möslang 12. Obergeschoss Alex Hanimann 2. Obergeschoss Videolounge Andy Guhl Marianne Rinderknecht Lutz / Guggisberg 1. Obergeschoss Silvie Defraoui 40 Möslang / Guhl Marianne Rinderknecht Ein Fenster zur Gegenwart Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus Konrad Bitterli viduum und Gemeinschaft wie auch zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen. Die künstlerische Ausgestaltung erfolgte mittels gezielter Erwerbungen von Werken Ostschweizer Kunstschaffender auf Vorschlag der vom Stadtrat eingesetzten Arbeitsgruppe ‹Kunst und Raum› in enger Zusammenarbeit mit Kunst im Rathaus dem Rathaus-Architekten Roger Boltshauser und dem Kunstmuseum St.Gallen. Zu sehen sind ausgewählte Das Rathaus der Stadt St.Gallen ist den meisten Werke von bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern St.Gal­lern vertraut – als markanter Glasturm gleich mit engen persönlichen Bindungen an Stadt und Re­ beim Bahnhof fällt es auch den mit der Eisenbahn An- gion St.Gallen. Das Rathaus wird dabei gewissermas- reisenden auf. Ein Rathaus ist nicht nur architektonisch sen zum viel beachteten Schaufenster der regionalen eine Visitenkarte für ein Gemeinwesen, es handelt Kunst. Sie soll mit ihren phantastischen Bildwelten die sich um ein im urbanen Raum sichtbares Zeichen, Besucherinnen und Besucher inspirieren, den Aufent- ­welches eine Stadt nach Aussen präsentiert, ein halt im Rathaus abwechslungsreich gestalten oder all- ‹Wahrzeichen› gewissermassen. Im Rathaus treffen fällige Wartezeiten verkürzen. die Bürgerinnen und Bürger auf ‹ihre› Stadt als Institution, sie begegnen ihren politischen Vertretern oder den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, lassen Pa- Videolounge piere ausstellen, holen Rat ein. Im Rathaus werden Ehen vollzogen, Arbeitslose und Pensionierte betreut, Im zweiten Obergeschoss des Rathauses ist eine Video­ oder es finden Medienkonferenzen statt. Das Rathaus lounge eingerichtet, die in Zusammenarbeit mit dem ist das öffentliche Gebäude par excellence – auch in Kunstmuseum St.Gallen betrieben wird. In wechselnde St.Gallen. Diesem hohen Anspruch an Öffentlichkeit Programmen werden Videoarbeiten von Ostschweizer soll die im Rathaus präsentierte Kunst gerecht wer- Künstlerinnen und Künstler gezeigt, u. a. von Roman den. Nie kann es in einem demokratischen Gemein- Signer (*1938) oder Pipilotti Rist (*1962), aber auch wesen um Repräsentation gehen, die bildende Kunst von weniger bekannten wie Alexandra Maurer (*1978) thematisiert vielmehr das Rathaus als Ort öffentlichen oder Barbara Signer (*1982). Handelns, als Ort der Kommunikation zwischen Indi­ Silvie Defraoui La nuit des temps, 1999 Fotoarbeit, 190 x 121 cm 41 Silvie Defraoui Andres Lutz / Anders Guggisberg Dialog der Kulturen Phantastische Bildwelten Handelt es sich um einen geheimen Schriftcode oder Ein chaotisches Gewühl unterschiedlicher Farben und um Hieroglyphen aus einer fremden Kultur? Wie auch Formen: Wild collagiert bilden Holzimitatfolien den Bild- immer, der Akt des Lesens der Textarbeit von Silvie grund für weisse Lackschichten, laufen aquarell­artig Defraoui (*1935) wird zum Entziffern: ‹DER ROTE FA- rote Farbschleier aus. Einzig im untern Bildfeld sind mit DEN IM LABYRINTH DER SCHLÜSSEL ZUM KARTEN- wenigen Linien Gegenstände umrissen: Tische, Stühle, HAUS›. Eine gebräuchliche Metapher zitierend, hat die ein Interieur… ‹Tafelbild mit Bürothemen› (2003) ist der Künstlerin die Textsequenz eigens für das St.Galler Titel der grossformatigen Malerei des Ostschweizer