MATHEMATIK 1 für ET

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MATHEMATIK 1 für ET
Vorlesung für Studierende der Elektrotechnik
Technische Universität Wien
WS 2009/10
2
Copyright (c) Peter Szmolyan, 2009.
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen, Grundbegriffe
7
1.1 Axiomatische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.2 Aussagenlogik und Beweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1.3 Übersicht über die Zahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
1.4 Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
1.5 Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
1.6 Rekursive Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
1.7 Binomialkoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
1.8 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
1.9 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
2 Die reellen Zahlen
29
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.2 Rechenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.3 Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
2.4 Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
2.5 Mengen von reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3 Komplexe Zahlen
48
3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
3.2 Rechengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
3.3 Polarform einer komplexen Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
3
4
3.4 Komplexe Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Zahlenfolgen
56
59
4.1 Konvergenz und Grenzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4.2 Monotone Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4.3 Einschließungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
5 Reihen
68
5.1 Reihen und Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
5.2 Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
5.3 Multiplikation von Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
5.4 Reihen mit komplexen Gliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
6 Reelle Funktionen
84
6.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
6.2 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
6.3 Grenzwerte von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
6.4 Typen von Unstetigkeitsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
6.5 Gleichmäßige Stetigkeit, Lipschitz Stetigkeit . . . . . . . . . . . .
98
6.6 Stetigkeit auf abgeschlossenen Intervallen . . . . . . . . . . . . . .
99
6.7 Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
7 Polynome und rationale Funktionen
106
7.1 Polynome und ihre Nullstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
7.2 Horner - Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
7.3 Algebraische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.4 Polynominterpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.5 Rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
5
8 Elementare Funktionen
8.1 Trigonometrische Funktionen
120
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
8.2 Zyklometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
8.3 Allgemeine Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
8.4 Allgemeine Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
8.5 Natürliche Exponentialfunktion und natürlicher Logarithmus . . . 132
8.6 Allgemeine Potenzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
8.7 Hyperbelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
8.8 Areafunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
9 Differentialrechnung
9.1 Differenzenquotient und Ableitung
141
. . . . . . . . . . . . . . . . . 141
9.2 Lineare Approximation, Tangente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
9.3 Zeit, Ort, Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
9.4 Regeln der Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.5 Mittelwertsätze der Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . 155
9.6 Regel von de l’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.7 Höhere Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
10 Lokales und globales Verhalten von Funktionen
168
10.1 Taylorscher Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
10.2 Maximum und Minimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
10.3 Asymptotisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
10.4 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
11 Iterationsverfahren
187
11.1 Fixpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
11.2 Newtonverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
6
12 Integralrechnung
197
12.1 Riemann Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
12.2 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung . . . . . . . . . . 205
12.3 Stammfunktionen elementarer Funktionen . . . . . . . . . . . . . 207
12.4 Partielle Integration und Substitutionsregel . . . . . . . . . . . . . 210
12.5 Besondere Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
12.6 Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
13 Potenzreihen
228
13.1 Konvergenz von Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
13.2 Rechnen mit Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
13.3 Taylorreihen der elementaren Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 234
Anhang
242
.1
Griechisches Alphabet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
.2
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Kapitel 1
Grundlagen, Grundbegriffe
1.1
Axiomatische Methode
Wie kommt man überhaupt zu den Objekten einer mathematischen Theorie,
zu Definitionen und im weiteren zu Aussagen, deren Gültigkeit man beweisen
möchte?
Betrachten wir beispielsweise die natürlichen Zahlen. Kann man eine Definition
der natürlichen Zahlen angeben? Was wären dann die schon bekannten Objekte,
mit deren Hilfe die natürlichen Zahlen zu erklären sind, und inwiefern kennen
wir diese bekannten“ Objekte? Müssen sie nicht auch erklärt werden — und
”
so weiter, ohne Ende? Man spürt, dass man auf diese Weise eine Wissenschaft
nicht aufbauen kann, weil man nicht einmal dazu kommt, mit dem Bauen auch
nur anzufangen. Irgendeine Grundlage, irgendeinen Ausgangspunkt wird man als
gegeben ansehen müssen, und das wissenschaftliche Verfahren kann dann nur noch
darin bestehen, diese Grundlage deutlich als solche zu bezeichnen, sie in allen
Einzelheiten offen zu legen und von nun an nur noch Gründe gelten zu lassen,
die — mittelbar oder unmittelbar — eben diesen Grundlagen entnommen sind,
und zwar in einsehbarer nachvollziehbarer Weise, gleichsam im hellen Tageslicht
vor den Augen der Öffentlichkeit.
Will man gemäß diesem Programm die natürlichen Zahlen dem Aufbau des Zahlensystems zugrundelegen, so wird man also nicht mehr von einer Definition dieser
Zahlen ausgehen. Man wird nicht mehr fragen: was sind die natürlichen Zahlen
und was ist ihr Wesen? - vielmehr wird man einige Grundeigenschaften derselben, einige Grundbeziehungen zwischen ihnen angeben und alles weitere allein
7
8
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
aus diesen Aussagen entwickeln. Dieses Verfahren, an den Anfang einer Theorie einige Grund-Sätze, sogenannte Axiome , zu stellen (die man nicht mehr
diskutiert, nicht mehr weiter hinterfragt“ sondern einfach akzeptiert) und aus
”
ihnen durch logisches Schließen den (ganzen) Aussagenbestand der Theorie zu
gewinnen, nennt man axiomatische oder deduktive Methode.
Sie ist der Lebensnerv der Mathematik, das, wodurch die Mathematik zur Wissenschaft wird. Sie geht vermutlich auf den großen griechischen Mathematiker
Eudoxus zurück und findet ihre erste volle Entfaltung in den Elementen“ des
”
Euklid von Alexandria (um 300 v. Chr.). Seit diesem epochalen Werk ist sie
konstitutiv für die Mathematik und vorbildlich für die exakten Wissenschaften
geworden. Isaac Newton (1642 - 1727) hat in seinen Philosophiae naturalis prin”
cipia mathematica“ die Mechanik aus seinen drei berühmten Gesetzen entwickelt.
Baruch de Spinosa (1632 - 1677) hat seine Ethik more geometrico“ (nach geo”
metrischer, d.h. deduktiver Weise) geschrieben, und David Hilbert (1862 - 1943),
einer der bedeutendsten Mathematiker, nicht nur der letzten Jahrhunderte, war
der Meinung, dass jede reif gewordene Wissenschaft der Axiomatisierung anheimfalle.
Sicherlich ist das axiomatische Verfahren die ehrlichste Methode, die je ersonnen
wurde: Ihr moralischer Kern besteht darin, dass man alle seine Voraussetzungen
offen darlegt, dass man im Laufe des Spieles keine Karten aus dem Ärmel holt,
und dass man somit alle seine Behauptungen überprüfbar macht.
Wir kehren zu den natürlichen Zahlen zurück. Der italienische Mathematiker
Peano (1858 - 1932) hat für sie ein System von fünf Axiomen vorgeschlagen.
Peano Axiome:
Die Menge IN
I der natürlichen Zahlen ist eine Menge mit folgenden Eigenschaften:
1. 1 ist eine natürliche Zahl.
2. Jeder natürlichen Zahl n ist genau eine natürliche Zahl N(n) zugeordnet,
die der Nachfolger von n genannt wird.
3. 1 ist kein Nachfolger.
4. Sind die natürlichen Zahlen n, m verschieden, so sind auch ihre Nachfolger
N(n), N(m) verschieden (kurz: n 6= m =⇒ N(n) 6= N(m)).
5. (Induktionsaxiom ) Eine Eigenschaft, die für die Zahl 1 gilt und die, wenn
sie für eine Zahl n gilt, auch für N(n) gilt, gilt für alle natürlichen Zahlen.
[1.2] Aussagenlogik und Beweisen
9
Ausgehend von den Peano’schen Axiomen kann man nun auf der Menge der
natürlichen Zahlen die Operationen +, ∗ und die Relationen <, >, ≤, ≥ einführen.
Wir zeigen nur, wie man die Addition (rekursiv, mittels vollständiger Induktion))
definiert:
Für beliebiges n ∈ IN
I muss n + k für alle k ∈ IIN definiert werden. Dies erfolgt
mittels Induktion nach k. Wir definieren
n + 1 := N(n)
Sei n + k für ein k ∈ IN
I definiert. Dann definieren wir
n + N(k) := N(n + k).
Damit ist n + k für alle k ∈ IIN definiert.
Alles was wir über das Arbeiten mit den natürlichen Zahlen in der Mittelschule
gelernt haben (und vieles mehr) kann man jetzt beweisen.
Die Herleitung der bekannten Rechenregeln für die natürlichen Zahlen aus den
Peano’schen Axiomen ist zum Teil recht abstrakt und langwierig und erhöht nicht
das Verständnis für das Arbeiten mit den natürlichen Zahlen. Darum gehen wir
hier nicht weiter darauf ein. Es sei auch nur der Vollständigkeit halber erwähnt,
dass zur Einführung der ganzen Zahlen, der rationalen Zahlen und der irrationalen Zahlen keine weiteren Axiome notwendig sind, sondern dass diese mittels
entsprechender Definitionen auf der Basis der natürlichen Zahlen vorgenommen
wird; so definiert man die rationalen Zahlen als Klassen äquivalenter Paare von
”
ganzen Zahlen“, die irrationalen Zahlen als die unendlichen nicht periodischen
Dezimalbrüche (siehe Abschnitt 1.3).
