Anette Lukesch Pflanzenwelt und Christentum KLATSCHMOHN Verlag Anette Lukesch · Pflanzenwelt und Christentum Impressum Anette Lukesch Pflanzenwelt und Christentum Christliche Einflüsse auf Botanik und Gartenbau – Ein Gang durch den Barther Bibelgarten Herstellung: KLATSCHMOHN Verlag, Druck + Werbung GmbH & Co. KG ISBN 978-3-941064-00-3 1. Auflage 2009 Printed in Germany Anette Lukesch Pflanzenwelt und Christentum Christliche Einflüsse auf Botanik und Gartenbau Ein Gang durch den Barther Bibelgarten KLATSCHMOHN Verlag Inhaltsübersicht Einleitung 7 Christlich geprägte Pflanzennamen Einführung Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind – Pflanzenbeschreibungen Pflanzen, die nach christlichen Begriffen benannt sind – Pflanzenbeschreibungen 10 11 26 Symbolpflanzen Einführung Pflanzenbeschreibungen 40 41 Pflanzen der Klostergärten Einführung Pflanzenbeschreibungen 48 51 In der Bibel erwähnte Pflanzen Einführung Pflanzenbeschreibungen 59 61 Anhang Verzeichnis der verwendeten Literatur Tabelle der in der Bibel erwähnten Pflanzen und ihrer Übersetzung in verschiedenen Bibelausgaben Register: deutsche Pflanzennamen Register: botanische Pflanzennamen 79 80 88 94 Register nach Kategorien geordnet (deutsche Pflanzennamen): Personen der Bibel und Heilige Christliche Begriffe Symbolpflanzen Klosterpflanzen Pflanzen der Bibel 99 99 100 101 102 103 Abkürzungen der biblischen Bücher Danksagung Bildnachweis Kontakte 105 106 107 108 7 Berühren Gärten die Seele und gehen ans Herz, weil der Garten Gottes mit seiner Schönheit, seiner Fruchtbarkeit und seinem Frieden zum Erinnerungsschatz der Menschheit gehört und zugleich Zukunftshoffnung ist? Christine Lässig Einleitung n der Vorpommerschen Kleinstadt Barth, nahe der Ostseeküste zwischen Rostock und Stralsund gelegen, befindet sich seit dem Jahre 2001 das »Niederdeutsche Bibelzentrum St. Jürgen«. Es ist eine Informations- und Erlebnisstätte rund um die Bibel, die religiöse, ethische und kulturgeschichtliche Zusammenhänge vermittelt. Eingerichtet wurde das Bibelzentrum in einem der ältesten Häuser von Barth. Es hat eine wechselvolle Geschichte als Kirche, Pestkrankenhaus und Altenwohnraum. Durch gekonnte Rekonstruktion sind heute Nutzungsgeschichte und baugeschichtliche Vergangenheit erlebbar. Eine ganz besondere, Ruhe spendende Atmosphäre ist entstanden, die sich besonders im mittelalterlichen Chorraum entfaltet. Zu diesem schönen Haus gehört ein 2003 errichtetes modernes Tagungshaus. Beide Gebäude sind in ein gärtnerisch gestaltetes Freigelände eingebettet. Trotz des kühlen und windigen nordostdeutschen Klimas ist dieser Gartenraum windgeschützt und sehr sonnig. Dort, wo es besonders warm und windstill ist, befindet sich der kleine Bibelgarten. I Gärten und Bibel Gärten gibt es auf der Welt, seit Menschen sesshaft wurden. Der heute gebräuchliche Name »Garten« leitet sich vom Wort »Gerte« ab. Mit einfachen Gerten wurden das urbar gemachte Land und die angebauten Pflanzen vor Wildschaden bewahrt. Ein Garten gibt Geborgenheit. In Zeiten überwiegender Wildnis in der Umgebung war ein solcher Ort besonders wichtig. Das Wort »Paradies« bezeichnete ursprünglich einen Garten. Der Begriff leitet sich vom arabischen Wort »pairi-daeza«, übersetzt »umfriedeter Garten«, ab. Das daraus abgeleitete griechische Wort »paradeisos« wird auch mit »Park« übersetzt. Der Garten Eden, das Paradies aus der Schöpfungsgeschichte (1. Mose [Gen] 1, 29-30), ist das Urbild eines fruchtbaren, den Menschen ernährenden Raumes, in dem er sich geborgen fühlt. Zunächst wurde die nötige tägliche Nahrung in den Gärten angebaut, später kamen Heilpflanzen hinzu. Wann wurde der erste Blumenstrauß in den Gärten gepflückt? Sicher schon sehr früh, denn das Schönheitsbe- Der Barther Bibelgarten 9 Gärten und Bibel dürfnis existiert neben aller Notwendigkeit des Zweckmäßigen wohl schon immer im Menschen. Mit steigendem Wohlstand wurden die Gärten auch Orte der Muße, der Freude am gestalteten Raum und an den Pflanzen an sich. Die Menschen lieben Gärten, denn sie sind Symbol des irdischen und himmlischen Paradieses. Bibelgärten nehmen unter allen Gartenformen eine Sonderstellung ein, denn sie widmen sich einem bestimmten Inhalt, wollen Zugang zur Bibel auf ganz neue Weise vermitteln. Die Gärten, die dazu geschaffen wurden, sind so unterschiedlich wie die Herangehensweise an das Anliegen. Meditative Bibelgärten laden durch eine die Seele beruhigende Gestaltung zum inneren Hören auf Gott und sein Wort ein. Sie sind vergleichbar mit den Innenhöfen der Klöster, die, beruhigend gestaltet und abgeschieden, Nonnen und Mönchen Raum zur Stille bieten. Vielfach schmü- Gern genutzt: Die religionspädagogische Gartenführung 10 cken Pflanzen, die in der Bibel erwähnt sind, diese Art der Bibelgärten. In ihnen sind Wasser, Gesteine und Bäume vorhanden, die die Aussagen der Bibel versinnbildlichen und einen hohen Symbolwert haben. Der Baum ist im Christentum wie in vielen Kulturen Symbol göttlicher Weisheit, ist Lebensbaum, verbindet Himmel und Erde, ist im irdischen Paradies vorhanden und Symbol für das himmlische Paradies. Die Erde, auf der alles Leben gegründet ist, und die Steine, die für Festigkeit stehen, sind Sinnbild für Vergänglichkeit und Ewigkeit zugleich. Wasser ist wie Erde, Luft und Feuer eines der vier Urelemente. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Schon in der jüdischen und später in der christlichen Tradition weist Wasser auf den Ursprung der Schöpfung hin. Wasser ist Quelle des Lebens, kann aber auch von zerstörerischer Gewalt sein. In der Bibel wird Wasser vielfach gleichnishaft und auch unmittelbar zitiert. Als eine Kernaussage wird der Glaube als das »Wasser des Lebens« bezeichnet. Einleitung Blick auf den Barther Bibelgarten Informative Bibelgärten zeigen den Besuchern möglichst viele der in der Bibel erwähnten Pflanzen beziehungsweise die in den deutschen Übersetzungen genannten Arten. Eine gute Beschilderung der Einzelpflanze ist in solchen Gärten unerlässlich. Ziel dieser Art von Bibelgärten ist es, die Bibel als »Praxisbuch« zu zeigen, das Pflanzen als alltägliche Dinge des Lebens bedenkt und direkt oder gleichnishaft verwendet. Diese Sichtweise kann helfen, den Wert, die Schönheit oder Nützlichkeit der Pflanzen wieder recht zu sehen und das Wort von der Bewahrung der Schöpfung aktiv und neu zu erleben. Franz von Assisi (1182 - 1226) hat es uns in seiner engen Beziehung und großen Achtung zu allem Lebendigen vorgelebt. Mit Ehrfurcht und geschwisterlicher Zuneigung begegnete er Tieren und Pflanzen. In informativen Bibelgärten ist es möglich, Besuchern durch die Sachinformationen zu den Pflanzen einen Zugang zur Bibel zu vermitteln. Aussagen, die mit den einzelnen Pflanzen verbunden sind, weisen oft auf Kernaussagen des Glaubens hin. Der Garten am Niederdeutschen Bibelzentrum Barth gehört zu den informativen Bibelgärten. Er widmet sich jedoch nicht nur den Pflanzen der Bibel, sondern auch Arten, deren Namen durch die Bibel geprägt sind oder die durch Bemühen kirchlicher Einrichtungen verbreitet und weiterentwickelt wurden. Das ermöglicht einen Blick auf unsere kulturellen, stark von der biblischen Botschaft geprägten Wurzeln und löst manches Erstaunen und Erkennen aus. Der Bibelgarten wird durch die Außenanlagen des Bibelzentrums ergänzt: Bäume und Sträucher, zum Teil mit biblischem Bezug, Wasserfall und Feuerstelle, Rasenfläche und Sitzgelegenheiten laden zur Besinnung ein. So ist am Niederdeutschen Bibelzentrum auch die Möglichkeit der Meditation gegeben. Der 100 qm große Garten ist regelmäßig, im barocken Stil, angelegt. Gemeinsam mit dem Bibelzentrum wurde er im Jahre 2001 eingeweiht. Geplant und gestaltet vom Landschafts- und Gartenarchitekturbüro Dierk Evert, Lietzow (Rügen) enthielt er zunächst 40 verschiedene Pflanzenarten. Sie waren nach Gesichtspunkten der Gartengestaltung in den vier Gartensegmenten angeordnet. Um den vielfältigen Beziehungen zwischen Pflanzen und Christentum Raum zu geben, ordnete die Autorin die Pflanzen thematisch und ergänzte den Bestand um etwa 160 weitere Arten. Die Wegeführung folgt der Kreuzform, den Schnittpunkt der Wege ziert ein kugelförmiger Buchsbaum. In dieser Form erinnert der Garten auch an die ebenso gestaltete Bepflanzung zwischen den Kreuzgängen vieler Klöster. Ursprünglich symbolisiert diese Gartenform die vier in der Bibel genannten Paradiesströme (1. Mose [Gen] 2,10-14). Ein Brunnen in der Mitte erinnert an die Quelle, aus der Euphrat, Tigris, Gihon und Pischon entspringen. Die vier Gartensegmente widmen sich den unterschiedlichen Bezügen der Pflanze zum Christentum. Ziel dieses Buches ist es, über die Informationstafeln hinaus den Bezug der Pflanzen zur Bibel oder zur christlichen Tradition gründlicher darzustellen. Mancher Hinweis soll auch Anstoß zu eigenem Nachlesen oder Nachsinnen sein. Das Literaturverzeichnis im Anhang ist als Hilfe dazu gedacht. Die Pflanzen des Bibelgartens sind Individuen mit unterschiedlicher Gestalt und Geschichte. Auffallende Schönheiten wie die Lilien oder Rosen sind darunter, aber auch kleine, unscheinbare Winzlinge wie das Hirtentäschelkraut. Um die Eigenart jeder Pflanze zu vermitteln, sind botanische und gärtnerische Informationen dazu aufgeschrieben. Der Pflanzenbestand im Barther Bibelgarten wird jährlich ergänzt, einjährige Pflanzen müssen immer wieder neu herangezogen werden. Da Frost und Hitze, Regen und Sonnenschein nicht in unserer Hand liegen, kann es uns wie allen Gärtnern passieren, dass trotz vieler Mühen nicht alle Pflanzen zur Zufriedenheit gedeihen. Möglich ist daher, dass Sie nicht in jedem Jahr alle hier beschriebenen Pflanzen vorfinden. Wir bitten um Ihr Verständnis. Die Bibelstellen wurden meist nach der Heiligen Schrift, Familienbibel – Einheitsübersetzung – St. Benno-Verlag 1985 zitiert. Sie sind im Text kursiv hervorgehoben. Buch und Bibelgarten sollen auch dazu beitragen, das Wissen um den in der Bibel formulierten Auftrag, die Schöpfung zu bewahren (1. Buch Mose [Gen] 2,15), lebendig werden zu lassen. Ein erster Schritt dazu ist die einfache Freude an den Pflanzen. 