Rathaus geschaffen, wobei sie durchaus augenzwin- Künstlerduos Lutz / Guggisberg, die zusammen mit sei- kernd auf das Gefühl von Verunsicherung verweist, nem Pendant ‹Tafelbild mit Tafelapfel› (2003) im Rathaus das sich beim Gang zu den Behörden gelegentlich ein- zu sehen ist. Ihre Titelgebung ist sachlich-neutral, nicht stellen mag. so jedoch die phantastische Bildwelt, die den Betrachter zu unterschiedlichsten Lesearten inspirieren mag. Silvie Defraoui erhielt 2006 den Kulturpreis der Stadt Das gilt auch für die wundervoll verspielte Skulptur St.Gallen für ihr herausragendes künstlerisches Werk, ‹Popquollmaschine› (2002), die vertraute Dinge wie das im Rathaus mit der Text- sowie einer Fotoarbeit eine Popcorn-Maschine ins Absurde wendet. Und ge- vertreten ist. In der Grossfotografie ‹La nuit des temps› nau ­darauf zielt das Schaffen von Andres Lutz (*1968) (1999) entzieht die Künstlerin den Gegenstand der di- und ­Anders Guggisberg (*1966) ab und eröffnet dem rekten Wahrnehmung durch eine feine Wachsüber­ Betrachter eine wundersame Bildwelt, die sich bei ­allen malung, die wie ein Schleier wirkt und die Sachlichkeit absurden Abgründen, alchemistischen Farb­experi­men­­ des fotografischen Mediums in eine eigenständige ten und vertrackten Verweisen immer wieder am All- ­visuelle Poesie überführt. Stets geht es in ihrem Werk täglichen bricht und damit eine feinsinnige Parallelwelt darum, in eigenen Bildern das Fremde zu spiegeln und erschliesst, die sich durch ein dichtes Geflecht von zugleich das Fremde im eigenen Kulturraum sichtbar ­visuellen und gedanklichen Verweisen zu einem Uni- werden zu lassen. versum ureigenster Art ausformt. 1 Silvie Defraoui Textarbeit, 2007 Öl auf Leinwand, total ca. 300 x 500 cm 2 Lutz / Guggisberg Popquollmaschine, 2002, Mischtechnik, 105 x 130 x 60 cm 3 Lutz / Guggisberg Tafelbild mit Tafelapfel, 2003, Mischtechnik auf Kelko, 280 x 206 cm 4 Lutz / Guggisberg Tafelbild mit Bürothemen, 2003, Mischtechnik auf Kelko, 280 x 310 cm 1 42 4 2 3 43 44 Alex Hanimann Patrick Rohner Sinnstiftung und Sinnentleerung Analytische Malerei Eine Ente quert die Zone, die man bei einer Land- Der spektakulären Aussicht auf die Stadt St.Gallen schaftsdarstellung mit dem Himmel verbindet, und und das Fürstenland hat der Ostschweizer Künstler watschelt dabei gleichsam durch die Lüfte, während Patrick Rohner (*1959) eine ‹Landschaftsmalerei› von darunter ein Transportschiff mit einem geladenen ganz eigener Qualität entgegengesetzt. Leuchtende ­Einfamilienhaus einen Kanal passiert. In realistischer Gelb-, Braun- und Grüntöne verbinden sich zu pastos Manier gehalten, ist die Bildkonstellation von Alex aufgetragenen Farbschichten, die Oberfläche erscheint ­Hanimanns (*1955) grossformatiger Tuschezeichnung dicht und krustig wie tektonische Ablagerungen. Dabei an Absurdität nicht zu überbieten. Das gilt auch für geht der Künstler beim Malen analytisch vor und unter­ ­seine beiden Textarbeiten in Form von Leuchtkästen. sucht unterschiedlichste Möglichkeiten des Farbauf- Hier ist es die scheinbar zusammenhangslose Anein- trags. Er lässt Farbmaterie fliessen oder sich verdi- anderreihung vertrauter Begriffe, die zu irritierenden cken, über­lagert sie, nur um sie wieder aufzubrechen. Kombinationen führt und dem Irrationalen Platz macht: Patrick Rohner, ein Maler mit Rheintaler Wurzeln, lebt ­‹SEIFE / SUPPE / SAND / SEELEN / HEIL› bzw. ‹DESPOT / und arbeitet im glarnerischen Rüti. Der geographische KNOSPE / KONSUL / KOSMO / POLIT›. Alex Hanimann Hinweis ist von