Wege aus der Krise - CSR als strategisches Rüstzeug für

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Wege aus der Krise CSR als strategisches Rüstzeug
für die Zukunft
Anna Peters
Wege aus der Krise - CSR als strategisches Rüstzeug für die Zukunft | Seite 2
Wege aus der Krise CSR als strategisches Rüstzeug
für die Zukunft
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Anna Peters
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Bildnachweis: Rob Friedmann / iStockphoto
Die Bertelsmann Stiftung dankt Christina Gradl und Claudia Knobloch vom Emergia Institut,
Berlin für die inhaltliche Unterstützung.
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Inhalt
1
Verantwortung im Angesicht der Krise – ein längst überfällliger Ruf......................................... 5
2
Globale Megatrends - Weltkrisen von morgen?........................................................................ 6
3
CSR als Antwort auf globale Herausforderungen ..................................................................... 8
4
3.1
CSR „außerhalb des Marktes“......................................................................................... 8
3.2
CSR „innerhalb des Marktes“ .......................................................................................... 9
3.3
CSR „für die Bedingungen des Marktes“ ....................................................................... 11
Kernkompetenz „Kooperationsfähigkeit“................................................................................. 12
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"We have now a mass crash and we have to figure out first how we help those injured by it. Secondly,
we have to find out what rules we need for the future in order to avoid this happening again."
Klaus Schwab, Gründer “World Economic Forum”, Davos, Januar 2009
“In every crisis, however, there is opportunity. If we have the courage to learn the lessons of the past
18 months and put them into practice beyond the economic sphere, we can put in place new
foundations to reshape our world for the better.”
Kofi Annan, former Secretary-General of the United Nations, Davos, Januar 2009
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1 Verantwortung im Angesicht der Krise –
ein längst überfällliger Ruf
In der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise hat ein alt gedienter Begriff Hochkonjunktur wie
schon lange nicht mehr: „Verantwortung“. Der Ruf nach ihr ist laut und richtet sich besonders an
Unternehmen und ihre Geschäftspraxis. Im Jahr eins nach dem Zusammenbruch von Lehman
Brothers und der Verstaatlichung der Hypo Real Estate wird von Unternehmen ein neues Bekenntnis zur Verantwortung verlangt. Dieses zeigt sich in Produkten und Dienstleistungen, die
transparent sind und gesellschaftlichen Mehrwert schaffen; in einem werteorientierten Management, das vorausschauend Risiken erkennt und Arbeitsplätze erhält; und in einem sorgfältigen
Umgang mit den milliardenschweren Rettungspaketen von staatlicher Seite.
Dabei ist der Ruf nach Verantwortung im Angesicht der Krise längst überfällig. Denn „die Krise“ ist
lediglich ein Ausdruck dafür, dass bestehende Werte-Systeme – vorrangig unser Finanz- und
Wirtschaftssystem – auf den Prüfstand müssen. Verantwortung übernehmen bedeutet vor allem,
auf eine absehbare Zukunft bereits heute zu reagieren. Und absehbar ist, dass die großen Krisen
der Zukunft – der Kampf um natürliche Ressourcen und die weltweite Zunahme sozialer Ungleichheiten – Staaten wie auch Unternehmen unter viel größeren Handlungsdruck bringen werden. Vor
diesem Hintergrund ist der ökologisch und sozial ausgerichtete Umbau des Wirtschaftssystems
eine Notwendigkeit, der einer Neuausrichtung des Zusammenspiels von Wirtschaft, Politik und
Gesellschaft bedarf.