11 Christlich geprägte Pflanzennamen Einführung flanzennamen sind Kulturgut der Völker. Sie spiegeln die Erfahrungswelt wider, weisen auf den Gebrauch der Pflanzen hin und nehmen Bezug auf Aussehen, Blütezeit oder Heilkraft. Unsere europäische Kultur ist seit 2000 Jahren christlich geprägt. Wie Alltagsleben und Christentum verwoben sind, wird auch an Pflanzennamen deutlich. Das Aussehen der Pflanzen wird mit christlichen Begriffen in Verbindung gebracht, wie bei Passionsblume und Engelstrompete. Der christliche Jahreskreis ist bei der Pflanzenbenennung von Osterglocke, Pfingstrose oder Christrose bedacht. In der Bibel beschriebene Ereignisse und auch in Berichten und Legenden überlieferte Episoden aus dem Leben Heiliger bestimmten Pflanzennamen wie Jakobsleiter oder Karthäusernelke. Ein so sichtbar enges Verhältnis zwischen Sprache und Christentum ist nur aus einer inneren Haltung heraus möglich, die liebevoll, mit Achtung und Verehrung den Dingen des Christenglaubens gegenübersteht. Die Achtung vor der Pflanze als Schöpfung Gottes ist ebenso damit verbunden. In Europa waren die Benediktinermönche die ersten, die sich eingehend mit Pflanzen beschäftigten. Sie nutzten deren Eigenschaften als Gleichnisse für Glaubensaussagen, auch für kleine Predigten. Die Pflanzenbücher des Mittelalters waren naturwissenschaftliche Beschreibung und religiöse Erbauung zugleich. Es wurde sehr symbolisierend mit den Pflanzen umgegangen, sowohl in der Darstellung der Pflanzen als auch in deren Benennung. Pflanzen der Heimat bekamen durch die Mönche »theologische« Namen, die sich unter dem Volk verbreiteten und teilweise noch heute benutzt werden. Ein so entstandener Pflanzenname ist zum Beispiel »Johanniskraut«. Die Pflanze (Hypericum perforatum) hieß damals auch Erthopfe, Eurchlöchert oder Harcwurz, bis in Klosterschriften des Mittelalters der Name »Herba St. Johannis« auftauchte, der sich bis heute leicht abgewandelt als gültiger deutscher Name »Johanniskraut« durchgesetzt hat. Auch der Volksmund schuf christlich geprägte Namen, zum Beispiel »Kirmesblume« für die Pflanze, die besser unter dem Namen »Herbstaster« (Aster novi-belgii) bekannt ist. »Priesterkragen« ist der im Ostseeraum benutzte Name für die Margerite (Chrysanthemum leucanthemum). P 12 Die Marienverehrung hat ebenfalls großen Einfluss auf den Umgang mit Pflanzen und deren Namen. Maria, die Mutter Jesu, wird im katholischen Umfeld als Fürsprecherin für die Menschen bei Gott verstanden. Ihre vorbildlichen Eigenschaften werden als Hilfe auf dem Glaubensweg nachgeahmt. Auch nach evangelischem Verständnis verdient das an Maria sichtbar gewordene Gnadenhandeln Gottes Lob und ihre Tugenden Nachahmung. Pflanzen mit herausragender Heilkraft oder auffallender Schönheit erhielten deshalb aus Verehrung und mit Hinweis auf die Maria zugeschriebenen Eigenschaften ihre Namen. Beispiele sind »Madonnenlilie« (Lilium candidum) und »Mariendistel« (Silybum marianum), aber auch »Frauenmantel« (Alchemilla sp.) und »Unser lieben Frauen Bettstroh« – Thymian (Thymus serpyllum). Interessant ist, dass die Häufigkeit, mit der christliche Pflanzennamen gebräuchlich waren oder sind, je nach Frömmigkeitsstil und Landstrich variiert. So sind in Süddeutschland häufiger Pflanzennamen mit christlichen Bezügen zu finden. Viele christlich geprägte Pflanzennamen werden deutschlandweit verwendet, wie Osterglocke und Pfingstrose. Nur regional in Österreich verbreitet ist »Marienblume« als Bezeichnung für das Gänseblümchen. Aus der mittelalterlichen Bezeichnung »Herba St. Mariae« hat sich dieser Name gebildet. Da die Sprache sich wandelt, sind manche Namen nur noch durch die Literatur überliefert. Der Name »Zachariasblume« (Herba St. Zachariae) für die Kornblume ist ein Beispiel dafür. Die Liste der Pflanzen, die christlich geprägte Namen tragen, ist lang. Es wird daher kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es sind zu viele! Hinzu kommt, dass einige Pflanzen in Barth auf Grund des Klimas nicht gedeihen, andere kennen wir vielleicht trotz sorgfältiger Recherchen noch nicht, oder sie sind aus technischen Gründen nicht jedes Jahr verfügbar. Begrenzt ist nicht zuletzt die zur Verfügung stehende Pflanzfläche. Nicht völlig geklärt ist, welche der Namen heute noch aktiv im Sprachgebrauch sind. Für Rückmeldungen bin ich daher dankbar. In der nachfolgenden Beschreibung wurde der deutschlandweit in der Fachliteratur gebräuchliche deutsche Name blau kenntlich gemacht. Namen, die nur lokal verwendet werden, sind mündlichen Mitteilungen und der Literatur (siehe Literaturverzeichnis) entnommen. Soweit möglich, ist die entsprechende Region, in der der Name verwendet wird (oder wurde?), vermerkt. Um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, wird in der Pflanzung und auch in dieser Abhandlung zwischen • Pflanzenbenennung nach Personen der Bibel und • Pflanzenbenennung nach christlichen Begriffen unterschieden. Christlich geprägte Pflanzennamen Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind Kompakt und inhaltsreich: Segment des Barther Bibelgartens mit dem nach Personen der Bibel und nach Heiligen benannten Pflanzen A ronstab (Arum maculatum) Judenstab, Aaronsbart, poln.: Aronova broda, tschech.: Aronowa brada, Beginenpöpke (Rheinland) Der Hirtenstab des Propheten Aaron, des Bruders von Mose, ist Namensgeber der genannten Pflanze. Dieser Stab wird erwähnt, als die Israeliten bereit zum Auszug aus der ägyptischen Gefangenschaft waren, der Pharao sie jedoch nicht gehen ließ. Um dem Vorhaben Nachdruck zu verleihen, wird Mose von Gott beauftragt, durch Aarons Stab ein Wunder zu wirken. So sollte der Aronstab, Blütenstand Pharao die Größe Gottes erkennen: 2. Buch Mose (Ex) 7,9 »Wenn der Pharao zu Euch sagen wird: Weist Euch aus durch ein Wunder! So sollst Du zu Aaron sagen: Nimm Deinen Stab und wirf ihn hin vor dem Pharao, dass er zur Schlange werde!