Erfahrungen mit dem therapeutischen Einsatz von Clozapin

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Références
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Forum
Erfahrungen mit dem therapeutischen Einsatz von Clozapin1
■
M. C. G. Merlo, Genève; F. Müller-Spahn, Basel; F. Seywert, Lausanne; W. Strik, Bern; D. Umbricht, Zürich
prazol (Abilify®). Das Clozapin (Leponex®)
stand meist als Modellsubstanz Pate.
Die Beurteilungskriterien für antipsychotisch wirksame Substanzen haben sich in den
vergangenen 20 Jahren erheblich verändert:
Stand früher ausschliesslich die Besserung
der Positivsymptomatik im Mittelpunkt, erwartet man heute von neuen Antipsychotika
neben einer günstigen Beeinflussung der
produktiv psychotischen Symptomatik vor
allem eine Besserung der Negativsymptomatik, affektiver Störungen und kognitiver
Dysfunktionen, einen günstigen Effekt auf
chronifizierte Verläufe, das weitgehende
Fehlen von extrapyramidalmotorischen Störungen und daraus resultierend eine Besserung der Lebensqualität. Clozapin nimmt
aufgrund seines speziellen pharmakologischen Wirkprofils und seiner Wirksamkeit, insbesondere bei therapieresistenten
Verläufen, nach wie vor eine Sonderstellung
ein.
Die Überlegenheit von Clozapin über
klassische Antipsychotika (z.B. Haloperidol)
ist insbesondere für therapieresistente schizophrene Störungen gut dokumentiert [2]).
Es gibt jedoch vermehrt Hinweise darauf,
dass Clozapin auch bei nicht therapieresistenten schizophrenen Störungen und bei
schizoaffektiven und bipolaren Störungen
besser wirksam ist [3].
Da in den letzten 10 Jahren eine grosse
Vielfalt an neuen Substanzen in der Behandlung psychotischer Störungen eingeführt wurde, ist der Einsatz von Clozapin
in Bezug zu diesen zu definieren. Zu den
Antipsychotika der neuen beziehungsweise
zweiten Generation gehören: Risperidon,
Olanzapin, Amisulprid, Quetiapin und Sertindol. Verschiedene andere Antipsychotika
1 Die Expertengruppe erhielt eine finanzielle
Unterstützung von Novartis (Schweiz) AG.
SCHWEIZER ARCHIV FÜR NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE
155 ■ 6/2004
Im folgenden werden die 1997 veröffentlichten Empfehlungen für den therapeutischen
Einsatz von Clozapin [1] auf den Stand des
heutigen Wissens angepasst. Sie geben lediglich die Meinung dieses Expertengremiums
wieder. Jeder Arzt, der sich für eine der dargestellten Empfehlungen entscheidet, handelt im Rahmen seiner ärztlichen Kurierfreiheit selbstverantwortlich.
Einführung
Die Entwicklung der Psychopharmakologie
vollzog sich in den vergangenen fünfzig
Jahren im wesentlichen in zwei Wellen: In
den 1950ern und Anfang der 1960er Jahre
wurden alle – mit Ausnahme der Nootropika
– auch noch heute geltenden Prototypen von
Psychopharmaka entwickelt. Die Zeit seit
Mitte der 1980er Jahre gilt zu Recht wieder als besonders kreativ und innovativ.
Markante Beispiele sind im Bereich der
Antipsychotika der neueren Generation
Substanzen wie Risperidon (Risperdal®),
Olanzapin (Zyprexa®),Amisulprid (Solian®),
Quetiapin (Seroquel®), Sertindol (Serdolect®), Ziprasidon (Zeldox®) und Aripi-
Korrespondenz:
Marco C. G. Merlo
Dépar tement de psychiatrie
Ser vice de psychiatrie adulte
Hôpitaux Universitaires de Genève
Secteur 4-Pâquis
Rue de Lausanne 67
CH-1202 Genève
e-mail: [email protected]
286
stehen vor der Zulassung in der Schweiz
(Aripiprazol, Ziprasidon).
Clozapin (Firma Novartis) wurde in der
Schweiz 1958 entwickelt und ist hier schon
seit 1972 eingeführt.
Indikationen für den Einsatz von Clozapin
Referenz für den Einsatz von Clozapin in der
Schweiz ist die Fachinformation (siehe
Schweiz. Arzneimittelkompendium), wie sie
von der Swissmedic genehmigt wurde. Für
die Indikationsstellungen von Clozapin lautet diese:
A. Therapieresistente Schizophrenie
Leponex® ist nur bei therapieresistenten
schizophrenen Patienten indiziert, die nachweislich auf klassische Neuroleptika nicht
oder nicht befriedigend ansprechen oder auf
diese mit schweren extrapyramidalen Nebenwirkungen, insbesondere Spätdyskinesien, reagieren.
B. Reduktion (länger fristig) des wiederholten suizidalen Verhaltens bei Schizophrenie
und schizoaffektiver Störung
Leponex® ist indiziert, um längerfristig das
Risiko wiederholten suizidalen Verhaltens
bei Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung zu verringern, bei denen ein solches Risiko auf Grund der Krankheitsgeschichte und des gegenwärtigen
klinischen Bildes angenommen wird.