Die Debatte über Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. die gesellschaftliche Verantwortung
von Unternehmen kann dabei helfen, über diese Neuausrichtung nachzudenken. So kann die Wirtschaftskrise auch als ein Indikator für verantwortliches Wirtschaften verstanden werden. Sie zeigt,
wo Unternehmen tatsächlich von sozial und ökologisch verantwortlicher Geschäftsführung profitieren und wo nicht mit dem Kerngeschäft verknüpfte Aktivitäten gesellschaftlichen Engagements
schnell Einsparungsprogrammen zum Opfer fallen. Diese Konsolidierung und Anpassung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen macht zweierlei deutlich: CSR als strategisches
Management-Rüstzeug bietet Unternehmen die Chance, sich fit für die Zukunft zu machen und
sich für künftige Krisen zu wappnen. CSR als neuer (gesellschaftlicher) Einbettungsmechanismus
bringt gerade im globalen Kontext Unternehmen mit Politik und Gesellschaft näher zusammen, um
gemeinsam für gesellschaftliche Belange neue Wege, Bündnisse und Verflechtungen einzugehen.
Die nachfolgenden Seiten zeigen, vor dem Hintergrund globaler Megatrends im allgemeinen und
der aktuellen Weltwirtschaftskrise im speziellen, wie CSR als strategisches Management-Rüstzeug
helfen kann, Wege aus der Krise zu finden und den gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen von Morgen erfolgreich zu begegnen.
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2 Globale Megatrends - Weltkrisen von morgen?
Erfolgreiche Unternehmen brauchen eine intakte Gesellschaft und eine intakte Gesellschaft
braucht erfolgreiche Unternehmen. Diese häufig gebrauchte Formel umreißt die Grundlagen für
das verantwortungsbewusste Handeln von Unternehmen. Die Rolle, die ein Unternehmen oder ‚die
Wirtschaft’ als Ganzes in einer Gesellschaft übernehmen, ist dynamisch und verändert sich mit
den sozialen, technischen und umweltbedingten Entwicklungen. Auch die gesellschaftlichen Erwartungen an unternehmerisches Handeln wandeln sich im Zuge umfassender politischer und
wirtschaftlicher Ereignisse, wie die derzeitige Wirtschaftskrise beweist.
Aktuell lassen sich die großen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in vier Megatrends zusammenfassen, die eng miteinander zusammenhängen und das Handeln von Unternehmen direkt
oder indirekt beeinflussen:
• die Globalisierung von Wertschöpfungsketten (getrieben durch Liberalisierung der Märkte und
effiziente Logistiksysteme)
• die Zunahme von Transparenz durch neue Kommunikationstechnologien und eine weltumspannende Medienlandschaft.
• die Verknappung natürlicher Ressourcen und die damit verbundene Umweltzerstörung (Klimawandel, Umweltverschmutzung, Artenverlust)
• die zunehmende soziale Ungleichheit, sowohl auf nationaler als auch globaler Ebene, ausgelöst
durch unterschiedliche Teilhabemöglichkeiten an den Chancen der Globalisierung.
Diese Trends bringen aus der Sicht von Unternehmen sowohl ökonomische Chancen als auch
Risiken mit sich, von denen einige der wichtigsten in folgender Tabelle aufgeführt sind:
Trend
Globalisierung von
Wertschöpfung
sketten
Chancen
Kostenvorteile durch globalen Einkauf
und Produktion
Abhängigkeit von ausländischen Zulieferern
Zugang zu neuen Rohstoffen, die zu
Produktinnovationen führen können
Erschwerte Kontrollierbarkeit von
Standards (Qualität, Umwelt, Soziales, Recht)
Erschließung neuer Absatzmärkte
Effizienzgewinne durch Fokussierung
auf Kernkompetenzen
Zunahme
von
Transparenz
Risiken
Effiziente interne und externe Kommunikation
Kontrollierbarkeit von Zulieferern und
anderen Geschäftspartnern
Wettbewerbsvorteile durch verantwortliches Management
(Zertifizierung und Identifikation
‚schwarzer Schafe’)
Unüberschaubarkeit der Risiken und
negative Effekte von Transaktionsketten (Wettbewerbsnachteile durch
