2 Geometrie in der Ebene Die Geometrie ist ei eine der ältesten wissenschaftlichen Disziplinen und hat seit d der Antike nichts an ihrer Faszination verloren. Euklid d trug im 4. Jahrhundert v. Chr. das Wissen der damaligen Zeit zusa zusammen und schuf mit den Elementen das meistgelesene Mathe Mathematikbuch der Welt. Dreiecksgeometrie und Trigonometrie gehören mittlerweile zum klassischen Schulstoff, können dort aber nur einen flüchtigen Einb Einblick in die Schönheit der ebenen Geometrie liefern liefern. Unsere Visualisierungen sollen Lust an einer intensi intensiveren Beschäftigung mit den Problemen der klassischen, klassisch ebenen Geometrie wecken. G. Glaeser, K. Polthier, Bilder der Mathematik, DOI 10.1007/978-3-662-43417-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 18 2 Geometrie in der Ebene Der Satz des Pythagoras Die Formel d2 + e2 = f2 für die Seitenlängen im rechtwinkligen Dreieck kennt fast jeder. Die Ägypter haben sie verwendet, ohne einen exakten Beweis dafür gekannt zu haben. Die Griechen aber hatten den Anspruch, dass man diese Dinge beweisen können oder zumindest mit größter Vorsicht genießen muss. Mittlerweile sind etwa 300 verschiedene Beweise für die legendäre Formel bekannt, von denen wir vier herausgreifen. Beweis 1 Nehmen wir gleich vier rechtwinklige Dreiecke mit den Seitenlängen d, e, f her und platzieren sie wie im Bild links auf einer quadratischen Platte mit der Seitenlänge f. Dabei bleibt ein Quadrat mit der Seitenlänge e – d übrig. Die vier Dreiecke haben die Fläche 4 · (d · e/2) = 2de, das innere (graue) Quadrat hat die Fläche (e - d)2 = d2 - 2de + e2. Berechnen wir nun die gesamte Fläche der obigen Figur auf zwei Arten, dann haben wir Beweis 2 Wir nehmen wieder vier rechtwinklige Dreiecke mit den Seitenlängen d, e, f her und platzieren sie wie im Bild rechts auf einer quadratischen Platte mit der Seitenlänge d + e. Dabei bleibt ein Quadrat mit der Seitenlänge c übrig. Die vier Dreiecke haben wieder die Fläche 2de, das innere (graue) Quadrat hat die Fläche f2. Berechnen wir nun die gesamte Fläche der Figur auf zwei Arten, dann haben wir woraus der Pythagoras folgt. R. Grothmann www.mathe-online.at/materialien/mathe.net/files/pythagoras/beweis_kathsatz.html Satz des Pythagoras – Mathe Online J. Roth www.juergen-roth.de/dynageo/pythagoras/pythagoras4.html Beweis aus den Elementen des Euklid Der Satz des Pythagoras 19 Beweis 3 Aufgrund der Strahlensätze gilt offensichtlich Bei diesem Beweis sind die Kathetensätze „gratis dabei“. Beweis 4 Umkehrung des Satzes Besonders erwähnenswert ist jener Beweis, den der elfjährige Albert Einstein (1879–1955) geliefert hat: Er dachte sich das Dreieck DEF durch die beiden ähnlichen (weil winkelgleichen) Teildreiecke FEG und DFG zusammengesetzt. Mindestens ebenso wichtig ist in der Mathematik die Umkehrung des Satzes von Pythagoras: Gilt in einem Dreieck die Formel d2 + e2 = f2, so ist das Dreieck rechtwinklig. Diesen Satz beweist man indirekt, indem man davon ausgeht, dass das Dreieck DEF eben nicht rechtwinklig ist, obwohl die Formel gilt, und führt einen Widerspruch herbei. Alle drei ähnlichen Dreiecke (sie haben die Hypotenusen d, e und f) können aus einem Prototyp mit Hypotenusenlänge 1 gewonnen werden, indem man ihre Seitenlängen mit den Faktoren d, e und f multipliziert. Sei I die Fläche dieses Prototyps. Dann vergrößert sich die Fläche mit dem Quadrat des Skalierungsfaktors. Somit gilt I · f2 = I · d2 + I · e2, und man braucht nur noch zu kürzen, um den Pythagoras vor sich zu haben (s. Bild in der