Mensch, Maschine, Markt

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Vertrieb & Verkauf _ Vertriebsmanagement
Mensch, Maschine, Markt
Der Vertrieb wird durch die Digitalisierung gehörig durcheinander gewirbelt – auch im
B2B-Geschäft. E-Commerce, Internationalisierung und Customer Relationsship Management
stellen dabei nicht nur den Außendienst vor neue Herausforderungen.
Text _ Andreas Klähn
Gute Kontakte – das war der Schlüssel
für den Erfolg im B2B-Vertrieb. Doch
mit der Digitalisierung gerät das Bild
des kantigen Außendienstmitarbeiters
mit Top-Beziehungen zu den Kunden
ins Wanken. Bleibt der Vertrieb ein
People-Business oder verdrängen über
kurz oder lang elektronische Vertriebswege den Außendienst?
Digitalisierung im B2B
Ohne Frage steht der Verkauf vor ganz
neuen Aufgaben. Die Digitaliserung
bahnt sich ihren Weg in mehr Wirtschaftszweige. Die Bedeutung des Ver-
triebskanals Internet variiert allerdings
von Branche zu Branche. Werfen wir
einen kurzen Blick auf den Maschinen­
bau: Deutschlands Vorzeigebranche
diskutiert derzeit über das Thema
­»Industrie 4.0«. Die Digitalisierung hat
im ­M aschinen- und Anlagebau etwa
ganz neue Dienstleistungen entstehen
lassen. Maschinen sind immer häufiger
vernetzt, Störungen muss der ServiceTechniker nicht mehr ausschließlich
vor Ort beheben. Er kann sich online auf
die Maschine schalten oder per VideoKamera das Problem analysieren und
lokales Personal bei den Arbeiten unterstützen. Da ist die Digitalisierung aus
dem Vertrieb nicht mehr weg­zudenken.
Die Online-Anbindung der Außendienstmitarbeiter beschleunigt die Kommunikation und immer mehr Unternehmen
nutzen eigene Apps für die Präsentation der Produkte. Alle Unter­nehmen
der Branche besitzen ­eigene Websites,
13 Prozent nutzen elektronische Webshops, um ihre Produkte zu vertrieben.
»Wir beobachten zwei Trends«, sagt
Peter Thomin, Referent Marketing, Vertrieb und Service beim Branchenverband VDMA in Frankfurt am Main. »Zum
einen nimmt die elektronischen Kommunikation in Marketing und Vertrieb
zu. Auf der anderen Seite werden aber
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INFO
Reisekostenreform 2014
Zum 1.1.2014 tritt die gesetzliche Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts in Kraft. Marketing und Vertrieb betreffen vor allem folgende Punkte:
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E
rste Tätigkeitsstätte« ersetzt »regelmäßige Arbeitsstätte« Die Frage, welche
Tätigkeit an den unterschiedlichen Beschäftigungs- und Einsatzstätten eine
berufliche Auswärtstätigkeit begründet, bestimmt sich ab 2014 nicht mehr
danach, wo der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte hat.
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B
esteuerung der Mahlzeitengestellung auf Dienstreisen und bei Bewirtungen Bei vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung gestellten Mahlzeiten wird die Verpflegungspauschale gekürzt – um 20 Prozent für ein Frühstück und um jeweils 40 Prozent für ein Mittag- und Abendessen.
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N
euregelungen bei den Verpflegungspauschalen Die Reisekosten­reform
bringt eine starke Vereinfachung: Die Mindestabwesenheitszeiten werden herab­
gesetzt. Die Inlandsverpflegungspauschalen liegen bei 12 Euro für Abwesenheiten von mehr mehr als 8 Stunden und 24 Euro bei mindestens 24 Stunden.
Mehr Infos unter: p
h
ttp://reisekosten-2014.de
Quelle: www.haufe.de
auch persönliche Kontakte wichtiger.
