Kapitel 4 Analysis

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Kapitel 4
Analysis
143
Kapitel 4.1
Körper der reellen Zahlen
144
Wir kennen schon den Körper Q der rationalen Zahlen:
a
Q = { : a, b ∈ Z,
b
b 6= 0}.
Die natürliche Ordnung É auf Q ist eine totale Ordnung.
Überdies gilt folgendes für alle x, y, z ∈ Q:
xÉy
x É y, 0 É z
⇒ x+z É y+z
⇒ xz É yz
Man sagt, dass (Q, É) ein geordneter Körper ist.
145
Für die Zwecke der Analysis ist Q nicht geeignet.
p
Bekanntlich bezeichnet x = 2 eine positive Zahl mit x2 = 2.
Allerdings ist x nicht rational. (Satz 1.4).
Es scheint, dass Q “lückenhaft” ist.
Durch Übergang von Q nach R kann dieser Mangel behoben
werden.
146
Die reellen Zahlen
Definition 4.1
Die reellen Zahlen sind ein Körper (R, +, ·) zusammen mit einer
Anordnung, gegeben durch den Positivitätsbereich R+ ⊆ R. Hierfür
gelten die folgenden Axiome
(A) Anordnungsaxiome
(A.1) Für jedes x ∈ R gilt genau eine der Aussagen
x ∈ R+ ,
x = 0,
−x ∈ R+
(A.2) Wenn x, y ∈ R+ , dann ist auch x + y ∈ R+
(A.3) Wenn x, y ∈ R+ , dann ist auch x · y ∈ R+
(V) Vollständigkeitsaxiom
Jede nicht leere und nach oben beschränkte Teilmenge von R
besitzt eine kleinste obere Schranke.
Wir zeigen nicht die Existenz von R.
147
Definition 4.2
Wir definieren für x, y ∈ R x > y genau dann, wenn x − y ∈ R+ .
Weiterhin definieren wir x Ê y, wenn x > y oder x = y.
Ferner definieren wir x < y, wenn y > x und x É y, wenn y Ê x.
Satz 4.3
i) Die Relation É ist eine totale Ordnung
ii) x < y impliziert x + z < y + z
iii) x < y und z É w impliziert x + z < y + w
iv) x < y und z > 0 impliziert x · z < y · z
v) x < y impliziert −x > −y
vi) x < y und z < 0 impliziert x · z > y · z
148
Was bedeutet das Vollständigleitsaxiom?
Definition 4.4 (Obere Schranke, Supremum)
Sei M ⊆ R und M 6= ;. Eine Zahl β ∈ R a heißt obere Schranke von
M, wenn x É β für alle x ∈ M gilt.
Eine Zahl β∗ heißt kleinste obere Schranke oder Supremum von M,
wenn β∗ É β für alle oberen Schranken β von M.
a β muss nicht aus M sein
149
Was ist jetzt
p
2
Betrachte M ⊆ R mit M = {x ∈ R : x2 É 2}.
M ist nicht leer, da 0 ∈ M.
M ist nach oben beschränkt, für alle x ∈ M auch x É 2 folgt.
Satz 4.5
Sei β eine kleinste obere Schranke von M, dann gilt
β2 = 2
150
Definition 4.6
Sei M ⊆ R. Wir definieren x = max(M), wenn x ∈ M und x Ê m für
alle m ∈ M gilt.
Wir definieren x = min(M), wenn x ∈ M und x É m für alle m ∈ M
gilt.
Definition 4.7
Der Absolutbetrag von x ∈ R ist definiert als
|x| := max{x, −x}
151
Lemma 4.8
Für x, y ∈ R gilt
(1) |x| Ê 0. Es gilt |x| = 0 ⇔ x = 0.
(2) |xy| = |x| · |y|, | xy | =
|x|
|y|
falls y 6= 0
(3) (Dreiecksungleichung) |x + y| É |x| + |y|
(4) | |x| − |y| | É |x − y|
152
Kapitel 4.2
Der Begriff des Grenzwerts
153
Literaturhinweis
Ï
Michael Spivak, Calculus, Kapitel 21
Ï
Dirk Hachenberger, Mathematik Für Informatiker, Kapitel 13
Beide Bücher finden Sie in meinem Seminarapparat in der
Bibliothek
154
Definition 4.9
Unter einer Folge reeller Zahlen versteht man eine Abbildung
N → R, n 7→ an von der Menge der natürlichen Zahlen N in die
Menge der reellen Zahlen R.