Wir haben die natürlichen Zahlen als Beispiel benützt, um den axiomatischen
Aufbau einer mathematischen Theorie zu illustrieren. Die Theorie der Struktur
der natürlichen Zahlen, die wohl mit dem Satz über die Zerlegung einer natürlichen Zahl in Primfaktoren beginnt und zu tiefen Einsichten in die natürlichen
Zahlen führt, nennt man Zahlentheorie.
1.2
Aussagenlogik und Beweisen
Die Ausagenlogik ist ein wesentliches Werkzeug für den Aufbau einer mathematischen Theorie. Die Grundelemente der Aussagenlogik sind Aussagen.
10
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Definition 1.2.1: Eine Aussage ist ist ein Satz, dem man genau einen der
beiden Wahrheitswerte wahr (w) oder falsch (f ) zuorden kann.
Da nur diese beiden Wahrheitswerte erlaubt sind, spricht man auch von zweiwertiger Logik.
Seien A und B Aussagen. Dann können durch Verknüpfungen daraus neue Aussagen gewonnen werden. Diese Verknüpfungen definieren wir durch Angabe von
Wahrheitstafeln, die den Wahrheitswert der neuen Aussagen angeben.
• Negation: ¬A . . . nicht A“
”
A
w
f
¬A
f
w
• Konjunktion: A ∧ B . . . A und B“
”
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
A∧B
w
f
f
f
• Disjunktion: A ∨ B . . . A oder B“
”
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
A∨B
w
w
w
f
• Implikation: A =⇒ B . . . A impliziert B“
”
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
A =⇒ B
w
f
w
w
Die Implikation ist immer wahr, wenn die Voraussetzung A falsch ist. Wenn
die Voraussetzung A falsch ist, wird der Wahrheitswert der Behauptung B
gar nicht geprüft.
• Äquivalenz: A ⇐⇒ B . . . A gilt genau dann, wenn B gilt“
”
[1.2] Aussagenlogik und Beweisen
A
w
w
f
f
11
B
w
f
w
f
A ⇐⇒ B
w
f
f
w
Definition 1.2.2: Falls in einer Aussage mehrere logischen Operationen auftreten ist folgende Rangordnung einzuhalten: Negation vor Konjunktion vor Disjunktion vor Implikation vor Äquivalenz.
Die Lesbarkeit wird meist durch Klammersetzung verbessert:
A ∧ ¬B ∨ C ∨ ¬D ∧ E ⇐⇒ ((A ∧ ¬B) ∨ C) ∨ (¬D ∧ E)
De Morgan’sche Regeln
Satz 1.2.1: Seien A, B Aussagen, dann gilt
¬(A ∧ B) ⇐⇒ ¬A ∨ ¬B,
¬(A ∨ B) ⇐⇒ ¬A ∧ ¬B .
Beweis: mittels Wahrheitstafel.
qed.
Eine mathematische Theorie besteht darin, ausgehend von Axiomen eine Reihe
von Sätzen zu beweisen. In den meisten Fällen haben Sätze die logische Struktur
einer Implikation A =⇒ B. In diesem Zusammenhang wird A Voraussetzung des
Satzes genannt. Beim Beweis eines Satzes wird meist eine der beiden folgenden
Beweismethoden verwendet.
Direkter Beweis
Um zu beweisen, dass ein Satz der Form A =⇒ B gilt, genügt es, die Gültigkeitvon
A anzunehmen und daraus durch eine Kette von Schlüssen die Gültigkeit von B
zu folgern.
Die zweite Beweismethode ist der indirekte Beweis, der auf folgendem Resultat
der Aussagenlogik beruht.
Satz 1.2.2: Für beliebige Aussagen A, B gilt
(A =⇒ B) ⇐⇒ (¬B =⇒ ¬A) .
12
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Beweis: Wir führen den Beweis mit Hilfe einer Wahrheitstafel.
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
A =⇒ B
w
f
w
w
¬B
f
w
f
w
¬A
f
f
w
w
¬B =⇒ ¬A
w
f
w
w
(A =⇒ B) ⇐⇒ (¬B =⇒ ¬A)
w
w
w
w
Da die letzte Spalte nur w-Einträge enthält, sind die Aussagen A =⇒ B und
¬B =⇒ ¬A äquivalent.
qed.
Beispiel: Der Satz x ist eine gerade Zahl =⇒ x2 ist durch 4 teilbar“ ist äquivalent
”
zu dem Satz x2 ist nicht durch 4 teilbar =⇒ die Zahl x ist ungerade“.
”
Indirekter Beweis:
Aus Satz 1.2.2 folgt, dass ein Satz der Form A =⇒ B bewiesen werden kann,
indem man annimmt, dass B falsch ist und daraus durch eine Kette von Schlüssen
folgert, dass A falsch ist.
Betrachten wir den Satz Die Zahl x ist größer als 7“. Ohne weitere Angaben
”
über x kann man nicht entscheiden, ob dieser Satz wahr oder falsch ist. Er ist
daher keine Aussage. Wir nennen solche Sätze Aussageform oder eine Eigenschaft
von x. Falls ein konkreter Wert für x eingesetzt wird, erhält man eine Aussage.
Sätze in der Form einer Aussage, in denen Variable auftreten, die für die Objekte
der entsprechenden mathematischen Theorie stehen, heißen Aussageformen.
Man benutzt Quantoren, um aus Aussageformen Aussagen zu erhalten. Besonders wichtig sind der Allquantor ∀ und der Existenzquantor ∃.
In dieser Notation schreibt man die Aussage Alle Zahlen x sind größer als 7“
”
als ∀x : x > 7, und die Aussage Es gibt eine Zahl x, die größer als 7 ist“ als
”
∃x : x > 7.
Es können auch mehrere Variable auftreten. Dann muss jede davon mit einem
Quantor versehen sein. Man beachte, dass es dabei auf die Reihenfolge ankommt.
Beispiel: Sei P (x, y) der Satz Der Mensch x hat die Nase y“. Man denke über die
”
Bedeutung der beiden Aussagen ∀x : ∃y : P (x, y) und ∃y : ∀x : P (x, y) nach.
[1.3] Übersicht über die Zahlensysteme
13
Es gilt folgende Regel: Bei der Negation von Aussagen mit Quantoren müssen
Allquantoren durch Existenzquantoren und Existenzquantoren durch Allquantoren ersetzt werden. Die der Aussage zugrundeliegende Eigenschaft muss negiert
werden.
Beispiel: ¬(∀x : ∃y : P (x, y)) ⇐⇒ (∃x : ∀y : ¬P (x, y)). Die Verneinung der
Aussage Jeder Mensch hat eine Nase“ ist Es gibt einen Menschen, der keine Nase
”
”
hat“.
1.3
Übersicht über die Zahlensysteme
Natürliche Zahlen IN
I
IIN = {1, 2, 3, . . .},
IN
I 0 = {0, 1, 2, 3, . . .}
Ganze Zahlen ZZ
ZZ = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .}
Rationale Zahlen Q
Q besteht aus ZZ und der Menge aller Brüche von Elementen aus ZZ,
Q=
np
q
o
: p, q ∈ ZZ, q 6= 0 .
Reduzierter Bruch: x = pq , mit p und q teilerfremd und q positiv. Diese Darstellung
ist eindeutig.
Die Dezimaldarstellung einer rationalen Zahl hat entweder endlich viele Dezimalstellen (z.B. 14 = 0, 25) oder unendliche viele Dezimalstellen, wobei sich ein Block
10
von Dezimalstellen unendlich oft wiederholt (z.B. 44
= 0, 227272 · · · = 0, 227). Im
zweiten Fall spricht von einer periodischen Dezimalzahl.
14
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Reelle Zahlen IR
IR besteht aus den rationalen Zahlen und den irrationalen Zahlen, das sind die unendlichen, nichtperiodischen Dezimalbrüche. Hinsichtlich der irrationalen Zahlen
unterscheidet man:
Algebraisch irrationale Zahlen: Eine irrationale Zahl x ist eine algebraisch
irrationale Zahl , wenn x Lösung einer algebraischen Gleichung mit ganzzahligen
Koeffizienten ist. So eine Gleichung hat die Form
an xn + an−1 xn−1 + · · · + a2 x2 + a1 x + a0 = 0,
n ∈ IIN,
a0 , a1 , a2 , . . . , an ∈ ZZ.
√
Beispiel: x2 − 2 = 0; die Lösungen x = ± 2 sind algebraisch irrational.
Transzendente Zahlen: eine reelle Zahl ist transzendent wenn sie irrational
aber nicht algebraisch irrational ist
Beispiel: Die Zahlen π, e sind transzendent.
Die reellen Zahlen werden in Kapitel 2 im Detail besprochen. Wo in den ersten
beiden Kapiteln mit reellen Zahlen gearbeitet wird, reichen Mittelschulkenntnisse
aus.
