stein! Prinsloos schlacksig-flapsige Inszenierung jedoch ließ sie im Stich und degradierte ihre schauspielerischen Leistungen zu Unbeholfenheiten. Das Skurrile und Abgründige des Werkes verlangt nicht nach einer Visualisierung. Bei Grubers Frankenstein!! ist es wie bei einem guten Horrorfilm: Man Wenn die Regie versucht, den ent- spürt das Grauen, man bekommt es aber persönlichten Agitatoren ein menschli- nicht zu Gesicht. Es ist hörbar als ches Gesicht zu verleihen und psychi- Geräusch der Stille zwischen den einzel- sche Beweggründe für die Maßnahme zu nen musikalischen Bildern und Bildchen, suchen, greift sie fehl. (Nicht umsonst die Ahnung und die Erwartung des Zuhö- trugen die Schauspieler bei der Berliner rers sind die Motoren jenes wesenlos Uraufführung sie Schrecklichen, das Gruber und H. C. Art- eben nicht als Persönlichkeiten auf der mann mit Witz und Ironie beschwören. Bühne standen, sondern als Ideenträ- Prinsloo hingegen muß alles zeigen. Es ist Halbmasken, weil ger.) Die Umdeutung des kapitalistischen Kaufmanns zum tuntenhaften Schwuli nimmt der Szene ihren wahren Schrecken. Die Erhöhung des jungen Genossen zur Christus-Gestalt mit aller dazugehörender Kreuz-Metaphorik gehört zu jenen Stellen, an denen Prinsloo rigoros an den Werkintentionen vorbeiinszeniert. Die affektierte Weise des beinah ein exhibitionistischer Zwang, dem er unterliegt. Die Monster, die er gleich einem Schausteller am Jahrmarkt auf die Bühne zerrt, sind nette Bösewichte und kumpelhafte Freaks aus dem Kinderprogramm im Nachmittagsfernsehen. Warum mußte der Maßnahme dies scha- le Satyrspiel folgen? CHRISTIAN Textvortrages (etwa „Propagan da") ist BAIER mehr dem Bereich der Clownerie denn des Nö-Theaters zuzurechnen. J U B I L A R E UND URAUFFÜHRUNGEN. Gottfried Pesau, Barbara Ratheiser, Konzerte im Oktober Gerhard Karzel und Michael Smulik assistiert von Dirigent Walter Kobera Das Artis-Quartett widmete das erste und dem Amadeus-Ensemble sowie ei- Konzert seines Zyklus (2.10. MV, BS) nem sehr präzisen und zurückhaltenden Bert Brecht. Da zahlreiche Verbindungen Chor - gingen souverän mit Eislers von zwischen dem vor 100 Jahren geborenen stilistischen Brüchen gekennzeichneter Dichter und Komponisten unseres Jahr- Partitur um und wußten auch darstelle- hunderts existieren, hätte sich bei gelun- risch zu beeindrucken. Wacker schlugen gener sie sich auch bei der nachfolgenden Ins- Abend entwickeln können. Die Gedich- zenierung von H K Grubers te, rund 40 an der Zahl, wurden jedoch Franken- Konzeption ein interessanter Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:09 PM nur von kurzen musikalischen Appetit- aber auch von J. W. Goethe, Berthold anregern, wenn auch von hervorragender Viertel, Eduard Mörike, Joseph von Ei- spieltechnischer Qualität und gelungener chendorff und Friedrich Hölderlin, die Interpretation, unterbrochen. Sogar die er auf durchaus eigenwillige Art bearbei- Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 von tete und seiner Situation anpaßte. Der Anton Webern wurden, ohnehin von junge Bariton Matthias Goerne, Schüler kurzer Dauer, auseinandergerissen, von von Dietrich Fischer-Dieskau und Elisa- Alban Bergs Lyrischer Arnold beth Schwarzkopf, schuf mit dem Piani- Schönbergs Streichquartett in d-Dur und sten Eric Schneider, der ihm mit großer Suite, Karl Weigls Streichquartett c-moll Präzision und dynamischem Einfüh- standen gar nur jeweils ein Satz auf dem lungsvermögen assistierte, durch stimm- Programm, ergänzt Weberns liches Ausdrucks- und Anpassungsver- Langsamen Satz Streichquartett mögen an die jeweils von Eisler präzis (1905). Dazwischen gelang es Andrea Jo- konzipierte Stimmung für jedes Lied ein für durch in nasson nicht, die durch die Musik wenn eigenes Universum. Langsames Tempo, auch nur für kurze Zeit aufgebaute Span- intensive Stimmgebung und Mimik (weit nung weiterleben zu lassen. Durch