Eine Frage der menschlichen Haltung

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Strategie & Management
Nachhaltige Personalführung
Eine Frage der
menschlichen Haltung
Für Unternehmen, die aufgrund von Ressourcen nicht jedes neue Managementkonzept bei
sich etablieren wollen und es auch nicht immer können, stellt sich die Frage, welche Bedeutung nachhaltige Personalführung hat und was ihre Grundlage ist.
››Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock, Dr. Alexandra Mannsky, Abdullah Redzepi
Unternehmen sehen sich grundsätzlich
mit einem immer härteren Wettbewerb
konfrontiert: Permanente Innovationen
im internationalen Wettbewerb, Erbrin­
gung von Leistungen in immer höhe­rer
Geschwindigkeit, eine stetige Techno­
logiesierung in den Prozessen for­­dern
qualifizierte Mitarbeitende und (Nach­
wuchs-)Fach- sowie -Führungskräfte.
Gleich­zeitig stehen Unternehmen auf­
grund des demografischen Wandels Fra­
gestellungen in Hinblick auf alternde
Belegschaften und einem hart umkämpf­
ten Arbeitsmarkt um Fach- und Führungs­
kräfte gegenüber (Olbert-Bock et al.
2013). Da zumindest kleine und mittlere
Unternehmen nicht immer auf die Verfüg­
barkeit junger Nachwuchskräfte werden
setzen können, stellt sich die Frage, wie
eine «nachhaltige Personalführung» aus­
sehen kann, im Rahmen derer die Beleg­
schaft dauerhaft zu hoher Produktivität
in der Lage ist.
Konsistente Führung
Unter einer nachhaltigen Personalfüh­
rung wird eine Ausgestaltung der Perso­
nalführung verstanden, die aktuell und
zukünftig ökonomischen Erfolg gewähr­
leistet. Ziel ist das Erzielen kurz- sowie
KMU-Magazin Nr. 1 / 2, Januar / Februar 2014
langfristigen Gewinns. Das Erreichen
dieser Zielfelder setzt ein konsi­­stentes
Führungsverhalten voraus, das insbe­
sondere die Erhaltung von
psychischer und physischer Gesund­
heit,
››
! ››
kurz & bündig
Die zentrale Herausforderung einer nachhaltigen Führung ist es,
Nachhaltigkeitsziele zu formulieren, die auch die sozialen und humanen Ressourcen einbeziehen.
Eine substanzielle Umsetzung
von Nachhaltigkeit scheint weniger durch die Einführung neuer
Managementkonzepte geleistet
werden zu können, sondern vielmehr mit Entwicklung einer gemeinsamen, menschlichen «Haltung» im Unternehmen.
Führungskräfte werden dadurch
zu Garanten von «Workability»
und «Employability», die ihre
Aufgabe als Balance zwischen
der Nutzung und der Erhaltung
der humanen sowie der sozialen
Ressourcen verstehen.
››
››
››persönlichen und beruflichen Kompe­
tenzen in einem dynamischen Umfeld,
››Engagement und Einsatzbereitschaft
sowie
››sozialer Gesundheit der Belegschaften
und ihrer Teilgruppen beinhaltet (Ol­
bert-Bock et al. 2013).
Unternehmen stehen vor der Herausfor­
derung, neben dem Führungshandeln
die Merkmale ihrer Organisation so aus­
zugestalten, dass Mitarbeitende einzeln
sowie in ihrer Zusammensetzung und
-arbeit dauerhaft zu Leistung und hoher
Produktivität in der Lage sind. Über den
langfristig positiven Effekten für die
Unternehmensleistung hinausgehend,
wirkt sich ein nachhaltiger Umgang mit
sozialen und humanen Ressourcen güns­
tig auf das soziale und gesellschaftliche
Umfeld aus. Unternehmen profitieren da­
von langfristig selbst und tragen ihrer
gesellschaft­lichen Verantwortung Rech­
nung (sh. Tabelle).