4. Vorgehen bei partieller oder vollständiger
Therapieresistenz unter anderen Antipsychotika;
5. Vorgehen bei Rückfall unter prophylaktischer Dauermedikation.
C. Psychose im Verlauf eines Morbus
Parkinson
1.1 Behandlung der ersten psychotischen
Episode
Leponex® ist bei Psychosen im Verlauf eines
Morbus Parkinson nach Versagen der
Standardtherapie angezeigt [4, 5].
Das Versagen der Standardtherapie wird
definiert als fehlende Kontrolle der psychotischen Symptome und/oder das Auftreten
von funktional unakzeptablen Verschlechterungen der motorischen Symptome, nachdem folgende Massnahmen durchgeführt
wurden:
– Absetzen der anticholinergen Medikation inkl. trizyklischer Antidepressiva,
– versuchsweise Reduktion der Dosis von
Anti-Parkinson-Medikamenten mit dopaminerger Wirkung.
Unter Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit (d.h. in den ersten 18 Wochen
wöchentliche Kontrolle der Leukozytenzahl
und danach monatliche Bestimmungen)
haben über 30 Jahre klinische Erfahrungen
gezeigt, dass im Interesse des Patienten die
erwähnten Kriterien auf den speziellen Fall
abzustimmen sind und dass im Rahmen der
ärztlichen Kurierfreiheit auch andere Indikationsstellungen und Anwendungsformen
für Clozapin therapeutisch sinnvoll sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieses spezielle Prozedere durch eine umfassende,
besonders sorgfältige Dokumentation der
Begründung und Durchführung juristisch
abgesichert wird. Ebenfalls ist es notwendig,
vor Behandlungsbeginn zumindest einen
mündlichen «Informed Consent» vom Patienten einzuholen (generell ist aber die Einholung eines schriftlichen Einverständnisses
zu empfehlen). Bei Gefahr in Verzug (akute
Suizidalität oder Fremdgefährdung) und der
Kenntnis eines früheren guten Ansprechens
auf Clozapin kann von dem behandelnden
Arzt ein «Handeln ohne Auftrag» erwogen
werden. Soweit es möglich ist, sollte dann
aber die Zustimmung der Angehörigen vorgängig eingeholt werden.
Unter Mittel der ersten Wahl wird das Medikament verstanden, das bei einer bestimmten
Episode als erstes gegeben wird. Die Antipsychotika der zweiten Generation (siehe
oben) gelten allgemein als Mittel der ersten
Wahl bei Patienten mit einer ersten psychotischen Episode [3, 6]. Insbesondere bei
katatonem Syndrom (v.a. Stupor), starker
Desorganisation des Denkens und affektiven
Mischzuständen (d.h. starken Affektschwankungen) sowie bei schizophrenen und schizoaffektiven Störungen mit Suizidalität kann
Clozapin als Mittel erster Wahl eingesetzt
werden [7]. Darüber hinaus kommt bei NichtAnsprechen der initialen Medikation eine
frühe Umstellung auf Clozapin in Betracht.
1.5 Vorgehen bei Rückfall unter prophylaktischer Dauermedikation
Patienten, die einen Rückfall nach einer Teiloder Vollremission unter Dauermedikation
mit einem anderen Antipsychotikum erleiden und vorher noch nicht mit Clozapin behandelt wurden, sollten einen Behandlungsversuch mit Clozapin erhalten. Dies gilt
besonders für Patienten, die in der Psychose
suizidal oder aggressiv sind. Die anderen
Kriterien für die Behandlung der ersten
psychotischen Episode sollten ebenfalls geprüft werden (siehe 1.1).
1.2 Rückfallprophylaxe nach Vollremission
unter Clozapin
Bei vollständiger Remission unter Clozapin
sollten Dosis und Zeitpunkt der Verabreichung (meist vor der Nachtruhe) so angepasst werden, dass der Patient tagsüber
möglichst wenig sediert ist. Bei guter Verträglichkeit wird dann eine Umstellung auf
Antipsychotika der zweiten Generation
nicht empfohlen.
2. Umstellung von klassischen
Antipsychotika und Antipsychotika der
neuen Generation auf Clozapin
Man geht von einer ungenügenden Wirksamkeit eines Medikamentes aus, wenn die
antipsychotische Wirkung nach einem Zeitraum von mindestens 4 Wochen unter ausreichender Dosierung ausbleibt oder unvollständig ist. In diesem Fall wird heute vor dem
Einsatz von Clozapin ein Therapieversuch
mit einem Antipsychotikum der zweiten Generation empfohlen.
Führt auch dieser Versuch zu keiner zufriedenstellenden Verbesserung nach weiteren 4 Wochen, ist eine Umstellung auf Clo-
Grundsätzlich sollten bei einem Wechsel von
einem klassischen Antipsychotikum oder einem Antipsychotikum der zweiten Generation auf Clozapin folgende Punkte beachtet
werden:
1. Die Umstellung sollte überlappend erfolgen.
2. Das abzusetzende Medikament sollte
langsam ausgeschlichen werden.
3. Während der Umstellung sollten Patienten engmaschiger im Hinblick auf die
Exarzerbation der zugrundeliegenden
psychotischen Störung beobachtet werden (differentialdiagnostisch sind Absetzphänomene abzugrenzen).