Mitte und oben rechts). Durch Einzeichnen der Höhe k auf e lässt sich das Dreieck als Summe oder Differenz zweier rechtwinkliger Dreiecke DKE und EFK interpretieren. In beiden Dreiecken gilt der Satz von Pythagoras (schon bewiesen), also: A. Lindner http://home.eduhi.at/teacher/alindner/geonext/fubb/Pythagoras/index.htm Der Satz von Pythagoras 20 2 Geometrie in der Ebene Der Neunpunktekreis von Feuerbach Aus der Schulmathematik kennen wir viele besondere Punkte im Dreieck. Neun solcher Punkte liegen auf einem Kreis, benannt nach Karl W. Feuerbach (1800–1834). Der Schwerpunkt ergibt sich als Schnitt der Schwerlinien, die durch Ecken und gegenüberliegende Seitenmitten gehen. Den Höhenschnittpunkt finden wir im Schnitt der aus den Eckpunkten auf die gegenüberliegenden Seiten gefällten Normalen. Der Umkreismittelpunkt muss von allen Eckpunkten gleich weit entfernt sein und daher im Schnitt der Mittelsenkrechten (Mittelsymmetralen) liegen. Euler (1707– 1783) hat bewiesen, dass diese drei Punkte auf der sogenannten Euler-Geraden liegen. Nun gibt es auf dieser Geraden aber einen vierten Punkt, welcher Mittelpunkt eines Kreises ist, der alle Seitenmitten und alle Höhenfußpunkte enthält. Verkleinert man aus dem Höhenschnittpunkt das Dreieck zentrisch um die Hälfte, so liegen die neuen Eckpunkte auch auf dem Kreis. Leonhard K. W. Feuerbach Eigenschaften einiger merkwürdigen Punkte des geradlinigen Dreiecks und mehrerer durch sie bestimmten Linien und Figuren Harleem: P. Vissers Azn, Berlin: Meyer & Müller. – 1908 G. Glaeser Geometrie und ihre Anwendungen in Kunst, Natur und Technik 2. Aufl. Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg, 2007 M. Koecher, A. Krieg Ebene Geometrie 3. Aufl. Springer-Verlag, Berlin 2007 Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Feuerbachkreis Feuerbachkreis Der Neunpunktekreis von Feuerbach / Konzentrische Kreise 21 Konzentrische Kreise um den Inkreismittelpunkt Der Inkreismittelpunkt L findet sich im Schnitt der innerhalb eines Dreiecks DEF (gelb) liegenden Winkelhalbierenden. Die auf die entsprechenden Symmetralen normalen Geraden sind auch Winkelhalbierende und bilden ein (hellblau eingezeichnetes) Dreieck D1D2D3, für das der Punkt L Höhenschnittpunkt ist. Um die Eckpunkte dieses Dreiecks lassen sich die Ankreise zentrieren, welche die ursprünglichen Seiten von außen berühren. Die Normalen aus den Ankreismittelpunkten D1, D2, D3 auf jeweils zwei der ursprünglichen Dreiecksseiten schneiden einander wie im Bild in drei neuen Punkten V1, V2, V3. Und siehe da: Es lässt sich zeigen, dass deren (rot eingezeichneter) Umkreis konzentrisch zum (grün eingezeichneten) Inkreis ist. Weiters hat der Kreis den doppelten Radius wie der Umkreis des ursprünglichen Dreiecks DEF. Diese Eigenschaft wurde im Jahr 2006 von Boris Odehnal entdeckt. Es scheint noch immer nicht zu spät, um das Dreieck, das wohl besterforschte geometrische Primitiv, noch besser kennenzulernen. B. Odehnal Three points related to the incenter and excenters of a triangle Elem. Math. 61/2 (2006), 74-80 B. Odehnal www.geometrie.tuwien.ac.at/fg3/elementary.html Elementary Geometry – Technische Universität Wien 22 2 Geometrie in der Ebene Metrische und projektive Skalen Vom Teilverhältnis zum Doppelverhältnis Wir wollen auf einer Geraden eine Skala auftragen. Angenommen, wir hätten nur ein „Parallelenlineal“ oder auch zwei Dreiecke zum Parallelverschieben. Nun sollen wir auf einer Geraden, auf der der Nullpunkt 0 und der Einheitspunkt 1 markiert sind, eine beliebig feine metrische Skala