- SURF

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Grüne Infrastruktur
Nachhaltige Investitionen zum
Nutzen für Mensch und Natur
März 2011
Die englische Originalfassung wurde erstellt von:
Miruna Dudau, Giurgiu County Council
AutorInnen:
Irene Lucius, Raluca Dan und Dana Caratas,
WWF Donau-Karpaten-Programm |
Franziska Mey, Julia Steinert und
Peter Torkler, WWF Deutschland
Deutsche Version:
Übersetzung: Christiane Helbig, Magdalena
Wagner, Julia Steinert, Peter Torkler
Gestaltung:
Michal Stránský
Titelfoto:
© Hartmut Jungius/WWF-Canon
Vielen Dank an alle, die zu diesem Bericht
beigetragen und ihn kommentiert haben.
Diese Broschüre wurde im Rahmen des
Projekts „Surf Nature“ veröffentlicht.
www.surf-nature.eu
Dieses Projekt wurde im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung durch das
INTERREG-IVC-Programm gefördert.
Grüne Infrastruktur
Inhalt
Einleitung ..............................................................................................................2
1. Was ist grüne Infrastruktur und warum brauchen wir sie? ....3
1.1. Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen ........................3
1.2. Anpassung von Ökosystemen ........................................................3
1.3. Das Konzept grüner Infrastruktur..................................................4
2. EU-Politik zur Unterstützung grüner Infrastruktur ................9
3. Aufbau einer grünen Infrastruktur ........................................11
3.1. Notwendigkeit integrierter Planung ......................................... 11
3.2. Ausgleichsmaßnahmen ................................................................. 12
4. Finanzierungsmöglichkeiten
für grüne Infrastrukturmaßnahmen ......................................14
4.1. Gegenwärtige Möglichkeiten zur Finanzierung
grüner Infrastruktur......................................................................... 15
4.2. Strategischer Ansatz zur Unterstützung grüner
Infrastruktur ....................................................................................... 18
4.3. Grüne Infrastrukturfonds in Rumänien .................................... 19
5. Aufbau grüner Infrastruktur: Beispiele guter Praxis ............21
5.1. Ökologische Renaturierung des
Comana-Feuchtgebiets im Kreis Giurgiu in Rumänien ...... 22
5.2. Renaturierung des Alpen-Karpaten-Korridors....................... 26
5.3. Strandaufschüttung in Ligurien, Italien ................................... 28
6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen ...............................29
7. Literatur ...................................................................................31
1
Einleitung
Die Förderprogramme der EU bieten Fördermöglichkeiten für den Erhalt wertvoller Naturgüter und Kulturlandschaften in Europa. Sie
können die Programme nationaler, regionaler
und lokaler Behörden in den EU Mitgliedsstaaten ergänzen.
Die laufende Förderperiode 2007‐2013 hat
gezeigt, dass viel Potenzial für die Finanzierung
solcher Maßnahmen in den Operationellen
Programmen des Europäischen Fonds für
Regionale Entwicklung (EFRE) liegt. Tatsächlich
wurden über alle Operationellen Programme
des EFRE 3,8 Milliarden Euro für Investitionen in
die Natur bereitgestellt. Die tatsächlichen
Fördermöglichkeiten unterscheiden sich allerdings stark von Land zu Land.
Vor diesem Hintergrund wurde das Projekt
„SURF Nature“ gegründet, – ein Netzwerk mit
vierzehn öffentlichen Institutionen aus zehn
EU‐Staaten, die für die Umsetzung der EFRE‐
Förderung verantwortlich sind oder Erfahrung
in der Beantragung dieser Mittel haben: Österreich, die Tschechische Republik, Frankreich,
Griechenland, Italien, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien und das Vereinigte Königreich.
Das Leitziel des Projekts ist die Verbesserung
der Regionalpolitik und deren Umsetzung
hinsichtlich Naturschutz und Biodiversität. Dies
soll erreicht werden, indem die Finanzierung
von Naturschutzmaßnahmen durch den EFRE
erhöht und diese gleichzeitig einen besseren
Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten. Um
Erfahrungen über die Förderpolitik auszutauschen, haben die ProjektpartnerInnen fünf
2
Themenkomplexe bearbeitet: grüne Infrastruktur, nachhaltiger Tourismus, Natura‐2000‐
Management, Umweltbildung, Wälder und
Biodiversität.
Ausgehend von der Analyse von rund 50
Operationellen Programmen und der Zusammenstellung von Beispielen guter Praxis bei der
Umsetzung von naturschutzorientierten EFRE
Projektenzu diesen Themenkomplexen wurde
eine Serie von fünf thematischen Broschüren
entwickelt. Diese Broschüre über grüne Infrastruktur ist eine davon.
Das Ziel dieser Broschüre ist es, die Grundlagen grüner Infrastruktur – eines relativ neuen
Konzepts mit vielen unterschiedlichen Aspekten – zu erklären., sowie deren Bedeutung
die für die Regionalpolitik darzustellen. Die
Broschüre stellt außerdem einige Ansätze zu
diesem Konzept aus Partnerregionen vor und
beschreibt den besonderen Status der Schutzgebiete in Europa, die Leistungen, die gesunde
Ökosysteme für Menschen bereitstellen und die
Notwendigkeit, deren ökologische Kohärenz zu
erhalten.