Vor allem Messen werden für die Neukontaktgewinnung intensiv genutzt.« In
den vergangenen Jahren ist der Anteil
der Ausgaben für Messen am Marketing­
etat stetig ge­stiegen. Ein Grund ist die
zunehmende Expansion in neue Märkte
im Ausland, die aus Sicht der Hersteller eine vermehrte Präsenz auf lokalen
­Messen erfordert. »Die Erfahrung zeigt
aber auch, dass im Maschinenbau – wo
Geschäftsbeziehungen oft über Jahre
hinweg andauern – nach wie vor sehr
großer Wert auf persönliche Beziehungen gelegt wird«, so Thomin.
Noch etwas verändert den Vertrieb im Maschinenbau grundlegend: Am Markt werden immer häufiger komplexe ­Lösungen
verlangt, nicht nur ­einzelne Maschinen.
Einige Maschinenbauer ziehen sich deshalb aus dem Flächenvertrieb zurück
und konzentrieren sich auf das Projektgeschäft oder die Key ­Accounts. »Wollen
Unternehmen erfolgreich bleiben, müssen sie im engen Kontakt mit ihren Kunden, die Veränderung der Märkte aktiv
begleiten und möglichst mit ihren Produkten mitgestalten«, so Thomin.
Vor allem wer große Unternehmen beliefert, kommt heute um digitale Ab11-12/2013 www.acquisa.de
satzstrategien nicht herum. »Um im Einkauf Prozesskosten zu sparen, werden
besonders standardisierte Produkte, die
nicht im Produktionsprozess selbst zum
Einsatz kommen, über Systeme auf Basis elektronischer Kataloge beschafft«,
sagt Holger Müller, verantwortlich für
eine regelmäßige E-Procurement-Studie
der Uni Würzburg.
Grundlegender Wandel im Vertrieb
»Während alle großen Unternehmen
elektronische Beschaffungssysteme
nutzen, hält man sich im Mittelstand
zurück, denn bei einem kleinen Bestellvolumen gibt es meist nur ­wenig
Sparpotenzial.«Inzwischen werden
auch beim Kauf von Material für den
Produktions­p rozess immer häufiger
­digitale Kanäle genutzt. »Hier stehen
allerdings Prozesssicherheit und Transparenz im Vordergrund«, so der Wirtschaftswissenschaftler. Die Bedeutung
persönlicher Beziehungen zwischen
dem Außendienst der Lieferanten und
den Einkäufern verändere sich dabei
nur ­g raduell. Verträge würden meist
ausgehandelt wie bisher. Über das Web
werden vor allem Bestellungen, Abrufe
»Beim ErschlieSSen
neuer Märkte in den
Schwellenländern sind
persönliche Beziehungen
besonders wichtig.«
Roman Lenz, Principal des Kompetenzzentrums Service und Transport & Logis­tics
bei Homburg & Partner, Mannheim
etc. im Rahmen bestehender Verträge
abgewickelt.
Trotzdem, auch so manche Ausschreibung läuft inzwischen über elektronische Plattformen. Das hat Auswirkungen auf den Vertrieb der Lieferanten.
Zum einen erhöht es den Druck auf die
Preise – Einkaufsmanager schätzen die
Kostenreduzierung an ­diesem Punkt auf
acht bis zehn Prozent, so ein Ergebnis
der Würzburger E-Procurement-Studie.
»Außerdem wächst unternehmensintern die Macht des Einkaufs gegenüber
den Fachabteilungen«, sagt Studienleiter Müller. »Die Außendienstler der Lieferanten können nicht mehr so einfach
am Einkauf vorbei Kontakte zu den Anwendern suchen. Jetzt laufen Entscheidungen nach klaren, vom Einkauf vorgegebenen Regeln.«
Werden die Außendienstler auf diese
Weise also zunehmend ausgebootet?
Nicht unbedingt. Für Vertriebscoach
Wolfgang Schur aus Dachau bedeutet
dies zuerst einmal, dass der Vertrieb
­e ine neue Rolle übernehmen muss.
»Um Erfolg zu haben, muss man heute
eben auch Kontakt zu den Leuten suchen, die elektronische Beschaffungsplattformen betreuen«, so Schur. [ …
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Interview »Vertrieb bleibt People Business«
Prof. Dr. Christian Belz, Leiter des Instituts für Marketing an der Universität St.
