Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm Feuerwanzen sind auf die

Werbung
URL: http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/Archiv/Archiv+3_2014/141201_Wanzensymbiose.pdf
Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm
Feuerwanzen sind auf die Vitaminproduktion ihrer symbiotischen
Darmbakterien angewiesen
Mikroorganismen sind für die Ernährung von Insekten von großer Bedeutung. Sie helfen nicht nur
dabei, unverdauliche oder giftige Nahrungsbestandteile abzubauen, sie stellen den Insekten auch
lebensnotwendige Nährstoffe zu Verfügung. Die Europäische Feuerwanze und die Afrikanische
Baumwollwanze ernähren sich überwiegend von Pflanzensamen, die keine ausreichende
Versorgung von B-Vitaminen gewährleisten. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe
Insektensymbiose am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena haben jetzt zusammen
mit Jun.-Prof. Dr. Manja Marz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena herausgefunden, dass
symbiotische Bakterien im Darm der Insekten die fehlenden Vitamine produzieren und somit das
Überleben der Wanzen sichern. Interessanterweise hat die Vitamin-Versorgung durch die
Symbionten dabei einen direkten Einfluss auf die Genregulation der Insekten: In Abwesenheit der
bakteriellen Helfer leiden die Wanzen unter typischem Vitamin-Mangel. Die Symbiose zwischen
Wanzen und Bakterien verläuft allerdings nicht unbedingt harmonisch: Wahrscheinlich ernten die
Wanzen aktiv die Vitamine aus den Bakterien, indem sie mithilfe von speziellen Enzymen die
bakteriellen Zellen aufbrechen. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences,
November 2014).
Leben in der Darmschleimhaut
Viele Tiere benötigen für eine ausgewogene Ernährung Nahrungsergänzungsmittel. Feuerwanzen,
wie die bei uns heimische Europäische Feuerwanze "Pyrrhocoris apterus" und der afrikanische
Baumwoll-Schädling "Dysdercus fasciatus" können ihren Vitaminbedarf über die Nahrung allein
nicht decken. Ihre Vitaminlieferanten sind symbiotische Bakterien aus der Familie der
Coriobacteriaceae in ihrem Darm. Diese Mikroorganismen leben in der Darmschleimhaut im
Mitteldarm der Insekten. Fehlen den Feuerwanzen diese Symbionten, entwickeln sie sich
langsamer, produzieren weniger Nachkommen und weisen eine höhere Sterblichkeit auf als ihre
Artgenossen mit mikrobiellen Partnern.
Die Experimente mit den Feuerwanzen zeigen den Forschern aus Jena, dass die
Vitamin-B-Versorgung durch bakterielle Symbionten einen wichtigen Aspekt dieser Symbiose
darstellt. Ohne ihre Symbionten, aber ausgestattet mit B-Vitaminen aus ihrer künstlichen Nahrung,
entwickeln sich Feuerwanzen ähnlich gut wie ihre Artgenossen mit Symbiose-Bakterien. Erhalten
die symbiontenfreien Feuerwanzen kein Vitamin B mit ihrer Nahrung, wird allerdings bereits in
frühen Entwicklungsstadien eine deutlich höhere Sterblichkeit beobachtet.
Vitamine aus dem Darminhalt effektiver "zusammenkratzen"
Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm
1
Beachtlich ist vor allem der Effekt, den die Abwesenheit der Symbionten auf den Stoffwechsel ihrer
Wirte hat. "Bei Vitaminmangel haben die Feuerwanzen ohne Symbionten einen völlig anderen
Stoffwechsel. Allerdings kann der natürliche Stoffwechsel durch künstliche Zugabe von
B-Vitaminen in der Nahrung oder durch Rückgabe der symbiotischen Bakterien wiederhergestellt
werden", erklärt Hassan Salem, der Erstautor der Studie. Genetische Analysen der Insekten
ergaben, dass bei Abwesenheit der Darmbakterien die Gene, die den Transport von B-Vitaminen
und die Aktivierung der Enzyme steuern, hochreguliert werden. Wie die Wissenschaftler
herausgefunden haben, werden mehr Proteine gebildet, die für den aktiven Transport der
B-Vitamine über die Darmschleimhaut in die Zellen hinein zuständig sind, wenn dem Insekt diese
wichtigen Nährstoffe fehlen: So können die Tiere quasi die wenigen vorhanden Vitamine aus dem
Darminhalt effektiver "zusammenkratzen". Wenn die Wanzen die Vitamine durch die Nahrung
erhalten oder die Symbiose mit den Bakterien wiederhergestellt wird, normalisiert sich die Aktivität
der Gene.
Genaue Analysen der Immunantwort auf die Anwesenheit von bakteriellen Partnern deuten darauf
hin, dass Feuerwanzen ihre Symbiose-Partner aktiv "ernten", indem sie die Zellmembran der
bakteriellen Zellen zerstören und die aus den abgestorbenen Zellen frei werdenden Vitamine
aufnehmen. Dafür spricht die Aktivität von Genen, die für spezielle antimikrobielle Peptide
codieren, insbesondere das Enzym Lysozym. "Nahrungsergänzung klingt wahrscheinlich viel zu
freundlich. Wie die Wirte die Vitamine aus ihren Mikroben ernten, gleicht eher einer Ausbeutung.
Trotzdem profitieren die Symbionten wahrscheinlich von der Beherbergung im Wanzendarm und
der Weitergabe an die nächste Generation, denn nur ein Teil der Symbionten wird zur
Vitamin-Ernte genutzt", erläutert Hassan Salem.
In den letzten Jahren ist das medizinische Interesse am menschlichen Mikrobiom - also der
Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Menschen und insbesondere seinen Darm besiedeln stark gewachsen. Ein erheblicher Einfluss des Mikrobioms auf den Stoffwechsel und das
Immunsystem des Menschen steht inzwischen außer Frage. Die genauen Funktionen einzelner
Mikroorganismen sowie ihre Wirkung auf die gesamte Physiologie müssen jedoch noch erforscht
werden. Untersuchungen an Insekten und deren relativ einfachen und experimentell leicht
beinflussbaren Mikrobengemeinschaften können dabei wichtige Hinweise liefern.
Original-Publikation:
Salem H, Bauer E, Strauss A, Vogel H, Marz M, Kaltenpoth M.: (2014) Vitamin supplementation by
gut symbionts ensures metabolic homeostasis in an insect host. Proceedings of the Royal Society
B: Biological Sciences. 281, 20141838, http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2014.1838
Meldung vom: 01.12.2014 15:50 Uhr
Feuerwanzen sind auf die Vitaminproduktion ihrer symbiotischenDarmbakterien angewiesen
2
Herunterladen