Komplexe Zahlen C
Die Menge der komplexen Zahlen C ist die Menge aller Zahlen der Form z = x+iy
mit x, y ∈ IR. Dabei ist i die imaginäre Einheit, die durch i2 = −1 definiert ist.
x ist der Realteil und y ist der Imaginärteil der komplexen Zahl z.
Es gilt
IN
I ⊂ ZZ ⊂ Q ⊂ IR ⊂ C.
1.4
Rechenoperationen
Die grundlegenden Rechenoperationen für Zahlen a, b ∈ IR oder C sind:
Addition: a + b
und
Multiplikation: ab.
[1.4] Rechenoperationen
15
Für Summen mit mehreren Summanden und für Produkte mit mehreren Faktoren
benützt man folgende Notation.
Es sei n ∈ IIN. Gegeben seien n Zahlen a1 , a2 , . . . an
Summenzeichen:
n
X
k=1
ak := a1 + a2 + a3 + · · · + an−1 + an
In Worten: Summe über die ak von k = 1 bis n. Man nennt k den Summationsindex.
Beispiel: Es sei ak = k. Dann gilt
n
X
ak =
k=1
n
X
k = 1 + 2 + 3 + · · · + n.
k=1
Beispiel:
n
X
j=0
xj+1 = x0+1 + x1+1 + · · · + xn+1 = x1 + x2 + · · · + xn+1 =
n+1
X
xk .
k=1
Regeln:
n
X
k=1
n+1
X
ak ±
s
k=1
n
X
k=1
n
X
ak =
bk =
ak =
k=1
n
X
ak + an+1
k=1
n
X
(ak ± bk )
k=1
n
X
(s ak )
k=1
Analog definiert man für 1 ≤ m ≤ n
n
X
k=m
ak := am + am+1 + am+2 + · · · + an−1 + an
Das Produkt mehrer Faktoren wird in Indexschreibweise folgendermaßen geschrieben.
Produktzeichen:
n
Y
k=1
ak := a1 a2 a3 · · · an .
16
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Analog definiert man für 1 ≤ m ≤ n
n
Y
k=m
Beispiel:
6
Y
ak := am am+1 am+2 · · · an .
k 2 = 9 · 16 · 25 · 36 .
k=3
1.5
Vollständige Induktion
Methode der vollständigen Induktion
Will man eine Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 beweisen, so geht
man folgend vor:
1. Induktionsanfang: Man zeigt die Richtigkeit von A(n0 ).
2. Induktionsschluß : Man zeigt, dass aus der Richtigkeit von A(n) für ein n,
n ≥ n0 , die Richtigkeit von A(n + 1) folgt.
Dann gilt die Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 .
Beispiel: Man beweise, dass für jedes n ∈ IN
I gilt:
1
1 + 2 + · · · + (n − 1) + n = n(n + 1).
2
Beweis mittels vollständiger Induktion: Hier ist A(n) die Aussage 1 + 2 + · · · + (n −
1) + n = 21 n(n + 1).
1.) Induktionsanfang: n0 = 1. Die Richtigkeit von A(1) ist zu zeigen:
1=
1
· 1 · 2.
2
2.) Induktionsschluß: Für ein n ∈ IIN gelte A(n), d.h. es gilt
1
1 + 2 + · · · + (n − 1) + n = n(n + 1).
2
Dann gilt
1
(n + 1)(n + 2)
1 + 2 + · · · + n + (n + 1) = n(n + 1) + n + 1 =
.
2
2
[1.5] Vollständige Induktion
17
Damit gilt die behauptete Gleichung für alle n ∈ IN
I.
Beispiel: Man beweise, dass für alle n ∈ IN
I mit n ≥ 10 gilt
n3 < 2n .
Beweis mittels vollständiger Induktion:
1.) Induktionsanfang: n0 = 10 : 1000 < 1024.
2.) Induktionsschluß: Es gelte
n3 < 2n .
Multiplikation dieser Ungleichung mit 2 ergibt die Ungleichung
2n3 < 2n+1 .
Aus der Abschätzung
(n + 1)3 = n3 + 3n2 + 3n + 1 < n3 + (n − 1)n2 + (n − 1)n + n = 2n3 ,
die für n > 4 gilt, folgt somit die Richtigkeit von
(n + 1)3 < 2(n+1) .
Damit ist die Behauptung bewiesen.
Die geometrische Summenformel
Satz 1.5.1: Für alle reellen Zahlen q ∈ IR, q 6= 1 und alle n ∈ IIN gilt
n
X
qk =
k=0
1 − q n+1
.
1−q
Beweis: Mittels vollständiger Induktion.
1.) Induktionsanfang: n = 1
1
X
qk = 1 + q =
k=0
(1 + q)(1 − q)
1 − q2
=
1−q
1−q
2.) Induktionsschluß: Es gelte
n
X
k=0
qk =
1 − q n+1
.
1−q
18
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Dann folgt aus
n+1
X
qk =
k=0
n
X
k=0
q k + q n+1 =
1 − q n+1
1 − q (n+1) + q (n+1) (1 − q)
1 − q n+2
+ q n+1 =
=
1−q
1−q
1−q
die Richtigkeit der Behauptung für n + 1. Somit gilt die Formel für alle n ∈ IN
I.
qed.
1.6
Rekursive Definition
Das Prinzip der vollständigen Induktion wird in Definitionen verwendet, die von
natürlichen Zahlen abhängen.
Beispiel: Unter der n-ten Potenz einer reellen Zahl x versteht man
∀n ∈ IIN ist xn = x
| · x{z· · · x} .
n−mal
Eine formale Definition erhält man durch vollständige Induktion: Für x ∈ IR und
n ∈ IIN sei die n-te Potenz xn von x definiert durch
x1 := x,
xn+1 := xn x.
(Man definiert außerdem x0 := 1, x 6= 0 ).
Beispiel: Für n ∈ IIN wird die natürliche Zahlen n! (n-Fakultät, n-faktorielle) durch
1! := 1,
und (n + 1)! := n!(n + 1)
rekursiv definiert. Außerdem definiert man 0! := 1. Explizit gilt:
1! = 1,
2! = 1 · 2 = 2,
3! = 1 · 2 · 3 = 6,
n! = 1 · 2 · 3 · · · n,
[1.7] Binomialkoeffizient
1.7
19
Binomialkoeffizient
1.7.1: Für n und k ∈ IIN0 , k ≤ n ist der Binominalkoeffizient
definiert durch
!
n
n!
.
:=
k!(n − k)!
k
Definition
n
k
Beispiel:
!
6
6!
6 · 5 · 4!
30
=
=
=
= 15.
2
2!4!
2!4!
2
Allgemein: Indem man in
in n! kürzt, erhält man
n!
k!(n−k)!
den Faktor (n−k)! gegen einen Teil der Faktoren
!
n
n(n − 1)(n − 2) · · · (n − k + 1)
=
.
k
1.2 · · · k
Eigenschaften:
!
!
n
n
=
,
k
n−k
!
!
n
n
=
= 1,
0
n
!
!
n
n
=
= n.
1
n−1
Additionstheorem für Binomialkoeffizienten
Satz 1.7.1: Für n, k ∈ IIN, 1 ≤ k ≤ n gilt
!
!
!
n+1
n
n
=
+
.
k
k−1
k
Beweis:
!
!
n!
n
n
n!
+
=
+
=
(k − 1)!(n − k + 1)! k!(n − k)!
k−1
k
!
n+1
n!(n + 1)
(n + 1)!
n!k + n!(n − k + 1)
=
=
=
.
k
k!(n − k + 1)!
k!(n − k + 1)!
k!(n + 1 − k)!
qed.
20
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Diese Beziehung liegt dem Pascal’schen Dreieck zugrunde:
0
0
1
0
2
0
2
1
ց ւ
ց ւ
2
2
ց ւ
ց ւ
4
2
3
3
3
2
ց ւ
4
1
4
0
ց ւ
3
1
3
0
1
1
4
4
4
3
···
Die Addition zweier benachbarter Zahlen in einer Zeile ergibt die in der Zeile
darunter stehende Zahl.
1
1
ց
1
ց
1
1
ց
4
1
3
ւ
2
ւ
ց
ւ
1
ց
6
···
3
ւ
ւ
ց
1
4
ւ
1
Die Binomialkoeffizienten sind die Koeffizienten in der Entwicklung von (x + y)n .
Binomischer Lehrsatz
Satz 1.7.2: Für alle x, y ∈ IR und n ∈ IN
I gilt
n
(x + y) =
n
X
k=0
!
n n−k k
x y .
k
Beweis: Mittels vollständiger Induktion.
1. Induktionsanfang:
1
X
k=0
!
!
!
1 1−k k
1 1 0
1 0 1
x y =
xy +
x y = (x + y)1 .
k
0
1
[1.8] Mengen
21
n
2. Induktionsschluss: Es gelte (x + y) =
(x + y)
=
=
n
X
k=0
n
X
k=0
!
n n−k k
x y . Multiplizieren dieser
k
k=0
Gleichung mit (x + y) ergibt:
n+1
!
n
X
!
!
n
n n−k+1 k X
n n−k k+1
x
y +
x y
k
k
k=0
!
!
X
n n−k+1 k n+1
n
x
y +
xn−k+1 y k
k
k
−
1
k=1
!