Gallen in der Schweiz, über die Bedeutung
­persönlicher Beziehungen im Vertrieb.
acquisa: Sind persönliche Beziehungen im
Vertrieb noch wichtig oder läuft im B2B
bald alles elektronisch ab?
Prof. Dr. Christian Belz: Seit mehr als zehn
Jahren fragen wir regelmäßig nach den
Prioritäten im Vertrieb. Persönliche Beziehungen gehörten immer zu den Top 5. Da
hat sich all die Jahre kaum etwas verändert.
Ich persönlich glaube, dass – nicht zuletzt
durch die Digitalisierung – Beziehungen
immer schlechter werden. Deshalb nimmt
ihre Bedeutung umgekehrt aber zu. Denn
Vertrieb bleibt ein People Business.
Prof. Dr. Christian Belz, Leiter des
Instituts für Marketing an der Universität
St. Gallen, Schweiz
acquisa: Wieso werden Beziehungen immer
schlechter?
Belz: In vielen Unternehmen herrscht im
Grunde Misstrauen. Einkäufer werden häufig alle zwei, drei Jahre ausgewechselt, weil
man Bestechung fürchtet. Auch der Trend
zu E-Procurement und Ausschreibungen
im Internet speist sich aus solchen Befürchtungen. Deshalb werden Schritt für Schritt
immer komplexere Produkte bis hin zu
Logistiklösungen auf diese Weise beschafft.
Persönliche Kontakte lassen sich da nicht
mehr so einfach aufbauen.
acquisa: Bei der elektronischen Beschaffung
spielen Beziehungen eh keine Rolle mehr.
Belz: Das sehe ich anders. Der Vertrieb
muss allerdings mit der Kontaktpflege viel
früher beginnen. Wird eine Ausschreibung
veröffentlicht, ist es eigentlich schon zu
spät. Bereits im Vorfeld müssen Kontakte
geknüpft werden. Im Idealfall kann dann
sogar der Inhalt der Ausschreibung beeinflusst werden. Selbst wer den Zuschlag
erhalten hat, muss am Ball bleiben. Denn
nicht auf jede gewonnene Ausschreibung
erfolgt tatsächlich ein Auftrag. Nicht selten
verläuft sich das im Sande. Die Prozesse bei
den Kunden werden immer länger, teilweise
werden sie abgebrochen. Eine der großen
Vertriebsaufgaben wird es künftig sein,
die Dinge auch nach dem Zuschlag weiter­
zutreiben.
spielt. Diese Entwicklung eröffne um­
gekehrt eine Chance für den Mittel­
stand. »Besser strukturieren als die
Großen kann ein kleiner Betrieb nicht,
aber nun gibt es die Möglichkeit, mit
exzellenten Vertriebsmitarbeitern auf
klassische ­Weise den Umsatz anzukurbeln.«
Die Digitalisierung befördert noch eine
andere Entwicklung, die unser Wirtschaftsleben zunehmend bestimmt:
die Globalisierung. »Im Moment sehen
wir eine Verschiebung der Märkte nach
Osten, Richtung Russland, Indien und
China«, sagt Roman Lenz, Principal des
Kompetenzzentrums Service sowie des
Kompetenzzentrums Transport & Logistiscs bei der international tätigen Unternehmensberatung Homburg & Partner,
Mannheim. »Das zieht automatisch eine
entsprechende Verlagerung von Produktion und Vertrieb nach sich.« In den
Schwellenländern mit ihren zum Teil
extrem hohen Wachstumsraten finde
zudem eine Konzentration statt. Kleinere
Unternehmen werden hier von den größeren übernommen oder verdrängt. Für
deutsche Mittelständler bedeutet dies,
dass sie ihre Geschäfte immer häufiger
mit Großkunden und immer weniger
mit kleineren Firmen machen. »Beim Erschließen neuer Märkte in den Schwellen­
ländern sind persönliche Beziehungen
besonders wichtig«, so Lenz. » Auch mittel­
ständische Unternehmen brauchen deshalb einen Global Key Accounter.«
Globalen Key Account aufbauen
»Vertriebs­mitarbeiter sollten sich also
ab und zu mit Administratoren zusammensetzen und sie fragen, welche Dinge ihnen wichtig sind und wie die Abläufe bei ­ihnen sind. Darin besteht eine
ganz große Chance für den Vertrieb.«­
Der Kontakt zu den Anwendern in
den Fachabteilungen sei außerdem
keineswegs unwichtig geworden, im
Gegenteil. Dort werden die Vorgaben
erstellt, die dann ihren Weg in die Aus­
schreibungen im Netz finden.
