Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 53 5 Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall Eine Zufallsvariable (ZV) ist eine auf dem Ausgangsraum Überblick eines diskreten WRaumes denierte Abbildung. Die ihr zugeordnete Urbildabbildung erlaubt es mit Hilfe des W Maÿes über dem Urbild (Ausgangs)raum Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse im Bildraum zu bestimmen. Das Gesagte führt zum Begri des Bildmaÿes oder synonym zum Begri der Verteilung einer ZV. Unter einer gemeinsamen Verteilung versteht man das Bild eines WMaÿes unter einer vektorwertigen ZV. Neben einem (diskreten) WRaum sollen in der Folge auf dem Ausgangsraum eines WRaumes denierte Abbildungen betrachtet werden. Die dabei in der Stochastik herausgebildete Namensgebung Zufallsvariable nimmt man im Falle eines diskreten WRaumes zweckmäÿigerweise als Bezeichnung für Abbildung zur Kenntnis. 5.1 Denition Sei (Ω, P(Ω), P ) ein diskreter WRaum und Ω0 eine Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 54 abzählbare Menge. Dann heiÿt die Abbildung X : Ω −→ Ω0 eine (diskrete) Ω0 Zufallsvariable (Ω0 ZV). Ist der Bildraum überabzählbar, Ω0 = R oder Rn , so wird X z.B. im Falle von X(Ω) als Abbildung in oder in eine geeignete, abzählbare Obermenge D, X(Ω) ⊂ D ⊂ Ω0 , aufgefasst. Gilt für eine diskrete ZV X insbesondere X(Ω) ⊂ R, so sprechen wir von einer reellen ZV. Zur Betrachtung von ZVen ist man durch die Idee des Transportes von WMaÿen geführt. Ist A0 ein Ereignis des Bildraumes, also eine Teilmenge von Ω0 , so geht es darum aufgrund des WMaÿes P des Urbild(ausgangs)raumes Ω mit Hilfe einer ZV X dem Ereignis A0 eine Wahrscheinlichkeit zuzuweisen. Dazu betrachtet man die Gesamtheit der Punkte in Ω, die vermöge der ZV X in A0 abgebildet werden. Dieses Urbild von A0 bei X läÿt sich durch das WMaÿ P über Ω ausmessen . Das Gesagte gibt Anlass zur Denition der Urbildabbildung. Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 55 5.2 Denition Sei T : Ω → Ω0 eine beliebige Abbildung von Ω in Ω0 . Dann heiÿt die Abbildung T −1 : P(Ω0 ) −→ P(Ω) , deniert durch T −1 (A0 ) := ω ∈ Ω | T (ω) ∈ A0 A0 ∈ P(Ω0 ) , die zu T zugehörige Urbildabbildung; T −1 (A0 ) heiÿt das Urbild von A0 (bei T ). 5.3 Warnung T −1 (A0 ) schreibt man auch möglicherweise auch irreführend) Für verkürzt (und T −1 (A0 ) =: {T ∈ A0 } bzw. für ω 0 ∈ Ω0 T −1 {ω 0 } =: {T = ω 0 } . {T ∈ A0 } und {T = ω 0 } sind Kürzel logisch in- terpretiert führen diese zu Missverständnissen. Deshalb sollten diese Kürzel wenn sie nicht durch Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 56 den Schreibaufwand erforderlich werden nach Möglichkeit unterdrückt werden. Unterscheiden Sie die Urbildabbildung von der (nur) für bijektive Abbildungen erklärten Umkehrfunktion! Die zu T zugehörige Urbildabbildung T −1 weist eine Reihe von Eigenschaften auf, von denen in Satz 5.4 vier wichtige aufgelistet sind. 5.4 Satz Sei T : Ω → Ω0 eine Abbildung. Weiter seien A0 , B 0 ⊂ Ω0 sowie (A0i | i ∈ I) eine Mengenfamilie in Ω0 . Dann gelten: 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 T −1 (∅) = ∅ , c T −1 (A0 )c = T −1 (A0 ) und daher auch T −1 (Ω0 ) = Ω, S S −1 (A0i ) = T −1 ( i∈I A0i ), i∈I T P P −1 (Ai ) = T −1 ( i∈I Ai ). i∈I T P Das Zeichen meint hier die disjunkte Vereinigung, d.h., die Vereinigung von disjunkten Mengen. Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 57 Mit dem folgenden Satz wird der Begri des Bildmaÿes begründet. 5.5 Satz Seien (Ω, P(Ω), P ) ein diskreter WRaum, Ω0 eine diskrete Menge und X eine Ω0 ZV. Durch (5.5.1) P 0 (A0 ) := P X −1 (A0 ) (A0 ⊂ Ω0 ) wird ein WMaÿ auf Ω0 festgelegt. Beweis: Oenbar gilt P 0 (A0 ) ≥ 0 (A0 ⊂ Ω0 ). Aufgrund von 5.4.1 bzw. 5.4.2 ist P 0 (∅) = 0 bzw. P 0 (Ω0 ) = 1. Ist dann (A0n ) eine Folge paarweise disjunkter Mengen aus Ω0 so folgt aufgrund der σ Additivität von P P 0 ∞ X A0n = P X −1 n=1 ∞ X A0n = n=1 P ∞ X ∞ X X −1 (A0n ) P X −1 (A0n ) = n=1 = ∞ X n=1 P 0 (A0n ) , n=1 d.h., P ist σ additiv und damit ein WMaÿ auf Ω0 . 0 Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 58 5.6 Denition (Bildmaÿ) Seien (Ω, P(Ω), P ) ein diskreter WRaum, Ω0 eine diskrete Menge und X eine Ω0 ZV. Das durch 5.4.1 über Ω0 denierte WMaÿ heiÿt das Bildmaÿ PX von P (bei X ) oder die Verteilung von X (bez. P ); es gilt (5.6.1) PX (A0 ) := P (X −1 (A0 )) (A0 ∈ P(Ω0 )) 5.7 Sprechweisen 5.7.1 Liegt eine WFunktion der Verteilung X vor, so spricht man von der WFunktion der (Bildmaÿ) der ZV kurzerhand ZV 5.7.2 X. Bildmaÿ und Verteilung meinen grundsätzlich gesehen dasselbe. Allerdings be- deuten unterschiedliche Sprechweisen oft eine unterschiedliche Akzentsetzung. Spricht man von der Verteilung von X , so meint dies oftmals, dass man sich mit der Kenntnis des Bildmaÿes von X zufrieden gibt. Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 59 Der Begri der Verteilung bzw. des Bildmaÿes und damit auch der der Urbildabbildung, wird in Experiment 5.1 thematisiert. 5.8 Die Realisation einer ZV als auÿermathematisches Konzept Sei X : (Ω, P(Ω), P ) → (Ω0 , P(Ω0 )) eine ZV, A ∈ P(Ω) und ω̄ ∈ Ω eine Realisation gemäÿ P ; d.h. im Sinne einer auÿermathematischen Deutung steht P (A) für die Wahrscheinlichkeit, dass ω̄ ∈ A gilt, vgl. 3.2.1 . Dann ist x̄ := X(ω̄) entsprechend eine Realisation gemäÿ PX ; d.h. für ein A0 ∈ P(Ω0 ) steht PX (A0 ) für die Wahrscheinlichkeit, dass x̄ ∈ A0 gilt. Anstatt 'x̄ ist eine Realisation gemäÿ PX ' sagt man auch: 'x̄ ist eine Realisation von X ' . 5.9 Gemeinsame Verteilung Seien (Ω, P(Ω), P ) ein WRaum, Xi Ωi ZVen, i = 1, . . . , n und X = (X1 , . . . , Xn ) die Produktabbildung. Dann heiÿt die Verteilung von X bez. P die gemeinsame Verteilung der Xi , i = 1, . . . , n. Zufallsvariable und Verteilungen im diskreten Fall 60 Es gilt PX n × Ai i=1 = 1 (5.9.1) = 2 = 3 n P {ω ∈ Ω |X(ω) ∈ × Ai } i=1 P P ω ∈ Ω | X1 (ω) ∈ A1 , . . . , Xn (ω) ∈ An n \ Xi−1 (Ai ) (Ai ⊂ Ωi , i ∈ Nn ) . i=1 Zu 1: Nach Def. des Bildmaÿes. Zu 2: Nach Def. der Produktabbildung, vgl. 1.3, bzw. des kartesischen Produktes, vgl. 1.2 . Zu 3: Die Auistung mit Komma meint 'und', was mengentheoretisch zur 'Durchschnitts'bildung führt. Nach Def. der Urbildabbildungen Xi−1 , i = 1, . . . , n . Die gemeinsame Verteilung zweier ZVen wird im Experiment 5.2 illustriert. Zur Darstellung nutzen wir die Möglichkeiten der diskreten Theorie und basieren auf den Einpunktmengen des Bildraumes, vgl. (3.5.1).