Eine algebraische Zahlenbereichserweiterung: Die komplexen Zahlen Während eine lineare Gleichungen ax+b=0 eine und quadratische Gleichungen ax²+bx-c=0 bis zu zwei Lösungen haben, kann die Gleichung n-ten Grades) axn + bxn-1 + cxn-2 + … + Konstante = 0 nun n-Lösungen x bis x haben (Gauß´ Fundamentalsatz1 der Algebra). 1 n Diese können als Linearfaktoren geschrieben werden a (x - x ) (x - x ) 1 2 bis (x - x ) = 0 n um wieder die obige Gleichung zu ergeben. Denn nur dann, wenn ein Faktor x-x Null wird, ist auch das ganze Produkt Null. i 1 Der Fundamentalsatz besagt, dass jede komplexe Funktion n-ten Grades mindestens eine Nullstelle hat: Daher hat ein Polynom n-ten Grades in der Menge der komplexen Zahlen genau n Nullstellen. In Frankreich wurde er als „Le Théorème de D’ALEMBERT“ bezeichnet: 1746 von d`Alembert ausgesprochen und vom 20-jährigen CARL FRIEDRICH GAUSS 1799 erstmals in seiner Doktorarbeit bewiesen. Später brachte Gauss noch 3 andere Beweise PDF herunterladen (481.5 KB) www.udo-Rehle.de - 1/9 - 2014 Abb. 10: Die fünf Nullstellen bei 1, 2, 3, 4 und 5 der Funktionen y = a(x-1)(x-2)(x-3)(x-4)(x-5) hier mit den Vorfaktoren a = 1, 2, 3, 5. -10 und 20 www.udo-Rehle.de - 2/9 - 2014 Nun wäre es schön, wenn jede quadratische Gleichung immer zwei Lösungen hätte, und jede Gleichung 3. Grades2 (höchste vorkommende Potenz ist x³) stets drei, und jede Gleichung n-ten Grades genau n Lösungen hätte3. Dies kann man nun dadurch erreichen, indem man eine neue Zahl i einführt, welche die Wurzel aus minus Eins ist. Denn da die Quadratzahlen immer positiv sind, erhält man nur dann für die Wurzel aus negativen Werten auch Lösungen. Diese neue4 Einheit i = √(-1) erweitert die reellen Zahlen zu den zweidimensionalen Zahlen z = a + bi, die man komplexe Zahlen5 (C wie combined) nennt, da sie neben einem Realteil a noch eine zweite Komponente, nämlich den Imaginärteil b enthalten, und die als Zahlenpaare in der sog. Gaußsche Zahlenebene darstellbar sind. 2 Deren Graphen sind, – ähnlich wie Parabeln immer achsensymmetrisch sind -, stets punktsymmetrisch bezüglich ihres Wendepunktes. 3 Abels Unmöglichkeitssatz: Bei höherem Grad als 4 sind die Gleichungen i.a. algebraisch nicht mehr auflösbar! Das wurde zuerst von Paolo Ruffini erkannt (17651822), der das aber unvollständig bewies) 4 Diese Eingheit i ist diejenige Zahl, deren Kehrwert zugleich ihr Negativum ist! 1/i = -i 5 Allerdings gibt es auch heutzutage noch Leute, die dies ablehnen und sich weigern i als Zahl anzuerkennen. Beispielsweise lernte ich während meines Referendariats in Trier den Leiter für Mathematik Hr. Slaby kennen, der für die Lehrpläne der Oberstufe aller Gymnasien von Rheinland-Pfalz zuständig war. Er sah in i keine Zahl und ignorierte die komplexen Zahlen vollständig und sorgte konsequenterweise dafür, dass alles, was mit komplexen Zahlen zu tun hat aus den Lehrplänen gestrichen wurde und somit diese an den Höheren Schulen nicht mehr unterrichtet werden: Vermutlich hat er niemals etwas von der Schrödinger-Gleichung gehört, denn diese nicht ableitbare Grundgleichung der Quantentheorie enthält i und operiert somit komplex! Manche Mathematiker haben eben keine Ahnung von Physik! Gerade in der Physik sind komplexe Zahlen unentbehrlich: In der Quantenphysik werden komplexe Zahlen zur eleganten Beschreibung der Wellen in Moivrescher Form verwendet und die Relativitätstheorie