« Doch wie kommt die Pflanze zu ihrem Namen? Einer schwäbischen Sage zufolge soll sie aus dem in die Erde gesteckten Stab des Aaron entstanden sein. Die Pflanze galt auch als Symbol der Fruchtbarkeit – in der bildenden Kunst ist Aaron deshalb auch mit einem blühenden Stab dargestellt. Die Ähnlichkeit des Blütenkolbens mit einem Stab bringt der Pflanze auch den Namen »Judenstab«. Stäbe oder Stöcke sind seit alters her Symbol der Macht und der Kenntnis unsichtbarer Dinge. Auch der Äskulapstab der Mediziner, um den sich zwei Schlangen ringeln, greift dieses Motiv auf und ist Symbol des heilenden Gottes und der ärztlichen Kunst. In der Bibel wird der Stab als Symbol auch an anderen Stellen genannt. Wir begegnen ihm als Botenstab der Engel, der Stab des Mose ließ Wasser aus dem Felsen springen, auf Gemälden ist er Attribut von Christus, Propheten und Heiligen, auch der Krummstab der Bischöfe und weltlicher Herrscher hat seinen Ursprung in dieser Symbolik. Der gespaltene, untere Teil des Laubblattes ähnelt einem gespaltenen Bart, so entstand der Name »Aaronsbart«. Der Name »Beginenpöpke« (Püppchen) weist auf die Tracht aus den Anfängen der Beginenbewegung hin: Die weiße Blüte erinnert an die große Haube der mittelalterlichen Tracht mancher Beginen. Dies waren Frauen, die sich ledig oder verwitwet zu Gemeinschaften zusammenschlossen, im Mittelalter dem Schutz eines Ordens unterstanden (daher die Tracht), jedoch ohne lebenslanges Gelübde. Später gründeten sich daraus unabhängige Frauenvereinigungen. Auch als Leidensblume ist der Aronstab bekannt: Der Blütenkolben deutet auf die Marterwerkzeuge hin, mit denen Jesus am Kreuz gequält worden ist (Prügelstock zum Geißeln), die kreisförmig angeordneten Haare am Kolben stellen die Dornenkrone dar. Nach einer englischen Legende stammen die braunen Flecken auf den Laubblättern vom Blut Christi, das vom Kreuz herabtropfte. Der Aronstab wächst im Halbschatten mitteleuropäischer Laubmischwälder wild, aber auch als Zierpflanze in unseren Gärten. Zierend sind sowohl die gefleckten Blätter als auch die weiße Blüte und der mit roten Beeren besetzte kolbenartige Fruchtstand. Er erscheint im Herbst, nachdem die Blätter abgestorben sind, und leuchtet auffallend aus dem Halbschatten hervor. Doch Vorsicht, die Pflanze ist giftig! Barbarakraut (Barbarea vulgaris) Barbarakraut ist eine mehrjährige, recht hübsche gelb blühende Wildpflanze, deren Blätter Salaten eine frische Note geben. Unsere Vorfahren wussten das zu schätzen und sammelten sie, solange es jahreszeitlich möglich war. Da ist es vorteilhaft, dass die Blätter des Barbarakrautes bis in den Winter hinein grün bleiben, bis zum Tag der Heiligen Barbara (4. Dezember). Dies war ein so auffallendes Charakteristikum, dass es zur Namensgebung führte. Nach einem alten Brauch werden am Barbaratag von Kirschbäumen Zweige abgeschnitten, die dann zum Weihnachtsfest blühen (Barbarazweige). Nach der Legende geht dieser Brauch auf die Heilige Barbara zurück. In der Gefangenschaft hat sie einen verdorrten Kirschbaumzweig mit 13 Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind Tropfen aus ihrem Trinkgefäß benetzt – der Zweig blühte und sie fand Trost darin. Aus dem Blütenbesatz der Zweige wurden auch Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres gezogen. Gärtnerisch durchaus nachvollziehbar, denn Witterung und Ernährung des Jahres haben bei vielen Pflanzen Einfluss auf den Blütenansatz im darauffolBarbarakraut genden Jahr. Die Bedingungen im Ertragsjahr sind natürlich ebenso wichtig. Als christlicher Brauch sind die Barbarazweige ein Symbol für Christus, »den Spross aus der Wurzel Jesse« ( Jesaja 10,33 - 11,10). Die Menschen erwachen durch Christi Geburt zu neuem Leben – vergleichbar mit der Knospe des Kirschzweiges, die die enge Hülle sprengt und blüht. Benediktenkraut, Kardobenediktenkraut (Cnicus benedictus) Die einjährige, distelartige Pflanze mit ihrer gelben Blüte weist in ihrem Namen auf den Orden der Benediktiner hin, der sich als erster verstärkt mit Heilpflanzen beschäftigte. Die erhalten gebliebene Beschreibung des Arzneipflanzengartens des Benediktinerklosters St. Gallen (Schweiz) aus dem Jahr 820 gibt Auskunft über diesen reichen Erfahrungsschatz. Die ersten ApotheSamen des Benediktenkraut ken auf deutschem Boden existierten bereits im 8. Jahrhundert in den Klöstern der Benediktiner. Das Benediktenkraut ist neben Arnika, Thymian und anderen Kräutern Bestandteil des unter dem Namen »Benediktiner« ursprünglich im französischen Benediktinerkloster Fecamp in der Normandie angefertigten wohlschmeckenden Kräuterlikörs. Heimisch ist die Pflanze im östlichen Mittelmeergebiet bis hin nach Asien. Verwildert trifft man sie an trockenen Stellen auch in Westeuropa. Von dort gelangte sie in die (Klo- 14 ster-) Gärten Europas. Der botanische Name (benedictus = gesegnet, gepriesen), den sie aufgrund ihrer herausragenden heilenden Eigenschaften bekam, wirkte bei der deutschen Namensgebung mit. Mediziner bezeichneten die aus der Pflanze gewonnene Droge als Herba Cardui benedicti (Herba = Kraut, carduus = Distel) – »Kardobenediktenkraut« hat der Volksmund daraus geformt. Bei Appetitlosigkeit und Verdauungsstress sind Zubereitungen aus dem Benediktenkraut hilfreich – natürlich auch in Form des Benediktiner-Kräuterlikörs! Christophskraut (Actaea spicata) Zart und filigran wächst das Christophskraut in lichten Wäldern und an schattigen Plätzen unserer Ziergärten. Im Mittelalter wurde die mehrjährige Pflanze als Mittel gegen die Pest eingesetzt. Schutzpatron gegen die Pest ist der Heilige