Der Begri des diskreten WRaumes 3 28 Der Begri des diskreten W Raumes In diesem Abschnitt wird der Begri des diskreten WRaumes Überblick eingeführt. Diskrete WRäume sind durch einen endlichen bzw. abzählbar unendlichen, also einen diskreten Ausgangsraum gekennzeichnet. Der zentrale Begri ist der des WMaÿes für das die σ Additivität gefordert wird. Mit Hilfe der W Funktion läÿt sich über einem diskreten Ausgangsraum eindeutig ein WMaÿ festlegen. Mit den in Abschnitt 2 gegebenen Motivierungen als Hintergrund geben wir die Denition des diskreten W Raumes. 3.1 Denition Das Tripel (Ω, P(Ω), P ) heiÿt diskreter WRaum, wenn • Ω eine nichtleere, endliche oder abzählbare, also diskrete Menge, und • P : P(Ω) → R eine Abbildung der Potenzmenge P(Ω) von Ω (Menge aller Teilmen- Der Begri des diskreten WRaumes 29 gen) in die reellen Zahlen mit folgenden Eigenschaften ist: (3.1.1) P (A) ≥ 0 gativität) (3.1.2) P (Ω) = 1 heit) (3.1.3) für jede Folge (An ) paarweise fremder Mengen aus P(Ω) gilt: X X P An = P (An ) (σ Additivität) n∈N (A ⊂ Ω) (Nichtne(Normiert- n∈N (lies: SigmaAdditivität) Ω heiÿt Ausgangsraum, P(Ω) Ereignissystem (Menge der Ereignisse), P ein (diskretes) WMaÿ, wobei, falls eine Präzisierung gewollt ist, das Ereignissystem bzw. der Ausgangsraum mitgenannt wird, also: (diskretes) WMaÿ auf P(Ω) über Ω. 3.2 Bemerkungen 3.2.1 Die Teilmengen des Ausgangsraumes Ω heiÿen Ereignisse. P (A) verstehen wir Der Begri des diskreten WRaumes als die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A oder in der Sprache des als intuitiver Hintergrund dienenden Zufallsexperimentes als die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein zufällig durch (Messung oder Beobachtung) gemäÿ (dem WGesetz) P zustandegekommenes ω̄ ∈ Ω ein Element der Menge A ist, d.h., dass ω̄ ∈ A gilt. Man spricht von ω̄ im Sinne einer auÿermathematischen Begrisbildung als von einer Realisation gemäÿ (dem WGesetz) P . Zur empirischen Überprüfung, ob es sich bei vorgegebenen Realisationen um solche gemäÿ P handelt, vgl. Exp. 15.1 . 3.2.2 Beachten Sie: P ist keine Abbildung der Menge Ω sondern der Menge P(Ω) in R; d.h. den Teilmengen von Ω werden reelle Zahlen zugeordnet. Man spricht deshalb von P als von einer Mengenfunktion. 3.2.3 Gilt für A ∈ P(A) P (A) = 0 bzw. P (A) = 1 , 30 Der Begri des diskreten WRaumes 31 so spricht man von A als von einer PNullmenge bzw. von einer PEinsmenge. ∅ ist stets eine Nullmenge; ebenso ist Ω stets eine Einsmenge. Wir begnügen uns für den Moment mit einem ersten Beispiel für ein WMaÿ, nämlich dem PunktWMaÿ. Dieses liefert auch prototypisch Beispiele für nichttriviale Null und Einsmengen. Die Denition des Punkt WMaÿes ist nicht auf diskrete Ausgangsräume beschränkt. 