konstruieren. Dann können wir wie folgt vorgehen: Wir wählen zwei beliebige Parallelenrichtungen X,Y und zeichnen die Parallelen dazu durch 0 und 1. Dadurch erhalten wir den Hilfspunkt K, durch den wir eine Parallele k zur Geraden zeichnen. Sägezahnpolygon ! Mit k können wir ein Sägezahnpolygon bzw. Parallelogramme definieren, die zu Mittelpunkten P führen. Die Parallele p durch P ermöglicht eine Verfeinerung des Polygons auf die Hälfte, usw. ... Nun konstruieren wir analog eine projektive Skala, wobei uns sogar ein Lineal genügt. Gegeben sind der Nullpunkt 0, der Einheitspunkt 1 und der Fernpunkt ∞. Die Punkte X und Y sind gewöhnliche Punkte (mit XY „projektiv parallel“ zur Geraden, also durch ∞). Alles andere funktioniert ganz analog. Aus dem Teilverhältnis auf der metrischen Skala ist ein Doppelverhältnis auf der projektiven Skala geworden. Aus Halbierungspunkten werden harmonische Punkte bzgl. ∞ zu den Endpunkten der jeweiligen Strecke (Doppelverhältnis –1). Notabene: Die Konstruktion hängt ausschließlich von der Lage der Angabepunkte ab. H. Walser http://e-collection.ethbib.ethz.ch/eserv/eth:25629/eth-25629-03.pdf Projektive Abbildungen, zeichnerischer Zugang – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich A. L. Oniscik, R. Sulanke http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/e/2004/sulanke/geo.print.ps Projektive und Cayley-Kleinsche Geometrien – Georg-August-Universität Göttingen Projektive Skala Metrische und projektive Skalen / Der Fermat-Punkt 23 Der Fermat-Punkt Minimaler Abstand von drei Punkten Jener Punkt G, für den die Summe der Abstände von drei festen Punkten A,B,C minimal ist, heißt FermatPunkt (er wurde aber auch unabhängig von Jakob Steiner wiederentdeckt). Durch eine physikalische Interpretation, bei der wir uns drei Fäden wie im Bild unten durch gleiche Gewichte gespannt denken, kommen wir auf das gleiche Ergebnis. Dabei werden die drei Fäden eine symmetrische Lage einnehmen (dreimal 120° bilden). Konstruktiv ist der Punkt G leicht zu finden, wenn wir auf jeder Dreiecksseite ein gleichseitiges Dreieck errichten und jeden der so erhaltenen Punkte X,Y,Z mit dem jeweils gegenüberliegenden Punkt A,B,C verbinden. Man kann auch zwei Umkreise der gleichseitigen Dreiecke zum Schnitt bringen, wobei die 120° aus der Tatsache folgen, dass im Sehnenviereck (z.B. AGCY) die Summe gegenüberliegender Winkel 180° beträgt. Der restliche Winkel beträgt automatisch 120°, sodass der dritte Kreis auch durch den Fermat-Punkt gehen muss. Klappt man die Dreiecke nach innen, ergeben sich Punkte mit ähnlichen Eigenschaften, die Zentriwinkel sind dann aber zum Teil 60°. G. Glaeser Geometrie und ihre Anwendungen in Kunst, Natur und Technik 2. Aufl. Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg, 2007 Wikipedia http://en.wikipedia.org/wiki/Fermat_point Fermat point 24 2 Geometrie in der Ebene Der Satz von Morley könnte von Euklid sein Im Jahre 1904 hat der amerikanische Mathematiker Frank Morley (1860– 1937) einen Satz gefunden, der in seiner Ästhetik den Elementen Euklids in nichts nachsteht, obwohl er nicht elementargeometrisch ist. Wenn man in einem beliebigen Dreieck ABC die Innenwinkel in den Ecken drittelt, bilden die Schnittpunkte der jeweils seitenanliegenden Dreiteilungsgeraden ein gleichseitiges Dreieck XYZ (oberes Bild). Der angeführte Beweis stammt i.W. von D. J. Newman (1996). Wir „zäumen das Pferd von hinten auf“ und beginnen mit dem Ergebnis – einem gleichseitigen Dreieck XYZ mit Seitenlänge 1. Nun tragen wir, wie im unteren Bild, Winkel u, v