Bei einer Umstellung von einem klassischen
Antipsychotikum sind folgende Punkte zu
bedenken:
1. Wenn von nieder- und mittelpotenten
trizyklischen Substanzen (z.B. Levomepromazin), die wie Clozapin eine starke
anticholinerge Wirkung haben, umgestellt
werden soll, kann es zu epileptischen Anfällen, deliranten Syndromen und anderen Folgen einer erhöhten cholinergen
Blockade kommen.
2. Da bei trizyklischen Antipsychotika (z.B.
Flupentixol, Fluphenazin) ebenfalls eine
erhöhte Gefahr von Agranulozytosen
besteht, sollten diese Substanzen nur
über einen möglichst kurzen Zeitraum
während der Umstellungsphase zusammen mit Clozapin verabreicht werden.
3. Falls anamnestisch eine Selbst- und
Fremdgefährdung vorhanden ist, bedarf
es besonderer Vorsicht und ein Medikamentenwechsel sollte als ein länger andauernder, überlappender Umstellungprozess geplant werden.
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1.3 Rückfall nach Absetzen der Medikation
Bei einem Rückfall nach einer Zeit mit Teiloder Vollremission, der durch Absetzen des
ursprünglichen erfolgreichen Antipsychotikums oder Non-Compliance ausgelöst wurde, empfiehlt es sich, das gleiche Medikament
nochmals einzusetzen. Im Falle des Clozapins bedeutet es, dass es als Mittel der ersten
Wahl für die psychotische Episode eingesetzt
wurde (siehe 1.1). Falls der Patient länger als
2 Tage medikamentenfrei war, muss Clozapin
wieder langsam aufdosiert werden (siehe
Dosierungsschema weiter unten).
1. Anwendungen von Clozapin bei nichtorganischen psychotischen Störungen
In den letzten Jahren hat die Früherkennung und -behandlung psychotischer Störungen grosse Fortschritte gemacht. Wegen
der Schwierigkeit der Diagnosestellung in
der initialen Phase wird allgemein erst
nach einem längeren Beobachtungszeitraum, die Diagnose einer schizophrenen
Störung gestellt. Für die medikamentöse
Behandlung hat sich die folgende Einteilung
bewährt:
1. Behandlung der ersten psychotischen
Episode;
2. Rückfallprophylaxe nach Vollremission
unter Clozapin;
3. Rückfall nach Absetzen der Medikation;
287
zapin indiziert. Ein Wechsel auf Clozapin
kann früher oder später auch notwendig sein,
wenn trotz Dosisreduktion und adäquater
Begleitmedikation eine subjektiv schwerwiegende Akathisie und/oder ein Parkinsonoid weiterbestehen. Dies sollte besonders
im Zusammenhang mit Suizidalität erwogen
werden, da gute Hinweise bestehen, dass das
Suizidrisiko unter Clozapin reduziert wird.
Beim Auftreten von ersten Zeichen einer
Spätdyskinesie empfiehlt es sich, möglichst
rasch auf Clozapin umzustellen [8].
1.4 Vorgehen bei par tieller oder vollständiger Therapieresistenz unter anderen
Antipsychotika
Vor der Umstellung von einem Depotneuroleptikum auf Clozapin sollten die möglichen Konsequenzen einer Non-Compliance
gegen die erhofften Vorteile einer ClozapinTherapie sorgfältig abgewogen werden. Zum
Zeitpunkt der vorgesehenen nächsten Injektion wird mit der Clozapin-Therapie begonnen und das klassische Antipsychotikum sollte in oraler Form langsam ausgeschlichen
werden.
Wenn bei Patienten mit Negativsymptomatik ein Ausschleichen des klassischen
oralen Antipsychotikums und eine Washout-Phase (mindestens 2–4 Wochen) vor der
Gabe von Clozapin durchführbar sind, kann
dieses Prozedere die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Negativsymptomen (Medikamenten-induziert) erleichtern.
Bei der Umstellung von einem Antipsychotikum der zweiten Generation auf Clozapin sollten die gleichen Vorsichtsregeln
wie für die klassischen Antipsychotika berücksichtigt werden.
Obwohl Antipsychotika der zweiten
Generation gewisse pharmakologische Eigenschaften teilen, unterscheiden sie sich
zum Teil erheblich in bezug auf ihr agonistisches und antagonistisches Profil an bestimmten Rezeptoren. Auch wenn die Rolle
dieser unterschiedlichen Eigenschaften für
die klinische Wirkung noch weitgehend im
dunkeln liegt, ist die Annahme berechtigt,
dass sie nicht unerheblich sind und sich die
klinische Wirkung von Antipsychotika der
zweiten Generation aus diesem Grund bei
bestimmten Patienten unter Umständen signifikant unterscheidet [3]. Bei einer Substitution eines Antipsychotikums der zweiten
Generation durch ein anderes muss mit einer
symptomatischen Verschlechterung gerechnet werden; andererseits kann bei einem
ungenügenden Ansprechen auf ein Antipsychotikum der zweiten Generation ein
anderes zu einer Verbesserung führen. Insbesondere ist grösste Zurückhaltung geboten, wenn Clozapin bei guter oder zufriedenstellender klinischer Wirkung aufgrund
unerwünschter Nebenwirkungen durch ein
anderes Antipsychotikum der zweiten Generation ersetzt werden soll. Es sind zum Teil
nach Substitution von Clozapin psychotische
Exarzerbationen beobachtet worden; zudem
könnte das Ansprechen auf Clozapin verlorengehen. Andererseits gibt es Hinweise,
dass bei therapierefraktären Patienten, die
auf ein erstes Antipsychotikum nicht genügend ansprechen, Clozapin noch zu einer
Verbesserung führen kann.