Christophorus – die Pflanze war das Mittel, mit dem Christophorus den Kranken half. Sie hat nach ihm ihren Namen. Christophskraut Eine der ChristophorusLegenden ist übrigens als Wandmalerei in der Kapelle des Barther Bibelzentrums dargestellt. Der Legende zufolge ist Christophorus auf der Suche nach dem stärksten Herrscher der Welt, um ihm zu dienen. Nach langem Suchen findet er ihn in Christus und erkennt ihn als seinen Herrn an. Christusdorn (Euphorbia milii) Die auffallend langen Dornen gaben, angelehnt an das Kreuzigungsgeschehen, der Pflanze ihren Namen: Während der Kreuzigung wird Jesus Christus aufgrund seines Anspruchs, König der Juden zu sein, aus Hohn eine Krone aus Dornen auf den Kopf gesetzt: Matthäus 27,27 - 29 »Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters und Christusdorn Christlich geprägte Pflanzennamen versammelten die ganze Kohorte um ihn. Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen, den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil dir, König der Juden!« Pflanzen mit Dornen wachsen in Israel viele. Fachleute favorisieren zwei Arten, aus denen die in der Bibel erwähnte Dornenkrone angefertigt sein könnte, nämlich den Ziziphusbaum (Ziziphus spina-christi) und den Zwergstrauch Sarcopoterium spinosum. Der Ziziphusbaum ist immergrün, blüht fast ganzjährig und wird bis zu 10 Meter hoch. Einige Exemplare wachsen heute noch an den Hängen des Tempelberges. Der Zwergstrauch Sarcopoterium hingegen ist in Israel wesentlich häufiger. Beide Arten sind in Mitteleuropa nicht winterhart. Deshalb werden hier oft ganz andere Pflanzen mit dem Namen »Christusdorn« belegt, da sie lange Dornen oder Stacheln haben und aus ihnen eine Dornenkrone geflochten werden könnte. Eine der beiden im Bibelgarten gezeigten Pflanzen mit Namen »Christusdorn« ist eine Zimmerpflanze mit dornigen Trieben, ein Wolfsmilchgewächs (Euphorbia milii). Die Dornenkrone, die Christus bei seiner Kreuzigung trug, ist daraus mit Sicherheit nicht geflochten worden. Die Heimat der Pflanze ist nämlich Madagaskar. Dort wächst sie als 1 Meter hoher Strauch in trockenen Gebieten. Sie gelangte nach Europa und wurde hier zur beliebten Zimmerpflanze, denn die roten oder gelben Hochblätter, die die kleinen Blüten umschließen, zieren die Pflanze fast ganzjährig. (siehe auch »Falscher Christusdorn«) Christrose, Schwarze Nieswurz (Helleborus niger) Zu Weihnachten, dem Christfest, blüht die bekannteste der Nieswurz-Arten. Es lag nahe, die beliebte Heil- und Gartenpflanze nach ihrem Blütezeitraum zu benennen. Bereits 1532 wird sie unter dem Namen »Christwurtz« beschrieben. Der Zusatz »-rose« ist der Ähnlichkeit der Blüte mit einer Rosenblüte entlehnt. Die im Frühjahr in verschiedenen FarbausprägunChristrose gen blühenden Hybriden sind Kreuzungen mit der Orientalischen Nieswurz (Lenzrose). Sie haben aufgrund der großen Ähnlichkeit der Blütenform den Namen der eigentlichen Christrose trotz anderer Blütezeit übertragen bekommen. Falscher Christusdorn, Lederhülsenbaum (Gleditsia triacanthos) Dieser weitere Vertreter der »Christusdorn« genannten Pflanzen (siehe auch Christusdorn – Euphorbia milii) ist ein stattlicher Baum, der in seiner Heimat in Nordund Südamerika wie auch bei uns 30 Meter hoch werden kann. Der Stamm ist dornig. Gefiederte Blätter bilden eine lockere Krone, die viel Licht hindurchlässt – ein interessanter Aspekt für die Grünflächengestaltung. Falscher Christusdorn Frauenhandschuh (Digitalis purpurea) Fingerhut, Unser lieben Frauen Handschuh, Liebfrauenhandschuh (früher verbreitet), dänisch: fruehandske, französisch: gants de notre-dame Der heute deutschlandweit benutzte Name der Pflanze ist Fingerhut. Die weiteren hier aufgeführten Namen sind früher verbreitet verwendet worden und stammen aus dem katholischen Umfeld. In ihnen wird Maria, die Mutter Jesu, verehrt. »Unsere liebe Frau« ist ein Synonym für Maria. Daraus entstanden ist »Frauenhandschuh« wie auch »Liebfrauenhandschuh«. Frauenhandschuh Der Form der Blüte entlehnt sind die Bezeichnungen »-hut« oder »-handschuh«. Der Fingerhut kommt in den Mittelgebirgen West- und Mitteleuropas wild vor. Eindrucksvoll sind die Vorkommen auf Lichtungen und an Waldrändern im Harz und Thüringer Wald. Auch in den Gärten wird er seit dem 16. Jahrhundert als Zierpflanze kultiviert. Die Blüte erscheint erst im zweiten Jahr, die Rosette, aus der sie hervorging, stirbt danach ab. Fingerhut vermehrt sich durch Samen sehr reichlich. Die herzspezifische Heilwirkung ist seit 1775 bekannt, jedoch bleibt die Herstellung von Arznei Fachleuten vorbehalten, da die Pflanze in allen Teilen giftig ist! 15 Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) Unser Frauen Mantel (Niedersachsen), Muttergottesmäntelchen (Eifel), Mariae Tränen (Schlesien), Fruenmantel (Mecklenburg), engl.: our lady’s mantel, schwed.: marie-kapa Auch bei dieser Pflanze ist der Begriff »Frauen« mit Maria zu verbinden. Aus Dankbarkeit für die besonders bei Frauenleiden heilende Wirkung der Pflanze entstanden diese Namensverbindungen. Die Blattform wird auch oft mit der Ähnlichkeit des überwurfartigen Mantels, mit dem Maria auf mittelalterlichen Gemälden abgebildet ist, in Verbindung geFrauenmantel bracht (Muttergottesmäntelchen, Gemälde: Schutzmantelmatrona). Frauenmantel ist eine ausdauernde Pflanze feuchter Wiesen, wird aber auch gern wegen des Zierwertes ihrer Blätter und Blüten in Gärten