Verschiedene Schreibweisen sind in Gebrauch:
(an )n∈N ,
(an ),
oder a0 , a1 , a2 , . . .
Man nennt an das Folgenglied zum Index n oder n-tes Folgenglied.
Manchmal beginnt die Folge mit dem Index 1 statt 0.
155
Betrachte die Zahlenfolge
a1 = 1,
1
a2 = ,
2
1
1
a3 = , . . . , an = , . . . .
3
n
Keines der Folgenglieder an ist Null, aber mit wachsendem Index n
kommen die Folgenglieder an immer näher an die Null heran.
Man sagt: die Zahlen an konvergieren (oder streben) mit
wachsendem n gegen 0 und schreibt
lim an = 0
n→∞
oder
an → 0 (n → ∞).
156
an
1
b
b
ε = 1/3
b
b
0
−ε = −1/3
1
2
3
4
ε
b
b
b
b
b
5
6
7
8
9
b
n
−1
Die Folgenglieder an = 1/n, die in dem grünen Streifen liegen,
haben Abstand É ε = 1/3 von 0.
Dies ist ab dem dritten Folgenglied der Fall.
157
Folgendes stellen wir fest:
In jedes noch so kleine Intervall um 0 fallen alle Folgenglieder an
mit Ausnahme endlich vieler hinein.
Tatsächlich gilt für jede Toleranz ε > 0, dass
|an | < ε,
sobald n > ε1 .
Somit existiert für jede Toleranz ε > 0 eine Schwelle nε (nämlich
nε = ⌈1/ε⌉ + 1), so dass für jeden Index n Ê nε gilt, dass |an | < ε.
Dieser Sachverhalt lässt sich mittels Quantoren folgendermassen
knapp aufschreiben:
∀ε > 0 ∃nε ∀n Ê nε |an | < ε.
158
Die Archimedische Eigenschaft der reellen Zahlen
In dem vorangehenden Argument haben wir stillschweigend
angenommen, dass es für jedes ε > 0 aus den reellen Zahlen eine
natürliche Zahl gibt, die mindestens den Wert 1/ε hat. Mit anderen
Worten, kein 1/ε mit ε > 0 ist eine obere Schranke von N. Das
wollen wir im folgenden noch beweisen.
Satz 4.10 (Archimedische Eigenschaft)
N ist nicht beschränkt.
Beweis.
Wenn N beschränkt ist, dann existiert nach dem
Vollständigkeitsaxiom 4.1 eine kleinste obere Schranke β∗ von N.
Allerdings ist β∗ − 1 keine obere Schranke von N. Daher existiert
eine natürliche Zahl n ∈ N mit n > β∗ − 1. Die Zahl n + 1 ist auch eine
natürliche Zahl. Es gilt aber n + 1 > β∗ . Ein Widerspruch!
159
Die zentrale Definition der Konvergenz und des
Grenzwertes
Definition 4.11
Eine Folge reeller Zahlen an konvergiert gegen die Zahl a, falls
∀ε > 0 ∃nε
∀n Ê nε
|an − a| < ε.
Die Zahl a heisst Grenzwert der Folge, und man schreibt
a = lim an .
n→∞
Folgen, die einen Grenzwert haben, heissen konvergent,
andernfalls divergent.
Bemerkung 9
Der Grenzwert einer Folge ist eindeutig bestimmt, falls er existiert.
160
Erläuterung an einem Bild
an
b
ε
b
a
b
b
b
b
b
b
b
b
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
n
Für alle n Ê 4 hat an Abstand kleiner als ε zu a.
Setze nε := 4. Für alle n Ê nε gilt |an − a| < ε.
161
Beispiel 4.12
Betrachte die Zahlenfolge an = (−1)n .
an
1
a
0
b
1
−1
b
2
b
3
b
4
b
5
b
6
b
7
8
n
b
Diese folge ist divergent.
Für jede Zahl a ∈ R gilt max{|1 − a|, | − 1 − a|} Ê 1. Da 1 = an , wenn n
gerade und −1 = an , wenn n ungerade gibt es für ε > 0 mit ε < 1
daher kein nε ∈ N mit |an − a| < ε für alle n Ê nε .
162
Beispiel 4.13
1. limn→∞ (−1)n /n = 0 (Oszillation)
an konvergiert gegen 0.