und w je zweimal auf. Dabei fordern wir . Die entstehenden Hilfsdreiecke sollen einander nicht überlappen. Wenn es gelingt, zu zeigen, dass ist, sind wir praktisch fertig, denn durch „Umbeschriften“ ergibt sich Winkelgleichheit für die restlichen Winkel. Zunächst zeigt man . Dies ergibt sich aus Zudem ist bei Anwendung des Sinussatzes in den Dreiecken XZB bzw. XYC und bei Anwendung des Sinussatzes in BCX Nun kann man (wegen der Monotonie der Sinusfunktion) tatsächlich folgern: bzw. R. Fritsch www.mathematik.uni-muenchen.de/~fritsch/morley.pdf Ein einfacher Beweis des Satzes von Morley – Ludwig-Maximilians-Universität München M. Koecher, A. Kreig www.matha.rwth-aachen.de/geometrie/IV.5.5.Die_Morley-Dreiecke.html Die Morley-Dreiecke – Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Der Satz von Morley / Der Satz von Fukuta und Cerin 25 Der Satz von Fukuta und Cerin Jedem Dreieck sein regelmäßiges Sechseck Jiro Fukuta entdeckte 1996 und Zvonko Čerin bewies zwei Jahre später folgenden bemerkenswerten Satz: Man starte mit einem beliebigen Dreieck (großes Bild, gelb) und teile jede Seite in zwei konstanten Verhältnissen s und t. Dadurch erhält man ein allgemeines Sechseck. Über den Sechseckseiten errichten wir gleichseitige Dreiecke (blau). Die neuen Eckpunkte bilden wieder ein (allgemeines) Sechseck. Jeweils drei aufeinander folgende Punkte dieses Sechsecks bilden ein Dreieck. Die Schwerpunkte der sechs auf diese Weise entstandenen Dreiecke bilden dann stets ein regelmäßiges Sechseck. Das Bild links unten zeigt den Spezialfall, bei dem die Teilungspunkte mit den Ecken des Dreiecks identifiziert werden v=0, w=1 sodass das erste Sechseck ausartet. Im Bild daneben ist ein Teilungspunkt der Halbierungspunkt der Dreiecksseite, der zweite Teilungspunkt ist Eckpunkt des Dreiecks: v=½, w=1 Z. Cerin Regular Hexagons Associated to Centroid Sharing Triangles Beitr. zu Algebra und Geometr. 39 (1998), 263-267 H. Stachel Napoleon’s Theorem and Generalizations Through Linear Maps Beitr. zu Algebra und Geometr. 43 (2002), 433-444 26 2 Geometrie in der Ebene Probleme von Maclaurin-Braikenridge Schließungsprobleme im n-Eck Man soll ein q-Eck konstruieren, das einem gegebenen q-Eck umschrieben und einem gegebenen „qSeit“ eingeschrieben ist. Konkret wollen wir das Problem an einem Dreieck STU und einem Dreiseit (Ecken DEF) im wahrsten Sinne des Wortes durchprobieren. gehen von dort weiter über T nach FD und zuletzt über U wieder zurück auf DE. Wenn der neue Punkt 1' zufällig mit 1 zusammenfällt, haben wir eine Lösung gefunden. Dies wird im Allgemeinen natürlich nicht der Fall sein, also probieren wir es noch ein zweites und ein drittes Mal. Starten wir mit einem Punkt 1 auf der Seite DE. Verbinden wir 1 mit S, markieren den Schnittpunkt mit EF, Die Punktreihen 1,2,3… und 1ƍ,2ƍ,3ƍ« sind aufeinander projektiv bezogen, d. h. ein vierter Punkt 4 bildet mit 1,2,3 dasselbe Doppelverhältnis wie sein entsprechender Punkt 4ƍ mit 1ƍ,2ƍ,3ƍ (es wurde ja dreimal eine Zentralprojektion aus S, T bzw. U vorgenommen). Gibt es nun „Doppelpunkte“, in denen die entsprechenden Punkte der beiden Reihen zusammenfallen? Die Rechnung zeigt, dass die Beziehung der „Koordinaten“ zugeordneter Punkte 1,1ƍ usw. bilinear ist, sodass zwei (reelle, reell zusammenfallende oder konjugiert komplexe) Lösungen zu erwarten sind. Diese kann man auch mit Zirkel und Lineal konstruieren. Bei den Überlegungen hat die Anzahl der Punkte bzw. Seiten der Angabedreiecke keine Rolle gespielt, sodass die Sache auch für q > 3 funktioniert. H. Brauner