führt die Zeit als imaginäre vierte Dimension ein. Und sie tauchen in der Riemannschen Metrik auf, die den gekrümmten Raum beschreibt, der die Schwerkraft ersetzt. Und wozu braucht man die ART? Beispielsweise bei der exakten Positionsberechnung mit Hilfe dreier Satelliten (Global Positioning System) ergeben sich aus der jeweiligen Laufzeit des Sendesignals drei sich schneidende Kugeln. Wegen der großen Geschwindigkeit der Signalwellen von 3oo ooo km/sec ergibt eine Abweichung von 1 µsec aber bereits einen Wegdifferenz von 300 m. Exakte Zeitmessungen sind aber nur mit relativistischen Korrekturen möglich, denn die Geschwindigkeit bzw. Höhe eines Satelliten lassen dessen Uhren etwas verzögert bzw. beschleunigt laufen! www.udo-Rehle.de - 3/9 - 2014 Nicht verschwiegen sei in diesem Zusammenhang, dass es auch eine interessante Darstellung der komplexen Größen über 2x2-Matrizen gibt. Die Matrizendarstellung werden bei noch „höheren“ komplexen Zahlen der Dimension6 4, 8 oder gar 16 unentbehrlich. Diese bilden aber keine (kommutativen) Gruppen mehr bezüglich der Multiplikation oder sind nicht mehr assoziativ, bilden allenfalls noch einen sog. Schiefkörper (wie die Quaternionen). 6 Die Dimension drei geht gar nicht, wie A. Cayley schon wu0te. www.udo-Rehle.de - 4/9 - 2014 Während die Multiplikation mit (-1) eine Drehung um 180° ist (weshalb (-1) (-1)=(+1) ist) links ist die Multiplikation mit i = √-1 eine Drehung um 90° (zwei solche Drehungen bei i² ergeben eine Punktspiegelung = -1) rechts Die Beträge werden multipliziert und die Argumente (Winkel) werden addiert http://www.youtube.com/watch?v=0-vImw-4F18&list=PL3C690048E1531DC7 www.udo-Rehle.de - 5/9 - 2014 Viele Zusammenhänge lassen sich damit viel eleganter zeigen, denn oftmals liefert gerade eine andere Darstellung des Sachverhalts das bessere Verständnis, bewirkt somit das entscheidende mathematische Etwas7. Die komplexen Lösungen tauchen dabei immer paarweise in Form von a + bi und a - bi auf, d. h. sind konjugiert komplex, wobei das Produkt (a+bi)(a-bi) = a²-b² nach der dritten binomischen Formel genau dann eine reine reelle Zahl ergibt. Die Gleichungen ungerader Ordnung haben ja stets eine reelle Lösung8! Beispielsweise haben kubische Gleichungen immer zumindest eine (reelle) Lösung. Die Lösungsformel für kubische Gleichungen erwarb Cardano in der Mitte des zweiten Jahrtausends etwas unlauter von Tartaglia. Es zeigte sich nun aber, dass es unter diesen Gleichungen dritten Grades eben auch Fälle gibt, die einen „Casus knaxus“ liefern, weil sie zwar drei reelle Lösungen haben, wobei aber zur Berechnung auch nur einer einzigen Lösung diese ausnahmslos über komplexe Zahlen zu berechnen ist. Nur über den mit komplexen Zahlen berechenbaren Umweg, - indem man die Moivre´sche Formel9 anwendet bei der man die dritte Wurzel über die Winkeldreiteilung 7 Ein gutes Beispiel dafür ist die Vektorrechnung: Die Darstellung der Koordinatengleichung als Vektorgleichung (Normalenform) liefert ein besseres Verständnis der Zusammenhänge (des n-dimensionalen Raumes überhaupt) und vereinfacht speziell alle Abstandberechnungen (Hesseform) wesentlich. 