im- aufgerissene Augen) faszinierten so ζ. B. mergleiche Rezitation und aufgesetzt im Lied Über den Selbstmord, Der Kir- wirkende Mimik und Gestik gerieten so- schdieb gar die Wiegenlieder von Hanns Eisler zu wenn auch nie oberflächlich, fast als einem lauwarmen Erlebnis. sorgloser Lichtblick in einer sonst eher Alles andere als lauwarm wurde das Hollywood-Liederbuch, ebenfalls von Hanns Eisler, von Matthias Goerne und Eric Schneider im Konzerthaus präsen- wiederum wirkte leichtfüßig beklemmenden, wenngleich nicht hoffnungslosen Atmosphäre - (nachzuhören übrigens auf einer kürzlich erschienenen Decca-CD). tiert (25.10, MS). Dem Konzert vorange- Mit Hanns Eisler feierte auch das stellt war ein informativer gemeinsam Ensemble On Line Vienna sein zehnjähri- mit dem Orpheus Trust veranstalteter ges Bestehen. Das dramaturgisch gut Vortrag von Albrecht Dümling über durchdachte Programm umfaßte neben „Hanns Eisler und das Exil". Der Lie- Werken Eislers (Nonett Nr. 1 und Diver- derzyklus, anknüpfend an Vorbilder wie timento für Bläserquintett Schumanns Dichterliebe zwei Uraufführungen und Werke von Winterreise, und Schuberts verdeutlicht in anschauli- op. 4) auch Hannes Heher (Streichquartett „1995") cher Weise die Situation des amerikani- und Luca Lombardi (Non schen Exils des Komponisten, seine Musica in memoria di Hanns Eisler), alle Sehnsucht nach einer Rückkehr in ein entstanden in direktem oder indirektem friedliches Europa und seine Erfahrun- Bezug auf den Komponisten Eisler. Auf- gen Hol- fallend war vor allem die hohe Qualität lywoods. Als Vorlage dienten Eisler da- der musikalischen Interpretation des En- bei großteils Gedichte von Bert Brecht, sembles On Line, des Darius Quintetts mit der Kulturindustrie Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:09 PM requiescat. und vor allem des Koehne Quartetts, das besonders durch sein präsises Zusammenspiel beim Streichquartett von Hannes Heher beeindruckte. Nicht restlos überzeugen konnten die beiden Uraufführungen von Michael Amann, Versuch über Hanns Eisler für Kammerorchester mit Singstimme, und Reinhard Wolschina, 8 Bagatellen für 8 Instrumente. In memoriam Hanns Eisler. Präsentierte erstere vielfältiges klangliches Material auch mit Einbeziehung von Geräuschkomponenten, gelang es dem 1964 geborenen Komponisten Amann jedoch nicht, die sehr unterschiedlichen einzelnen Elemente in ein sinnfällig Ganzes einzubinden. Die 8 Bagatellen wiederum, jede für sich ein wohldurchdachtes, gut strukturiertes Stück Arbeit, blieben zu sehr der Musiksprache Eislers verhaftet, um neue Perspektiven zu eröffnen. Zu hoffen bleibt dennoch, daß trotz der am Anfang des Konzertes angesprochenen finanziellen Schwierigkeiten im Jahre 2008 der 20. Geburtstag des Vereins Music On Line unter der organisatorischen und künstlerischen Leitung von Hannes Heher zu feiern sein wird. Neben Hanns Eisler gehört wohl Kurt Weill zu den wichtigsten Mitarbeitern von Bert Brecht, dessen Suite aus der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, eingerichtet von Wilhelm Brückner-Rüggeberg, am 5.10. neben der Suite für Violine und Kammerorchester op. 38 von Egon Wellesz und dem Danse de la Peur von Frank Martin auf dem Programm des Ensembles Kontrapunkte unter Peter Keuschnig (MV, BS) stand. Schon in dem etwas sperrigen, stark kontra- punktisch angelegten Werk von Wellesz manifestierte sich dabei eine Auffälligkeit des ganzen Abends: Die unterschiedliche Qualität von einzelnen Musikern und dem Ensemble als Ganzem. Der Solist Josef Hell kämpfte mit großem musikalischem Ausdruck und Engagement gegen ein unmotiviert wirkendes Ensemble. Zu Beginn der zweiten Hälfte wiederum überraschte der Saxophonist Harald Müller und die Pianistin Clara Torbova mit einer nicht im Programm vorgesehenen Darbietung von Milhauds Scaramouche, bei welchem Müller durch sein virtuoses und temperamentvolles Spiel bestach. Bei der