Speiseröhre (lat.: Ösophagus) Gültigkeit: MH Marienhospital ABT Abteilung Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Die Speiseröhre stellt die Verbindung zwischen Rachen und Magen her und dient dem Transport der Nahrung. Sie ist ein ca. 25 cm langer Muskelschlauch, der innen von Schleimhaut ausgekleidet ist. Der Nahrungstransport wird durch rhythmische Anspannungswellen der Muskulatur, der sog. Peristaltik, gewährleistet. Erkrankungen der Speiseröhre machen sich durch unterschiedliche Symptome bemerkbar. Hauptsymptom bei Engstellen des Muskelschlauches ist die Dysphagie (=Schluckstörung). Anfänglich kann feste Nahrung nicht geschluckt werden, später ggf. auch weiche oder flüssige Nahrung, weitere Symptome sind Druck-/Kloßgefühl im Hals, Husten beim Essen, Verschlucken, Hochwürgen bereits geschluckter Nahrung und auch die Heiserkeit. Aber auch brennende Schmerzen hinter dem Brustbein (Sodbrennen) und bitterer Geschmack im Mund durch Zurücklaufen von Magensaft oder Galle bis in den Rachen (Reflux) können auftreten. Im Folgenden finden Sie hier einen Überblick über die wichtigsten Erkrankungen der Speiseröhre, die zu unserem Leistungsspektrum gehören: Achalasie Dies ist eine Funktionsstörung des Nervengeflechtes der Muskulatur, dabei verliert die Speiseröhre ihre Peristaltik und der untere Schließmuskel des Ösophagus (Kardia = Mageneingang) kann sich nicht mehr richtig öffnen; es kommt zu einem Rückstau in den Ösophagus. Die Ursache für diese Erkrankung ist noch nicht geklärt. Symptome sind vor allem die Dysphagie, Wiederhochwürgen von Nahrung und nach längerer Erkrankung der Gewichtsverlust. Die Diagnose wird über eine Manometrie (Druckmessung) der Speiseröhre, eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel, den sog. Breischluck, und eine ÖsophagoGastroskopie (Spiegelung) gesichert. Bei geringer Symptomatik kann eine medikamentöse Therapie eine Senkung des Muskeltonus bewirken, dadurch öffnet sich der Mageneingang besser. Eine neuere Therapie ist die Injektion von Botulinumtoxin in die verkrampfte Muskulatur, was ebenso zu einer Senkung des Muskeltonus führt. Das Toxin kennt man vor allem aus der plastischen Chirurgie zur Reduktion von Falten. Die letzte Therapieoption ist die operative Spaltung der verkrampften Muskulatur der Kardia im Rahmen einer Bauchspiegelung oder auch einer offenen Operation, wenn konservative Maßnahmen unzureichend sind. Reflux Beim Reflux kommt es zum Zurückfließen von Magensäure in die Speiseröhre. Über die Erkrankung, Diagnostik und Therapie finden Sie nähere Angaben im Kapitel „Reflux“. Eine langandauernde Refluxerkrankung kann zu einem: Seite 1 von 5 Speiseröhre (lat.: Ösophagus) Gültigkeit: MH Marienhospital ABT Abteilung Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Endobrachyösophagus (Barrettösophagus) führen: Darunter versteht man eine Veränderung (Dysplasie, Metaplasie) von normaler Ösophagusschleimhaut oberhalb des Mageneingangs durch chronischen Reflux. Diese Erkrankung kann das Risiko einer bösartigen Veränderung erhöhen und ist damit eine sog. Präkanzerose, welche behandelt werden muss. Bei kleinflächigen Veränderungen empfiehlt sich eine regelmäßige endoskopische Kontrolle, bei großflächigeren Veränderungen sollte im Rahmen der Spiegelung eine oberflächliche Entfernung der veränderten Schleimhaut erfolgen. Bei hochgradigen (high grade Dysplasia) und ausgedehnten Veränderungen (mehrere cm