Sowohl in Hinblick auf Nachhaltigkeit
als auch auf demografiebezogene Mass­
nahmen fehlen bisher allerdings umfas­
sende, zielgerichtete Evaluationen ihres
Nutzens und Erfolgs in vielen Unterneh­
men. Um nun die Organisation im Sinne
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Strategie & Management
der Erhöhung humaner und sozialer
Ressourcen zu gestalten, ist zu be­
rücksichtigen, dass – aufgrund einer
zunehmenden Komplexität und sich
wandelnder Arbeitsanforderungen –
pauschale Gestaltungsempfehlungen
für die Ausgestaltung von Personalfüh­
rung immer schwieriger werden. Aber
dennoch braucht es gewisse Stossrich­
tungen, die Überlegungen zu einer nach­
haltigen Personalführung in Unterneh­
men unterstützen.
Gestaltungsempfehlungen
Eine zentrale Gestaltungsempfehlung im
Bereich der Personalführung ist z. B.,
dass Arbeit für Mitarbeitende möglichst
hohe Grade der Selbstorganisation und
eine ganzheitliche Aufgabenerfüllung
vorsieht – eine Ausgestaltungsform, die
beispielsweise insbesondere in Projekt­
arbeiten der IT-Branche gegeben ist. Bei­
Stichwort: Humane und soziale Ressourcen
Humane Ressourcen sind die Fähigkeiten,
Fertigkeiten und Motivationen, die personengebunden sind und in unterschiedlichem Umfang sowie unterschiedlicher
Qualität in den Leistungserstellungsprozess eingehen. Soziale Ressourcen beziehen sich auf die Qualität der Beziehungen
zwischen den Menschen (Olbert-Bock et
al. 2013). Sie gehören, gemeinsam mit der
spielsweise dort kann sie jedoch zu einer
besonders starken Auslastung und Er­
schöpfung führen (siehe dazu Gerlmaier
et al. 2010). Denn so bringen zunächst
intrinsisch motivierte Personen vielfach
mehr ein, als zunächst ausdrücklich ver­
langt wurde, was sich aber im unmittel­
baren Kundenkontakt als notwendig
erweist.
verfügbaren Technologie, der Reputation
und der Kultur eines Unternehmens, zu
den relevantesten immateriellen Ressourcen (Surroca u.a. 2010: 466). Soziale Ressourcen gelten innerhalb und ausserhalb
des Unternehmens als Grundlage der dauerhaften Leistungsfähigkeit humaner Ressourcen (Olbert-Bock et al. 2013).
Fehlen hier geeignete Regulationsmecha­
nismen in Unternehmen oder ist die Ge­
samtsituation der Personalführung wie­
derholt so, dass nur durch Zusatzenga­gements tatsächlich die Ziele erreichbar
bleiben, kann dies dauerhaft zu intensi­
ven Arbeitssituationen, Selbstausbeutung
oder verdeckter Fremdausbeutung füh­
ren. Belastete Mitarbeitende im gewähl­
Nachhaltiger Umgang mit Human Resources
Arbeitgeber /
Unternehmen
Individuum /
Mitarbeitende
Familie /
Gemeinde
System als Ganzes /
Gesellschaft /
Öffentlichkeit
Produktivität, Unternehmensergebnisse
Bessere Gesundheit
Höhere Lebensqualität
Unfallvermeidung
Leistungsfähigkeit
Schülerleistung
Engagement in anderen
Lebensbereichen
Ausbildungsquote
Geringere Krankheitsund Rehabilitationskosten
Erhalt des Know-hows /
Humankapitals
Erhalt von Energie und Engagement
Reduktion von krankheitsbedingten Fehlzeiten
Reduktion der Fluktuation
...
Leistungsfähigkeit
der Kinder im
Erwachsenenalter
…
Gesund verbrachte
(«quality-adjusted»)
Lebensjahre
Höheres gesellschaftliches
Humankapital
…
Reduktion von Rekrutierungskosten
Image
…
Beispielhafte Effekte eines nachhaltigen Umgangs mit humanen und sozialen Ressourcen für Unternehmen, den Einzelnen sowie sein soziales und das
gesellschaftliche Umfeld (nach Tompa 2013)
KMU-Magazin Nr. 1 / 2, Januar / Februar 2014
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ten Beispiel bewerten das Führungsklima
und die soziale Unterstützung als gerin­
ger (Gerlmaier et al. 2010).