8 Die Chinesen (Ching, der 10 Jahre gegen die einfallenden Mongolen kämpfte!) waren übrigens die ersten, die kubische Gleichungen (näherungsweise) lösen. - http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=8343 9 A. de Moivre (1667-1754) Die berühmteste oder faszinierendste aller mathematischer Formeln verknüpft die zwei transzendenten Größen der Kreiszahl Pi und der Eulerschen Zahl e über die imaginäre Einheit i besonders einfach mit der negativen Einheit der reellen Zahlen: eiπ = -1 Dies folgt aus der Moivre´sche Formel, die über trigonometrische Beziehungen das Potenzieren und Wurzelziehen der (in Polarkoordinaten dargestellten) komplexen Zahlen fast zum Kinderspiel macht: Für z= r(cos α + i sin α) ist zn = rn ( cos nα + i sin nα) www.udo-Rehle.de - 6/9 - 2014 berechnet -, ist es überhaupt möglich diese drei reellen Lösungen dann zu bekommen10. Auch die Gleichungen 4. Grades sind gerade noch durch ineinander geschachtelte Wurzeln allgemein auflösbar ( Ludovico Ferrari (1522- 1565)), – was jedoch bereits so kompliziert ist, dass es niemand praktisch verwendet -, aber, ab dem 5. Grade geht das überhaupt nicht mehr, - es existiert nun überhaupt keine Lösungsformel mehr -, was die beiden sehr jung verstorbenen Mathematiker Abel (1802-1829) und Galois (1811-1832) bewiesen. Für mehr geschichtliche Details zur Auflösbarkeit von Gleichungen und vor allem zur detaillierten Geschichte derselben sei dem Leser Marcus du Sautoy >>Das Geheimnis der Symmetrie <<, dtv 2011 sehr empfohlen. 10 Bei diesem „casus irreducibilis“ ist für x³+px+q in der 3 √[-½q + √(¼q²+1/9p³)] + 3√[-½q - √(¼q²+1/9p³)] Cardano-Lösung die dritte Wurzel aus einem komplexen Wert zu ziehen, weil schon die Quadrat-Wurzel von ¼q²+1/9p³ aus einen negativen Wert zu ziehen – d.h. also imaginär - ist! Vieta war der erste, der das um 1600 schaffte. Welche Lösungen hat x³-6x²+11x-6 = 0? {1, 2, 3} Auch nach Vieta ist das Produkt der Lösungen 6 und die Summe aller Zweierprodukte der Lösung 11, sowie die Summe aller Lösungen 6. Dass x=1 eine Lösung (als Teiler von 6) ist, hat man schnell erraten usw. 1x2+1x3+2x3 = 11 und 1+2+3 = 6 1x2x3 = 6 www.udo-Rehle.de - 7/9 - 2014 Den sog. Körper der komplexen Zahlen kann man noch zu dem Schiefkörper der erweiterten komplexen Zahlen vergrößern, die man auch Quaternionen nennt. Diese Zahlen sind dann vierdimensional, denn es gibt noch zwei weitere i-ähnliche Einheiten, nämlich j und k, deren Produkt ebenfalls -1 ergibt, die miteinander wechselwirken (z.B. ik = j und ki = -j), die aber eben nicht mehr schön vertauschbar (sprich symmetrisch, d.h. abelsch oder kommutativ) sind: a•b ≠ b•a Bei der Multiplikation Nacheinaderausführung muss von man dann Abbildungen, (ähnlich der wie bei der Matrizenmultiplikation) darauf achten, ob man von links oder von rechts multipliziert.11. 11 Während die Multiplikation mit komplexen Zahlen Drehstreckungen (a -b b a ) sind, stellen Quaternionen sog. hermitesche Drehstreckungen dar. Diese Abbildungen werden durch die Matrix (α β -β* α* ) dargestellt, wobei * konjugiert komplex ist. Eine noch darüber hinausgehende achtdimensionale Zahlenbereichserweiterung erfüllt dann aber das Klammergesetz (Assoziativgesetz) nicht mehr (a•b)•c ≠ (a•(b•c) Man muss auf die Reihenfolge des Vorgehens aufpassen, was man zuerst multipliziert. www.udo-Rehle.de - 8/9 - 2014 Die komplexen Zahlen erfordern wegen der Einführung eines neuen Parameters (den Winkel) schon die Messungen der Trigonen (Dreiecksberechnung) G AGA H HAG Hühnerhaufen-Agentur (SINUS ist Gegenkathete/Hypotenuse Cosinus = Ankath. durch Hypotenuse tan = G/A und cot = A/G) www.udo-Rehle.de - 9/9 - 2014