gepflanzt. Eindrucksvoll sind die Tautropfen, die sich wie Perlen in den Blättern sammeln. Der Name »Mariae Tränen« geht auf diese Beobachtung zurück. Die Blätter sind übrigens essbar, jung eignen sie sich als Bestandteil eines Frühlingssalates. Georgele (Schwaben) (Muscari sp.) Traubenhyazinthe Zum Georgstag, dem 23. April, blüht die Traubenhyazinthe, das »Georgele«. Der Heilige Georg lebte im 3. Jahrhundert. Die Legende berichtet von seinem Kampf gegen einen übermächtigen Drachen, den er besiegt. Symbolisch steht dieser Kampf für die Befreiung der Menschen von der Drachenwelt des Bösen durch Gott. In Schwaben bekam die Georgele Pflanze aufgrund ihres Blühens am Georgstag diesen Namen, denn in den Weinbergen Süddeutschlands wächst sie wild und taucht diese zur 16 Blütezeit in herrliches Blau. Von der »Georgele« genannten Zwiebelpflanze, der Traubenhyazinthe, gibt es verschiedene Arten, die alle blau blühen und sich durch Aufbau und Länge des Blütenstandes unterscheiden. Rosa oder weiß blühende Sorten sind ein Ergebnis der Pflanzenzüchtung und ergänzen die blaue Blütenpracht. Georgsblume (Schwäbische Alb) (Narcissus poeticus) Dichternarzisse, Jörgeblum (Rheinland-Pfalz), Josephsstab (Franken), Fuearesch Härziss = Pfarrernarzisse (Schwäbische Alb) Der Frühlingsmonat April ist reich an Frühjahrsblühern. Der in dieser Zeit begangene Georgstag (23. April) ist daher Namensgeber für etliche Pflanzen, wie auch für die Georgsblume, bekannter als »Dichternarzisse«. Sie wird in Süddeutschland auch »Jörgeblum« oder »Jercheros« ( Jürgen = Georg) genannt. Der Name »Josephsstab« weist einerseits auf die manGeorgsblume cherorts noch frühere Blütezeit zum Josephstag (19. März) hin, andererseits erinnert er als Symbol der Würde an eine Marienlegende: Als Joseph gemeinsam mit anderen Bewerbern um die Hand Marias anhält, erhalten alle Bewerber Stäbe und es wird festgelegt, dass nur derjenige sie zur Frau bekommt, dessen Stock über Nacht grünen würde. Es ist Josephs Stock, der nicht nur grünt, sondern auch blüht, während die der anderen Bewerber verdorrt bleiben. Die Blüten, die aus dem Stock sprießen, sind nach einigen Überlieferungen Narzissen (andere Quellen verweisen auf Lilien). Auch auf der Flucht nach Ägypten trägt Joseph diesen Stab. Der Heilige Joseph wird auf Gemälden daher immer mit einem Stab dargestellt. Die Narzisse wurde schon in der Antike geschätzt und als »Narzisse der Poeten« (Narcissus poeticus) bezeichnet. In den Alpen wächst die Zwiebelpflanze auf feuchten Bergwiesen wild und ist eine Attraktion nach dem langen Winter. In unsere Gärten hielt sie schon im frühen Mittelalter Einzug. Sie war mancherorts Charakterpflanze der Pfarrgärten, der Name »Pfarrernarzisse« dokumentiert das. Christlich geprägte Pflanzennamen Gottesgnadenkraut (Gratiola officinalis) Gnadenkraut, Allerheiligenkraut (Lausitz) Der botanische Gattungsname »Gratiola« ist vom lateinischen »gratia« = Gnade abgeleitet. Es ist offen, ob der deutsche Name »Gnadenkraut« Ausgang für die botanische Benennung war oder umgekehrt. Früher war die Pflanze ein hochgeschätztes Mittel gegen Krankheiten wie Wassersucht, Leber- und Gallebeschwerden und vieles mehr. So viel Heilkraft sah man als Gnade Gottes beziehungsweise als Fürsprache der Heiligen an, daher wird die Namensgebung damit in Verbindung gebracht. Die Pflanze wird auch Gicht-, Magen- und Nieskraut genannt. Ihre Anwendung ist jedoch durch andere Mittel abgelöst worden, so dass auch das spezielle Wissen darüber nicht mehr allgemein bekannt ist. Da sie giftig ist, wird vor selbstständiger Anwendung dringend gewarnt! Gottesgnadenkraut wächst in Mitteleuropa wild an feuchten Standorten, ist jedoch mit seinen 15 - 30 cm hohen Stängeln, die aus einem kriechenden Wurzelstock jährlich neu hervorwachsen und den kleinen höchstens 1 cm großen weißen Blüten, relativ unscheinbar. Guter Heinrich (Chenopodium bonus-henricus) schwed.: god Henrik, engl.: good Henry Die Pflanze ist in Europa beheimatet, und wird hier seit der Steinzeit genutzt. Auch in bronzezeitlichen Gräbern wurde sie nachgewiesen. Der Name »Guter Heinrich« ist deutschlandweit verbreitet und bestimmt sogar die botanische Benennung (bonus-henricus = guter Heinrich). Eine Legende, deren Ursprung in Schweden nachweisbar ist, will den Namen Guter Heinrich erklären: Dem Heiligen Henrik (Heinrich von Uppsala, 1100 - 1156) gelingt es, ein Heilpflaster, dessen Hauptbestandteil diese Pflanze ist, für die Heilung sämtlicher Wunden zuzubereiten. Einige Literaturquellen erklären den Namen aus den Vorstellungen von Kobolden, die Heinz oder Heinrich genannt wurden (Heinzelmännchen). Die Heilkraft des Krautes wird damals der Wirkung dieser guten Geister zugesprochen. Von der Steinzeit bis ins 19. Jahrhundert hinein ist der Gute Heinrich ein beliebtes Heilkraut. Auch in der Küche kann er vielfältig genutzt werden, lassen sich doch die vi- tamin- und mineralstoffreichen Blätter gut zu Salaten und Suppen oder wie Spinat verwenden. Die Körnerfrüchte der mehrjährigen Pflanze sind eine wertvolle Nahrung. Heiligenbart (Sanguisorba minor) Kleiner Wiesenknopf Der Kleine Wiesenknopf fällt durch seine ansehnlichen Blüten auf, aus denen noch auffallender als beim Großen Wiesenknopf (siehe »Herrgottsbart«) die Staubbeutel bartähnlich herausragen. Viele Heilige, die oft Mönche waren, trugen den Ordensregeln entsprechend einen Bart. Im Volksmund