Erfolgsversprechender scheint ein geeig­
netes Führungshandeln, im Rahmen des­
sen Gesundheit, persönliche Entwicklung
und soziale Gesundheit des Mitarbeiten­
den Gegenstand alltäglicher Aufmerk­
samkeit und des Dialogs sind. Dement­
sprechend kann auch individuell auf die
spezifische Situation eingegangen wer­
den, ohne umfassende Managementinst­
rumentarien zu nutzen. Weiterhin könnte
beispielsweise eine gute Balance zwi­
schen persönlicher und beruflicher Wei­
terentwicklung aufgegriffen werden, in­
dem Laufbahnen stärker individualisiert
und über das eigene Unternehmen hin­
ausgehend gedacht werden.
Einfluss Unternehmenskultur
Die Bildung eines Rahmens zur Entwick­
lung von Mitarbeitenden und (Nach­
wuchs-)Führungskräften sowie das Kre­ieren von Räumen, in denen Führungs­
kräfte und Mitarbeitende nachhaltig
agieren können, kann durch die Unter­
nehmenskultur, die bedeutenden Ein­
fluss auf die Effekte von Führung nimmt,
begünstigt bzw. geschaffen werden. Auch
wenn es bisher wenige konkrete Aussa­
gen über die für nachhaltiges Handeln
förderlichen und hemmenden Merkmale
von Unternehmenskulturen gibt, ist da­
von auszugehen, dass ein wertschätzen­
des Begegnen und ein Aufzeigen des
eigenen Nutzens sowie Menschlichkeit
und Zukunftsorientierung des Handelns
der Unternehmensmitglieder günstige
Be­dingungen bieten. Hingegen scheinen
Durchsetzungskraft und eine ausge­
prägte Leistungsorientierung einem
nachhaltigen Umgang mit humanen und
sozialen Ressourcen eher hinderlich zu
sein (Parboteeath et al. 2011; OlbertBock & Ehnert 2013).
Bereits auf Basis dieser wenigen Erkennt­
nisse wird ersichtlich, dass die aufge­
zeigte individuelle und wertschätzende
Personalführung einen entscheidenden
KMU-Magazin Nr. 1 / 2, Januar / Februar 2014
Strategie & Management
Literatur
Gerlmaier, A., Kümmerling, A. & Latniak, E. (2010): Gesund altern in Hightech-Branchen? Im Spannungsfeld von Innovation und Intensivierung. Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation, IAQ-Report, Nr. 2010-04.
Olbert-Bock, S. & Ehnert, I. (2013): Nachhaltigkeit und HRM: Impulse für eine
nachhaltige Unternehmensentwicklung. Ochsenbein, G., Pekruhl, U., & Spaar, R.
(ed.): Human Resource Management Jahrbuch 2013. pp. 207– 250.
Olbert-Bock, S., Mannsky, A. & Redzepi, A. (2013): Leadership competencies
for sustainable productivity – Sustainable development of human and social resources and the role of leadership. Paper anlässlich der Konferenz «Work, Wellbeing and Wealth: Active Aging at Work». Helsinki.
Parboteeath, K. P., Addae, H. M. & Cullen, J. B. (2011): Prospensity to Support
Sustainability Initiatives: A Cross-National Model. Journal of Business Ethics,
105, pp. 403 – 413.
Surroca, J., Triobo, J. A. & Waddock, S. (2010): Corporate responsibility and financial performance: the role of intangible resources. Strategic Management
Journal, 31, pp. 463 – 490.
Tompa. E. (2013): Promotion of well-being at Work: Economic Effects. Präsentation anlässlich der Konferenz «Work, Well-being and Wealth: Active Aging at
Work». Helsinki.