Einhaltung nationaler Standards (und
evtl. ‚Race to the Bottom’)
Bessere Kontrolle durch Interessensgruppen („Watchdogs“) und größere
Druckpotentiale der Medien (schnelle
Rückführbarkeit von NegativHandeln)
Schnelle Adaption von Produkten und
Dienstleitungen durch Konkurrenten
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Verknappung
natürlicher
Ressourcen und
Klimawandel
Zunehmende Attraktivität ressourcenschonender Produkte und
Dienstleistungen
Zunahme
sozialer
Ungleichheit
Markterschließungschance bei Niedrigeinkommensgruppen (BOP)
Zusätzliche Einkunftsmöglichkeiten
durch Märkte für Ressourcenschonung, v.a. Emissionshandel
Treiber für Innovation von nachhaltigen Produkten
Erhöhte Kooperationsbereitschaft der
Mitarbeiterschaft/Gewerkschaften
Stärkere Anerkennung guter Mitarbeiterführung
Verteuerung von Rohstoffen
Erhöhte Abgaben- und Investitionsbelastung zur Vermeidung von
Umweltbelastung und durch ÖkoSteuern
Erhöhte Wachsamkeit von Interessengruppen gegenüber
umweltbezogenem Verhalten von Unternehmen
Erhöhter Druck durch arme Bevölkerungsschichten auf Unternehmen,
etwa durch individuelle Aggression,
Streiks, Demonstrationen oder politische Programme
Mangel an gut ausgebildeten Mitarbeitern
Gefährdung politischer Stabilität/stabiler gesellschaftlicher
Rahmenbedingungen
Wollen Unternehmen sich krisenfest machen, ist es von zentraler Bedeutung, diese Trends im
Rahmen eines strategischen Managements von Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen und
Antworten darauf zu finden. Risiken entlang der eigenen Wertschöpfungskette zu ignorieren oder
lediglich mit passiver Risikovermeidung oder Risikobegrenzung zu reagieren, ist verantwortungslos
und geschäftsschädigend.
So ist der kommende Mangel an fossilen Brennstoffen vor allem eine Gefahr für Autobauer, die
nicht rechtzeitig alternative Antriebssysteme entwickelt haben. Und die wachsende Anzahl von
Menschen im unteren Einkommenssektor ein Problem für Konsumgüterhersteller, die keine Produkte für die Bedürfnisse dieser Zielgruppe im Sortiment haben. Während Finanzinstitute für
Verbraucher und Banker selbst immer undurchschaubarere Produkte entwickelten, nutzen Startups wie MyC4 das Internet, um Kleinanlegern zinsbasierte Direktinvestitionen in Kleinunternehmer
in Entwicklungsländern zu ermöglichen.
Erfolgreichen Unternehmen gelingt es, diese sozialen und ökologischen Risiken in Chancen zu
verwandeln und sie in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Dabei schaffen sie sich nicht nur
selbst einen strategischen Vorteil gegenüber Wettbewerbern. Verantwortliche Unternehmen leisten
damit einen Beitrag für die Gesellschaft und helfen, den Krisen von morgen entgegenzusteuern.
Bei der Verwandlung gesellschaftlicher Herausforderungen in unternehmerische Chancen können
Konzerne von „Social Entrepreneurs“ lernen. Diese „Sozialunternehmer“ widmen sich dem Beheben gesellschaftlicher Missstände und entwickeln dafür marktfähige Geschäftsmodelle. Vorreiter
ist der Nobelpreisträger Mohammed Yunus, der mit den Unternehmen der „Grameen Family“ für
arme Bevölkerungsschichten in Bangladesh nicht nur ein Kreditangebot entwickelte, sondern auch
Kommunikationsdienstleistungen, Energieservices, Bildungsprogramme und Lebensmittel anbietet.
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3 CSR als Antwort auf globale Herausforderungen
Die Umsetzung von CSR kann dabei helfen, die gesellschaftlichen Herausforderungen in strategische Chancen umzusetzen. CSR kann dann als ein Experimentier- und Aushandlungsprozess
verstanden werden, in dem Unternehmen zusammen mit ihren politischen und gesellschaftlichen
Stakeholdern innovative Lösungsansätze erproben und so die gesellschaftliche Aufgabenteilung
neu ausbalancieren.
