Mehr Freiheit, weniger Kontrolle?

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DIALOGMARKETING & SOCIAL MEDIA _ Call-Center
Mehr Freiheit, weniger Kontrolle?
Was muss Führung in Contact-Centern heute leisten? Eine Frage, mit der sich Verantwortliche
für Marketing und Markenführung beschäftigen sollten. Schließlich wirkt sich gute Führung
auf die Leistung der Mitarbeiter aus.
Text _ Manfred Stockmann
Unbestritten ist, dass Kundenerwartungen und Kundendialog einem stetigen und immer schnelleren Wandel
unterliegen. Um die damit verbundenen Anforderungen erfüllen zu
können, müssen sich Mitarbeiter aller
Ebenen diesem stellen und ebenso mitentwickeln. Die Erkenntnis an sich ist
nicht neu, und doch fällt vielen Unternehmen und ihren Führungskräften
die kontinuierliche Umsetzung immer
wieder schwer. Verantwortliche für
Markenwahrnehmung können anhand
bestimmter Ansatzpunkte erkenn, wie
die passende Ausrichtung aussieht.
Wenn wir hier von Führung sprechen,
dann adressieren wir zwei Ebenen: Zum
einen die für das Contact-Center oder
ein größeres Projekt gesamtverantwortliche Position, beispielsweise die
Center-Leitung, und dann die operativ
ausführende Position, etwa die Teamleitung.
Mein Vorstandskollege im CCV und
hauptberuf licher Personalleiter bei
AUTOR
Manfred Stockmann
ist Inhaber der
C.M.B.S. Change
Management Bera­tung
& Coaching. Im Ehrenamt ist er
Präsident des Call Center Verbandes
Deutschland e.V. (CCV) und VicePresident des europäischen Dach­
verbandes ECCCO.
p
www.callcenter-verband.de
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­ apita, Leo Staub-Marx, hat die KompleC
xität sehr anschaulich beschrieben: »Ein
Begriff wie Führung ist sehr mächtig.
Er muss in einzelne Begriffe unterteilt
und operationalisiert werden. Begriffe
wie entscheiden, informieren, durchsetzen, Verantwortung übernehmen,
ins Ungewisse handeln und das Fördern
anvertrauter Mitarbeiter werden hier zu
Schlüsselbegriffen. Jeder dieser Schlüsselbegriffe hat es in sich, bedarf einer
inhaltlichen Auseinandersetzung und
muss gelebt werden.«
tun, die Erwartungen der Kunden selbst
nur über die langjährig geübten und
bisher dominierenden Kanäle Telefon
und E-Mail zu erfüllen, erfahren wir tagtäglich. Doch werden im Zuge aktueller
Entwicklungen wie Digitalisierung und
Omnichannel weitere Anforderungen
an die Strukturen, Prozesse und Mitarbeiter in den Unternehmen gestellt.
Die Kunden erwarten schnelle, situativflexible Lösungen und dazu kompetente
und entscheidungsfähige Ansprechpartner. Sie werden anspruchsvoller und
»FÜHRUNG MISSLINGT LEIDER IMMER WIEDER.
ABER SCHEITERN IST EIN WESENTLICHES, NICHT ZU
NEGIERENDES ELEMENT VON FÜHRUNG.«
Dass hier eine ganze Reihe von Fähigkeiten einer Führungskraft abverlangt
werden, zeigt auch, welche Vielfalt
an Verhaltens- und Handlungskompetenzen erforderlich sind, um die Rolle
erfolgreich ausfüllen zu können. Dann
brauchen wir noch eine gemeinsame
Vorstellung von »mehr Freiheit« und
»weniger Kontrolle«. »Mehr« und »weniger« stehen ja in einer Relation zu …? Ja,
zu was überhaupt? Zu heute? Zu früher?
Zu anderen Unternehmensteilen? Da
wird wohl jeder seine eigene Erfahrung
einbringen. Also gehen wir es einmal
anders herum an und betrachten wir,
was Führung in Contact-Centern heute
leisten sollte. Dies müsste sich nun an
den Anforderungen für mögliche Kontakt- und Dialogszenarien orientieren.
Diese sollen ein definiertes Markenerlebnis gewährleisten und werden dabei
mehr und mehr vom Kunden bestimmt.
Wie schwer wir uns heute noch immer
ungeduldiger. Manche behaupten provokativ: »Kunden würden am liebsten
sowieso gleich mit intelligenten Applikationen ohne lästige Kommunikation
und Warteschleifen ihre Anliegen lösen
wollen.« Und so weit hergeholt ist das
nicht, wie beispielsweise die Apps der
Fluggesellschaften beweisen.
Führung im Contact-Center
Ändert sich von den Anforderungen
her wirklich so viel? Oder erhöhen nur
die wachsende Dynamik und andere
gefragte Mitarbeitertypen den Leidensdruck? Rächt sich nun die jahrelang
vernachlässigte Führungskräfteentwicklung und ideenlose Rekrutierungssystematik? »Moment einmal«, höre ich
da schon. »Führungskräfte wie Mitarbeiter werden regelmäßig geschult und
man mache auch Assessmentcenter für
die Personalauswahl.« Mag sein, doch
www.acquisa.de 06/2016
p
NEUES AUS DEM VERBAND
16. Juni 2016
CCV-Regionaltreffen West (Nord)
in Düsseldorf
22. Juni 2016
CCV-Regionaltreffen Süd und
Mitteldeutschland in Erlangen
07. September 2016
CCV-Regionaltreffen Nord
Zu allen Veranstaltungen finden Sie
weitere Informationen unter:
p https://callcenter-verband.de/
termine
was hat sich da wirklich zeitgemäß mitentwickelt? Inhaltlich, methodisch und
von der inneren Haltung zu moderner
Unternehmensführung? Sind die Ansätze wirklich die, mit denen wir das
Personal für die Zukunft ansprechen?