!
n
n
n n+1 0 X
n n−k+1 k X
n
x y +
x
y +
xn−k+1 y k
0
k
k
−
1
k=1
k=1
=
!
n 0 n+1
+
xy
n
n+1
= x
n+1
= x
+
+
n
X
k=1
n
X
"
k=1
=
=
!
!#
n
n
+
k
k−1
!
n + 1 n−k+1 k
x
y + y n+1
k
!
!
!
n
n + 1 n+1 0 X
n + 1 n−k+1 k
n + 1 0 n+1
x y +
x
y +
xy
0
k
n+1
k=1
n+1
X
k=0
!
n + 1 n−k+1 k
x
y .
k
Daher gilt die Formel für alle n ∈ IN
I.
1.8
xn−k+1 y k + y n+1
qed.
Mengen
Cantor’sche Definition einer Menge
Georg Cantor 1845–1918
Definition 1.8.1: Eine Menge ist eine Zusammenfassung von bestimmten wohlunterscheidbaren Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem
Ganzen.
Die Objekte, die zu einer Menge zusammengefasst sind, heißen Elemente dieser
Menge. Falls x Element der Menge M ist, schreibt man x ∈ M. Falls x kein
Element der Menge M ist, schreibt man x 6∈ M.
Beispiel: Menge der natürlichen Zahlen
Beispiel: Menge aller Primzahlen
22
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Beispiel: Die Menge, die aus den Zahlen 5, 10, 17, −16 besteht.
Die Angabe von Mengen kann auf zwei Arten erfolgen:
1.) Explizite Angabe der Elemente zwischen geschwungenen Klammern (enumerative Methode).
Beispiel: M = {5, 10, 17, −16}.
2.) Angabe charakteristischer Eigenschaften der Elemente (deskriptive Methode).
Beispiel: IP := {n ∈ IN
I : n ist Primzahl}.
Definition 1.8.2: Eine Menge A heißt Teilmenge einer Menge B, wenn jedes
Element von A auch Element von B ist. Man schreibt A ⊂ B. Sprechweise: A
”
ist Teilmenge von B“, A ist enthalten in B“, B enthält A“,.
”
”
Beispiel: IP ⊂ IIN
Beispiel: A ⊂ B für Punktmengen der Ebene, siehe Abb. 1.1
A
B
Abbildung 1.1: A, B Punktmengen der Ebene: A ⊂ B
Beispiel: A = {2, 5, 7, 11}, A ⊂ IP
Definition 1.8.3: Die Menge ohne Elemente heißt leere Menge ∅.
Bemerkung: Jede Menge enthält die leere Menge und die Menge selbst als
Teilmengen.
Definition 1.8.4: Die Mengen A und B heißen gleich A = B, wenn A ⊂ B
und B ⊂ A gilt.
Ist A Teilmenge von B und A 6= B, so sagt man, A ist eine echte Teilmenge
”
von B“.
[1.8] Mengen
23
Satz 1.8.1: Aus A ⊂ B und B ⊂ C folgt A ⊂ C.
Definition 1.8.5: Für eine beliebige Menge A ist die Potenzmenge von A die
Menge aller Teilmengen von A. Die Potenzmenge von A wird mit P (A) bezeichnet.
Beispiel: A = {1, 2},
P (A) = {∅, {1}, {2}, {1, 2}}
Mengenoperationen
Definition 1.8.6: Für zwei Mengen A und B definiert man:
1. Vereinigung von A und B: A ∪ B := {x : (x ∈ A) oder (x ∈ B)}, d.h.
x ∈ (A ∪ B) ⇐⇒ (x ∈ A) ∨ (x ∈ B).
2. Durchschnitt von A und B: A ∩ B := {x : (x ∈ A) und (x ∈ B)}, d.h.
x ∈ (A ∩ B) ⇐⇒ (x ∈ A) ∧ (x ∈ B).
3. Differenz von B und A: (Sprechweise: B ohne A“), B \ A := {x : (x ∈
”
B) und (x 6∈ A)}
4. Für A ⊂ M definiert man die Komplementbildung bezüglich der Grundmenge M: Ac := M \ A. Die Menge Ac nennt man das Komplement von
A in M.
5. Produktmenge von A und B: A × B := {(a, b) : (a ∈ A) und (b ∈ B)}.
A × B ist die Menge aller geordneten Paare von Elementen aus A und B
(Sprechweise: A Kreuz B“).
”
Beispiel: A = {1, 2, 3}, B = {u, v},
A × B = {(1, u), (1, v), (2, u), (2, v), (3, u), (3, v)}
24
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Rechenregeln für Mengenoperationen
Für beliebige Mengen A, B und C gilt:
1. A ∪ B = B ∪ A,
A∩B =B∩A
Kommutativgesetz
2. A ∪ (B ∪ C) = (A ∪ B) ∪ C,
A ∩ (B ∩ C) = (A ∩ B) ∩ C
Assoziativgesetz
3. A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C),
A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C)
4. (A ∪ B)c = Ac ∩ B c ,
1.9
Distributivgesetz
(A ∩ B)c = Ac ∪ B c
De Morgan’sche Regeln
Abbildungen
Definition 1.9.1: Es seien A und B Mengen. Eine Abbildung oder Funktion
f : A → B ist eine Vorschrift, die jedem Element a ∈ A genau ein Element
f (a) ∈ B zuordnet.
Die Menge A ist der Definitionsbereich , die Menge B ist der Bildbereich der
Abbildung. Man nennt f (a) das Bild von a. Die Menge f (A) := {f (a) : a ∈ A}
ist das Bild der Abbildung f .
Der Graph der Abbildung ist die Menge
Graph(f ) := {(a, f (a)) : a ∈ A} ⊂ A × B.
Die Schreibweise
f : A → B,
a 7→ f (a)
betont, dass zur exakten Definition einer Abbildung der Definitionsbereich, der
Bildbereich und die Abbildungsvorschrift angegeben werden müssen. Abkürzend
spricht spricht man allerdings oft einfach von der Abbildung f .
[1.9] Abbildungen
25
Definition 1.9.2: Eine Abbildung f : A → B heißt:
1. injektiv, wenn für alle a1 , a2 ∈ A gilt: a1 6= a2 =⇒ f (a1 ) 6= f (a2 ), d.h.
wenn es zu jedem b ∈ B höchstens ein a ∈ A mit b = f (a) gibt.
2. surjektiv, wenn ∀b ∈ B ∃a ∈ A mit b = f (a), d.h. wenn es zu jedem b ∈ B
mindestens ein a ∈ A mit b = f (a) gibt.
3. bijektiv, wenn sie sowohl injektiv als auch surjektiv ist, d.h. wenn es zu
jedem b ∈ B genau ein a ∈ A mit b = f (a) gibt.
B
A
Abbildung 1.2: Injektive Abbildung: Bei jedem b ∈ B endet höchstens ein Pfeil.
B
A
Abbildung 1.3: Surjektive Abbildung: Bei jedem b ∈ B endet mindestens ein Pfeil.
Definition 1.9.3: Die Abbildung f : A → B sei bijektiv. Dann nennt man die
Abbildung
f −1 : B → A, f −1 (b) = a ⇐⇒ f (a) = b.
die inverse Abbildung (inverse Funktion, Umkehrfunktion ) von f .
Die Umkehrfunktion f −1 ist ebenfalls bijektiv.
26
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Komposition von Abbildungen
Definition 1.9.4: Es seien g : A → B und f : C → D zwei Funktionen, und es
gelte g(A) ⊂ C. Dann ist durch
x 7→ f (g(x))
eine Funktion f ◦ g : A → D definiert. Die Funktion f ◦ g heißt Komposition
von f und g.
Bemerkung: Man spricht auch von einer Zusammensetzung oder Verknüpfung
der Funktionen. Dabei ist g die innere und f die äußere Funktion. Sprechweise:
f von g“, f verknüpft mit g“.
”
”
B
g
f
g(A)
A
D
C
Abbildung 1.4: Komposition von Funktionen Verknüpfung f ◦ g
Beispiel: g : IR \ {0} → IR, g(x) = x1 ; f : IR → IR, f (x) = 2x − 1.
(f ◦ g)(x) = f (g(x)) = f
1
2−x
=2 −1=
.
x
x
x
1
Jedoch ist g ◦ f nicht definiert, denn f (IR) 6⊆ IR \ {0}. Für x =
1
2
gilt ja f (x) = 0.
Definition 1.9.5: Zwei Mengen A und B heißen äquivalent (oder gleichmächtig), wenn es eine bijektive Abbildung von A auf B gibt (symbolisch A ∼ B).
Beispiel:
A = {1, 2, 3, 4}
l l l l
B = {a, b, c, d}
[1.9] Abbildungen
27
Eine andere Möglichkeit wäre: 1 ↔ b, 2 ↔ a, 3 ↔ d, 4 ↔ c. Tatsächlich gibt es
4! verschiedene bijektive Abbildungen von A auf B. (Warum?)
Definition 1.9.6: Eine Menge heißt endlich, wenn sie äquivalent zu einer Menge {1, . . . , n}, n ∈ IN
I ist. Die Mächtigkeit einer endlichen Menge ist gleich der
Anzahl ihrer Elemente.