Bedeutung, die steil aufragenden Fel- zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Schweiz. sen und die gebirgigen Steinmassen der Glarner Alpen Sein Schaffen befragt immer wieder das So-Sein die- finden eine Entsprechung in der Malerei des Künst- ser Welt, indem er einen Wettstreit unterschiedlicher lers, jedoch nicht im illustrativen Sinne, sondern als Codes inszeniert und dadurch dem Betrachter offene beinahe naturwissenschaftliche Methode des Farb- Denkfelder zwischen Chaos und Ordnung, Sinnstif- transfers von einem Bildträger auf den andern. 1 Alex Hanimann Ohne Titel, 2005 Tuschezeichnung, 220 x 180 cm 2 Alex Hanimann Ohne Titel, 2007 Textarbeiten in Leuchtkasten, je 128 x 170 cm 3 Patrick Rohner Nr. 120, 29. 5. 1998 – 20. 2. 2001 Öl auf Hartfaserplatte, 131 x 205 cm 4 Patrick Rohner Nr. 83, 1997 Öl auf Hartfaserplatte, 52 x 58 cm Kunstmuseum St.Gallen 5 Patrick Rohner Nr. 86, 1997 Öl auf Hartfaserplatte, 52 x 58 cm Kunstmuseum St.Gallen tung und Sinnentleerung anbietet. 4 5 3 1 2 45 1 2 46 3 Marianne Rinderknecht ‹Voice Crack›, das, von der Avantgarde-Musikszene her­ Florale Fröhlichkeit kommend, in den 1990er Jahren mit sogenannten ‹TV Bildern› zu experimentieren begann. Stets brachen die Das Standesamt ist ein Ort der Freude. Hier vermäh- Künstler den traditionellen bildkünstlerischen Kanon len sich frisch verliebte Paare. Die raumgreifenden auf und bewegten sich in einem spannenden Grenz­ Wandmalereien der St.Galler Künstlerin Marianne bereich zwischen Klang und Bild. ­Rinderknecht (*1967) sind fröhlich, farbig und verspielt zugleich – dem Trauzimmer angemessen. Mit ihren bunten, phantastischen Formen, die in ihrem Reich- Norbert Möslang tum an Blumenmuster, Kakteenformen, Seeigel, Blü- Digitale Landschaften tenkelche oder Wolkenmuster erinnern, zugleich aber auch eine organische Abstraktion anklingen lassen, Ein gestrippter Monitor ist hochkant auf die Wand verzaubert die Künstlerin den Raum und verleiht ihm montiert, davor steht ein Ständer mit eingeschaltetem jenen fröhlichen Grundklang, der auch die Zukunft je- Mikrofon: Es handelt sich jedoch nicht um eine Verstär- des Brautpaares begleiten soll. keranlage für das grosse Sitzungszimmer im zwölften Obergeschoss des Rathauses, sondern um die Installation ‹karaoke_landscape› (2005) des St.Galler Künst- Andy Guhl lers Norbert Möslang (*1952). Zwar nimmt das Mikro- Bildnerische Rückkoppelungen fon die Klänge im Raum auf, gibt sie jedoch nicht über ein Beschallungssystem verstärkt wieder, die Töne ‹Feedback-Bilder› nennt der Künstler Andy Guhl (*1952) wer­den vielmehr mittels eines Computers in ein Farb- seine 2003 entstandene Werkgruppe. Durch Klangein- spektrum umgesetzt, das ein auf dem Monitor er- wirkung werden auf einem Fernsehmonitor Bildspuren scheinendes Bild einer Engadiner Berglandschaft pop- von ausserordentlicher, beinahe schreiender Farbigkeit pig eintönt. Dabei funktioniert die Installation interaktiv: sichtbar gemacht und anschliessend abfotografiert. je mehr und je lauter im Raum gesprochen wird, desto Es ist nicht mehr der Pinsel, der die abstrakten Bilder deutlicher die Veränderungen im Bild. Zusammen mit ­erzeugt, sondern es ist eine experimentelle Anord­ Andy Guhl (*1952) bildete Norbert Möslang bis 2002 nung von elektronischen Geräten, die die Bilder gleich- das Künstlerduo ‹Voice Crack›, das zu den experimen- sam selbst­tätig generieren. Zusammen mit Norbert tierfreudigsten Acts im Bereich zeitgenössischer Mu- ­Möslang (*1952) bildete Andy Guhl das Künstlerduo sik zählte und zunehmend auch mit Sound- und Rauminstallationen in Ausstellungen hervortrat. 