Dies kann grundsätzlich auf drei Ebenen geschehen:
• außerhalb des Marktes – philanthropische Maßnahmen, Engagement von Unternehmen als
‚Corporate Citizens’
• innerhalb des Marktes – nachhaltiges Gestalten des eigentlichen Kerngeschäftes
• für die Bedingungen des Marktes – Maßnahmen zur Veränderung der Rahmenbedingungen
Um komplexen Herausforderungen wie dem Klimawandel wirksam begegnen zu können und die
Zukunftsfähigkeit ihres Geschäftes zu sichern, müssen sich Unternehmen auf allen drei Ebenen
konstruktiv einbringen.
3.1 CSR „außerhalb des Marktes“
Viele Unternehmen sehen CSR als philanthropisches Engagement im Umfeld des Unternehmens.
Dies geschieht häufig aus der Motivation heraus, der Gesellschaft etwas von dem erwirtschafteten
Vermögen zurückzugeben. Das gesellschaftliche Engagement für den Standort oder für die eigenen Mitarbeiter hat in Deutschland eine lange Tradition. Auch bei ihren Auslandstätigkeiten
unterstützen deutsche Konzerne Projekte im Bereich Gesundheit oder Bildung.
Jedoch: Projekte, bei denen Sponsoring oder Spenden im Mittelpunkt stehen und die keinen direkten Zusammenhang mit dem Kerngeschäft haben, haben wenig mit CSR zu tun und sind in Zeiten
der Rezession in der Regel die ersten Posten, die gestrichen werden. Das gesellschaftliche Engagement ist in diesem Fall vor allem ein Kostenfaktor, dessen Nutzen für das Unternehmen nur
schwer, wenn überhaupt messbar ist. Auch der gesellschaftliche Mehrwert ist begrenzt, da die
Unternehmen mit ihren beschränkten Spendenbudgets keine umfassende Lösung gesellschaftlicher Probleme herbeiführen können.
Mehr jedoch als von zufälligen Spenden profitiert das Unternehmen und die Gesellschaft von gezieltem bürgerschaftlichem Engagement, das strategisch aufgebaut ist und zum Unternehmen
passt. Ein solches Engagement spielt eine wichtige Rolle innerhalb eines nachhaltigen Stakeholder-Managements, schafft Vertrauen und verankert ein Unternehmen fest in der Gesellschaft. Als
Corporate Citizen (verantwortungsvoller „Unternehmens-Bürger“) kann ein Unternehmen neue
Partnerschaften erproben, in einen intensiven Dialog mit seinen Stakeholdern treten, deren Interessen verstehen und selbst neue Fähigkeiten gewinnen.
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Ein Beispiel für gelungenen Vertrauensaufbau im Bankensektor stellen die deutschen Sparkassen
und Raiffeisen-Banken dar, die als Finanzinstitutionen tief in den Gemeinden verwurzelt sind. Engagement für die Belange der Bürger ist dort Teil des Geschäftes. Dabei handelt es sich nicht nur
um Spenden an Vereine, sondern vor allem um ein bürgerschaftliches Engagement in den Bereichen Kultur, Integration und Bildung. Dieses Engagement am Standort zeichnet sich neben
finanzieller Unterstützung, vor allem durch das persönliche Einbringen der Mitarbeiter mit Zeit und
Know-How aus. Das Vertrauen in diese Finanzinstitutionen zahlt sich nun aus: Viele Kunden
brachten ihr Geld in den vergangenen Monaten auf Sparkassen-Konten ‚in Sicherheit’. Allein bei
der Hamburger Sparkasse bewirkte der Kundenansturm im Herbst 2008 Neu-Einlagen in Höhe von
rund 500 Mio. Euro.