Beweis: Sei ε > 0. Wähle wieder nε = ⌈1/ε⌉ + 1. Dann gilt für alle
n Ê nε
1/n
É 1/(⌈1/ε⌉ + 1)
< ε.
Also gilt für n Ê nε
|an − 0| = |an | = 1/n < ε.
2. Konstante Folgen an = β, n ∈ N sind konvergent.
163
Satz 4.14 (Bernoullische Ungleichung)
Für h ∈ R, h > −1 und n ∈ N gilt:
(1 + h)n Ê 1 + nh.
Beweis.
Induktion über n.
n = 0: (1 + h)0 = 1 Ê 1 + 0 · h
n > 0:
(1 + h)n
=
IV
(1 + h)n−1 · (1 + h)
| {z }
Ê0
Ê
(1 + (n − 1) · h)(1 + h)
Ê
1 + n · h.
=
1 + n · h + (n − 1) · h2
| {z }
Ê0
164
Beispiel 4.15 (Geometrische Folge)
Sei q ∈ R, |q| < 1. Dann gilt
lim qn = 0.
n→∞
Analog wie oben zeigt man, dass die geometrische Folge (qn ) für
|q| > 1 unbeschränkt ist.
Insbesondere ist die geometrische Folge dann nicht konvergent.
165
Definition 4.16
Eine gegen Null konvergente Folge nennt man auch eine Nullfolge.
Definition 4.17
Eine Folge (an ) heißt beschränkt, falls es eine Schranke M ∈ R gibt,
so dass |an | É M für alle n gilt. Andernfalls heißt die Folge
unbeschränkt.
Satz 4.18
Wenn an eine konvergente Folge ist, dann ist an beschränkt.
166
Beweis Satz 4.18.
Sei a ∈ R der Grenzwert von an .
Für ε = 1 gibt es ein n1 ∈ N mit |an − a| < 1 für alle n ∈ N mit n Ê n1 .
Nach Satz 4.8.(4) gilt somit
|an | − |a| É |an − a| < 1
und folglich
|an | < 1 + |a|
für alle n Ê n1 .
Setze M = max{|a0 |, |a1 |, . . . , |an1 −1 |, 1 + |a|}.
Es gilt für alle n ∈ N
|an | É M.
Also ist an beschränkt.
167
Definition 4.19
Eine Folge reeller Zahlen an heisst monoton wachsend falls
an É an+1 für alle n gilt.
Die Folge an heisst monoton fallend falls an Ê an+1 für alle n gilt.
Satz 4.20
i) Eine beschränkte und monoton wachsende Folge ist konvergent.
ii) Eine beschränkte und monoton fallende Folge ist konvergent.
168
Beweis Satz 4.20.
Wir zeigen i). Die Aussage ii) zeigt man ähnlich. Die Menge
U = {an | n ∈ N} ⊆ R ist nicht leer und nach oben beschränkt.
Sei β∗ eine kleinste obere Schranke.
Wir zeigen limn→∞ an = β∗ .
Sei ε > 0.
Da β∗ − ε keine obere Schranke von U existiert ein n′ ∈ N mit
an′ > β∗ − ε.
Setze nε := n′ .
Wenn n Ê nε , dann gilt anε É an und somit
β∗ − ε < an ⇔ −(β∗ − ε) > −an
Es folgt
|an − β∗ | =
<
=
Damit ist limn→∞ an = β∗ gezeigt.
β ∗ − an
β∗ − (β∗ − ε)
ε.
169
Beispiel 4.21
Es gilt
lim
n→∞
p
n
n = 1.
170
Kapitel 4.3
Rechenregeln für Grenzwerte
171
Satz 4.22
Seien (an ) und (bn ) konvergente Folgen mit den Grenzwerten a bzw.
b. Dann gilt:
i) (an + bn ) ist konvergent mit Grenzwert a + b.
ii) (an · bn ) ist konvergent mit Grenzwert a · b.
iii) (an /bn ) ist konvergent mit Grenzwert a/b, falls b 6= 0.
172
Grenzwerte sind kompatibel mit der Ordnung der reellen Zahlen,
wie der folgende Satz zeigt.
Satz 4.23
Seien (an ) und (bn ) konvergente, reelle Zahlenfolgen mit den
Grenzwerten a bzw. b.
Gilt an É bn für alle bis auf endlich viele n, dann folgt a É b.