Eine Menge, die äquivalent zu IN
I ist, heißt abzählbar .
Eine Menge, die weder endlich noch abzählbar ist, heißt überabzählbar .
Merkregel:
Abzählbarkeit einer Menge A bedeutet, dass man die unendlich vielen Elemente
von A durchnummerieren kann, d.h.
A = {a1 , a2 , a3 , ...}.
Im Fall einer überabzählbaren Menge ist dies nicht möglich.
Bei unendlichen Mengen treten überraschende Effekte auf:
Beispiel: Wir betrachten IIN = {1, 2, 3, . . .} und IIN0 = {0, 1, 2, 3, . . .}.
Anhand der bijektiven Abbildung IIN → IIN0 , n 7→ (n − 1) sieht man sofort, dass gilt
IIN0 ∼ IIN (obwohl IIN0 naiv gesehen ein Element mehr hat).
Beispiel: Die Menge ZZ ist abzählbar (obwohl naiv gesehen ZZ doppelt so viele
Elemente wie IIN hat).
IIN = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . . .}
l l l l l l l
ZZ = {0, 1, −1, 2, −2, 3, −3, . . .}
Diese Zuordnung entspricht der bijektiven Abbildung f : IIN → ZZ



f (n) = 

n/2,
n gerade
(1 − n)/2, n ungerade
Ziemlich überraschend ist die folgende Tatsache.
Abzählbarkeit von Q
Satz 1.9.1: Die Menge der rationalen Zahlen Q ist abzählbar.
28
[1] Grundlagen, Grundbegriffe
Beweis: Es sei Q+ := {x ∈ Q : x > 0}. Man sieht leicht ein, dass es genügt zu
zeigen: Q+ ist abzählbar. Warum ?
Zum Beweis der Abzählbarkeit von Q+ werden die Elemente von Q+ folgendermaßen angeschrieben:
1
1
1
2
→
ւ
↓ ր
1
3
1
4
..
.
ւ
3
1
2
1
2
2
2
3
ր
ւ
2
4
..
.
4
1
5
1
···
4
2
5
2
···
3
3
4
3
5
3
···
3
4
4
4
5
4
···
..
.
3
2
..
.
→
ւ
..
.
..
.
Danach wird in Pfeilrichtung durchnummeriert, wobei jedes Element, das bereits
einmal gezählt wurde, ausgelassen wird. Man nennt diese Methode das erste
Cantor’sche Diagonalverfahren .
qed.
Beispiel: In Kapitel 2 werden wir zeigen, dass IR überabzählbar ist.
Satz 1.9.2: Die Vereinigung von abzählbar vielen abzählbaren Mengen ist abzählbar.
Beweis: Erstes Cantor’sches Diagonalverfahren:
M1 = {a11 →
ւ
2
M2 = {a1
↓ ր
M3 = {a31
ւ
4
M4 = {a1
..
..
.
.
a12
a22
a32
a42
..
.
a13 → a14 · · ·}
ր
ւ
2
a3
a24 · · ·}
ւ
a33
a34 · · ·}
a43
..
.
a44 · · ·}
..
.
qed.
Kapitel 2
Die reellen Zahlen
2.1
Einführung
Die reellen Zahlen sind von grundlegender Bedeutung für die Analysis. Vom
Standpunkt der Anwendungen aus benötigt man die reellen Zahlen zum Messen kontinuierlicher Größen, wie die Länge einer Kurve und das Volumen oder
Gewicht eines Körpers. Man spricht auch vom Kontinuum der reellen Zahlen
Eine exakte Definition der reellen Zahlen ist nicht einfach. Dies sieht man auch
daran, dass diese Frage MathematikerInnen von der Antike bis ins 19. Jahrhundert beschäftigt hat.
Die Zahlengerade
Die Einführung der rationalen und der reellen Zahlen ist eng mit geometrischen
Begriffen wie Abstand und Längenmessung verbunden. Wir wählen auf einer
Geraden g zwei beliebige Punkte, die wir mit 0 und E bezeichnen. Positive Orientierung von 0 nach E (Einheitsstrecke). Durch einfache geometrische Kon−3
−2
−1
1
0
2
E
Abbildung 2.1: Zahlengerade
struktionen erhält man auf der Zahlengeraden
29
3
4
30
[2] Die reellen Zahlen
1. Ganzzahlige Punkte x ∈ ZZ,
2. Rationale Punkte x ∈ Q,
wobei ein Punkt auf der Zahlengeraden mit demselben Symbol wie die ihm entsprechende Zahl bezeichnet wird.
Das folgende klassische Beispiel zeigt, dass es Punkte auf der Zahlengeraden gibt,
die nicht rational sind.
Nach dem Pythagoreischen Lehrsatz
c2 = a2 + b2 ,
mit a = 1 und b = 1 entspricht die durch c2 = 2 definierte Zahl c der Länge der
Seite eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen beiden anderen Seiten die Länge eins
haben. Dies führt zum folgenden Dilemma der griechischen Mathematik“:
”
c2 =
Satz 2.1.1: Die Zahl, deren Quadrat 2 ergibt, ist nicht rational, d.h.
2 =⇒ c 6∈ Q.
2
Beweis: (indirekt) Annahme: c = pq ∈ Q, mit p, q teilerfremd. Aus c2 = pq2 folgt
p2 = 2q 2 . Daher muss p gerade sein, d.h. p = 2r. Es folgt weiters: 4r 2 = 2q 2
und 2r 2 = q 2 , also muss q gerade sein. p und q sind somit gerade, daher nicht
qed.
teilerfremd, ein Widerspruch. Die Annahme c ∈ Q war also falsch.
Daher gibt es neben den rationalen Punkten noch andere Punkte auf der Zahlengeraden, die wir irrationale Punkte nennen. Beliebig nahe zu jedem Punkt
der Zahlengeraden liegen unendlich viele rationale Zahlen und unendlich viele
irrationale Zahlen. Man sagt die rationalen Zahlen liegen dicht auf der Zahlengeraden.
Dies führt zu folgender geometrischen Interpretation der reellen Zahlen.
Die reellen Zahlen sind das Kontinuum aller Punkte der Zahlengeraden.
Eine handhabbare Definition und Darstellung der reellen Zahlen erhält man mittels Dezimaldarstellung. Wir betrachten zuerst die Menge der rationalen Zahlen
Q und die Frage der Darstellung einer rationalen Zahl als Dezimalzahl.
Hilfssatz: Es sei q ∈ Q, 0 < q < 1. Dann strebt die Summe
n
X
k=0
qk = 1 + q + · · · + qn,
[2.1] Einführung
31
wenn n über alle Grenzen wächst, gegen die Zahl
∞
X
qk =
k=0
Beweis: Aus
n
X
qk =
k=0
1
1−q
∈ Q. Dies schreibt man als
1
.
1−q
1
q n+1
1 − q n+1
=
−
1−q
1−q 1−q
folgt
n
X
k=0
qk −
Mit n → ∞ strebt q n+1 und somit
1
q n+1
=−
.
1−q
1−q
−q n+1
1−q
gegen Null, woraus das Ergebnis folgt.
qed.
Wir haben bei der Formulierung dieses Hilfssatzes Einiges aus der Theorie der
rationalen Zahlen benützt, das nicht elementar ist, sowie einfache Begriffe aus
der Theorie von unendlichen Folgen und Reihen benützt. Alle dabei notwendigen
Überlegungen und Rechnungen benützen aber nur die rationalen Zahlen!
Beispiel: Wir zeigen, dass
0.999 . . . = 1.
Der Hilfssatz liefert
0.999 . . . = 0.9(1 + 10−1 + 10−2 + 10−3 + · · ·)
∞ X
1 k
10
1
= 0.9
= 0.9
= 1.
1 = 0.9
9
1 − 10
k=0 10
Wir zeigen jetzt, dass jede rationale Zahl, d.h. jeder Quotient von zwei ganzen
Zahlen, eine endliche Dezimalzahl oder eine unendliche periodische Dezimalzahl
ist. Um eine eindeutige Dezimalzahldarstellung zu erhalten, muss man dabei eine
unendlichen Dezimalzahl, die mit einer unendlichen Folge von Neunern endet,
dem obigen Beispiel entsprechend zu einer endlichen Dezimalzahl machen, z.B.:
6.245999 . . . = 6.246 .
Zuerst illustrieren wir die Umwandlung einer Dezimalzahl in einen Bruch.
32
[2] Die reellen Zahlen
Beispiel:
9.74 = 9 +
4
900 + 70 + 4
974
487
7
+
=
=
=
.
10 100
100
100
50
Beispiel:
0.227272 . . . = 0.227 = 0.2 + 27 ∗ (10−3 + 10−5 + · · ·)
= 0.2 + 27 ∗ 10−3 ∗ (1 + 10−2 + 10−4 + · · ·) .
Aus dem Hilfssatz folgt
−2
1 + 10
+ 10
−4
1
1
+··· = 1+
+
100
100
2
1
+
100
3
+··· =
1
100
.
1 =
1 − 100
99
Das gibt
0.227 = 0.2 +
2
3
25
5
27 100
=
+
=
=
.