Verwirrtheitszuständen reduziert werden.
Bei Kindern und Jugendlichen sowie im ambulanten Bereich empfiehlt es sich, ebenfalls
mit 12,5 mg zu beginnen. Die erste Gabe
(«Testdosis») sollte nicht abends erfolgen,
damit eventuell auftretende Nebenwirkungen wie Verwirrtheit oder delirante Zustände bemerkt werden können. Falls diese
Dosis gut vertragen wird (Kontrolle des
Blutdrucks und der Pulsfrequenz sowie des
Psychostatus), können am ersten Tag im Abstand von mindestens 2–3 Stunden weitere
25 mg Clozapin gegeben werden. Im Ausnahmefall kann bereits am ersten Tag eine
höhere Dosis erreicht werden; dies verlangt
jedoch eine sorgfältige Indikationsstellung
und eine intensive Überwachung im stationären Bereich (Gefahr von deliranten
Zuständen, epileptischen Anfällen und/oder
hypotonen Krisen). Bei jungen Erwachsenen
wird eine Steigerung um 25 bis 50 mg jeden
zweiten Tag in der Regel problemlos vertragen. Nur unter engmaschiger täglicher Überwachung sind auch tägliche Steigerungen um
maximal 50 mg möglich.
Während der akuten Krankheitsphase ist
eine Dosis von 250 bis 400 mg/die bei den
meisten Patienten ausreichend. Bei Kindern
und Jugendlichen sowie Ersterkrankten ist
ein Dosisbereich von 50 bis 150 mg/die angezeigt.Aufgrund der individuell sehr unterschiedlichen Plasmaspiegel bei gleicher Dosierung und der allgemein sehr variierenden
Dosis–Wirkungsbeziehung ist die optimale
Dosis immer aufgrund der klinischen Beurteilung zu finden. Sie kann zwischen unter
100 mg und 600 mg und darüber liegen und
ist immer als der individuell beste Kompromiss aus Symptomreduktion und Nebenwirkungen zu verstehen. Die Höchstdosis von
600 mg/die muss zwar nur selten erreicht
werden, in Ausnahmefällen führen allerdings
auch noch Dosierungen bis 900 mg/die zu
einer zufriedenstellenden Besserung. Zusätzlich ist zu beachten, dass sich bei manchen Patienten eine klinisch bedeutsame
Verbesserung langsam über Monate entwickeln kann.
Zur Erhaltungstherapie kann die Dosis in
der Regel zur Vermeidung von unerwünschten Begleiteffekten reduziert werden; eine
typische Dosierung liegt zwischen 150 und
300 mg.
Es empfiehlt sich, die Tagesdosis auf
2 oder 3 Einzeldosen zu verteilen, wobei die
höchste Einzeldosis zur Nacht gegeben werden sollte, um den sedierenden Effekt tagsüber zu vermeiden und die schlaffördernde
Wirkung zu nutzen. In der Erhaltungsphase,
bei unkomplizierten Fällen oder aus organisatorischen Gründen kann allerdings auch
die Einmalgabe erwogen werden, die ebenfalls zur Nacht erfolgen sollte. Einzeldosen
von 200 mg sollten jedoch nicht überschritten werden.
Wurde die Clozapin-Behandlung für
mehr als zwei Tage unterbrochen, gelten –
entsprechend den Empfehlungen der Firma
Novartis Pharma Schweiz, Bern – die Regeln
für eine Neueinstellung, das heisst wöchentliche Leukozytenkontrollen und einschleichende Dosierung. Der Patient sollte nach
einem solchen Unterbruch mit seinem be-
handelnden Arzt die Wiederaufnahme der
Clozapin-Behandlung besprechen.
Wichtig erscheint eine gute Übergabe der
Informationen bei einem Wechsel von stationärer zu ambulanter Behandlung. Zu diesem Zwecke wurde von der Firma Novartis
Pharma Schweiz, Bern, ein Medikamentenpass entwickelt.
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3. Dosierungsanleitung
A. Therapieresistente Schizophrenie und
B. Reduktion (länger fristig) des wiederholten suizidalen Verhaltens bei Schizophrenie und schizoaffektiver Störung
Es empfiehlt sich, Clozapin zunächst in einer
Anfangsdosis von 25 mg zu verabreichen.
Bei älteren Patienten kann mit einer Erstmedikation von 12,5 mg das Risiko von
orthostatischen Dysregulationen oder von
288
C. Psychose im Verlauf eines Morbus
Parkinson
Zunächst sollte der Versuch unternommen
werden, die Dosierung von Medikamenten,
die eine Psychose oder Bewusstseinseintrübungen auslösen oder verstärken können
(insbesondere Levodopa, Anticholinergika,
Amantadin, Selegilin, Dopamin-Agonisten,
trizyklische Antidepressiva und Benzodiazepine), zu reduzieren. Nur falls diese
Massnahme nicht zu einer Verbesserung
der Symptomatik führt oder das Auftreten
von nicht tolerierbaren Parkinson-Symptomen verursacht, ist eine Behandlung
mit einem Antipsychotikum in Erwägung
zu ziehen.