Beweis Übung.
173
Nützlich sind ferner folgende, leicht zu beweisende Aussagen.
Satz 4.24
1. Gilt limn→∞ an = a, so folgt
lim |an | = |a|
n→∞
2. Gilt limn→∞ an = 0 und ist (bn ) beschränkt, so folgt
limn→∞ an bn = 0.
3. (Eingabelung) Gilt an É xn É bn für alle n und
lim an = lim bn = x,
n→∞
n→∞
so folgt
lim xn = x.
n→∞
174
Beweis
1. Sei ε > 0. Wir müssen ein nε bestimmen mit ||an | − |a|| < ε für
alle n Ê nε . Da an gegen a konvergiert, gibt es N ∈ N mit
|an − a| < ε für alle n Ê N.
Es gilt ||an | − |a|| É |an − a| < ε für alle n Ê N.
Setze nε := N.
2. Sei ε > 0. Jetzt sollte Ihnen klar sein, dass wir ein nε ∈ N suchen
mit |an · bn − 0| < ε für alle n Ê nε .
Sei M ∈ R+ mit |bn | < M für alle n ∈ N.
Da an gegen 0 konvergiert gibt es ein N ∈ N mit
∀n Ê N
|an − 0| = |an | < ε/M
Es gilt für alle n Ê N
|an · bn − 0| = |an · bn | = |an | · |bn | < ε/M · M = ε.
Setze nε := N.
175
Weiter mit Beweis von Satz 4.24.
3)
a
Sei ε > 0. Es gibt ein N ∈ N mit |an − x| < ε und |bn − x| < ε für
n Ê N. Es gilt
an − x É xn − x É bn − x.
Sei n Ê N. Wenn xn − x Ê 0, dann gilt auch bn − x Ê 0 und
|xn − x| É |bn − x| < ε. Wenn xn − x < 0, dann gilt
|xn − x| = −(xn − x) É −(an − x) = |an − x| < ε.
Setze nε := N.
a Wie in der Vorlesung erwähnt war der Beweis aus der Vorlesung unvollständig.
Wir können nicht Satz 4.23 anwenden, da wir noch zeigen müssen, dass xn
konvergiert.
176
Definition 4.25
Eine Folge reeller Zahlen an heisst uneigentlich konvergent gegen
∞, wenn
∀M ∃nM ∀n Ê nM an > M.
In Worten:
Für jede Schranke M gibt es eine Schwelle nM , so dass an > M für
alle Indizes n Ê nM gilt.
Man schreibt dann limn→∞ an = ∞.
177
Beispiel 4.26
1. limn→∞ n = ∞.
2. Die Folge ((−1)n n) ist nicht uneigentlich konvergent.
Die Rechenregeln von vorher lassen sich bei geeigneter Festlegung
des Rechnens mit dem Symbol ∞ auf uneigentlich konvergente
Folgen erweitern. Wir gehen darauf nicht im Detail ein.
Beispiel 4.27
Ist limn→∞ an = ∞ und (bn ) eine beschränkte Folge, so gilt
limn→∞ (an + bn ) = ∞.
Wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, verstehen wir
unter Konvergenz immer eigentliche Konvergenz.
178
Kapitel 4.4
Teilfolgen und der Satz von Bolzano-Weierstrass
179
Definition 4.28
Eine Teilfolge von an ist eine Folge der Form
an1 , an2 , an3 , . . .
wobei die nj natürliche Zahlen sind mit
n1 < n2 < n3 < · · ·
Definition 4.29
Der Grenzwert einer konvergenten Teilfolge von an heißt
Häufungspunkt von an .
180
an
b
b
b
1
0
b
1
−1
b
2
3
b
4
5
b
6
7
8
b
9
n
b
Die Teilfolge a2 n von an = (−1)n + 1/n konvergiert gegen 1
1 und −1 sind Häufungspunkte von an .
181
Definition 4.30
Eine Zahl n ∈ N heißt Peakpoint der Folge an , wenn für alle m > n
am < an gilt.
182
an
4
b
b
3
b
b
b
b
2
b
b
b
1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
n
−1
2 und 6 sind Peakpoints.
183
Lemma 4.31
Jede Folge an hat eine monoton wachsende oder monoton fallende
Teilfolge.
Beweis.
Fall 1: Die Folge an hat unendlich viele Peakpoints. Seien dies die
Zahlen n1 < n2 < n3 < · · · .