3.2 CSR „innerhalb des Marktes“
Verantwortliche Unternehmensführung spielt sich in erster Linie innerhalb des Kerngeschäftes ab:
Hier erzeugt ein Unternehmen die größten gesellschaftlichen Auswirkungen sowohl positiver wie
negativer Natur. Daher besteht hier der größte Spielraum, zukunftsfähige Wertschöpfung zu erzeugen und einen nachhaltigen Beitrag für die Gesellschaft zu erbringen.
Unternehmen können sich durch die Umsetzung von nachhaltigen Innovationen im Bereich der
Produkte, der Prozesse und der Managementsysteme fit für die Herausforderungen der Zukunft
machen. Die wichtigsten Instrumente hierfür werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Produktinnovationen beinhalten das Angebot neuartiger Produkte sowie die Erschließung neuer
Kundengruppen durch angepasste Produkte und Geschäftsmodelle.
• Ressourcenschonende Produkte: Die Entwicklung neuer Produkte, die in der Benutzung
umweltfreundlicher sind als die herkömmlichen Modelle (z.B. das Hybrid-Auto von Toyota), die
aus weniger umweltschädlichen Rohstoffen bestehen (z.B. das Apple MacBook, das ohne Arsen und Quecksilber auskommt) oder komplett recycelt werden können, bietet gute
Geschäftschancen. Im Bankenbereich spielt „Socially Responsible Investment (SRI)“ eine immer größere Rolle. Diese Fonds dienen zur Finanzierung von sozial und ökologisch
verantwortlich handelnden Unternehmen, reduzieren das Investitionsrisiko und fördern durch finanzielle Anreize deren Entwicklung. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich das Volumen
ökologisch-nachhaltig gemanagter Fonds in Deutschland auf über 25 Milliarden Euro verachtfacht. Trotz der konjunkturell schwierigen Lage der letzten Monate stützen das wachsende
Umweltbewusstsein und tendenziell steigende Preise für fossile Brennstoffe den Sektor und sichern eine weiterhin positive Geschäftsentwicklung.
• Markterschließung unterversorgter Märkte: Unternehmen können Bevölkerungsschichten mit
wenig Marktteilhabe (Stichwort „Base of the Pyramid“) mit Hilfe von angepassten Produkten
(z.B. kleinere Verpackungseinheiten) oder ungewöhnlichen Geschäftsmodellen (z.B. gemeinsame Nutzung von Investitionsgütern wie Telefonen) als Kunden gewinnen. Einige Banken und
Versicherungen haben begonnen, Menschen mit niedrigem Einkommen in Entwicklungsländern
durch Produkte wie „Mikrokredite“ und „Mikroversicherungen“ als neue Kundengruppe zu gewinnen. Dieses Geschäftsfeld stellt einen aussichtsreichen, wenn auch noch kleinen Markt dar,
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und bietet dort Zukunftsperspektiven, wo durch Marktsättigung oder zu starken Konkurrenzdruck bestehende Geschäftsfelder wegfallen.
Prozessinnovationen verbessern die Leistungsfähigkeit betrieblicher Abläufe. Dies beinhaltet
sowohl gesteigerte Ressourceneffizienz als auch höhere Stabilität und Legitimation wie auch geringere Kosten und Haftungsrisiken.
• Nachhaltiges Supply Chain Management: Die Beziehungen zu Lieferanten sollten nicht nur
auf Pünktlichkeit und Produktqualität geprüft werden, sondern auch auf die Rahmenbedingungen der Produktion und des Transports. Werden die ILO-Arbeitsnormen und
Umweltschutzbestimmungen bei den Lieferanten eingehalten? Kann der CO2-Ausstoß im
Rahmen des Transportes verringert werden - etwa durch die Verlagerung von der Straße auf
die Schiene? Wenn soziale und ökologische Fragen in der Lieferantenkette bis zu Ende gedacht werden, unterstützt dies den Ruf des Unternehmens nach innen (Mitarbeiterschaft) wie
nach außen (in die Gesellschaft) und das betriebliche Risikomanagement.
