MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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1. Dezember 2014
Nr.12/2014 (132)
Vitamin-Lieferanten im Wanzendarm
Feuerwanzen sind auf die Vitaminproduktion ihrer symbiotischen Darmbakterien
angewiesen
Mikroorganismen sind für die Ernährung von Insekten von großer Bedeutung. Sie helfen
nicht nur dabei, unverdauliche oder giftige Nahrungsbestandteile abzubauen, sie stellen
den Insekten auch lebensnotwendige Nährstoffe zu Verfügung. Die Europäische
Feuerwanze und die Afrikanische Baumwollwanze ernähren sich überwiegend von
Pflanzensamen, die keine ausreichende Versorgung von B-Vitaminen gewährleisten.
Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungsgruppe Insektensymbiose am Max-PlanckInstitut für chemische Ökologie in Jena haben jetzt zusammen mit Kollegen der
Friedrich-Schiller-Universität herausgefunden, dass symbiotische Bakterien im Darm
der Insekten die fehlenden Vitamine produzieren und somit das Überleben der Wanzen
sichern. Interessanterweise hat die Vitamin-Versorgung durch die Symbionten dabei
einen direkten Einfluss auf die Genregulation der Insekten: In Abwesenheit der
bakteriellen Helfer leiden die Wanzen unter typischem Vitamin-Mangel. Die Symbiose
zwischen Wanzen und Bakterien verläuft allerdings nicht unbedingt harmonisch:
Wahrscheinlich ernten die Wanzen aktiv die Vitamine aus den Bakterien, indem sie
mithilfe von speziellen Enzymen die bakteriellen Zellen aufbrechen. (Proceedings of the
Royal Society B: Biological Sciences, November 2014).
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Feuerwanzen, wie die unter Lindenbäumen häufig anzutreffende
Europäische Feuerwanze Pyrrhocoris apterus (links), und die
Afrikanische Baumwollwanze Dysdercus fasciatus (rechts), sichern ihre
Vitamin-Versorgung durch symbiotische Bakterien in ihrem Darm.
Fotos: Martin Kaltenpoth, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Viele Tiere benötigen für eine ausgewogene Ernährung Nahrungsergänzungsmittel.
Feuerwanzen, wie die bei uns heimische Europäische Feuerwanze Pyrrhocoris apterus
und der afrikanische Baumwoll-Schädling Dysdercus fasciatus können ihren
Vitaminbedarf über die Nahrung allein nicht decken. Ihre Vitaminlieferanten sind
symbiotische Bakterien aus der Familie der Coriobacteriaceae in ihrem Darm. Diese
Mikroorganismen leben in der Darmschleimhaut im Mitteldarm der Insekten. Fehlen den
Feuerwanzen diese Symbionten, entwickeln sie sich langsamer, produzieren weniger
Nachkommen und weisen eine höhere Sterblichkeit auf als ihre Artgenossen mit
mikrobiellen Partnern (siehe unsere Pressemitteilung „Feuerwanzen brauchen
Symbiose-Bakterien zum Überleben“ vom 9. Januar 2013).
Die Experimente mit den Feuerwanzen zeigen den Forschern aus Jena, dass die
Vitamin-B-Versorgung durch bakterielle Symbionten einen wichtigen Aspekt dieser
Symbiose darstellt. Ohne ihre Symbionten, aber ausgestattet mit B-Vitaminen aus ihrer
künstlichen Nahrung, entwickeln sich Feuerwanzen ähnlich gut wie ihre Artgenossen
mit Symbiose-Bakterien. Erhalten die symbiontenfreien Feuerwanzen kein Vitamin B mit
ihrer Nahrung, wird allerdings bereits in frühen Entwicklungsstadien eine deutlich
höhere Sterblichkeit beobachtet.
Beachtlich ist vor allem der Effekt, den die Abwesenheit der Symbionten auf den
Stoffwechsel ihrer Wirte hat. „Bei Vitaminmangel haben die Feuerwanzen ohne
Symbionten einen völlig anderen Stoffwechsel. Allerdings kann der natürliche
Stoffwechsel durch künstliche Zugabe von B-Vitaminen in der Nahrung oder durch
Rückgabe der symbiotischen Bakterien wiederhergestellt werden“, erklärt Hassan
Salem, der Erstautor der Studie. Genetische Analysen der Insekten ergaben, dass bei
Abwesenheit der Darmbakterien die Gene, die den Transport von B-Vitaminen und die
Aktivierung der Enzyme steuern, hochreguliert werden. Wie die Wissenschaftler
herausgefunden haben, werden mehr Proteine gebildet, die für den aktiven Transport
der B-Vitamine über die Darmschleimhaut in die Zellen hinein zuständig sind, wenn
dem Insekt diese wichtigen Nährstoffe fehlen: So können die Tiere quasi die wenigen
vorhanden Vitamine aus dem Darminhalt effektiver „zusammenkratzen“. Wenn die
Wanzen die Vitamine durch die Nahrung erhalten oder die Symbiose mit den Bakterien
wiederhergestellt wird, normalisiert sich die Aktivität der Gene.
Genaue Analysen der Immunantwort auf die Anwesenheit von bakteriellen Partnern
deuten darauf hin, dass Feuerwanzen ihre Symbiose-Partner aktiv „ernten“, indem sie
die Zellmembran der bakteriellen Zellen zerstören und die aus den abgestorbenen
Zellen frei werdenden Vitamine aufnehmen. Dafür spricht die Aktivität von Genen, die
für spezielle antimikrobielle Peptide codieren, insbesondere das Enzym Lysozym.
“Nahrungsergänzung klingt wahrscheinlich viel zu freundlich. Wie die Wirte die Vitamine
aus ihren Mikroben ernten, gleicht eher einer Ausbeutung. Trotzdem profitieren die
Symbionten wahrscheinlich von der Beherbergung im Wanzendarm und der Weitergabe
an die nächste Generation, denn nur ein Teil der Symbionten wird zur Vitamin-Ernte
genutzt“, erläutert Hassan Salem.
In den letzten Jahren ist das medizinische Interesse am menschlichen Mikrobiom – also
der Gesamtheit der Mikroorganismen, die den Menschen und insbesondere seinen
Darm besiedeln - stark gewachsen. Ein erheblicher Einfluss des Mikrobioms auf den
Stoffwechsel und das Immunsystem des Menschen steht inzwischen außer Frage. Die
genauen Funktionen einzelner Mikroorganismen sowie ihre Wirkung auf die gesamte
Physiologie müssen jedoch noch erforscht werden. Untersuchungen an Insekten und
deren
relativ
einfachen
und
experimentell
leicht
beinflussbaren
Mikrobengemeinschaften können dabei wichtige Hinweise liefern. [HS/MK/AO/HR]
Originalveröffentlichung:
Salem H, Bauer E, Strauss A, Vogel H, Marz M, Kaltenpoth M. (2014) Vitamin
supplementation by gut symbionts ensures metabolic homeostasis in an insect host.
Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 281, 20141838
http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2014.1838
Weitere Informationen:
Dr. Martin Kaltenpoth, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Tel. +49 3641 571800, E-Mail [email protected]
Kontakt und Bildanfragen
Angela Overmeyer M.A., MPI für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena,
+49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
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