Es gilt an1 > an2 > an3 > · · ·
Folglich ist ank eine monoton fallende Teilfolge.
Fall 2: Die Folge an hat endlich viele Peakpoints. Sei n1 ∈ N größer
als alle Peakpoints.
Da n1 kein Peakpoint gibt es n2 > n1 mit an2 Ê an1 .
Da n2 kein Peakpoint gibt es n3 > n2 mit an3 Ê an2 .
Auf diese Art und Weise konstruieren wir eine monoton wachsende
Teilfolge ank .
184
Der Satz von Bolzano-Weierstrass
Satz 4.32 (Satz von Bolzano-Weierstrass)
Jede beschränke Folge hat eine konvergente Teilfolge.
Beweis.
Sei an eine beschränkte Folge.
Nach Lemma 4.31 hat an eine Teilfolge, die Monoton wachsend
oder fallend ist.
Nach Satz 4.20 ist diese Teilfolge konvergent.
185
Weierstrass
* 31.
Oktober 1815 in
Ostenfelde
bei
Ennigerloh/Münsterland
† 19. Februar 1897 in Berlin
186
Kapitel 4.5
Die Eulersche Zahl
187
Als Anwendung für die Erzeugung einer nicht vornherein
charakterisierbaren Zahl betrachten wir die Summe
Sn = 1 +
1
1 1
+ +... + .
1! 2!
n!
Die Folge (Sn ) ist offensichtlich monoton wachsend.
Ausserdem ist sie beschränkt, denn
1
1
1 1
+ + . . . + n−1 = 1 + 2 − n−1 < 3.
2 22
2
2
Gemäss dem vorigen Satz existiert der Grenzwert
Sn É 1 + 1 +
e := lim Sn .
n→∞
188
Definition 4.33
Diese Zahl
³
1 1
1´
e := lim 1 + + + . . . +
≈ 2.71828 . . .
n→∞
1! 2!
n!
heisst Eulersche Zahl.
Wir geben eine andere Charakterisierung der Eulerschen Zahl.
Satz 4.34
Es gilt
³
1 ´n
e = lim 1 +
.
n→∞
n
189
Kapitel 4.6
Das Konvergenzkriterium von Cauchy
190
Das folgende Cauchy-Kriterium garantiert die Konvergenz einer
Folge unter Bedingungen, die sich überprüfen lassen, ohne dass
man den Grenzwert kennt. Dieses Kriterium ist ein grundlegendes
Werkzeug der Analysis.
Definition 4.35
Eine Folge (an ) heisst Cauchyfolge, wenn
∀ε > 0 ∃nε ∀m, n Ê nε |am − an | < ε.
Anschaulich besagt dies, dass sich die Werte der Zahlenfolge nur
noch in einem kleinen Spielraum bewegen können, der beliebig
klein wird, wenn der Index genügend gross gewählt ist.
Satz 4.36 ( Cauchy-Kriterium )
Eine Folge (an ) ist genau dann konvergent, wenn sie eine
Cauchyfolge ist.
191
Beweis Satz 4.36
Sei an konvergent mit Grenzwert a und sei ε > 0. Wir suchen ein nε
mit |am − an | < ε für alle m, n Ê nε .
Da limn→∞ an = a existiert ein N mit |an − a| < ε/2 für alle n Ê N.
Somit gilt für alle m, n Ê N
|am − an |
=
|am − a + a − an |
=
|am − a − (an − a)|
É
|am − a| + |(an − a)|
Dreiecksungl.
<
=
ε/2 + ε/2
ε.
Setze nε := N.
192
Beweis Satz 4.36 (Rückrichtung)
Wir zeigen zunächst, dass jede Cauchy-Folge beschränkt ist.
Mit ε = 1 ergibt die Definition der Cauchy-Folge, dass es ein n1 gibt
mit |am − an | < 1 für alle m, n Ê n1 .
Insbesondere gilt dann
|am − an1 | < 1 für alle m Ê n1 .
Also gilt
|am | < 1 + |an1 | für alle m Ê n1
und da es nur endlich viele Folgenglieder a1 , . . . , an1 −1 vor an1 gibt,
ist somit an beschränkt.
Mit Satz 5.7 hat an also eine konvergente Teilfogle ank . Sei a der
Grenzwert dieser Teilfolge.
Sei nun ε > 0 gegeben. Wir suchen ein nε mit
|an − a| < ε für alle n Ê nε .