1000 99
10 110
110
22
Jetzt demonstrieren wir an einem Beispiel die Umwandlung eines Bruchs in die
Dezimaldarstellung.
Beispiel:
487 : 50 = 9.74
370
200
00
Die Division geht nach endlich vielen Schritten (hier drei) auf: Endliche Dezimalzahl.
Beispiel:
5 : 22 = 0.22727272 . . . = 0.227
60
160
60
..
.
Als Rest bei jedem Schritt der Division können nur die Zahlen 0 bis 21 auftreten. Die
Division geht also entweder nach endlich vielen Schritten auf (was hier nicht der Fall
ist), oder es entsteht eine unendliche Dezimalzahl mit einer Periode von maximal 21.
Die Periode ist hier 2.
[2.1] Einführung
33
Satz 2.1.2: Die Menge der rationalen Zahlen entspricht genau der Menge der
endlichen und der unendlichen periodischen Dezimalzahlen.
Der Beweis erfolgt analog zu den obigen Beispielen.
Die irrationale Zahlen sind die Menge der unendlichen nicht periodischen Dezimalzahlen.
Definition 2.1.1: Die reellen Zahlen IR sind die Vereinigung der rationalen
und der irrationalen Zahlen. Die Menge IR ist die Menge aller endlichen und
unendlichen Dezimalzahlen.
Eine reelle Zahl x ∈ IR ist also ein Ausdruck der Form
x = ±am am−1 . . . a1 a0 .b1 b2 b3 b4 b5 b6 b7 . . .
mit ai ∈ {0, . . . , 9}, i = 1, . . . , m und bj ∈ {0, . . . , 9}, j ∈ IIN wobei am 6=
0. Um eine eindeutige Darstellung zu erhalten, ist es verboten, dass ab einem
bestimmten Index k: bj = 9, j ≥ k. Bei einer endlichen Dezimalzahl gilt in dieser
Schreibweise ab einem bestimmten Index k: bj = 0, j ≥ k.
Eine (überwindbare) Schwierigkeit bei diesem naheliegenden Zugang besteht darin, dass man erklären muss wie unendliche Dezimalzahlen addiert und multipliziert werden.
Für unsere weiteren Überlegungen benötigen wir den Begriff einer rationalen Intervallschachtelung: Es seien a, b ∈ Q, mit a < b. Als Intervall [a, b] mit den
Endpunkten a und b bezeichnen wir die Menge aller Punkte auf der Zahlengeraden, die zwischen a und b liegen einschließlich der beiden Endpunkte. Die Länge
von [a, b] ist l = b − a.
Definition 2.1.2: Der Betrag einer Zahl x ∈ Q ist
|x| =
(
x,
−x,
falls x ≥ 0
falls x < 0
Zunächst benötigen wir einen Begriff der Konvergenz von Folgen rationaler Zahlen
gegen Null, der natürlich mit dem später eingführten Begriff der Konvergenz von
Folgen reeller Zahlen kompatibel ist.
Definition 2.1.3: Es sei x1 , x2 , x3 , . . . , xn , . . . eine Folge rationaler Zahlen, d.h
xn ∈ Q,
n ∈ IIN.
34
[2] Die reellen Zahlen
Wir sagen die Folge konvergiert für n → ∞ in Q gegen 0, wenn für jedes
ε ∈ Q mit ε > 0 eine Zahl N existiert:
|xn | < ε für alle n ≥ N .
Beispiel: Die Folgen
xn =
1
n
und
yn =
1+n
1 + n2
konvergieren in Q gegen 0.
Definition 2.1.4: Unter einer rationalen Intervallschachtelung S versteht
man eine Folge [a1 , b1 ], [a2 , b2 ], . . ., [an , bn ], . . . von Intervallen mit an , bn ∈ Q,
n ∈ IIN für die gilt:
1.
an ≤ an+1 < bn+1 ≤ bn ,
n ∈ IIN,
d.h. jedes Intervall ist im vorhergehenden enthalten;
2. Die Längen ln := bn − an der Intervalle konvergieren in Q gegen Null.
Nun ergänzen – oder besser gesagt präzisieren – wir unsere Vorstellung von der
Zahlengeraden durch das
Intervallschachtelungsaxiom: Sei S eine rationale Intervallschachtelung.
Dann gibt es einen und nur einen Punkt der Zahlengeraden, der in allen Intervallen [an , bn ], n ∈ IIN enthalten ist.
Mit Hilfe dieses Axiomes kann man beweisen:
Satz 2.1.3: Jedem Punkt der Zahlengeraden entspricht genau ein unendlicher
Dezimalbruch.
Beweis: Wir beginnen mit der Zuordnung Punkt → Zahl: Zu jedem Punkt P
der Zahlengeraden gibt es zwei rationale Punkte a1 , b1 , so dass a1 links von P
1
an. Falls
und b1 rechts von P liegt. Wir schauen uns jetzt den Punkt r = a1 +b
2
r = P , sind wir fertig. Falls r links von P liegt, setzen wir
a2 = r,
b2 = b1 ,
[2.1] Einführung
35
andernfalls setzen wir
a2 = a1 ,
b2 = r.
Induktive Fortsetzung dieses Bisektionsverfahrens definiert eine rationale Intervallschachtelung [an , bn ], n ∈ IN
I , mit der Eigenschaft, dass jedes Intervall den
Punkt P enthält. Gemäß dem Intervallschachtelungsaxiom ist das der einzige
Punkt mit dieser Eigenschaft. In der Dezimaldarstellung von an und bn stimmen
für wachsendes n mehr und mehr Stellen überein, und die Dezimaldarstellung
von an (oder bn ) strebt“ gegen die dem Punkt P entsprechende reelle Zahl. Man
”
kann leicht zeigen, dass zwei verschiedenen Punkten zwei verschiedene Zahlen
entsprechen, die Zuordnung Punkt → Zahl ist also injektiv.
Wir zeigen jetzt noch, dass die Zuordnung Punkt → Zahl surjektiv ist, dass also
jeder Zahl x ∈ IR ein Punkt entspricht. Dazu geben wir zuerst eine Konstruktion
an, die von einer Zahl auf einen Punkt führt. Die Zahl sei
x = a.a1 a2 a3 . . . ,
wobei a ∈ ZZ der ganzzahlige Anteil der Zahl x ist. Im Fall a ≥ 0 ist die Folge der
Intervalle
In = [a.a1 a2 . . . an , a.a1 a2 . . . an + 10−n ]
eine rationale Intervallschachtelung und definiert somit einen Punkt der Zahlengeraden. Wendet man auf diesen Punkt die unter (1) angegebene Konstruktion
an, so erhält man wieder die Zahl x.
qed.
Beispiel: Wir zeigen jetzt an einem Beispiel, wie die Intervallschachtelung zur Be√
rechnung von 2 verwendet werden kann. Zuerst suchen wir ein Intervall, in dem
√
x = 2 enthalten ist:
1, 4 < x < 1, 45
⇐⇒
1, 96 < 2 < 2, 1025.
Halbierung des Intervalls: x1 = (1, 4 + 1, 45)/2 = 1, 425 und x21 = 2, 030625 > 2
x
1.4
x2
x1
1.45
Abbildung 2.2:
ergibt ein neues Intervall für x: 1, 4 < x < 1, 425. Neuerliche Halbierung: x2 =
36
[2] Die reellen Zahlen
(1, 4 + 1, 425)/2 = 1, 4125 und x22 = 1, 999515625 < x2 impliziert: 1, 4125 < x <
√
1, 425. Durch fortgesetzte Halbierung kann x = 2 = 1, 414213 . . . auf beliebig viele
Stellen genau berechnet werden. Die durch dieses Bisektionsverfahren bestimmten
√
Näherungswerte konvergieren allerdings nur recht langsam gegen 2.
Die Mächtigkeit der reellen Zahlen
Satz 2.1.4: Die Menge der reellen Zahlen ist überabzählbar.
Beweis: (Zweites Cantor’sches Diagonalverfahren) Wir zeigen indirekt,
dass die reellen Zahlen im Intervall [0, 1] nicht abzählbar sind.
Angenommen die reellen Zahlen im Intervall [0, 1] sind abzählbar, dann enthält
die Liste
x1 = 0.a11 a12 a13 a14 . . .
x2 = 0.a21 a22 a23 a24 . . .
..
.
xn = 0.an1 an2 an3 an4 . . .
..
.
alle reellen Zahlen des Intervalls [0, 1].
Es sei x die reelle Zahl
x = 0.a1 a2 a3 . . .
mit an =





1, ann 6= 1,
2, ann = 1
,
n ∈ IN
I.
Es gilt 0 < x < 1. Die Zahl x stimmt aber mit keiner der Zahlen xn in der obigen
Liste überein, da sie sich in der n-ten Nachkommastelle von xn unterscheidet. Die
Zahl x ist also in der Liste nicht enthalten. Laut Annahme müsste sie aber in der
Liste enthalten sein, ein Widerspruch.
qed.
2.2
Rechenoperationen
Die Addition und Multiplikation von reellen Zahlen kann mittels rationaler Intervallschachtelungen auf das (bekannte) Rechnen mit rationalen Zahlen zurückgeführt werden.
