Memorix Psychiatrie und Psychotherapie von Gerd Laux, Hans-Jürgen Möller 1. Auflage Memorix Psychiatrie und Psychotherapie – Laux / Möller schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie Thieme 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 145431 7 Inhaltsverzeichnis: Memorix Psychiatrie und Psychotherapie – Laux / Möller 1.1 Abhngigkeit 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z 1.1 Abhngigkeit 1 Synonym Sucht Definition x x x x x Psychische Abhngigkeit: unwiderstehliches Verlangen nach (Wieder-)Einnahme einer psychotropen Substanz,„Nicht-aufhren-Knnen“, Suchtdruck („Craving“), Kontrollverlust Physische Abhngigkeit: Toleranzentwicklung (Dosissteigerung), Entzugserscheinungen Abusus/Missbrauch: Einnahme ohne Indikation (z. B. Medikamente), in bermßiger Menge bzw. entgegen den gesellschaftlichen Normen (z. B. Alkohol) Schdlicher Gebrauch: Suchtmittel wird eingenommen, obwohl bereits krperliche, psychische oder soziale Schden durch den Konsum eingetreten sind. Polytoxikomanie = Mehrfachabhngigkeit, multipler Substanzmissbrauch, polyvalente Sucht Epidemiologie x x x x x x x Anteil der Abhngigen in der Bevlkerung (BRD) ca. 5 – 7 % Alkohol: ca. 10 Millionen riskanter Konsum, ca. 2 Millionen abhngig Medikamente: ca. 1,4 Millionen Cannabis: Ca. 2 Millionen Deutsche konsumieren Cannabis. Harte Drogen (Heroin, Kokain, Amphetamine): ca. 275.000 Konsumenten, 175.000 Abhngige Nikotin: ca. 10 Millionen Nikotin- und Alkoholkonsum nehmen Platz 1 und 3 bei den zu Behinderung und vorzeitigem Tod fhrenden Krankheitsursachen ein! tiopathogenese x x Dreifaktorielles Bedingungsgefge (s. Abb. 1.1) – Droge: Angebot, Wirkung, Potenz, – Person/Persnlichkeit: Empfnglichkeit, Vulnerabilitt (Genetik, Lernfaktoren) – Soziale Faktoren: Erziehungsstil, „Broken home“, Ideologie, Vorbilder Prmorbide Persnlichkeit: verminderte Frustrationstoleranz Merke: Es gibt keine typische Sucht-Persnlichkeitsstruktur. Sucht-Prventionsprogramme verbessern das Wissen, haben aber keinen oder nur minimalen Einfluss auf den Substanzgebrauch! Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 2 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z Abhängigkeit und Sucht Persönlichkeit Disposition Entwicklung Gebrauch Missbrauch Droge Angebot Wirkungen Abhängigkeit psychisch und/oder physisch Umwelt Sozialfeld Gesellschaft Sucht Abb. 1.1 x Bedingungsgefge der Entstehung einer Abhngigkeit. Biochemisches Modell des Suchtverhaltens – Verhaltensmotivation: Septohippokampales dopaminerges Belohnungssystem („Reward-System“, Wohlbefindlichkeitssystem, Suchtgedchtnis) – Aufrechterhalten der Sucht: mglicherweise Beteiligung spezieller Neuromodulatoren (z. B. Beta-Carbolase) Einteilung/Klassifikation (vgl. Tab. 1.1.1) x x Legale Suchtmittel – Genussmittel (Kaffee, Alkohol, Tabak) Illegale Suchtmittel Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 1.1 Abhngigkeit 3 Tabelle 1.1.1 Arzneimittel mit Suchtpotenzial und Hauptgruppen der Missbraucher nach pharmakologisch/medizinischer und WHO-Einteilung Wirkgruppen Pharmakologisch/medizinische Einteilung Vornehmlich WHO-Einteilung missbraucht von A x M D Betubungsmittel, Narkotika 1. Opiat-Typ – Opiate, Analgetika/Antitussiva X XX – Andere Schmerzmittel – „Kleine“ Analgetika x Schlafmittel x Sedativa/Hypnotika x Lsungsmittel und Alkohole – thylalkohol, alkoholhaltige Arzneimittel X X X XX XX X 2. Barbiturat-/ Alkohol-Typ – Schnffelstoffe x X Beruhigungsmittel – Tranquilizer