Geometrie projektiver Räume I, II BI-Hochschultaschenbücher, 1976 J. L. Coolidge The Rise and Fall of Projective Geometry The American Mathematical Monthly, Vol. 41, No. 4 (April, 1934), pp. 217-228 Probleme von Maclaurin-Braikenridge 27 Spezialfall poristischer Aufgaben Bekannter ist der ebenfalls von Colin Maclaurin (16981746) stammende Satz: Gibt es zu zwei Kegelschnitten ein Dreieck, das dem einen eingeschrieben und dem anderen umschrieben ist, dann gibt es unendlich viele solcher Dreiecke. Der Beweis beruht auf dem Hilfssatz, dass, wenn zwei Dreiecke einem Kegelschnitt eingeschrieben sind, sie auch einem anderen Kegelschnitt umschrieben sind. Jean-Victor Poncelet (1788–1867) hat sich mit „poristischen Aufgaben“ auseinandergesetzt, bei denen entweder gar keine oder gleich unendlich viele Lösungen zu erwarten sind, sodass es gar keinen Sinn hat, herumzuprobieren. Er hat gezeigt, dass der Satz von Maclaurin allgemein für q-Ecke gilt. Eine typisch poristische Aufgabe ist z. B. das Aufsuchen eines Dreiecks, von dem Inkreis und Umkreis vorgegeben sind. Die Figur links illustriert, dass die Eckpunkte aller Dreiecke, die denselben Höhenschnittpunkt und Inkreis haben wie das gegebene rote Dreieck, auf einem gemeinsamen Kegelschnitt liegen. T. Bauer www.mathematik.uni-marburg.de/~tbauer/poncelet.htm Der Satz von Poncelet – Philipps-Universität Marburg Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Schließungssatz_von_Poncelet Schießungssatz von Poncelet 28 2 Geometrie in der Ebene Herleitung der Additionstheoreme Summensätze im Dreieck Der erste Summensatz erlaubt es, den Sinus bzw. Cosinus der Summe zweier Winkel zu bilden: , Wie merkt man sich die Summensätze? Eine Skizze ermöglicht nicht nur das schnelle Ableiten der Formeln, man trainiert dabei auch Fertigkeiten, die nahezu typisch für einen Mathematiker sind. Jedenfalls ist es ein schönes Gefühl, auf einem Schmierzettel in einer Minute Formeln anschreiben zu können, die manch einen beeindrucken können. Die Werte auf der linken Seite der Formeln werden als kartesische Koordinaten eines Punkts P* der Ebene gedeutet, der durch Drehung eines Ausgangspunkts P mit dem Polarwinkel α um den Winkel β entsteht. , J. Bronstein, K. Semendjajew, G. Musiol, H. Mühlig Taschenbuch der Mathematik Verlag Harri Deutsch 2005 Herleitung der Additionstheoreme Der zweite Summensatz erlaubt es, den Sinus bzw. Cosinus zweier Winkel α und β zu addieren bzw. zu subtrahieren: 29 Wir betrachten zwei Punkte P und Q auf dem Einheitskreis mit den Polarwinkeln α und β. Aus ihnen entsteht durch Ergänzen zu einer Raute ein Punkt R, dessen kartesische Koordinaten den Ausdrücken auf der linken Seite der Formeln entsprechen. Die Diagonalen einer Raute stehen erstens aufeinander senkrecht und zweitens halbieren sie die zugehörigen Winkel. Sie teilen die Raute in vier rechtwinklige Dreiecke, deren Hypotenuse 1 ist. Die halben Diagonalen haben somit die Längen , , , , 30 2 Geometrie in der Ebene Eingeschriebene Quadrate Ein Quadrat in jeder geschlossenen Kurve Gegeben sei eine hinreichend glatte geschlossene ebene Kurve. Dann wird behauptet, dass man der Kurve zumindest ein Quadrat einschreiben kann. Der triviale Fall ist, dass die Kurve ein Kreis ist. Dann kann man ein eingeschriebenes Quadrat um den Mittelpunkt drehen, und es gibt natürlich unendlich viele eingeschriebene Quadrate. Bei einer Ellipse wird man immer genau ein Quadrat finden. Selbst im allgemeinen Fall gibt es bei hinreichend glatter Kurve mindestens eines, wie die restlichen Figuren illustrieren. Der