• Cleaner Production: Durch gezielte Identifikation und Umsetzung organisatorischer und technischer Verbesserungen im Produktionsablauf können Rohstoffe und Energieströme möglichst
gut ausgenutzt und Abfälle, Abwasser und Abgase vermieden werden.
Managementinnovationen betreffen Neuerungen in der Steuerung des Unternehmens, die eine
verantwortliche Unternehmensführung auf allen Ebenen des Unternehmens begünstigen. Dies
umfasst die Planung, die Umsetzung und die Evaluation von Maßnahmen anhand geeigneter Managementsysteme.
• Issue-Management: Der vorausschauende Umgang mit Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umwelt-Risiken kann einem Unternehmen einen strategischen Vorteil gegenüber den
Wettbewerbern verschaffen. Hierzu gehört zum einen ein 360-Grad-System zur Entdeckung
von Chancen und Risiken in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Zum anderen müssen
Organisationsstrukturen flexibel gestaltet sein, um schnell auf erkannte Chancen und Risiken
reagieren zu können und somit Reputationsschäden zu minimieren. CSR wird so zu einer
Querschnittsfunktion, die nicht mehr allein von einem „CSR-Manager“ oder der Kommunikationsabteilung in Einzelprojekten vorangetrieben wird, sondern als Organisationsprinzip in der
gesamten Unternehmensführung verankert ist.
• Ganzheitliche Ausbildung von Führungskräften: Nachhaltiges Management braucht nachhaltig denkende Manager. Das sollte in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der
Universitäten beginnen. In Unternehmen sollte die Personalentwicklung diese Kompetenz bei
Führungskräften gezielt fördern, z.B. durch Einsätze in Entwicklungsländern oder auf Kooperationsprojekten mit Partnern aus dem bürgerschaftlichen Sektor (Stichwort: Corporate
Volunteering). Ein wirklich integriertes CSR-Verständnis kann sich nur durchsetzen, wenn Manager die Werte leben. Vorstände wie Jeffrey Immelt bei General Electric und sein
Ecoimagination-Programm machen vor, wie visionäre Führung auch traditionellen Konzernen
eine zukunftsfähige Ausrichtung geben kann. Die Einbindung von nachhaltigen Aspekten in das
Personalmanagement steigert deutlich die Reputation des Unternehmens für Mitarbeiter und
zieht talentierte Bewerber an.
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• Nachhaltige Anreizsysteme: Ausbildung zur Nachhaltigkeit bleibt fruchtlos, wenn alle Anreize
auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgelegt sind. In Analysen wird als ein Grund für die Finanzkrise das Bonussystem genannt, das Manager für die quartalsweise Steigerung der
Ergebnisse belohnte. Um das nachhaltige Management zu belohnen, müssen Boni an Kennzahlen gekoppelt werden, die eine langfristige Perspektive aufzeigen, wie etwa an die
Reduzierung von Treibhausgasen, die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit oder Investitionen in neue Geschäftsbereiche wie z.B. erneuerbare Energien.
• ‚Triple Bottom Line’-Evaluierung: Zur Umsetzung von nachhaltigem Management sind Kontrollsysteme notwendig, die die Leistung eines Unternehmens nicht nur in ökonomischen,
sondern auch mit ökologischen und sozialen Kennzahlen messen und bewerten. Nur durch eine
solche ‚Triple Bottom Line’-Evaluierung können Ziele außerhalb der Betriebswirtschaft gesetzt
und ihre Erreichung kontrolliert werden. Zudem erleichtern nicht-finanzielle Kennzahlen zur Bewertung des Unternehmens den Zugang zu Kreditgeschäften.