Die Behandlung mit Clozapin sollte mit
einer viertel Tablette mit 25 mg (6,25 mg) in
einer einmaligen Dosis am Abend begonnen
werden. Die Initialdosis darf 12,5 mg (eine
halbe Tablette mit 25 mg) täglich in einer einmaligen Dosis am Abend nicht überschreiten. Die nachfolgenden Dosiserhöhungen
dürfen maximal in Schritten von 12,5 mg
vorgenommen werden mit höchstens zwei
Schritten pro Woche bis zu maximal 50 mg,
einer Dosis, die nicht vor dem Ende der zweiten Woche erreicht werden darf. Es wird
empfohlen, die tägliche Gesamtdosis vorzugsweise in einer Einmaldosis am Abend zu
geben. Dosiserhöhungen sollten begrenzt
oder aufgeschoben werden, wenn orthostatische Hypotension, übermässige Sedierung
oder Verwirrungszustände auftreten. Während der ersten Wochen der Behandlung ist
der Blutdruck zu kontrollieren.
Die durchschnittliche wirksame Erhaltungsdosis beträgt üblicherweise 25–37,5 mg/
die. Falls die Behandlung mit einer Dosis
von 50 mg über mindestens eine Woche keine ausreichende Wirksamkeit zeigt, kann
die Dosierung vorsichtig in Schritten von
12,5 mg/Woche angehoben werden. Eine Dosis von 50 mg/die sollte nur in Ausnahmefällen, die Maximaldosis von 100 mg/die darf
nie überschritten werden.
Nach einer vollständigen Remission der
psychotischen Symptome über mindestens
2 Wochen ist eine Erhöhung der Anti-Parkinson-Medikation möglich, wenn dies auf
Grund des motorischen Status angezeigt ist.
Wenn hierbei die psychotischen Symptome
erneut auftreten, kann die Dosis von Clozapin in Schritten von 12,5 mg/Woche bis zur
Maximaldosis von 100 mg/die erhöht werden. Die Gabe erfolgt in einer Einmaldosis
am Abend oder auf zwei Einzeldosen verteilt.
Bei Beendigung der Therapie wird eine
schrittweise Reduzierung der Dosis in Schritten von 12,5 mg über eine (besser zwei) Wochen empfohlen.
Bezüglich einer Unterbrechung der Behandlung gelten die oben geschilderten
Vorsichtsmassnahmen.
5. Umgang mit Komplikationen
Vergleiche Empfehlungen des Arzneimittelkompendiums der Schweiz und Iqbal et al.
[11].
4. Plasmaspiegelbestimmungen
Bestimmungen der Plasmakonzentration
von Clozapin zur Optimierung der Therapie
können bei folgenden Situationen hilfreich
sein [9]:
– bei Verdacht auf Non-Compliance;
– Nichtansprechen oder starke unerwünschte Wirkungen bei üblichen Dosen;
– Komorbidität mit organischen Krankheiten (z.B. Leber- und Nierenkrankheiten),
die zur Vermeidung einer Überdosierung
eine individuell angepasste Dosierung
notwendig machen;
– bei Komedikation mit Substanzen, die
den Metabolismus von Clozapin beeinflussen.
Die Bestimmung sollte 12 Stunden nach
Verabreichung der letzten Gabe erfolgen. Es
ist zu beachten, dass die Verabreichung einer
Einzeldosis am Vorabend höhere Konzentrationen ergibt als die gleichmässige Verteilung auf 2–3 Gaben über den Tag. Zudem ist
die Konzentration von der Stundenzahl zwischen letzter Clozapin-Gabe und Blutentnahme abhängig.
Clozapin wird hauptsächlich zu zwei
Metaboliten – dem Clozapin-N-Oxid und
dem N-Demethylclozapin – abgebaut; beide
werden als therapeutisch inaktiv angesehen.
Es besteht kein Hinweis für einen Zusammenhang zwischen dem Risiko für eine Leukopenie beziehungsweise Agranulozytose
und der Plasmakonzentration von Clozapin.
Die Pharmakokinetik von Clozapin ist bei
gesunden Probanden mit einer Defizienz
des Cytochroms P-450 (CYP2C19 oder
CYP2D6), sogenannten Low-Metabolizern,
nicht auffällig, weshalb ein entsprechender
pharmakogenetischer Test nicht sinnvoll ist.
Durch Enzymhemmung steigt die Plasmakonzentration stark an bei Kombination mit
Fluvoxamin, weniger stark bei Kombination
mit Valproat und Fluoxetin. In diesen Fällen
sollte die Dosierung des Clozapins mittels
Messung der Plasmakonzentration überprüft
werden.
Im allgemeinen sind Plasmakonzentrationen von 250 bis 350–400 ng/ml therapeutisch wirksam. Jedoch gibt es starke individuelle Unterschiede, so dass routinemässig
nach klinischer Einschätzung und nicht nach
Plasmakonzentration die optimale Dosis bestimmt werden sollte [9].
Bei Nichtansprechen nach einem genügend langen Behandlungsversuch kann vor
einer Kombinationsbehandlung ein Therapieversuch mit einer Plasmakonzentration
über 350 ng/ml unternommen werden [10].
Bei diesen höheren Konzentrationen können Schlafstörungen, Verwirrtheitszustände
und Krampfanfälle auftreten. Eine Plasmakonzentration von 800 ng/ml soll auf keinen
Fall überschritten werden.