Beweis hierfür ist in der angegebe nen Literatur zu finden. V. Klee, S. Wagon Alte und neue ungelöste Probleme in der Zahlentheorie und Geometrie der Ebene Birkhäuser, Basel 1997 Eingeschriebene Quadrate und gleichseitige Dreiecke 31 ... und gleichseitige Dreiecke Einschreibung von Dreiecken Es liegt nahe, zu untersuchen, ob man z. B. auch gleichseitige Dreiecke geschlossenen Kurven einschreiben kann. Die obigen Bilder zeigen, dass dies tatsächlich der Fall ist. Bei konvexen Kurven kann man sogar gezielt beliebig viele Dreiecke einschreiben: Man wähle einen Punkt A, verschwenke um ihn die Kurve um +60° bzw. -60° und verwende die zwei anderen Schnittpunkte B und C. Aus „Gründen der Gleichberechtigung“ sind die Strecken AB und AC gleich lang, und sie schließen einen Winkel von 60° ein. Damit ist das Dreieck ABC gleichseitig. Aus der Kinematik gibt es ein anwendungsbezogenes Beispiel für eine stetige Umwälzung eines (blau angemalten) Dreiecks in einer geschlossenen Kurve: den Wankelmotor. Hierbei wurde das Motorgehäuse genau für diesen Zweck konstruiert (die Kurve ist eine dreifach überstrichene Trochoide). Wankelmotor W. Wunderlich: Ebene Kinematik. B W. Wunderlich Ebene Kinematik B.I. Hochschultaschenbücher, Mannheim, 1970 32 2 Geometrie in der Ebene Halbierung der Dreiecksfläche bei minimaler Schnittlänge Wir betrachten ein gleichseitiges Dreieck XYZ und wollen es (geradlinig oder krummlinig) so zerschneiden, dass es in zwei gleich große Hälften zerfällt. Wie muss die Schnittkurve aussehen, wenn sie minimale Länge haben soll? Zwei naheliegende Schnittgeraden XK bzw. GH sind im Bild eingetragen (rot und blau). Beide führen aber nicht auf die kürzeste Schnittlinie, denn diese ist ein Kreisbogen. Dies sieht man wie folgt ein: Sechs Dreiecke aneinander gereiht bilden ein regelmäßiges Sechseck, für das es einen konzentrischen Kreis n (Radius u) gibt, der die Fläche halbiert. Bekanntermaßen ist der Kreis dadurch ausgezeichnet, dass er bei minimalem Umfang eine gegebene Fläche umfasst. Diese Minimaleigenschaft überträgt sich auf die einzelnen Kreisausschnitte. Auch beim allgemeinen Dreieck erweisen sich Kreisbögen als kürzeste Schnittlinien beim Zerteilen des Dreiecks. Illustriert ist dies am Beispiel eines rechtwinkligen bzw. gleichschenkligen Dreiecks (kleine Bilder oben). Halbierung der Dreiecksfläche / Jeder Winkel ein rechter Winkel? 33 Jeder Winkel ein rechter Winkel? Manchmal trügt uns die Anschauung sogar in der Ebene Behauptung: Jeder Winkel der Ebene ist ein rechter Winkel. Beweis: Betrachten wir ein Viereck (wie im Bild links) mit folgenden drei Eigenschaften: Die Mittelsenkrechten (Streckensymmetralen) p1 und p2 auf BC und DG sind dann nicht parallel, schneiden einander daher in einem Punkt P (linkes Bild unten). Wir vergleichen nun die beiden Dreiecke DEP und GPF (Bild rechts): Beide Dreiecke sind somit kongruent und haben gleiche Winkel: Damit ist der Satz bereits bewiesen, wenn P innerhalb des Vierecks liegt. Analog beweist man den Fall, dass P außerhalb liegt (Bild rechts unten): In diesem Fall haben wir wie vorher kongruente Dreiecke DEP, GFP und damit gleiche Winkel (das Dreieck PEF ist gleichschenklig). Diesmal müssen wir die Differenz der Winkel bilden und erhalten ebenfalls: Ein absurder Beweis. Nur: Wo liegt der Fehler? G. Glaeser Geometrie und ihre Anwendungen in Kunst, Natur und Technik 2. Aufl. Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg, 2007 G. Glaeser et al www.uni-ak.ac.at/math-pictures Mathematikbilder – Universität für Angewandte Kunst Wien