[2.2] Rechenoperationen
37
Die Menge IR ist abgeschlossen hinsichtlich der Addition und der Multiplikation, d.h.
∀ x, y ∈ IR :
x + y ∈ IR,
xy ∈ IR .
Damit übertragen sich alle Rechengesetze der Addition und Multiplikation von
rationalen Zahlen auf reelle Zahlen.
Rechengesetze
Satz 2.2.1: Für alle x, y, z ∈ IR gilt:
A1.
x + (y + z) = (x + y) + z
A2.
x+y =y+x
A3.
x+0=x
A4.
Für jedes x ∈ IR existiert eine reelle Zahl −x, so dass x + (−x) = 0.
M1.
x(yz) = (xy)z
M2.
xy = yx
M3.
x·1 =x
M4.
Für jedes x 6= 0 ∈ IR existiert eine reelle Zahl x−1 , so dass xx−1 = 1.
D.
x(y + z) = xy + xz
Die Eigenschaften A1 und M1 heißen Assoziativgesetz der Addition bzw. der
Multiplikation. Die Eigenschaften A2 und M2 heißen Kommutativgesetz der
Addition bzw. der Multiplikation. Nach Eigenschaft A3 ist die Zahl 0 das neutrale Element der Addition, nach M3 ist die Zahl 1 das neutrale Element der
Multiplikation. Die Eigenschaften A4 und M4 sichern die Existenz eines inversen Elements bezüglich der Addition und der Multiplikation, die das übliche
Subtrahieren und das Dividieren ermöglichen, d.h.
x − y := x + (−y)
und
x
:= xy −1
y
Die Eigenschaft D ist das Distributivgesetz.
Allgemein nennt man eine Menge K auf der zwei Rechenoperationen definiert
sind, für welche die Eigenschaften A1–D gelten, einen Körper. Somit gilt (IR, +, ·)
ist ein Körper.
38
[2] Die reellen Zahlen
Ungleichungen
Für x ∈ IR definieren wir die elementaren Ungleichungen
0 ≤ x ⇐⇒ x ∈ IR+ ∪ {0},
0 < x ⇐⇒ x ∈ IR+ ,
die besagen, dass x eine nicht negative bzw. eine positive Zahl ist. Dabei ist IR+
die Menge aller Punkte der Zahlengeraden, die rechts von Null liegen.
Für Paare x, y von reellen Zahlen definieren wir
x ≤ y ⇐⇒ y = x + z,
x < y ⇐⇒ y = x + z,
z≥0
z > 0.
Satz 2.2.2: Die reellen Zahlen sind geordnet, das heißt für alle x, y, z ∈ IR gilt:
1. x ≤ x
2. x ≤ y oder y ≤ x
3. x ≤ y und y ≤ z =⇒ x ≤ z
Für das Zusammenspiel der algebraischen Struktur (IR, +, ·) mit der Ordnungsstruktur (IR, ≤) gelten die folgenden Monotoniegesetze, die das Rechnen mit Ungleichungen regeln.
[2.3] Betrag
39
Rechenregeln für Ungleichungen
Satz 2.2.3: Für alle x, y, z, u, v ∈ IR gilt:
1. x ≤ y
x + z ≤ y + z,
=⇒
2. x ≤ y, u ≤ v
=⇒
x + u ≤ y + v,
3. x < y, u ≤ v
=⇒
x + u < y + v.
4. x ≤ y, z ≥ 0
x < y, z > 0
=⇒
=⇒
xz ≤ yz,
xz < yz,
5. x ≤ y, z ≤ 0
x < y, z < 0
=⇒
=⇒
xz ≥ yz,
xz > yz,
⇐⇒
6. 0 < x < y
1
x
> y1 .
Beweis: ad 1) Aus
x ≤ y ⇔ y = x + r,
r≥0
y + z = (x + r) + z = (x + z) + r
folgt x + z ≤ y + z. Die übrigen Aussagen werden analog bewiesen.
2.3
Betrag
Definition 2.3.1: Für x ∈ IR heißt
|x| :=
(
x, x ≥ 0
−x, x < 0
der Betrag von x.
Der Betrag einer reellen Zahl ist ihr Abstand vom Nullpunkt. Es gilt:
|x| ≤ a
⇐⇒
−a ≤ x ≤ a
und
|x − x0 | ≤ a
⇐⇒
x0 − a ≤ x ≤ x0 + a .
qed.
40
[2] Die reellen Zahlen
y
y = |x|
1
0
x
1
Abbildung 2.3: Der Betrag von x
Definition 2.3.2: Für x ∈ IR heißt
sign x :=




1, x > 0
0,
x=0


 −1, x < 0
das Signum (Vorzeichen) von x. Natürlich gilt: x = sign x |x|.
Rechengesetze für den Absolutbetrag
Satz 2.3.1: Für alle x, y ∈ IR gilt
1.
|xy| = |x||y|,
2.
|x ± y| ≤ |x| + |y|,
Dreiecksungleichung
Beweis: Wir beweisen nur die Dreiecksungleichung. Durch Addieren der Ungleichungen
−|x| ≤ x ≤ |x|
−|y| ≤ y ≤ |y|
folgt
−|x| − |y| ≤ x + y ≤ |x| + |y|,
was zu
|x + y| ≤ |x| + |y|
äquivalent ist.
qed.
[2.4] Intervalle
41
Gauß - Klammer
Für x ∈ IR bezeichnet [x] die größte ganze Zahl, die kleiner oder gleich x ist. Man
nennt [x] die Gauß-Klammer-Funktion.
y
1
0
1
x
Abbildung 2.4: Graph von [x]
2.4
Intervalle
Intervalle sind besonders einfache Teilmengen der Zahlengeraden.
Endliche Intervalle
Definition 2.4.1: Es seien a, b ∈ IR, a < b. Dann heißen
[a, b] := {x ∈ IR : a ≤ x ≤ b}
abgeschlossenes Intervall,
[a, b) := {x ∈ IR : a ≤ x < b}
(rechts) halboffenes Intervall,
(a, b) := {x ∈ IR : a < x < b} offenes Intervall,
(a, b] := {x ∈ IR : a < x ≤ b}
(links) halboffenes Intervall.
Die Punkte a, b heißen Endpunkte des Intervalls, und l = b − a ist die Intervallänge.
Unbeschränkte Intervalle: Für a ∈ IR definieren wir:
(a, ∞) := {x ∈ IR : x > a},
(−∞, a) := {x ∈ IR : x < a},
[a, ∞) := {x ∈ IR : x ≥ a}
(−∞, a] := {x ∈ IR : x ≤ a}
42
[2] Die reellen Zahlen
Beispiel: Gegeben sei folgende Ungleichung:
3
2
>
.
|x − 9|
x+2
Man drücke die Lösungsmenge durch Intervalle aus. Der Definitionsbereich der Ungleichung ist D = IR \ {−2, 9}. Wegen |x − 9| > 0 ist die Ungleichung äquivalent
zu
2|x − 9|
.
3>
x+2
Wir unterscheiden zwei Fälle nach dem Vorzeichen von x + 2:
1. x + 2 > 0, d.h. x > −2, x 6= 9; Wir formen die Ungleichung äquivalent um:
3x + 6 > |2x − 18|
−3x − 6 < 2x − 18 < 3x + 6
(12 < 5x) ∧ (−24 < x)
x>
12
5
Daher gilt L1 = ( 12
, 9) ∪ (9, ∞).
5
2. x + 2 < 0, d.h. x < −2. Multiplikation der Ungleichung mit x + 2 < 0 ergibt
die äquivalente Ungleichung
3x + 6 < |2x − 18| .
Für x + 2 < 0 ist 3x + 6 < 0 daher gilt L2 = (−∞, −2).
, 9) ∪ (9, ∞).
Insgesamt erhalten wir L = L1 ∪ L2 = (−∞, −2) ∪ ( 12
5
Reelle Intervallschachtelungen
Auf der Basis des Intervallschachtelungsaxioms, das für Schachtelungen von Intervallen rationaler Zahlen formuliert wurde, kann man unschwer den folgenden
Satz herleiten.
Satz 2.4.1: Sei [a1 , b1 ], [a2 , b2 ], . . . , [an , bn ], . . . eine unendliche Folge von abgeschlossenen Intervallen mit ai , bi ∈ IR, i ∈ IIN. Es gelte
[2.4] Intervalle
43
1. an ≤ an+1 < bn+1 ≤ bn , n = 1, 2, . . ., d.h. jedes Intervall ist im vorhergehenden enthalten.
2. Die Längen der Intervalle werden mit zunehmendem n beliebig klein, d.h. die
Folge der Intervallängen strebt mit n → ∞ gegen null.
Dann gibt es eine und nur eine reelle Zahl x, die in allen diesen Intervallen
enthalten ist.
Mittels Intervallschachtelung beweist man die Existenz der n - ten Wurzel:
Zu jeder positiven reellen Zahl a und zu jeder natürlichen Zahl n gibt es genau
eine positive Lösung der Gleichung xn = a. Man schreibt
x=
√
n
a,
x = a1/n .
Mittels
√
ap/q := (a1/q )p = ( q a)p
definiert man Potenzen mit rationalen Exponenten.