führte das zu dem bildlichen Pflanzennamen. Die Pflanze ist kleiner als Heiligenbart die auf Seite 28 beschriebene verwandte Art. Sie lässt sich mit ihren gefiederten Blättern als Gewürz- und Zierstaude gut im Garten platzieren. Heiligenkraut (Santolina chamaecyparissus) Zypressenkraut Der botanische Gattungsname »santolina« erinnert sprachlich an das lateinische »sanctus« oder das italienische »santo« = heilig. Durch eine etwas unscharfe Übersetzung entstand der deutsche Name »Heiligenkraut«. Eine Nutzung zu religiösen Zwecken konnte aus der Literatur nicht belegt werden. Die Mittelmeerpflanze ist in Nordostdeutschland nur in milden Wintern ausdauernd, Heiligenkraut wird jedoch trotzdem sehr gern als Zierpflanze verwendet. Durch das silbrige aromatisch duftende Laub, das bei neuesten Auslesen auch hellgelb sein kann, und die gelben, im Spätsommer erscheinenden Korbblüten ist es eine sehr dekorative Pflanze. 17 Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind Hiobstränengras (Coix lacryma-jobi) Die harten, relativ großen Samen dieses Grases hängen, wenn sie reif sind, durch ihr Gewicht herab und der Vergleich mit Tränen liegt sehr nahe. Hiob, dessen Schicksal im Alten Testament beschrieben wird, weinte viele und wohl auch große Tränen: Buch Hiob 30,25 »Hiob sprach: Ich weinte über die harte Zeit, und meine Seele grämte sich über das Elend.« In diesem Buch Hiobstränengras der Bibel lässt sich nachlesen, wie Hiob aus all seinem Leid herausfand und die sprichwörtlichen Hiobstränen zu Freudentränen wurden. Der deutsche Name ist sehr bildlich und bestimmte übrigens auch die botanische Benennung (lat. lacrima, lacryma = Träne, iob = Hiob). Das Hiobstränengras ist im tropischen Asien als ausdauerndes Gras beheimatet. Mehrjährig kultivierbar, wird es dort bis zu 2 Meter hoch und ähnelt damit dem uns bekannten Mais. Die harten Samen werden zu Schmuck verarbeitet oder auch für Rhythmus-Instrumente verwendet. In Spanien werden die Samen zu Rosenkränzen verarbeitet, gelegentlich findet sich daher auch der Name »Paternosterkraut«. Die Winterfröste in Mitteleuropa übersteht die Pflanze nicht, so dass sie hier einjährig kultiviert wird und auch wesentlich niedriger als in ihrer Heimat bleibt. Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea) Nach Jakobus, einem der 12 Jünger Jesu, ist diese zweibis mehrjährige Pflanze benannt. Sie blüht in gelben Blütendolden um Jakobi (25. Juli). An diesem Tag wurde Jakobus enthauptet (Apostelgeschichte 12,2). In Spanien ist die Überlieferung verbreitet, dass Jakobus dort nach Christi Himmelfahrt predigte und voraussagte, dass er nach seinem Tod in Spanien noch viele Menschen bekehren würde. Sein Grab war vergessen, bis 18 Jakobus selbst seine Begräbnisstelle einem Einsiedler auf dem »Sternenfeld« (span. Compostella) offenbarte. Daraufhin wurde dort eine Kirche errichtet und der Leichnam am 25. Juli 816 beigesetzt. Bald wurde der Ort zur weltweit bekannten Pilgerstätte mit dem Namen Santiago de Compostella. Das verbindende Zeichen der Pilger ist die Jakobsmuschel. Sie ist das Sinnbild des Grabes, aus dem der Mensch eines Tages auferstehen wird. Jakobsleiter (Polemonium caeruleum) Himmelsleiter Die leiterförmige Anordnung der Blätter und die Erlebnisse von Jakob, dem Bruder Esaus, gaben der Jakobsleiter ihren Namen: »Und ihm (Jakob) träumte, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.« (1. Mose [Gen] 28,12). In diesem Traum wird Jakob die Größe Gottes, seine Gegenwart und Jakobsleiter mächtige Fürsorge verdeutlicht. Die Jakobsleiter gelangte wahrscheinlich aus Griechenland in die Gärten Mitteleuropas. Die Gärtner konnten den im Mai und Juni erscheinenden leuchtend blauen Blüten nicht widerstehen: Bereits 1561 ist sie als in Deutschland wachsende Gartenpflanze erwähnt. Als Wildpflanze ist sie in Mitteleuropa selten, jedoch gibt es in Nordvorpommern ein geschütztes Vorkommen, das als Eiszeitrelikt gilt. Auch in Nordeuropa und Sibirien ist die Art zu finden. Jakobsstab (Solidago virgaurea) Europäische Goldrute Gewöhnliche Goldrute Jakobs-Kreuzkraut Die Blütezeit um Jakobi (25. Juli) und die Blütenstandsform führten zum Namen »Jakobsstab«, der sich wiederum auf den Jünger Jesu bezieht. Der Jakobsstab bzw. die Europäische Goldrute ist weniger bekannt als die oft auf Brachland wachsende Kanadische Goldrute. Die hier gemeinte heimische Art, der »Jakobsstab«, unterscheidet sich durch den stabförmigen Blütenaufbau wesentlich von der eingebürgerten Kanadischen Goldrute mit ihrem locker-schirmartigen Blütenstand. Sie Christlich geprägte Pflanzennamen wächst auf trockenen Waldwiesen, Kahlschlägen und an Waldrändern und ist mit höchstens einem Meter auch wesentlich niedriger als die Kanadische Goldrute und beginnt früher, bereits im Juli, mit der Blüte. Die Blüten werden als Heilmittel gegen viele Leiden, zum Beispiel Blasen- und Nierenkrankheiten und Rheuma, eingesetzt. Johannisfeuer (Salvia splendens) Feuer-Salbei Jakobsstab Johannisbeere (Ribes rubrum) Rote Johannisbeere Die Zeit der Fruchtreife ist bei dieser bekannten Pflanze namensgebend. Der Geschmack von Johannisbeeren ist nicht unumstritten – sind sie nun zu sauer oder gerade aufgrund der erfrischenden Säure beliebt? Es gibt sie auch in schwarz und weiß – jeweils mit anderem Geschmack. Die Früchte aller dieser Johannisbeeren reifen zur Mitte des Jahres, zum MittJohannisbeere sommertag (24. Juni). Dieser Tag ist aus einem interessanten Grund nach Johannes dem Täufer benannt. Beim Evangelisten Johannes ist zu lesen: »Er (Jesus) muss wachsen, ich aber muss abnehmen.