Dennoch führt die technische Ent­
wicklung nach Schurs Ansicht zu einem
schleichenden Wandel im Vertrieb. »Das
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Wissen über die Kunden wird ­heute
­immer stärker in das CRM-System geholt, die alltägliche Arbeit der Vertriebsmitarbeiter bestimmt damit mehr und
mehr das Marketing«, bedauert der
langjährige Coach. Da sich der Wert
eines Vertrieblers nicht zuletzt durch
seine Kontakte bemisst, drücke diese
Entwicklung am Ende auch die Ge­
hälter. Vor allem aber werde die Arbeit
im Verkauf für entscheidungsfreudige
Menschen, die etwas bewegen wollen,
unattraktiver. Diese würden verstärkt
in kleinere Unternehmen abwandern,
in denen CRM noch keine große Rolle
Etwas anders präsentiert sich für Lenz
das Bild in den westlichen Märkten.
Hier spielen Vertriebskosten eine größere Rolle, die Digitalisierung wird hier
deshalb stärker vorangetrieben. Es sind
aber vor allem standardisierte Produkte,
die auf elektronischem Weg umgesetzt
werden. »Bei komplexen Produkten und
Dienstleistungen sieht es anders aus –
hier geht es nicht ohne Menschen«, so
Lenz. Dreh- und Angelpunkt sind die Key
Accounter, an die aber neue Anforderungen gestellt werden: Interkulturelle
Kompetenz, Sicherheit im Umgang mit
elektronischen Medien und eine höhere
Bereitschaft zur Mobilität sind gefragt.
www.acquisa.de 11-12/2013
»Die Söldner im Vertrieb, die für Geld alles
machen, sterben aus. Um gute Verkäufer zu
finden, muss sich ein Unternehmen deshalb als
attraktiver Arbeitgeber präsentieren.«
Martin Limbeck, Verkaufstrainer, Königstein/Taunus
Einen Wandel in den Aufgaben des Vertriebs sieht auch Verkaufstrainer ­Martin
Limbeck aus Königstein im Taunus: »Vor
zehn Jahren konnte ein Verkäufer auf
gut Glück zu einem Kunden fahren. Das
geht heute gar nicht mehr. Außendienstmitarbeiter müssen umfassend über den
Kunden informiert sein, wenn sie zum
Gespräch kommen.« Denn auch der Kunde geht nicht unvorbereitet in Verhandlungen, sondern holt sich bereits vorher
das notwendige Wissen über Produkte,
Preise oder Angebote der Konkurrenz.
Außendienstler sollten sich zudem über
ihre Gesprächspartner kundig machen,
sollten wissen welche Rolle sie im Unternehmen spielen, welche Entscheidungskompetenz sie besitzen und wie
sie persönlich ticken. »Aktivitäten in den
­sozialen Netzwerken lassen recht ­gute
Rückschlüsse über die Persönlichkeit
eines Menschen zu«, so Limbeck.
Nicht nur die Aufgaben haben sich verändert, es findet sich im Vertrieb auch
ein anderer Menschenschlag als noch
vor 15 Jahren. »Heute spielen Dinge wie
Arbeitsumfeld oder Work-Life-Balance
eine größere Rolle. Trotz aller Verän-
derungen werde in Zukunft nicht alles
digital ablaufen, glaubt Limbeck: »Menschen machen Geschäfte mit Menschen.
Und das wird so bleiben.«
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