289
5.1 Blutbildveränderungen
Clozapin kann dosisunabhängig Blutzellschäden hervorrufen und bei weiterer Verabreichung zu Agranulozytose und Panzytopenie führen.
Im einzelnen werden unter der Behandlung mit Clozapin folgende Blutbildveränderungen unterschieden:
– Leukozytopenie (<3500 Gesamtleukozyten/mm3),
– Granulozytopenie (<1500 neutrophile
Granulozyten/mm3),
– Agranulozytose (<500 neutrophile Granulozyten/mm3),
– Eosinophilie (>500 eosinophile Granulozyten/mm3),
– Thrombopenie (<125 000 Thrombozyten/
mm3),
– Leukozytose (>10 000 Gesamtleukozyten/mm3).
Nach heutigem Kenntnisstand beträgt die
Inzidenz der Granulozytopenie ca. 3%, die
der Agranulozytose ca. 1%. Ca. 83% der
weltweit beobachteten Agranulozytosen traten innerhalb der ersten 18 Behandlungswochen auf, der Gipfel des Auftretens lag
zwischen der 6. und 10. Behandlungswoche.
Clozapin-induzierte Agranulozytosen gehören zu den sogenannten idiosynkratischen
oder Typ-β -Arzneimittelreaktionen.
Bei einer Leukozytenzahl unter
3500/mm3 und/oder einer Granulozytenzahl
unter 2000/mm3 ist mindestens zweimal
wöchentlich ein Differentialblutbild zu bestimmen. Bei einer Leukozytenzahl unter
3000/mm3 und/oder einer Zahl neutrophiler Granulozyten unter 1500/mm3 muss
Clozapin sofort abgesetzt und engmaschig
das Differentialblutbild überwacht werden.
Wenn trotz Absetzen der Clozapin-Behandlung die Leukozytenzahl unter 2000/mm3
und/oder die Zahl der neutrophilen Granulozyten unter 1000/mm3 fällt, soll für die
weitere Behandlung ein erfahrener Hämatologe hinzugezogen werden.
Nach Auftreten einer Clozapin-induzierten Agranulozytose ist eine erneute Behandlung mit Clozapin absolut kontraindiziert.
Leukozytosen sind unter Clozapin vor
allem in den ersten Behandlungswochen
relativ häufig (bis 15%). Sie sind harmlos,
ihre Pathophysiologie ist nicht bekannt. Im
Einzelfall kann eine über die regelmässigen
Blutbildkontrollen hinausgehende hämatologische Abklärung notwendig sein.
5.2 Erniedrigte Krampfschwelle/Anfälle
Das Risiko für zerebrale Krampfanfälle ist
dosisabhängig und steigt erheblich bereits
bei niedrigen Tagesdosen (unter 300 mg),
wenn die Dosis in der Einschleichphase
schnell gesteigert wird, bei einer Dauermedikation über 600 mg/die und bei einer Vor-
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geschichte von zerebralen Krampfanfällen.
Eine elektroenzephalographische (EEG)
Untersuchung sollte vor Therapiebeginn bei
Risikopatienten durchgeführt werden, um
die Anzeichen einer erniedrigten Krampfschwelle aufzudecken beziehungsweise für
das Monitoring zu dokumentieren. Bei Dosierungen über 300 mg/die werden weitere
EEG-Kontrollen empfohlen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass unspezifische, hochgespannte langsame Wellen, die unter Clozapin häufig auftreten, unbedenklich sind und
kein Anzeichen für ein höheres Krampfrisiko
darstellen. Lediglich bei Auftreten typischer
Spike-Wave-Komplexe oder Spikes sollte die
Dosis reduziert werden oder eine antiepileptische Prophylaxe begonnen werden.
5.3 Delir (Ver wirr theitszustand)
Bei zu schneller Dosissteigerung, bestimmten Arzneimittelkombinationen, hirnorganischer Vorschädigung und im Alter kann Clozapin ein Delir auslösen. In diesem Falle soll
der Patient, falls er ambulant behandelt wird,
sofort stationär aufgenommen werden. Als
erste therapeutische Massnahme wird Clozapin abgesetzt. Falls diese therapeutische
Massnahme nicht ausreicht, empfiehlt sich
primär zur Behandlung des deliranten Syndroms die Verabreichung von Haloperidol.
Nach Rückbildung des deliranten Syndroms
kann in der Regel mit einer wesentlich niedrigeren Dosis Clozapin weiterbehandelt werden. Diese Dosis soll, falls nötig, in den nächsten Tagen nur um kleine Schritte (25 mg)
gesteigert werden.
Auch nach dem abrupten Absetzen von
Clozapin wurden in Einzelfällen delirante
Syndrome beschrieben, die im Sinne eines
cholinergen Rebound-Phänomens interpretiert wurden.
5.4 Tachykardie
Clozapin kann dosisabhängig besonders in
den ersten Wochen der Behandlung eine
supraventrikuläre Tachykardie (Pulsfrequenz höher als 100 Schläge pro Minute) auslösen. Darum sollte in den ersten Tagen oder
bei Dosissteigerungen täglich die Pulsfrequenz gemessen werden. Bei Auftreten einer
Ruhetachykardie oder anderer Herzrhythmusstörungen, die mit Dyspnoe oder Symptomen einer Herzinsuffizienz einhergehen,
sind schnellstmögliche diagnostische Massnahmen einzuleiten, um eine Myokarditis
bzw. eine Myokardiopathie auszuschliessen.