5 4 47 1 Marianne Rinderknecht Ohne Titel, 2007 Wandmalerei, Acryl, 300 x 400 cm 2 Marianne Rinderknecht Ohne Titel, 2006 Öl auf Baumwolle, 160 x 140 cm 3 Norbert Möslang karaoke_landscape, 2005 TFT Monitor und Mikrofon 4 Norbert Möslang / Andy Guhl TV Bilder, 1995 Fotoarbeiten, je 30 x 40 cm 5 Andy Guhl Feedback-Bilder, 2003 Fotoarbeiten, je 30 x 40 cm 48 49 Grundrisse Erdgeschoss 1. Untergeschoss 2. Untergeschoss 50 3. Untergeschoss 0 10m 50m 14. Obergeschoss 4. Obergeschoss 13. Obergeschoss 12. Obergeschoss 3. Obergeschoss 11. Obergeschoss 2. Obergeschoss 8. Obergeschoss 5. Obergeschoss 1. Obergeschoss 51 Ansichten und Schnitte 52 Ansicht Nord Ansicht West Ansicht Süd Ansicht Ost Querschnitt Längsschnitt 0 10m 50m 53 Chronologie 1991 Grobdiagnose für die Rathausrenovierung 1995 Grundlagen für das Bauprojekt (Fassadenkonzept, Innere Umbaumassnahmen, Energiestudie, Sicherheitsmanagement) 2000 Projektierungskredit für die Ausarbeitung eines Projektes mit KV 2001 Studienauftrag 24. Januar 2004 August 2004 November 2004 April 2005 Baubeginn 1. Etappe (Hochbau) April 2006 Inbetriebnahme Hochbau / Baubeginn 2. Etappe (Flachbau) April 2007 Bauabschluss Mai 2007 23. Juni 2007 Fahrzeugbrand im 2. Untergeschoss der Parkgarage Stadtparlament bewilligt die Sanierung des Rathauses Bürgerschaft sagt JA (ca. 70%) zum Verpflichtungskredit Inbetriebnahme Flachbau Tag der offenen Tür Projektleitungs- und Planungsteam Bauherrschaft Projektleitung Stadt St.Gallen, vertreten durch das Hochbauamt Martin Hitz, Stadtbaumeister (bis Frühling 2005) Meinrad Hirt, Stadtbaumeister-Stellvertreter Erwin Boppart, Projektleiter Hansruedi Dietsche, Vertreter der Rathausbenutzer Roger Boltshauser, Architekt, Zürich Christian Peter, HRS AG, St.Gallen Planergemeinschaft Architektur und Gesamtleitung Boltshauser Architekten, Zürich Roger Boltshauser, Architekt ETH SIA BSA Thomas Baumgartner, Niels Lofteröd Baumanagement Bauingenieur Heizung / Lüftung / Klima / Sanitär Elektrotechnik HRS Hauser Rutishauser Suter AG, St.Gallen Christian Peter, Thomas Ringler, Heinz Hafner BKM Ingenieure AG, St.Gallen Armin Meile Calorex Widmer & Partner AG, Wil Richard Widmer, Richard Stolz IBG B. Graf AG Engineering, St.Gallen Marcel Wüthrich, Bruno Graf Fassadenplanung Feroplan Engineering AG, Chur Bauphysik Berater Mühlebach Akustik + Bauphysik, Wiesendangen Beratung Haustechnik Th. Baumgartner & Partner AG, Dübendorf Beratung Beleuchtung Ch. Keller Design AG, St.Gallen Medienplanung Haustechnik MSRL Revitec, Rechsteiner Video-Technik, Goldach Avireal AG, Kloten Büroplanung Grafik Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen Kunst Kunstmuseum St.Gallen 54 2W Witzig Waser Büromöbel AG, Frauenfeld Gebäude-Kennwerte Gebäude Volumen SIA 116 GV Hochbau19’526 m3 Flachbau Erdgeschoss Geschossflächen SIA 416 25‘864 m3 7‘955 m3 GF Hochbau5’613 m2 Flachbau5’468 m2 Erdgeschoss1’212 m2 Hauptnutzflächen HNF Hochbau 2’851 m2 Flachbau 2‘874 m2 Erdgeschoss1‘019 m2 Baukosten pro m3 Gebäudevolumen (BKP 2) Glasflächen CHF 645.