« ( Johannes 3,30). Dieser Ausspruch wurde auf den 24. Juni übertragen, weil im Jahreskreis die Tage nun wieder kürzer werden. Die Johannisbeere wird seit Jahrhunderten kultiviert, oft weisen Pflanzen mitten im Wald auf alte Siedlungsplätze hin. Neue Sorten, die sich in Reifezeit, Fruchtgeschmack und -größe sowie Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge unterscheiden, entstehen noch heute durch züchterische Arbeit und werden in Gärten und Obstplantagen neben altbewährten Sorten gern gepflanzt. Zum Johannistag, dem 24. Juni (siehe Johannisbeere), werden gern Feuer angezündet. Der Brauch der »Sonnenwendfeuer« stammt noch aus vorchristlicher Zeit. Der christliche Glaube integrierte diese dem Volk lieb gewordene Feier, indem der Mittsommertag Johannes dem Täufer, dem »Herold des Lichtes«, gewidmet wurde. Das Feuer und die fröhliche Feier dazu blieben Johannisfeuer erhalten. Eine Legende berichtet, dass Gegner des Johannes, die mit einem Feuer sein Auffinden signalisieren und Verstärkung anfordern wollten, durch viele in der ganzen Gegend aufflammende Feuer irregeleitet wurden, wodurch Johannes gerettet war. Zum Gedenken daran werden Johannisfeuer entzündet. So glühend rot wie die Flammen der Johannisfeuer ist auch die Blütenfarbe dieser einjährigen Rabattenpflanze. Sie wurde 1817 durch einen Potsdamer Gärtner von einer Reise aus Brasilien nach Europa mitgebracht und verbreitete sich relativ schnell. Schon 1843 wurde sie als Gartenpflanze beschrieben. Im brasilianischen Klima ist das Johannisfeuer ein ausdauernder kleiner Strauch, bei uns wird es einjährig als Sommerblume kultiviert. Johanniskerze (Pfalz) (Verbascum olympicum und andere Arten) Königskerze Wie bei den vorher beschriebenen Arten ist der Name dieser Pflanze ihrer Blütezeit entlehnt – der Mittsommerzeit und damit der Zeit um den Johannistag (24. Juni). In Wachs oder Harz getaucht, wurden früher die getrockneten Stängel am Johannistag als Fackeln verwendet. Die Kleinblütige Königskerze (Verbascum thlaspi) wird deshalb auch als »Fackelkraut« be- Johanniskerze 19 Pflanzen, die nach Personen der Bibel und Heiligen benannt sind zeichnet. Für Frankreich ist der Name »Verge de SaintJean« (verge = Pflanze; Saint Jean = Johannis) nachgewiesen. Die Einzelblüten entfalten sich langsam nacheinander, so dass man sich von Juni bis August daran erfreuen kann. Johanniskerzen sind zweijährige Pflanzen, die im ersten Jahr eine Rosette bilden, im zweiten Jahr blühen und danach viel Samen hinterlassen für eine neue Blütenpracht im nächsten Jahr. Es gibt auch ausdauernde Arten. Johanniskraut, Josephsblume (Galanthus nivalis) Schneeglöckchen Bastard-Johanniskraut (Hypericum x moserianum) Auch das Bastard-Johanniskraut, eine strauchige Art, hat seinen Namen von der Blütezeit um Johanni (siehe auch Johannisbeere). Dieser hübsche Zierstrauch wird bis zu 1,30 Meter hoch und ist während der Blütezeit im Juni und der Nachblüte im August mit gelben Schalenblüten übersät. Er wirkt als einzelner Strauch sehr dekorativ, ist jedoch auch als niedrige, ungeschnittene Hecke ein schönes Gestaltungselement. ca. 10 cm lang und wächst im Verlaufe der Blütezeit noch auf 20 - 25 cm Länge empor. Die Pflanze mag lichten Schatten und einen von Spaten und Harken ungestörten Platz. Es gibt in Deutschland Wildvorkommen auf feuchten Wiesen und in Auenwäldern. (Siehe auch »Symbolpflanzen« Seite 44) Johanniskraut Josephsblume (Westfalen) (Leucojum vernum) Der eher als Schneeglöckchen bekannte Frühlingsblüher trägt wegen seiner Blütezeit um den 19. März (siehe auch Märzenbecher) diesen Namen. Die Blütenpracht der weißen Glöckchen, die sich im fortgeschrittenen Blühstadium fast sternförmig öffnen, überzieht in alten Gärten und Parks unter Gehölzen oft weite Flächen und ist auch erster zarter Vasenschmuck, Josephsblume ein Symbol der Frühlingshoffnung. Im Mittelalter war das Schneeglöckchen allgemein Symbol der Hoffnung und wurde zum Marienattribut, da Maria die »Geburt der Hoffnung«, nämlich Christus, zu verdanken ist. Osterbecherchen (Niederlausitz), Märzenbecher Judassilberlinge (Lunaria annua) In der katholischen Kirche wird am 19. März der Namenstag des Heiligen Joseph gefeiert. Dass eine zu dieser Zeit blühende Pflanze den Namen nach diesem Heiligen bekam, verwundert nicht. Da in Gegenden, wo der Winter später zu Ende ist, die Blütezeit der Pflanze oft auf Ostern fällt, hat sie dort den Namen Osterbecherchen erhalten. Der Josephsbecher ist eine Josephsblume Zwiebelpflanze, die mit ihren an Schneeglöckchen erinnernden, jedoch deutlich größeren Blüten je nach Witterung im Februar bis März in unseren Gärten blüht. Beim Aufblühen ist der Blütenstiel Judasgroschen (Mecklenburg, Oberlausitz), Judasboitl (Oberlausitz), Papstgeld, Silbertaler 20 Judas, einer der Jünger Jesu, bekam Geld dafür, dass er Jesus an die Hohenpriester verriet. Luther bezeichnete dieses Geld in seiner Bibelübersetzung als »Silberlinge«, die zu seiner Zeit übliche Währung waren. Matthäus 26,14,15: »Da ging hin der Zwölfe einer, mit Namen Judas Ischarioth, zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt Ihr mir geben? Ich will ihn Euch verraten. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge.« Judassilberlinge