x X X XX X XX Stimulanzien – Psychoanaleptika X 3. Amphetamin-/ Khat-Typ – Amphetaminartige – Anorektika – Sympathomimetika Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 4 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z Tabelle 1.1.1 Fortsetzung Wirkgruppen Pharmakologisch/medizinische Einteilung Vornehmlich WHO-Einteilung missbraucht von A x x M D X Lokalansthetika Tetrahydrocannabinol-(THC-) Derivate 4. Kokain-Typ 5. Cannabis-Typ 6. Halluzinogen-Typ Halluzinogene – Halluzinogenoide X X – Anticholinergika – Asthmamittel – Anti-Parkinsonmittel – Andere Halluzinogene x Verschiedene Wirkgruppen X – Laxanzien – Kortikosteroide X – therische le, Kampfer x X „Genussmittel“ – Nikotin, Koffein X X X A = Alkoholkranke, M = Medikamentenabhngige, D = Drogenabhngige x x x Nichtstoffgebundene Sucht: abnorme Gewohnheiten und Strungen der Impulskontrolle (z. B. Spielsucht, Online-/Internet-Abhngigkeit/-Sucht/pathologische Internetnutzung) Stoffgebundene Sucht: Klassische Suchtstoffe: Opium, Morphin, Kokain, Halluzinogene, Cannabisprparate, Alkohol, Tabak s. Kap. 1.27 Drogenabhngigkeit s. Kap. 1.77 Tabakabhngigkeit Medikamente mit Abhngigkeitspotenzial: Opioid-Analgetika, Tranquilizer/ Hypnotika, Psychostimulanzien, Weckamine s. Kap. 1.53 Medikamentenabhngigkeit Suchtstoffe der zweiten Generation: „Designer-Drogen“, vollsynthetisch: Amphetamine, Phencyclidine, Fentanyle, Prodine, Tryptamine Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 1.1 Abhngigkeit 5 Leitsymptomatik Abhngig von Substanz treten u. a. auf x Intoxikationssymptome x Entzugssyndrome x Psychotische Symptome, s. entsprechende Kapitel Diagnosekriterien – Diagnostik (vgl. Tab. 1.1.2) x x x Krperliche Untersuchungsbefunde Fremdanamnese wichtig ! Laborwerte (Urin-Screening, Leberwerte) Tabelle 1.1.2 Diagnostische Kriterien der Strungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 und DSM-IV ICD-10 Schdlicher Gebrauch x Schdigung der psychischen und physischen Gesundheit des Konsumenten DSM-IV x Fehlangepasstes Muster von wiederholtem Substanzgebrauch, auch in Situationen, in denen es zur krperlichen Gefhrdung kommen kann (z. B. beim Autofahren) und trotz stndiger durch die Auswirkung des Gebrauchs hervorgerufener sozialer und zwischenmenschlicher Probleme Abhngigkeit Mindestens drei der folgenden Kriterien: Mindestens drei der folgenden Kriterien: x Starker Wunsch/Zwang, Substanzen x Substanzeinnahme lnger und in oder Alkohol zu konsumieren grßeren Mengen als beabsichtigt x Reduzierte Kontrollfhigkeit x Anhaltender Wunsch/erfolglose x Substanzkonsum, um EntzugsVersuche, den Substanzgebrauch zu kontrollieren/verringern symptome zu mildern x Krperliches Entzugssyndrom x Charakteristische Entzugssymptome x Toleranzentwicklung x Toleranzentwicklung (verminderte (Dosissteigerung) Wirkung bei gleichbleibender Dosis, x Eingeengtes Verhaltensmuster Dosissteigerung) x Vernachlssigung anderer Verx Viel Zeitaufwand fr die Beschafgngen oder Interessen fung der Substanz x Fortgesetzter Substanz- oder Alkox Aufgabe/Einschrnkung wichtiger holgebrauch trotz Nachweis schdlisozialer, beruflicher oder Freizeitcher krperlicher, psychischer und aktivitten x Fortgesetzter Substanzmissbrauch sozialer Folgen trotz Problembewusstsein Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 6 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z Tabelle 1.1.2 Fortsetzung ICD-10 DSM-IV Dauer i 1 Monat Entzugssyndrom Symptomkomplex bei absolutem oder