193
Weiter mit Beweis Satz 4.36 (Rückrichtung)
Da a eine Häufungspunkt von an gibt es für jedes ε′ > 0 unendlich
viele Folgenglieder die Abstand < ε′ von a haben.
Insbesondere gilt das für ε/2. Es gibt also unendlich viele n ∈ N mit
|an − a| < ε/2.
Da an Cauchy-Folge gibt es ein N mit
|am − an | < ε/2 für alle m, n Ê N.
(1)
Es gibt mit obiger Eigenschaft ein n∗ Ê N mit
|an∗ − a| < ε/2.
(2)
194
Ende Beweis Satz 4.36 (Rückrichtung).
Aus (1) und (2) schließen wir
|am − a|
=
|(am − an∗ ) + (an∗ − a)|
É
|(am − an∗ )| + |an∗ − a|
Dreiecksungl.
<
ε/2 + ε/2 = ε.
Wir setzen also nε := N.
195
Kapitel 4.7
Die Landauschen Symbole
196
Zum Vergleich der Grössenordnung des Wachstums von Folgen
verwendet man die folgende Notation.
Definition 4.37 (Gross Oh)
Seien f , g : N → R. Man schreibt
f (n) = O(g(n)) (n → ∞)
falls N ∈ N und C ∈ R>0 existieren, so dass
∀n Ê N
|f (n)| É C |g(n)|.
Bedeutung
f (n) wächst höchstens so schnell wie g(n).
197
Diese nützliche Schreibweise wird in der theoretischen Informatik
häufig verwendet (asymptotischer Vergleich von Rechenzeit,
Speicherplatz etc. in Abhängigkeit der Eingabegrösse n). Indem
man den Wert der Konstanten C ignoriert, vereinfachen sich
Rechnungen oft erheblich.
Beispiel 4.38
1.
k = 21 n(n + 1) = O(n2 ) “höchstens quadratisches
Wachstum”
Pn
k=1
2. Sei f (n) = 3n3 − 2n + 7. Es gilt
f (n) = O(n4 )
f (n) = O(n3 )
aber nicht f (n) = O(n2 )
3. Der Euklidische Algorithmus durchläuft O(size(a)) viele
Iterationen durch die While Schleife, wobei size(a) die Anzahl
der Bits in der Binärdarstellung von a.
198
Häufig verwendet man auch folgende Schreibweise
f (n) = g(n) + O(h(n)) (n → ∞)
Dies drückt folgendes aus: es gibt eine Funktion k : N → R mit
f (n) = g(n) + k(n) für n ∈ N
und
k(n) = O(h(n)) (n → ∞)
Beispiel 4.39
1
n(n + 1) = 12 n2 + O(n)
2
199
Definition 4.40 (klein Oh)
Seien f , g : N → R. Man schreibt
f (n) = o(g(n)) (n → ∞)
f (n)
falls limn→∞ g(n) = 0.
Bedeutung
f (n) wächst langsamer als g(n).
Beispiel 4.41
Ï
n = o(n2 )
Ï 1 n(n + 1) = 1 n2 + 1 n = 1 n2 + o(n2 )
2
2
2
2
Ï
Ï
mit einer ähnlichen
Interpretation wie oben
p
n + 3 n = n + o(n)
n log n = o(n2 )
(vgl. später)
200
Die Schreibweise f (n) = O(g(n)) ist eine obere Abschätzung des
Wachstums von f . Eine untere Abschätzung wird wie folgt
geschrieben.
Definition 4.42 (Gross Omega)
Seien f , g : N → R. Man schreibt
f (n) = Ω(g(n)) (n → ∞)
falls N ∈ N und c ∈ R>0 existieren, so dass
∀n Ê N
|f (n)| Ê c |g(n)|.
Bedeutung
f (n) wächst mindestens so schnell wie g(n).
Bemerkung 10
f (n) = Ω(g(n)) ist äquivalent zu g(n) = O(f (n))
201
Definition 4.43 (Theta)
Seien f , g : N → R. Man schreibt
f (n) = Θ(g(n)) (n → ∞)
falls f (n) = O(g(n)) und g(n) = O(f (n))
(n → ∞)
Bedeutung
f (n) wächst genau so schnell wie g(n).
Beispiel 4.44
1 4
n − 3n3 + 5n2 − 7n − 1 = Θ(n4 )
2
202
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