Beitrag zur Erhaltung, Weiterentwick­
lung von Kompetenzen der Mitarbeiten­
den und damit zur Erhöhung der sozialen
und humanen Ressourcen in Unterneh­
men leisten kann. Es genügt nicht, die
Sorge für die eigene Gesund- und Kompe­
tenzerhaltung den Mitarbeitenden zu
übertragen, da nicht alles, was sich in ih­
rem Alltag ereignet, auch von ihnen al­
leine geregelt werden kann.
Die Umsetzung
Zusammenfassend ist eine zentrale Her­
ausforderung nachhaltiger Führung, auf
soziale und humane Ressourcen bezo­
gene Nachhaltigkeitsziele zu formulieren.
Um langfristig von hohen Gewinnen zu
profitieren, sind sie gleichberechtigt zu
kurzfristigen Leistungsgrössen zu verfol­
gen. Nachhaltige Führung sollte trotz der
bestehenden Markt­erfordernisse in ihren
Überlegungen die langfristigen Ziele
nicht zugunsten der kurzfristigen ausser
Acht lassen. Nur wenn die Bereitschaft be­
steht, ausreichend in den Ressourcener­
halt zu investieren, wird sich ein beste­
hendes «Knowing-Doing-Gap» zwischen
Konzepten nachhaltiger Personalführung
und ihrer Umsetzung schliessen lassen
(Olbert-Bock et al. 2013).
Eine zentrale Rolle im nachhaltigen Um­
gang mit sozialen und humanen Res­
sourcen sowie der Implementierung von
Nachhaltigkeit im alltäglichen Handeln
werden die Führungskräfte innehaben.
Daher ist auch ihrer Personalentwick­
lung in Zukunft eine hohe Aufmerksam­
keit zu schenken und die bestehenden In­
strumente zur Auswahl und Steuerung
von Führungskräften sind zu optimieren.
Fähigkeiten, die vermutlich eine Be­
deutung für das Nachhaltigkeitsengage­
ment haben, sind systemisches Denken,
Selbstreflexion, kritisch-konstruktives
Denken sowie Fähigkeiten zum Dialog
mit unterschiedlichen Stakeholdern und
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Strategie & Management
zur integrativen Entscheidungsfindung
(Olbert-Bock & Ehnert 2013). Führungs­
kräfte werden in Unternehmen unter
Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu Ga­
ranten von «Workability» und «Employa­
bility», die ihre Aufgabe als Gestaltung
der Balance zwischen Nutzung und Er­
haltung der humanen und sozialen Res­
sourcen verstehen.
Porträt
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock ist Professorin und Leiterin
des Kompetenzbereichs Leadership und Personalmanagement am Institut IQB-FHS der FHS St. Gallen.
Selektionsinstrumente sollten entspre­
chend angepasst werden, um jene Füh­
rungskräfte zu selektionieren, die nicht
nur Interesse an kurzfristiger Zielerrei­
chung haben, sondern in der Lage sind,
langfristige Ziele mit genauso viel Enga­
gement zu setzen und deren Erreichung
aufzugleisen. Dies ist eine notwendige
Grundlage, um Führungskräfte, die
bereits über notwendige Dispositionen
eines nachhaltigen Handelns verfügen,
aktiv in verantwortliche Positionen zu
bringen (Olbert-Bock et al. 2013).
Der angemessene Einsatz geeigneter
Führungsinstrumente erfordert, solche
Rahmenbedingungen zu gestalten, die
eine nachhaltige Führung und Selbstfüh­
rung zulassen. Eine substanzielle Umset­
zung von Nachhaltigkeit scheint weniger
durch die Einführung neuer Mana­
gementkonzepte geleistet werden zu
können. Vielmehr geht es um die Bear­
beitung der richtigen Fragestellungen
und Entwicklung einer gemeinsamen,
menschlichen «Haltung» im eigenen Un­
ternehmen. «
Dr. Alexandra Mannsky
Dr. Alexandra Mannsky ist Dozentin im Kompetenz­
bereich Leadership und Personalmanagement am Institut
IQB-FHS der FHS St. Gallen.
Abdullah Redzepi
Abdullah Redzepi, MSc Business Administration, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzbereich Leadership und Personalmanagement am Institut IQB-FHS
der FHS St. Gallen.
Kontakt
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