relativem Entzug einer Substanz, die wiederholt und ber einen lngeren Zeitraum u./o. in hoher Dosis konsumiert wurde x Erscheinungsbild ist so schwer, dass Konsultation bzw. medizinische Behandlung notwendig ist x Besserung durch erneute Zufuhr der Substanz x x x x Substanzspezifisches Syndrom nach Beendigung oder Reduktion eines lngeren und bermßigen Substanzmissbrauchs Subjektives Leiden oder Beeintrchtigung der sozialen Funktionen Keine andere Verursachung der Beschwerden kann gefunden werden Differenzialdiagnosen x x x x Andere somatische Krankheiten (evtl. Komorbiditt!) Affektive und schizophrene Psychosen (z. B. drogeninduzierte Psychose) Psychogene Reaktionen/Anpassungsstrungen, dissoziative Strungen (Konversionsstrungen) Somatoforme Strungen Therapie Primrziel: Abstinenz! Die Suchttherapie gliedert sich in vier Abschnitte x Kontakt- und Motivationsphase x Entgiftungsphase (krperlicher Entzug) x Entwhnungsphase („Therapie“) x Rehabilitationsphase (Nachsorge, Rezidivprophylaxe). Merke: Von entscheidender Bedeutung sind die primre (Information und Aufklrung der Bevlkerung) und sekundre Prvention (Frherkennung und Frhbehandlung). Verlauf/Prognose x x x Stark abhngig von Abhngigkeitsobjekt/Substanz und Motivierbarkeit des Patienten Prognose im Allgemeinen nicht gnstig – Rckfallrate fr Alkoholabhngigkeit binnen 5 Jahren ca. 50 %, fr Heroinabhngigkeit ca. 80 % Neue, auch medikaments-biologische, Therapieanstze geben Anlass fr hoffnungsvollere Zukunft. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 1.2 Affektive Strungen 1.2 7 Affektive Strungen Synonyme/verwandte Begriffe Gemtskrankheiten; affektive Psychose = manisch-depressive Erkrankung, Zyklothymie Definition x x Gruppe von Strungen und Krankheiten – charakterisiert durch eine krankhafte Vernderung der Stimmung (Affektivitt) meist in Richtung Depression oder (Hypo-)Manie Der bergang normal – abnorm kann fließend sein und differenzialdiagnostische Probleme aufwerfen (s. Abb. 1.2.1a u. b). affektive Störung Manie Hypomanie gesundes Erleben Fröhlichkeit affektive Störung Trauer Depression leicht-mittel-schwer a Manie Hypomanie Normal Euphorie Trauer Resignation Depression leicht/mittel/schwer Abb. 1. 2.1a u. b C Laux 2004 b bergang affektive Strungen normal – abnorm. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 8 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z Epidemiologie x x grßte Bedeutung, s. Kap. 1.25 Depressive Strungen, Prvalenz ca. 5 – 10 % Lebenszeitprvalenz s. Kap. 1.15 Bipolare affektive Strungen, ca. 1 – 3 % tiopathogenese multifaktoriell im Sinne des Stress-Vulnerabilittskonzepts (s. Abb. 1.2.2) Einteilung/Klassifikation Die verschiedenen Strungen/Krankheiten werden nach Schweregrad und Verlauf (rezidivierend, uni-/bipolar, chronisch) unterschieden (s. Abb. 1.2.3). x Manische Episode s. Kap. 1.52 Manie x Bipolare affektive Strung (Affektive Psychosen, manisch-depressive Erkrankung/ Zyklothymie) s. Kap. 1.15 Bipolare affektive Strung (vgl. Abb. 1.2.4) x (Rezidivierende) Depression s. Kap. 1.25 Depressionen x Anhaltende affektive Strung s. Kap. 1.29 Dysthymia, 1.85 Zyklothymia x Sonstige affektive Strungen (z. B. minore Depressionen) Genetische Belastung Persönlichkeit/ Temperament Biologische Funktionsveränderungen/ Strukturdefizite? Affektive Erkrankungen Vulnerabilität Frühkindliche Traumen Psychosoziale Stressoren Psychosoziale Stressoren Dysfunktionale Erlebnisverarbeitung Abb. 1. 2.2 tiopathogenese affektiver Strungen. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 1.2 Affektive Strungen affektive Störungen manische Episode 9 bipolare affektive Störung depressive Störung ( Episode; rezidivierend) „major depression“ anhaltende affektive Störung depressive Anpassungsstörung rezidivierende kurze depressive Störung „minor depression“ Dysthymia Zyklothymia organische affektive Störung Abb. 1. 2.3 Einteilung affektiver Strungen. Bipolare Erkrankungen Manie Hypomanie normal Depression schwere Depression normale Stimmungsschwankung zyklothyme Persönlichkeit Zyklo- Bipolar-IIthymie Störung unipolare Bipolar-IManie Störung Abb. 1. 2.4 Schema bipolarer Strungen. Leitsymptomatik Dominierend ist entweder eine depressive oder eine (hypo-)manische Symptomatik, seltener liegt ein symptomatisches Mischbild vor (s. Abb. 1.2.5 und 1.2.6). Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 10 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z Stimmungshoch oder gereizte Stimmung Emotionale Erregung mit Euphorie oder Dysphorie Beschleunigung und Erregung aller psychischen Abläufe – Denken, Sprache, Motorik/Handeln Vermehrtes Risikoverhalten, übertriebene Unternehmungslust, vermehrtes Kontaktbedürfnis, kurzschlüssig-unüberlegtes Verhalten, Impulsivität, Aggressivität Antriebssteigerung, Energieüberschuss, Beschäftigungsdrang, vermehrte Kreativität, vermindertes Schlafbedürfnis Gesteigertes Selbstbewusstsein, Größenideen MANIE DEPRESSION Schwermut, niedergedrückte Stimmung Gehemmte Emotionen, Gefühl der Gefühllosigkeit, Ängste, Pessimismus Verlangsamung und Hemmung psychischer Abläufe: Denken, Sprache, Motorik/Handeln Rückzugsverhalten, Interessen- und Motivationslosigkeit, Ideenlosigkeit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen Antriebsmangel, verminderte Vitalität, Energielosigkeit, körperliche Missbefindlichkeit, Erschöpfungsgefühl Selbstzweifel, Schuldgefühle, Insuffizienzgefühle, Mutlosigkeit, Lebensüberdruss, Suizidalität Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis, Früherwachen, Unausgeruhtheit nach dem Nachtschlaf, Morgentief Abb. 1. 2.5 Symptome der Manie und Depression. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 1.2 Affektive Strungen Manie Euphorie Schlafbedürfnis Hypervitalität Ideenflucht Grandiosität Krankheitsgefühl Erlebnishunger Animiertheit Ablenkbarkeit Mix Dysphorie Irritierbarkeit Depressivität Konzentrationsstörung Insomnie Agitation Denkstörung Halluzinationen Katatonie Wahn 11 Depression Anhedonie Appetitlosigkeit Hypersomnie Psychomot. Hemmung Fatigue Insuffizienzgefühle Schuldgefühle Interessenlosigkeit Abb. 1. 2.6 Mischsymptomatik der Manie und Depression. Diagnosekriterien – Diagnostik/Differenzialdiagnose/Therapie s. Kap. 1.25 Depressionen s. Kap. 1.52 Manie s. Kap. 1.15 Bipolare affektive Strungen Verlauf/Prognose Verlauf und Prognose affektiver Strungen sind sehr unterschiedlich, typische Formen sind in Abbildung 1.2.7 wiedergegeben. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 12 1 Krankheitsbilder und Syndrome von A – Z (Rezidivierende) unipolare Depression Manischer Pol ++ + Depressiver Pol – –– Bipolar I Manischer Pol ++ + Depressiver Pol – –– Bipolar II Manischer Pol ++ + Depressiver Pol – –– Dysthymia Manischer Pol ++ + Depressiver Pol – –– Zyklothymia Manischer Pol ++ + Depressiver Pol – –– Abb. 1. 2.7 Verlufe affektiver Strungen. Laux, Mller, Psychiatrie und Psychotherapie (ISBN 9783131454317) c 2007 Georg Thieme Verlag KG