• Transparente Kommunikation: Transparenz in der Kommunikation nach außen und innen ist
ein wesentlicher Erfolgsfaktor für strategische CSR. Die pro-aktive, ehrliche Kommunikation mit
den Stakeholdern über Werte, Aktivitäten, Erfolge und Herausforderungen eines Unternehmens
ist der Grundstein für deren Vertrauen. Nach innen müssen Werte und Ziele nicht nur kommuniziert, sondern tatsächlich gelebt werden. Dazu müssen Mitarbeiter die Möglichkeit erhalten,
ihr Verständnis und ihre Bedenken zu Zielen sowie ihre Ideen zu deren Umsetzung zu diskutieren. Für die Kommunikation mit externen Stakeholdern sind Hochglanz-Nachhaltigkeitsbroschüren längst nicht mehr ausreichend. Erwartet wird eine klare Berichterstattung anhand
messbarer Kennzahlen, die durch Dritte geprüft worden sind. Der kontinuierliche Dialog mit externen Stakeholdern, inklusive der Kritiker, ist eine wichtige Informationsquelle für das IssueManagement.
Wenn CSR auf diese Weise in die „DNA“ eines Unternehmens eingepflanzt wird, gewinnt ein Unternehmen an gesellschaftlicher Relevanz und Akzeptanz, an Stabilität und Effektivität, kurz: an
Wettbewerbsfähigkeit. Die Studie „Green Winners“ von A.T. Kearney im Februar 2009 zeigt, dass
die 99 größten Unternehmen, die im Dow Jones Sustainability Index oder der GS Sustain Focus
List geführt werden, im Branchenvergleich in der Krise weniger an Wert verloren haben. In einem
Zeitraum von Mai bis November 2008 waren ihre Verluste an der Börse bei 16 von 18 Branchen
um durchschnittlich 15 Prozent geringer als bei der Konkurrenz.
3.3 CSR „für die Bedingungen des Marktes“
Die Krise zeigt deutlich: Es gibt keinen funktionierenden Markt ohne Staat. Sie zeigt auch: Wo Unternehmen das Vertrauen in ihren gesellschaftlichen Beitrag verspielen, wird ihnen ihre
Legitimation zum Handeln (‚License to operate’) sowie das Vertrauen durch Investoren und Konsumenten entzogen. Auch wenn der Staat in den vergangenen Monaten mittels nationaler
Rettungsschirme für Banken und Autobauer in einem bisher unbekannten Ausmaß in die Wirtschaft eingegriffen hat, sind die Grenzen staatlicher Intervention deutlich sichtbar. Selbst im
Superwahljahr 2009 würde sich die Politik überfordern, wollte sie alle Probleme im Alleingang lösen. Im Gegenteil: Spielregeln, die die krisengeschüttelten Märkte wieder in Stand setzen und
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adäquate Lösungen für die globalen Herausforderungen wie den Klimawandel müssen dezentral
unter Beteiligung der Unternehmen entstehen.
Grundsätzlich können Unternehmen sich auf zwei Arten für die Regeln des Marktes engagieren:
• Soft Law: Unternehmen haben sich unter der Moderation von Branchenverbänden oder Wirtschaftsvereinigungen vielfach zu Initiativen und quasi-staatlichen Selbstregulierungen
zusammengeschlossen, mit denen sie Standards beispielsweise für die Einhaltung von Arbeitsbedingungen gesetzt haben. Diese Initiativen gehen entweder freiwillig über bestehendes Recht
hinaus oder füllen Gesetzeslücken. Beispiele hierfür sind die „Equator Principles“ im Bankensektor zur verantwortlichen Finanzierung von Kreditgeschäften, das „AVE-Sektorenmodell
Sozialverantwortung”, das Beschaffungsregeln für den Außenhandel enthält, oder die „Extractive Industries Transparency Initiative (EITI)“, mit der sich Unternehmen zur Offenlegung ihrer
Zahlungen an Regierungen verpflichten.