Eine Tachykardie, die nicht reaktiv auf eine
Hypotonie auftritt, kann – nach einer elektrokardiographischen (EKG) Kontrolle –
mit Atenolol (50–100 mg/die) oder Propranolol (20–80 mg/die) behandelt werden. Die
anfängliche Dosis des Betablockers sollte bei
Bedarf schrittweise erhöht werden.
5.5 Myokarditis/Myokardiopathie
Unter Clozapin-Behandlung kann in seltenen Fällen eine Myokarditis oder eine Myo-
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kardiopathie auftreten. In beiden Fällen ist
Clozapin abzusetzen und eine symptomorientierte internistische Therapie sicherzustellen.
5.6 Hypotonie
Insbesondere während der Aufdosierungsphase (vor allem nach der ersten Dosis) kann
es zu einer orthostatischen Hypotonie kommen. Diese bedarf in der Regel keiner zusätzlichen Medikation. Wichtig ist es, den
Patienten darüber zu informieren, dass er
langsam aus einer liegenden oder sitzenden
Position aufsteht. Die Behandlung ist symptomatisch. Adrenalin kann zu paradoxen
Wirkungen führen und ist deshalb zu meiden. Die Hypotonie kann mit Norfenefrin
behandelt werden.
Bei bereits auf Clozapin eingestellten Patienten kann durch Zugabe von Benzodiazepinen eine orthostatische Hypotonie ausgelöst werden.
nen. Mittels Differentialblutbild kann in den
meisten Fällen ein fieberhafter Infekt von
einer benignen Hyperthermie unterschieden
werden. Besonders wichtig ist die frühzeitige
Diagnose eines Infektes bei Leukopenie
oder Agranulozytose. Die benigne Hyperthermie bedarf in der Regel keiner medikamentösen Behandlung.
5.10 Malignes Neuroleptika-Syndrom (MNS)
Bisher ist aus der Literatur nicht eindeutig zu
entscheiden, ob ein malignes NeuroleptikaSyndrom (MNS) bei Clozapin-Monotherapie auftreten kann. Die Behandlung dieses
Syndroms erfolgt in der Regel auf einer internistischen Intensivstation.
5.11 Müdigkeit und Sedierung
Bei Müdigkeit oder Sedierung während des
Tages sollte die Einzelgabe beziehungsweise
die höchste Dosis am Abend eingenommen
werden.
5.7 Gewichtszunahme/Stoffwechselstörungen
5.12 Obstipation
Antipsychotika der neuen Generation wie
Clozapin, Olanzapin und Risperidon können
zum Teil erhebliche Gewichtszunahmen hervorrufen [12, 13].
Die Gewichtszunahme ist eine relativ
häufige unerwünschte, vermutlich nicht dosisabhängige Wirkung des Clozapins. In Verbindung mit, aber auch ohne Übergewicht
wurden unter Clozapin Insulinresistenz beziehungsweise Typ-2-Diabetes und Hyperlipidämien berichtet [12]. Durch Information
des Patienten und seiner Angehörigen kann
diese unerwünschte Wirkung häufig mit Hilfe von Diätmassnahmen positiv beeinflusst
werden. Vor und regelmässig während der
Behandlung mit Clozapin sollte das Körpergewicht sowie Nüchternblutzucker und die
Blutfettkonzentrationen kontrolliert werden.
5.8 Hypersalivation
Die Hypersalivation ist dosisabhängig und
tritt unter Clozapin bei bis zu 25–30% der
Patienten auf. Bei leicht verstärkter Salivation können Salbeitropfen verabreicht werden. In schweren Fällen muss eventuell die
Clozapin-Dosis reduziert werden. Falls eine
Dosisreduktion nicht möglich ist, kann im
stationären Bereich unter besonderen Vorsichtsmassnahmen (Cave: Delir, Krampfanfälle) ein Therapieversuch mit einer anticholinergen Substanz (z.B. Trihexyphenidyl)
erwogen werden. Jedoch ist von einem solchen Vorgehen bei älteren, kardial oder hirnorganisch vorgeschädigten Patienten abzuraten. Gute klinische Erfahrungen bestehen
auch mit Gastrozepin.
5.9 Benigne Hyper thermie
Regelmässige Messung der Körpertemperatur hilft, Fieberzustände frühzeitig zu erken-
290
Bei Obstipation sollte man primär diätische
Massnahmen ergreifen (reichliche Flüssigkeitszufuhr, ballastreiche Nahrung). Gegebenenfalls können kurzfristig Laxantien eingesetzt werden. Die Möglichkeit eines
Subileus sollte in Betracht gezogen werden.
6. Kombinationen
Grundsätzlich ist eine Monotherapie mit
Clozapin anzustreben. Eine Kombinationsbehandlung kann bei persistierender psychotischer Symptomatik (Clozapin-resistenter Psychose) und bei zusätzlichen
Symptomen, wie zum Beispiel Depression,
Angst, Stimmungsschwankungen und Impulskontrollstörungen, sinnvoll sein [14–16].
Eine besondere Indikation ist der Erregungszustand in der akuten Psychose. Allgemein sollte das zusätzliche Medikament
folgende Eigenschaften haben:
a) geringes Agranulozytoserisiko,
b) geringe anticholinerge Wirkung,
c) geringe sedierende Wirkung (Ausnahme:
Behandlung des Erregungszustandes),
d) geringe epileptogene Wirkung.