Ein Zahl b ∈ IR werde definiert durch die Intervallschachtelung [rn , sn ] mit rn ,
sn ∈ Q. Dann bildet
[arn , asn ]
eine Intervallschachtelung, welche die Potenz mit reellem Exponenten
ab ,
a > 0, b ∈ IR
definiert.
Darauf aufbauend zeigt man auch die Gültigkeit der folgenden Rechengesetze:
Rechenregeln der allgemeinen Potenzfunktion
Satz 2.4.2: Für alle a > 0, a, b, c ∈ IR gilt
ab ac = ab+c ,
(ab )c = abc ,
a−b =
1
.
ab
44
[2] Die reellen Zahlen
Monotonieeigenschaften der allgemeinen Potenzfunktion
Satz 2.4.3:
Für a > 1 gilt:
Für a < 1 gilt:
Für b > 0 gilt:
Für b < 0 gilt:
2.5
b1 ≤ b2 ⇔ ab1 ≤ ab2 ,
b1 ≤ b2 ⇔ ab1 ≥ ab2 ,
0 < a1 ≤ a2 ⇔ ab1 ≤ ab2 ,
0 < a1 ≤ a2 ⇔ ab1 ≥ ab2 .
Mengen von reellen Zahlen
In diesem Abschnitt werden Grundbegriffe der Topologie der reellen Zahlen
besprochen.
Definition 2.5.1: Es sei A eine Teilmenge von IR.
1. A heißt nach oben beschränkt, wenn es eine Zahl K ∈ IR gibt, so dass
x ≤ K für alle x ∈ A gilt. K heißt eine obere Schranke von A.
2. A heißt nach unten beschränkt, wenn es eine Zahl L ∈ IR gibt, so dass
x ≥ L für alle x ∈ A gilt. L heißt eine untere Schranke von A.
3. A heißt beschränkt , wenn A sowohl nach oben als auch nach unten beschränkt ist.
Beispiel: A = (a, b], K = b oder b + r, r > 0, L = a oder a − r, r > 0.
Beispiel: A = {1 − n1 , n ∈ N} = {0, 21 , 23 , 43 , 54 , . . .}, K = 1, L = 0.
Behauptung: K = 1 ist obere Schranke und zugleich die kleinste obere Schranke.
Die Behauptung wird indirekt bewiesen: angenommen K ′ = 1 − ε, ε > 0 wäre obere
I . Also n1 ≥ ε ∀n ∈ IN
I . Das
Schranke. Dann müsste gelten: 1 − n1 ≤ 1 − ε ∀n ∈ IN
1
ist gleichbedeutend mit n ≤ ε ∀n ∈ IIN, was falsch ist. Daher ist K = 1 kleinste
obere Schranke.
Definition 2.5.2: Sei A ⊂ IR. Das Supremum von A, abgekürzt sup A, ist
die kleinste obere Schranke von A. Das Infimum von A, abgekürzt inf A, ist die
größte untere Schranke von A.
[2.5] Mengen von reellen Zahlen
45
Nach dieser Definition ist s = sup A, wenn gilt: s ist eine obere Schranke von A,
und jede reelle Zahl s′ < s ist keine obere Schranke, und r = inf A, wenn gilt:
r ist eine untere Schranke von A, und jede reelle Zahl r ′ > r ist keine untere
Schranke.
Dies führt auf die folgende Charakterisierung des Supremums und Infimums einer
Menge.
Satz 2.5.1: Für A ⊆ IR gilt:
1. Eine obere Schranke s von A ist genau dann das Supremum von A, wenn
es zu jedem ε > 0 ein x ∈ A gibt, so dass x > s − ε ist.
2. Eine untere Schranke r von A ist genau dann das Infimum von A, wenn es
zu jedem ε > 0 ein x ∈ A gibt, so dass x < r + ε ist.
Definition 2.5.3: Sei A ⊆ IR und es seien s = sup A und r = inf A. Falls gilt
s ∈ A, so heißt s das Maximum von A, s = max A. Falls gilt r ∈ A, so heißt r
das Minimum von A, r = min A.
Beispiel: Für A = {x ∈ Q : x2 < 2} gilt sup A =
√
2. Hier gilt also sup A 6∈ A.
Der folgende Satz beschreibt eine wichtige Eigenschaft von IR.
Vollständigkeit der reellen Zahlen
Satz 2.5.2: Jede nach oben beschränkte, nicht leere Teilmenge A ⊆ IR besitzt ein
Supremum. Jede nach unten beschränkte, nicht leere Teilmenge A ⊆ IR besitzt ein
Infimum.
Beweis: Erfolgt mittels Intervallschachtelung.
Definition 2.5.4: Es sei x ∈ IR und ε > 0. Dann heißt das Intervall
K(x, ε) := (x − ε, x + ε) = {y ∈ IR : |y − x| < ε}
eine ε-Umgebung von x und die Menge
Kr (x, ε) = {y ∈ IR : 0 < |y − x| < ε}
eine reduzierte ε-Umgebung von x.
qed.
46
[2] Die reellen Zahlen
Mit Hilfe des Begriffs der ε-Umgebung wird die Lage und Nähe eines Punktes
x ∈ IR zu den Punkten einer Menge A ⊆ IR genauer beschrieben. Klarerweise
können interessante Fragen nur im Fall einer unendlichen Menge A auftreten.
Definition 2.5.5: Es sei A ⊆ IR. Ein Punkt x ∈ IR heißt
1. innerer Punkt von A, wenn ein ε > 0 existiert, so dass K(x, ε) ⊆ A.
2. äusserer Punkt von A, wenn x innerer Punkt von Ac ist.
3. Randpunkt von A, wenn jede ε - Umgebung K(x, ε) einen Punkt von A
und einen Punkt von Ac enthält.
4. Häufungspunkt von A, wenn jede ε-Umgebung von x unendlich viele
Punkte von A enthält. Gleichbedeutend damit ist, dass jede reduzierte εUmgebung von x mindestens einen Punkt von A enthält.
5. isolierter Punkt von A, wenn x ∈ A und es eine reduzierte ε-Umgebung
Kr (x, ε) gibt, so dass Kr (x, ε) ∩ A = ∅.
Klarerweise gilt: Jeder innere Punkt ist Häufungspunkt. Jeder isolierte Punkt ist
Randpunkt.
Beispiel: Für A = { n1 , n ∈ N} = {1, 21 , 31 , 41 , . . .} gilt:
1. A hat keine inneren Punkte.
2. Jeder Punkt von A ist isolierter Punkt.
3. Der Punkt 0 ist ein Häufungspunkt
4. Der Punkt 0 ist ein Randpunkt.
Anhand einer Skizze sind alle Aussagen unmittelbar einsichtig.
Wir beweisen die 3. Behauptung: Es sei ε > 0 ∈ IR. Es gilt |xn −0| = n1 < ε ⇔ n > 1ε .
Setze N(ε) = 1ε Dann gilt n1 < ε für n > N(ε), d.h. xn ∈ K(0, ε) für n > N(ε).
Die anderen Behauptungen werden analog bewiesen.
Beispiel: Für a, b ∈ IR, a < b sind a und b die Randpunkte der Intervalle (a, b),
[a, b], (a, b] und [a, b). Für jedes dieser Intervalle ist die Menge der inneren Punkte
gleich (a, b), die Menge der Häufungspunkte ist gleich [a, b].
[2.5] Mengen von reellen Zahlen
47
Beispiel: A = {1, 21 , 1 − 31 , 41 , 1 − 51 , . . .}, Häufungspunkte: 0, 1; keine inneren
Punkte; jeder Punkt x ∈ A, x 6= 1 ist isolierter Punkt. Die Menge der Randpunkte
ist A ∪ {0}.
Definition 2.5.6: Die Menge A ⊆ IR heißt offen, wenn A nur aus inneren
Punkten besteht. Die Menge A ⊆ IR heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist.
Die folgende Zusammenfassung verdeutlicht nochmals die Lage“ der rationalen
”
Zahlen Q in den reellen Zahlen IR.
Für Q ⊂ IR gilt:
1. Q hat keine inneren Punkte.
2. Die Menge aller Randpunkte von Q ist IR.
3. Jeder Punkt x ∈ IR ist Häufungspunkt von Q.
4. Jede reelle Zahl kann beliebig gut durch rationale Zahlen approximiert werden.
Man sagt Q liegt dicht in IR.
Der folgende Satz ist eine weitere Möglichkeit die Vollständigkeit von IR zu charakterisieren.
Satz 2.5.3: (Satz von Bolzano - Weierstraß) Jede beschränkte unendliche
Teilmenge von IR hat mindestens einen Häufungspunkt.
Beweis: Die unendliche Menge A sei beschränkt, also L ≤ x ≤ K für alle x ∈ A.
Halbiert man das Intervall [L, K], so müssen in mindestens einem Teilintervall unendlich viele Elemente der Menge liegen. Dieses Teilintervall wird erneut halbiert,
so dass in mindestens einem der neu entstehenden Teilintervalle wieder unendlich
viele Elemente der Menge liegen. Der Teilungsprozess liefert eine Intervallschachtelung, die einen Häufungspunkt der Menge bestimmt.
qed.
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