3.3 PunktWMaÿ Sei ω ∈ Ω. Dann heiÿt δω : P(Ω) → [0; 1] mit ( 1, falls ω ∈ A (A ⊂ Ω) δω (A) := /A 0, falls ω ∈ das PunktWMaÿ in ω ; man spricht auch vom DiracMaÿ in ω . Oenbar ist die gesamte Masse in ω konzentriert. Gilt ω ∈ A für ein A ⊂ Ω, so nimmt δω (A) den Wert 1 an, d.h., A ist eine Einsmenge. Trit ω ∈ A nicht zu, so Der Begri des diskreten WRaumes 32 nimmt δω (A) den Wert 0 an; d.h., A ist eine Nullmenge. Machen Sie sich klar, dass δω ein WMaÿ ist, wozu Sie sich insbesondere die σ Additvität überlegen. Der Begri des diskreten WRaumes 33 3.4 Folgerungen 3.4.1 P (∅) = 0, 3.4.2 P (A + B) = P (A) + P (B) (A, B ⊂ Ω, A ∩ B = ∅), (Additivität von P ) 3.4.3 P (Ac ) = 1 − P (A) (A ⊂ Ω), 3.4.4 P (B \ A) = P (B) − P (A) Ω , A ⊂ B), 3.4.5 A ⊂ B =⇒ P (A) ≤ P (B), 3.4.6 P (A) ≤ 1 (A, B ⊂ (A ⊂ Ω). Beweis: 3.4.1 Aufgrund von (3.1.2) und (3.1.3) erhält man 1 = P (Ω) = P (Ω+∅+ . . . ) = P (Ω)+∞·P (∅) , 3.4.2 also ∞·P (∅) = 0; woraus mit (1.5.3) P (∅) = 0 folgt. Wegen (3.1.3), 3.4.1 und 3.4.6 ist P (A+B) = P (A+B+∅+ . . . ) = P (A)+P (B)+0+ . . . = P (A (Oenbar zieht die σ Additivität von P im Falle von endlich vielen nichtleeren Mengen die Additivität von P nach sich.) Der Begri des diskreten WRaumes 3.4.3 34 Wegen (3.1.2) und 3.4.2 gilt 1 = P (Ω) = P (A + Ac ) = P (A) + P (Ac ) . 3.4.4 Für A ⊂ B gilt B = (B \ A) + A und somit aufgrund von 3.4.2 P (B) = P (B \ A) + P (A) . 3.4.5 3.4.6 Ist eine Konsequenz aus 3.4.4 zusammen mit (3.1.1). Ergibt sich als Spezialfall von 3.4.5 mit B := Ω. 3.5 Bemerkung Das WMaÿ ist als eine Abbildung P : P(Ω) → R eingeführt worden, d.h., es ordnet jeder Teilmenge von Ω eine reelle Zahl zu. Das diskrete WMaÿ P ist aber schon festgelegt, wenn die Wahrscheinlichkeitswerte P {ω} für alle ω ∈ Ω bekannt sind. Wegen der σ Additivität von P und der Abzählbarkeit von Ω gilt für alle A ⊂ Ω (3.5.1) P (A) = P X {ω} ω∈A = X ω∈A P {ω} . Der Begri des diskreten WRaumes 35 (Beachten Sie, dass die Summe im Rechtsterm von (3.5.1) sowohl endlich viele als aber auch abzählbar unendlich viele Summanden aufweisen kann, vgl. auch Beweis zu (3.4.2).) 3.6 Denition Sei Ω eine nichtleere, diskrete Menge. 3.6.1 Eine Funktion w : Ω → P [0; 1] heiÿt W Funktion (auf Ω), wenn ω∈Ω w(ω) = 1 gilt, wobei bei der Summation im Falle der Abzählbarkeit von Ω der Wert der entsprechenden nichtnegativen Reihe gemeint ist. 3.6.2 Ist P ein WMaÿ über Ω, so heiÿt die durch w(ω) := P {ω} (ω ∈ Ω) denierte Abbildung w : Ω → [0; 1] die W Funktion von P . 3.7 Satz Der Begri des diskreten WRaumes 36 Eine WFunktion w : Ω → [0; 1] deniert eindeutig ein WMaÿ P auf P(Ω) bzw. über Ω. Es gilt X (3.7.1) P (A) = w(ω) (A ⊂ Ω) . ω∈A 3.8 Diskrete WMaÿe über überabzählbaren Ausgangsräumen Gelegentlich ist es sinnvoll ein diskretes WMaÿ über einem überabzählbaren Ausgangsraum, z.B. über R, zu betrachten. Dabei ist man, z.B. im Zusammenhang mit WFunktionen, auf das Problem geführt, über überabzählbar viele Summanden summieren zu müssen. Ist P ein diskretes WMaÿ über einem überabzählbaren Ausgangsraum Ω0 , so kann dies ja nur heiÿen, dass eine abzählbare Menge Ω, Ω ⊂ Ω0 , als Ausgangsraum existiert, über der P deniert ist. In einem Summenbildungsprozeÿ werden auch ohne expliziten Hinweis nur solche Summanden miteinbezogen, die durch Elemente von Ω indiziert sind, Summanden, die mit Elementen aus Ω0 \ Ω indiziert sind, entfallen. Freilich kann anstelle von Ω Der Begri des diskreten WRaumes 37 auch eine geeignete, abzählbare Obermenge D ⊂ Ω0 von Ω treten.