6.1 mit Antiepileptika
Wie oben erwähnt empfiehlt sich eine
Anfallsprophylaxe bei bekanntem Anfallsleiden oder bei Auftreten von epilepsiespezifischen Potentialen im EEG. Mittel der
ersten Wahl ist Valproat, wobei zu beachten
ist, dass der Plasmaspiegel von Clozapin dadurch erhöht werden kann. Als Alternative
kann eines der neueren Antiepileptika
(Lamotrigin,Topiramat) verabreicht werden
[17]. Von einer kombinierten Anwendung
mit Carbamazepin wird aufgrund des erhöhten Agranulozytoserisikos abgeraten.
SCHWEIZER ARCHIV FÜR NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE
6.2 mit Lithium
Bei dieser Kombination sind EEG- und
EKG-Kontrollen wichtig. In der Literatur
wurde auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines deliranten Syndroms bei der
gleichzeitigen Verabreichung von Lithium
und Clozapin hingewiesen. Kasuistisch wurde auch über das Auftreten eines malignen
Neuroleptika-Syndroms (MNS) und neurotoxischer Nebenwirkungen bei dieser Kombination berichtet.
6.3 mit Hypnotika/Anxiolytika
Bei psychomotorischen Erregungszuständen
und Schlafstörungen kann die Verabreichung eines Benzodiazepins (z.B. Lorazepam) als Zusatzmedikation hilfreich sein.
Bei kurzwirksamen Benzodiazepinen ist das
Risiko einer Wirkstoffkumulation mit gegenseitiger Potenzierung der sedierenden
Wirkung geringer. Dieses Risiko sollte
besonders bei älteren Patienten berücksichtigt werden. Unter dieser Kombination ist
besonders auf Blutdruckabfall und Atemdepression zu achten. Mit neueren Hypnotika
und Anxiolytika (z.B. Zolpidem) bestehen
noch keine ausreichenden Erfahrungen.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn
nach Absetzen einer höheren Dosis des Clozapins das delirante Syndrom mit Clomethiazol oder einem Benzodiazepin behandelt
wird, da in der Literatur in diesem Zusammenhang kasuistisch das Auftreten von
schweren Herz-Kreislauf-Komplikationen
und zum Teil lebensbedrohlichen Atemdepressionen berichtet wurde.
6.4 mit Antidepressiva
Die Kombination eines trizyklischen Antidepressivums (z.B. Imipramin, Amitriptylin)
mit Clozapin ist nicht indiziert, da diese Medikamente zum einen die anticholinergen
unerwünschten Wirkungen des Clozapins
(Delir, Krampfanfälle) wahrscheinlicher
machen, zum anderen, weil bei diesen Substanzen selbst mit einem erhöhten Agranulozytoserisiko zu rechnen ist.
Bisher liegen nur wenige Erfahrungen mit
der Kombination von SSRI (Specific Serotonin Reuptake Inhibitors) und Clozapin vor.
Die Blutplasmakonzentration des Clozapins
wird durch Fluvoxamin und Fluoxetin deutlich erhöht, dagegen haben Paroxetin, Sertralin und Citalopram keinen Einfluss auf
dessen Plasmakonzentration. Dies gilt auch
für das Razemat des Citaloprams, das neue
Escitalopram.
6.5 mit Antipsychotika
Zwei Indikationen führen zu einer Kombination von Clozapin mit einem anderen Antipsychotikum:
1. der psychomotorische Erregungszustand,
und
2. die therapieresistente Psychose bei Monotherapie mit Clozapin.
155 ■ 6/2004
Wie bei den Antidepressiva besteht bei trizyklischen Antipsychotika ein erhöhtes
Agranulozytoserisiko; ebenfalls sollten Antipsychotika mit anticholinerger Wirkung
vermieden werden.
Die Kombination von Clozapin mit Haloperidol (bis 3 mg/die) oder anderen hochpotenten Butyrophenonen (z.B. Penfluridol,
Pimozid) hat sich bewährt. In neuerer Zeit
wurden auch positive Ergebnisse bei Kombination mit Sulpirid und Risperidon berichtet [16]. Die Weiterentwicklung des Sulpirids,
das Amisulprid, kann ebenfalls in Erwägung
gezogen werden. Eine Kombination mit
Olanzapin erscheint wegen der Summation
der anticholinergen unerwünschten Wirkungen beider Substanzen weniger sinnvoll.
6.6 mit nicht-steroidalen Antiphlogistika
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Azetylsalizylsäure empfiehlt sich als antiphlogistisches Kombinationspräparat zu
Clozapin, andere nicht-steroidale Antiphlogistika sollten vermieden werden, da sie
selbst das Agranulozytoserisiko erhöhen.
7. Andere Indikationen
In folgenden klinischen Situationen wurde
die Wirksamkeit von Clozapin beschrieben
[18]:
– schizophrene Patienten mit Substanzmissbrauch [19, 20],
– Tic-Erkrankungen und Gilles-de-la-Tourette-Syndrom,
– psychotisches Syndrom bei Prolaktinom,
– Rapid-Cycling [21].
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SCHWEIZER ARCHIV FÜR NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE
155 ■ 6/2004
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