Längenausdehnung) ggf. auch eine Entfernung des unteren Drittels der Speiseröhre und des oberen Magendrittels (OP nach Merendino, siehe im Abschnitt „Magen“), wobei der Eingriff im Brustkorb in der Regel minimal invasiv erfolgt und man somit auf einen großen und schmerzhaften Brustkorbschnitt verzichtet werden kann. Divertikel Damit bezeichnet man eine sackförmige Ausstülpung durch die Ösophaguswand hindurch. Es entsteht an Stellen, an denen eine Druckerhöhung erfolgt. Im Halsbereich kann das sog. Zenkerdivertikel auftreten. Er entsteht durch Ausstülpen von Schleimhaut durch ein muskelschwaches Dreieck an der Hinterwand der Speiseröhre im Halsbereich. Symptome sind abhängig von der Größe, anfänglich kann sich die Schleimhaut nach Druckminderung zurück in die Normalposition ziehen, dabei merken die Patienten häufig nur eine Druck- oder Kloßgefühl im Hals. Tritt das Divertikel dauerhaft aus, können sich darin Nahrungsreste festsetzen. Die Patienten würgen unverdaute, nicht saure Nahrung hoch, es kann zu extremen Mundgeruch und Verschlucken vor allem nachts kommen. Diagnostiziert wird das Divertikel mittels Röntgenuntersuchung oder Spiegelung (Endoskopie). Die operative Therapie erfolgt durch die Aufhebung der Muskelenge unterhalb des muskelschwachen Dreiecks und Abtragung des Bruchsackes. Hier wird über einen kleinen Schnitt an der linken Halsseite die gesamte Ausstülpung entfernt und die Muskelenge unter Sicht gespalten. Postoperativ kann der Patient sich nach 24 Stunden wieder normal ernähren, der stationäre Aufenthalt dauert nach der OP etwa 3 Tage. Ösophaguskarzinom (Speiseröhrenkrebs) Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung (ca. 5-10 Fälle pro 100 000 Einwohner pro Jahr), Männer sind etwa 4 - 5 mal häufiger betroffen als Frauen, meist entsteht der Tumor zwischen dem 55.-65. Lebensjahr. Seite 2 von 5 Speiseröhre (lat.: Ösophagus) Gültigkeit: MH Marienhospital ABT Abteilung Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Es werden zwei Tumorarten unterschieden, das Plattenepithelcarcinom (vor allem bei Rauchern und Alkoholikern) und das Adenocarcinom (meist unteres Drittel, Reflux). Eine vollständige Heilung ist nur bei aggressiver Therapie im Frühstadium möglich. Da aber die Karzinome meist erst spät Symptome hervorrufen (Schluckstörung zunächst bei fester Nahrung, später auch bei weicher oder flüssiger Nahrung, selten Heiserkeit), kann nur bei einem kleineren Teil der Patienten eine längerfristige Heilung erreicht werden. Die Diagnostik besteht aus einer Spiegelung mit gleichzeitiger Probeentnahme zur feingeweblichen Beurteilung. Es folgen danach sog. Staging-Untersuchungen (Röntgen der Lunge, Computertomographie von Brustkorb und Bauchraum, Endosonografie) zur Stadieneinteilung der Erkrankung. Der Tumor ist anfangs auf die Innenschicht der Speiseröhre beschränkt, später kann er die gesamte Wand durchsetzen, im weiteren Verlauf können Lymphknoten oder sogar andere Organe befallen sein. Bezüglich des Krankheitsausmaßes bestehen stadienabhängige Therapierichtlinien: Im Frühstadium ist die alleinige Operation die korrekte Therapie. Dabei wird der allergrößte Teil der Speiseröhre und ein kleinerer Teil des Magens unter Mitnahme aller organnahen Lymphknoten im Rahmen eines Zwei-Höhlen-Eingriffs (operative Eröffnung von Brustkorb und Bauchraum) entfernt, der Restmagen wird zu einem Schlauch umgeformt, in den oberen Brustkorb verlagert und dort oder im