Suite aus der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny gelang es Peter Keuschnig wiederum nicht, seine Musiker zu einer einheitlich guten Leistung zu motivieren, obwohl immer wieder solistische Passagen aufhorchen und auf die Qualität einzelner Musiker schließen ließen. Einzig stimmig gelang das Largo nach dem Duett zwischen Jim und Jenny, das unter der Führung der bereits genannten Musiker einen eindrucksvollen Augenblick gewährte. Zu Recht wurde dieses auch, als das Publikum nach einer Zugabe verlangte, wiederholt. Daß auch renommierte Komponisten mitunter lange auf die Realisierung ihrer Werke warten müssen, bewies die Uraufführung des Konzerts für Klavier und Orchester v o n Friedrich Cerha ( M V , G S am 16.10, s.a. ÖMZ 10/98) mit dem RSOWien unter Dennis Rüssel Davies u n d d e m Pianisten Thomas Larcher. Das 1951-53 entstandene Werk, das Friedrich Cerha selbst als das wichtigste Stück seiner Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:09 PM 55 Ε C ^ ® frühen Schaffensperiode bezeichnet, ist ein Beispiel früher Meiseterschaft eines 25-Jährigen, das nach seiner ursprünglichen Konzeption nur mehr geringfügig verändert wurde und somit eine Lücke für die Betrachtung der Entwicklung des Kompositionsstils Cerhas füllt. Es vereint Einflüsse des Neoklassizismus und der Wiener Schule, weist darüberhinaus jedoch zuweilen auf spätere Errungenschaften des Komponisten wie beispielsweise die Klangflächenkomposition. Dennoch sollte man das Werk keinesfalls nochmals in einer Schublade über 40 Jahre bis zur nächsten Aufführung verstauben lassen, zu imposant ist auch heute noch die in dem Werk verarbeitete klangliche Erlebniswelt: Der erste Satz baut mit ostinaten Rhythmen immer wieder neue Höhepunkte auf, um diese unruhigen, sich scheinbar nicht festlegen zu wollenden Passagen mit ruhigen elegischen zu kontrastieren, die wiederum von ff-Akkorden unterbrochen werden. Im zweiten, langsamen Satz erhielt der Pianist Thomas Larcher die Gelegenheit neben seinen technischen Qualitäten seine Ausdruckskraft unter Beweis zu stellen. Bedächtig flicht er die expressiven Stimmen ineinander und schafft so eine Atmosphäre der gespannten Ruhe, aus der man im dritten Teil durch dröhnende Akkorde geschreckt wird. Alles in allem ein sehr vielschichtiges Werk mit dramatischen Höhepunkten und expressiven Ruhepolen. Schon am 24. 9. wurde im Großen Saal des RadioKulturHauses vom Ensemble 20. Jahrhundert unter Peter Burwik Pessoa von Alexander Stankovski urauf- geführt. Das Werk für 5 Instrumentalisten, Sopran und Bariton - überzeugend von Anna Maria Pammer und Jörg Espenkott interpretiert - nimmt 4 Texte von Fernando Pessoa (2x), Unica Zürn und Morton Feldman zum Ausgangspunkt für Reflexionen über das Ich. Jeder der 4 Teile erhält dabei musikalisch seinen eigenen Charakter, zeigt eine Facette des Subjekts durch unterschiedlichste Verwendung der Stimme und der Instrumente. Stankovski präsentierte eine vielfältige und nicht an der Oberfläche verbleibende Komposition, präzise interpretiert vom Ensemble unter seinem Dirigenten Peter Burwik. Die Uraufführung wurde umrahmt von zwei österreichischen Erstaufführungen: Monedas de Hierro von Martin Matalon und Heiner Goebbels Samplersuite. SABINE SEUSS MIT NOTEBOOKS GEIGEN. Die NewElectronic-Szene beim „Musikprotokoll" in Graz (1.-4.10.) Die Szenerie ist so gespenstisch wie die Musik: Regungslos stehen drei Musiker um ihre Notebooks, die auf einem weiß gedeckten Tisch piaziert sind wie die Bibel auf einem Altar. Ungerührt starren die drei in ihre Bildschirme und triggern gelassen an den Trackballs, als würden sie lustvoll im Internet surfen. Was Jim O'Rourke, Peter Rehberg und Ramon Bauer auf der verrauchten Bühne einer pechschwarzen Disco in Graz vollführen, ist jedoch vielleicht der Gestus des Musizierens von morgen: Der Com- Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:09 PM