• Responsible Lobbying: Unternehmen setzen jedoch nicht nur auf freiwilliger Basis Normen
und Regeln für das eigene Handeln um. Sie setzen sich auch für Gesetze ein, die es erlauben,
ökologische, ökonomische und soziale Ziele entlang ihres Kerngeschäftes besser zu vereinbaren. So engagieren sie sich zum Beispiel für den Abbau von Subventionen bei Agrarexporten,
für die Aufhebung von Marktzugangsbarrieren für Entwicklungsländer oder für strengere Klimaschutzgesetze. Zudem machen sich Unternehmen für Themen stark, die ihre Zielgruppe
betreffen, wie etwa der Kosmetikkonzern Mary Kay, der sich zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen engagiert.
Ein Engagement für die Bedingungen des Marktes ist voraussetzungsreich und kann nur auf Druck
oder unter Beteiligung der anderen gesellschaftlichen Sektoren funktionieren. Es stellt sich die
Frage, ob die Krise hätte verhindert werden können, wenn sich der Finanzsektor zuvor durch Formen der Selbstverpflichtung auf eine bessere Risikobewertung seiner Papiere geeinigt hätte. Es
bleibt abzuwarten, ob der nun entstandene Druck seitens der Zivilgesellschaft und der Politik die
Banken dazu bringen kann. Es braucht also tatsächlich auch einen ‚starken Staat’ und eine ‚starke
Zivilgesellschaft’, die die unerwünschten Effekte unternehmerischen Handelns kritisieren und zu
einer Verhaltensänderung drängen können.
4 Kernkompetenz „Kooperationsfähigkeit“
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat zwei Dinge klar gemacht: Erstens, der Ruf nach Verantwortungsübernahme ist angesichts der künftigen politischen, sozialen und ökonomischen
Verwerfungen um Ressourcenverteilung, Armut und Gerechtigkeit mehr als überfällig. Die Verantwortung beginnt damit, sich der Risiken bewusst zu sein und bereits heute für den Umgang mit
den Risiken Sorge zu tragen. Zweitens, Verantwortung übernehmen ist Aufgabe aller Akteure – sei
es der Wirtschaft, Politik oder Zivilgesellschaft. Die globalen Entwicklungen sind so komplex, dass
nur im Zusammenspiel aller drei Sektoren Ergebnisse erzielt werden können, die tragfähige Strukturen für die Zukunft bilden.
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Corporate Social Responsibility ist dabei ein guter Weg, um die Unternehmen in das „trisektorale
Spiel“ zu bringen. CSR ermöglicht, dass Unternehmen mit Regierungen und Akteuren der Zivilgesellschaft gemeinsam als gleichrangige Partner in einen Aushandlungsprozess für die Lösung
gesellschaftlicher Probleme eintreten, in dem jeder Beteiligte seine Kernkompetenzen einbringt.
Kooperationsfähigkeit ist damit der Schlüssel für alle drei Sektoren, wenn es darum gehen soll,
Lösungen für die komplexen Probleme zu finden. Für Unternehmen wird Kooperationsfähigkeit zu
einer Kernkompetenz, wenn sie die Krise nicht nur überleben, sondern gestärkt aus ihr hervorgehen wollen. Mit Partnern können sie ihre eigene Zukunft und die der Gesellschaft als Ganzes
nachhaltig gestalten. Kooperationsfähigkeit bedeutet dabei mehr, als freundlich miteinander zu
sprechen. Der Austausch und die Vernetzung miteinander ist konstruktiver Teil des Managementprozesses, der jedoch nicht mehr von steilen Hierarchien und althergebrachten Vorurteilen,
sondern durch gleichberechtigte Teilhabe geprägt ist. Dazu gehören die Freiheit und die Fähigkeit
über ungewöhnliche Lösungen nachzudenken, Ergebnisoffenheit, Transparenz, das Wissen über
die Umsetzbarkeit von Lösungen und der Mut, in die Zukunft zu denken. Indem Unternehmen sich
auf diesen Pfad begeben, werden sie zu Pionieren des Wandels für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
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