Halsbereich mit der restlichen Speiseröhre verbunden (Ösophagusresektion mit Magenhochzug). Dieser Eingriff gehört zu den großen Operationen spezialisierter viszeralchirurgischer Kliniken, welcher ein erfahrenes Team aus Anästhesisten, Chirurgen und kompetenten Intensivpflegern auf einer dafür geeigneten Intensivstation voraussetzt. Wir gehören zu den wenigen ausgewiesenen Kliniken in Deutschland, die den Eingriff im Brustkorb minimal invasiv durchführen. Im fortgeschrittenen Stadium (wandüberschreitendes Wachstum ohne/mit Lymphknotenbefall) wird der Operation eine 6-wöchige Radio-Chemotherapie vorgeschaltet, um die Chance einer kompletten und radikalen chirurgischen Therapie zu erhöhen. Darunter versteht man die Kombination aus gleichzeitiger Chemo- und täglicher Bestrahlungstherapie des inneren Brustkorbs, welches nach derzeitigem Wissensstand die effektivste Form der Vorbehandlung darstellt. Nach 4-wöchiger Pause erfolg die Operation (s.o.). Eine Heilungschance besteht nur nach kompletter Entfernung des Karzinoms und der Lymphknoten. Bei Einwachsen der Geschwulst in Nachbarorgane oder bei Nachweis von Tochtergeschwülsten in anderen Organen (Spätstadium) ist eine Operation nicht mehr sinnvoll, hier kommen Verfahren zur Verbesserung der Lebensqualität zum Einsatz, z.B. Einbringen eines Stents (Kunststoffröhre) mittels Endoskopie in Kurznarkose zur Überbrückung des Tumors, um eine normale Ernährung wiederherzustellen, oder Einlage einer Ernährungssonde durch die Bauchdecke in den Magen oder den Dünndarm. Seite 3 von 5 Speiseröhre (lat.: Ösophagus) Gültigkeit: MH Marienhospital ABT Abteilung Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Individuell kann eine begleitende Radio-Chemotherapie angeraten sein. In unserer Klinik kann der Operationsteil in der Brusthöhle, bei dem die Speiseröhre mit den umgebenden Lymphknoten entfernt wird, standardmäßig durch eine sog. Thorakoskopie durchgeführt werden. Hierbei verzichtet man auf einen großen Schnitt am Brustkorb und die großflächige Eröffnung der Brusthöhle, lediglich über 3 kleine Schnitte (Schlüssellochchirurgie) erfolgt mit Spezialinstrumenten der Operationsschritt im Brustkorb. Die Patienten verbleiben nach dieser Art der Operation kürzer auf der Intensivstation und haben weniger Schmerzen. Ösophagusatresie Dabei handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung der Neugeborenen, bei der die Speiseröhre nicht oder fehlerhaft ausgebildet ist. Meist ist die obere Speiseröhre als Blindsack verschlossen, der untere Teil mündet von der Luftröhre in den Magen, das mittlere Drittel ist nicht angelegt. Diese behebbare Fehlbildung wird meist bereits während der Vorsorgeuntersuchungen vor der Geburt erkannt. Die Mütter sollten dann das Kind in einer Klinik zur Welt bringen, in der solche Fehlbildungen von einem erfahrenen Team von Kinderchirurgen, Neonatologen und Anästhesisten korrigiert und auf einer damit vertrauten und kompetenten Kinderintensivstation (Level I) weiterbehandelt werden können (siehe „Kinderchirurgie“). Speiseröhren-Karzinom die rote gepunktete Linie zeigt des Ausmaß der Operation Seite 4 von 5 Speiseröhre (lat.: Ösophagus) Gültigkeit: MH Marienhospital ABT Abteilung Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Operationssitus: Aus dem Magenrest wird eine neue Speiseröhre geformt, die mit dem verbliebenen Rest der Speiseröhre im Halsbereich vernäht wird (Anastomose). Seite 5 von 5