– Hochbau3’700 m2 Flachbau Erdgeschoss BKP Baukosten 1 CHF Vorbereitungsarbeiten 10 Bestandesaufnahmen 11 Abbrüche1‘430’000 12 Sicherungen Honorare140’000 2 21 Rohbau 112’500’000 22 Rohbau 2 23 Elektroanlagen3‘100’000 24 Heizungs-, Lüftungs-, Klima und Kälteinstallationen3‘150’000 25 Sanitäranlagen 700’000 26 Transportanlagen 900’000 27 Ausbau 1 28 Ausbau 23‘500’000 29 Honorare5’000’000 Gebäude 3 34’400’000 7‘900’000 2‘650’000 2‘900’000 Betriebseinrichtungen Elektroanlagen 34 Heizungs-, Lüftungs-, Klima und Kälteinstallationen1‘420’000 35 Sanitäranlagen160’000 780’000 37 Ausbau 1 38 Ausbau 21‘580’000 39 Honorare1‘840’000 2‘120’000 Baunebenkosten 51 Bewilligungen100’000 52 Muster, Modelle und Vervielfältigungen 55 Bauherrenleistungen50’000 56 Übrige Baunebenkosten 9 90 2’600’000 33 Total 990’000 5 940 m2 40‘000 19 2’800 m2 800’000 2‘600’000 440’000 210’000 Ausstattung Möbel1‘750’000 91 Beleuchtungskörper170’000 92 Textilien120’000 93 Geräte, Apparate170’000 94 Kleininventar110’000 98 Kunst am Bau150’000 99 Honorare130’000 Total Sanierungskosten 48’300’000 Unternehmerliste 211 Baumeisterarbeiten Stutz AG, St.Gallen 215 Fassadenbau Fassadenbau (Doppelhaut) 4B Fassaden und Metallbau AG, Hochdorf Fassadenbau Erdgeschoss Rino Weder AG, Oberriet 222 Spenglerarbeiten Müller Dach AG, Riedt b. Erlen 224 Bedachungsarbeiten Merz + Egger AG, St.Gallen 225 Spezielle Dämmungen Brandschutzisolierungen AG für Isolierungen, St.Gallen Asbestsanierung ARGE Achermann AG, Dübendorf 230 Elektroanlagen Atel Gebäudetechnik AG, St.Gallen 233 Leuchten und Lampen Zumtobel Staff AG, Zürich Trilux AG, Spreitenbach 235 Zutrittskontrollsystem Bixi Systems AG, Mels 236 Brandmeldeanlage Siemens Building Technologies AG, Gossau 237 Gebäudeautomation Honeywell AG, Dielsdorf 240 Heizungs- und Kälteanlagen Hälg + Co. AG, St.Gallen 244 Lüftungsanlagen O. Keller AG, Arbon 248 Dämmungen Aebisol AG, St.Gallen 250 Sanitäranlagen Kreis Wasser AG, St.Gallen 261 Aufzüge Schindler Aufzüge AG, St.Gallen 263 Fassadenreinigungsanlage Seeberger Befahranlagen AG, Aesch 271 Gipserarbeiten Multigips AG, St.Gallen Tuchschmid AG, Frauenfeld 272 Metallbauarbeiten Broggini AG, St.Gallen 273 Schreinerarbeiten Karl Egli, Oberhelfenschwil Eugen Koch AG, St.Gallen 275 Schliessanlagen Cantieni GmbH, St.Gallen 277 Elementwände Uniska AG, Triesen 281 Bodenbeläge Zuffelato & Wirrer AG, St.Gallen Interior Service AG, St.Gallen Senn + Widmer AG, Romanshorn AWAG Wurster GmbH, St.Gallen 282 Wandbeläge Keller + Cecchinato AG, St.Gallen 283 Deckenverkleidungen Phonex-Gema AG, St.Gallen 285 Innere Malerarbeiten Hofmann Malerei AG, St.Gallen H & T Raumdesign AG, Aarau Fournier Steiner AG, Regensdorf 287 Baureinigung A. Benz AG, St.Gallen 331 Notstromanlage Bimex Energy AG, Wila 335 Evakuationsanlage Kummler + Matter AG, St.Gallen 339 Audiovisuelle Anlagen Revitec, Goldach 358 Kücheneinrichtungen Mega Gastronomie, Walzenhausen Pronto Reinigung AG, St.Gallen 900 Möbel 2W Witzig Waser Büromöbel AG, St.Gallen Domus Leuchten und Möbel AG, St.Gallen Grafitec AG, St.Gallen 940 Beschriftungen Lista Office St.Gallen, St.Gallen Impressum Herausgeber Stadt St.Gallen, Hochbauamt www.hochbauamt.stadt.sg.ch Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen Gestaltung Andrea Gmünder Beat Bühler, HGKZ Zürich Fotografien Ernst Schär, Fotograf, St.Gallen Boltshauser Architekten, Zürich Druck Typotron AG, St.Gallen Auflage 1‘000 Ex. Publikation Juni 2007 Ein neuer Spiegel für die Stadt Sanierung Rathaus St.Gallen Inhaltsverzeichnis 5 Spiegel der Stadt 6 Auf der Suche nach dem richtigen Ort Zur Planungsgeschichte des Rathauses am Bahnhofplatz 14 Neues Haus, neue Seele 18 Zweites Sehen Die Sanierung des Rathauses St.Gallen aus architektonischer Sicht 32 Die neue Fassade 34 Erfolg in zwei Etappen 36 Technische Aspekte 38 Multifunktional und transparent 40 Ein Fenster zur Gegenwart Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus 50 Plandokumentation 54 Anhang