Mit den Konzepten der vergangenen 20
Jahre sind heute keine Rennen mehr zu
gewinnen. Da können Sie nur noch eine
kurze Weile mitlaufen und sich der Illusion hingeben, im Rennen zu sein.
Angefangen bei einem verifizierbaren
Aufgabenprofil über den dazu abgestimmten Rekrutierungsprozess, moderne evaluierte Persönlichkeitsdiagnostik bis hin zu interaktiven Weiterentwicklungsprogrammen für Fach-,
Methoden-, Dialog- und Handlungskompetenz wird es in vielen Bereichen zukünftig nicht mehr weitergehen. Und
da fängt Führung bereits an. Wenn hier
nicht schon das künftig erforderliche
Potenzial identifiziert werden kann, wo
soll es denn später herkommen?
Damit werden wir künftig einfach
noch ein paar mehr Profile in unseren
Contact-Centern vorfinden. Und wir
werden zunehmend Mitarbeiter haben,
die teils oder ganz von zu Hause oder
sonst wo arbeiten werden. Wir werden
ihnen dies ermöglichen, weil wir sie
sonst gar nicht bekommen würden.
Und alle diese sehr unterschiedlichen
Charaktere brauchen dann auch unterschiedliche Arten der Führung. Das
06/2016 www.acquisa.de
ist, genau betrachtet, bereits bisher der
Fall. Diejenigen, die Optionen haben
und sich nicht entsprechend geführt,
gefördert und wertgeschätzt fühlen,
werden gehen. Die anderen bleiben, machen Dienst nach Vorschrift oder haben
innerlich gekündigt. Die Gallup-Studie
zeigt dies seit Jahren immer wieder
deutlich auf.
Dies mag in Zeiten des Arbeitskräfte­
überschusses bedauerlich doch letztlich
heilbar sein. Doch da wir uns nun um
Qualifikationen im Mitarbeitermarkt
bemühen, auf die auch andere Branchen ein Auge geworfen haben, sieht
das schon etwas anders aus. Da sind
beispielsweise die Mitarbeiter, die wir
für die Social-Media-Kommunikation
brauchen, die in Video oder Chat unterwegs sind, die aber auch die Fähigkeit
besitzen, mehr als einen Kontaktkanal
zu betreuen. Und das wissen wir auch
heute schon: Je mehr Skills in einer
Person vereint sein sollen, desto schwieriger ist es, sie zu finden, zu bekommen
und zu behalten.
Menschen, denen wir zur Erfüllung ihrer Aufgaben mehr Kompetenzen zugestehen, um im Interesse der Markenwirkung zu agieren, fordern eine ­andere
Art der Führung ein als Mitarbeiter,
die »nur« eine eng definierte Serviceleistung (beispielsweise Auskunft oder
einfache Bestellannahme) ausführen.
­Erstere fordern in der Tat mehr Freiheiten. Freiheiten, die sie auch brauchen,
da wir bei steigender Dynamik nicht
mehr jede Einzelheit vordefinieren
können.
Ergebnisse erreichen
Auch die Kontrolle sieht anders aus.
Nicht die Erreichung einzelner Ziele
wie Average Handling Time oder Servicelevel entscheidet, sondern das Gesamtergebnis des wahrgenommenen
Markenerlebnisses. Dazu werden Prozess- und Qualitätsfaktoren wie Verfügbarkeit von Informationen, Durchgriff
auf die Lieferkette, direkter Austausch
mit der Produktentwicklung oder Rahmen für Kulanzentscheidungen relevant. Ganz zu schweigen davon, dass
vieles davon nun öffentlich nachvoll-
ziehbare Außenkommunikation des
Unternehmens darstellt – Realtime ohne interne Eskalationsstufen und hierarchische Abstimmungsschleifen. Diese Mitarbeiter werden leichter gehen,
wenn ihr Arbeitsumfeld sie nicht bei
ihren Aufgaben unterstützt, denn sie
haben vielfältige Chancen.
»Bei allen Betrachtungen und idealen
Annahmen zum Thema Führung ist es
wichtig, sich bewusst zu machen, dass
Führung leider immer wieder misslingt
und Scheitern ein wesentliches, nicht
zu negierendes Element von Führung
ist«, betont Leo Staub-Marx . Es sei entscheidend, dass sich der Vorgesetzte
immer der Verantwortung für seine
anvertrauten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bewusst ist. »So sind wir in
unserer Personalentwicklung bestrebt,
> xing.de
Auf unserer Xing News-Seite
versorgen wir Sie mit Trends, Zahlen
und Tipps aus Marketing und
E-Commerce.
das Verständnis eines Vorgesetzten als
Begleiter immer mehr herauszubilden«,
meint Staub-Marx.
Solange die Basis stimmt und sich beide Seiten der gegenseitigen Wertschätzung gewiss sind, werden gelegentliche
Führungs- und Verhaltensfehler toleriert. Nur das Gesamtsystem muss eben
­stimmen – für die Mitarbeiter in den Unternehmen ebenso wie für den ­Kunden.
Denn auch in Zukunft gilt: Mitarbeiter
kommen zu Marken, verlassen aber ihre
Vorgesetzten.
•]
[email protected] SUMMARY
p
MITARBEITERFÜHRUNG Angesichts
einer durch Multichannel komplexer
werdenden Beratung am Telefon bei
gleichzeitigem Anstieg der Kunden­
ansprüche brauchen Mitarbeiter im
Customer Care mehr Freiräume für
eigene Entscheidungen.
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