Die EU‐Politik zu grüner Infrastruktur, allgemeine Informationen über den Aufbau einer
grünen Infrastruktur und Beispiele aus drei Ländern, die am SURF‐Projekt teilnehmen, werden
präsentiert, um die wesentlichen Komponenten
grüner Infrastuktur aufzuzeigen und einen
Ausgangspunkt für zukünftige Diskussionen zu
liefern.
1.
Was ist grüne Infrastruktur und
warum brauchen wir sie?
1.1 Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen
Alle Lebewesen – Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen – leben in miteinander verbundenen
Netzwerken aus Ökosystemen und Lebensräumen. Sie bilden die biologische Vielfalt unseres
Planeten und damit das, was wir heute als
Biodiversität bezeichnen.
Ökosysteme werden durch die Vielfalt des
Lebens in ihnen angetrieben und versorgen
Menschen mit einer Vielzahl an wertvollen,
wirtschaftlich wichtigen Leistungen, von denen
die menschliche Gesellschaft und Wirtschaft
grundlegend abhängt. Einige Beispiele davon
sind die Bereitstellung von sauberem Wasser
durch die natürliche Wasserreinigung, von
gesunden Lebensmitteln durch Bodendüngung
oder der Luft, die wir atmen können, durch die
Kohlenstoffspeicherfunktion der Wälder.
Gesunde Ökosysteme spielen ebenso eine
zentrale Rolle bei der Anpassung an den Klimawandel, als auch beim Schutz vor negativen
Auswirkungen extremer Wetterereignisse.
Intakte Auen und Feuchtgebiete zum Beispiel
spielen eine wichtige Rolle bei der Minderung
von Überschwemmungen durch die Speicherung von Wasser und die Regulierung des
Wasserhaushalts in Bächen und Flüssen. Wälder
agieren als Kohlenstoffsenken und verhindern
Bodenerosion, Feuchtgebiete nehmen Schadstoffe auf, verbessern die Qualität der Trinkwasserversorgung und tragen damit gleichzeitig
zur Anpassung an den Klimawandel und der
Abschwächung seiner Auswirkungen bei.
1.2 Anpassung von Ökosystemen
Diese Ökosystemleistungen sind nicht die einzigen, die die Natur bereitstellt. Jedes Ökosystem
besteht aus einer komplexen Struktur, die sich
ständig verändert. Arten wandern über Land
oder entlang von Bächen, brüten an Plätzen, die
weit von ihren Überwinterungsorten entfernt
liegen und brauchen unterschiedliche Bedingungen zum Brüten und zur Nahrungsaufnahme. Sie sind deshalb auf eine komplexe Struktur
aus miteinander verbundenen Lebensräumen
angewiesen. Veränderungen im Klima- und
Wasserregime führen zu Veränderungen von
Lebensräumen. Arten müssen sich diesem anpassen, ihren Standort ändern und in Gebiete
mit besseren Bedingungen ziehen.
Intakte Ökosysteme sind belastbare Systeme,
die Veränderungen (z. B. Klimaveränderungen)
viel besser standhalten können als degradierte
Ökosysteme. Da auch das menschliche Leben
von Ökosystemleistungen abhängt, sind die
Gesundheit und Belastbarkeit von Ökosystemen ebenso für unsere eigene Existenz
und Lebensqualität notwendig.
3
Eine entscheidende Voraussetzung für gesunde
Ökosysteme und deren Dienstleistungen ist
demzufolge der Erhalt der ökologischen Kohärenz. Bedingt durch den massiven Ausbau von
Siedlungen und Infrastruktur und der daraus
resultierenden Zerschneidung von Landschaften geht diese in Europa zunehmend verloren.
Zusätzlich sind insbesondere in der Landwirtschaft traditionelle Landnutzungspraktiken
durch intensivere, mechanisierte Aktivitäten im
industriellen Ausmaß ersetzt worden. In der Folge haben Arten es schwer, zu wandern und sich
zu verbreiten, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen
und sich den Umweltveränderungen anzupassen. Im Ergebnis werden Ökosystemfunktionen
gestört und fragmentiert. Dies passiert sogar in
Schutzgebieten, da auch diese oft zerschnitten
und zu „Inseln“ geworden sind.
Grüne Infrastruktur umfasst alle Teile eines miteinander verbundenen Netzwerks aus Landschaftselementen, die zum Schutz und Erhalt von natürlichen Ökosystemleistungen beitragen und gleichzeitig wichtige Funktionen für den Menschen erfüllen.
Sie besteht aus natürlichen und künstlich angelegten Elementen wie Aufforstungsgebieten, Grünbrücken, Grünflächen in Städten, grünen Dächern und Wänden sowie Ackerland und Waldgebieten
mit hohem natürlichem Wert. Durch den integrativen Ansatz, bei dem verschiedene menschliche
Nutzungen und natürliche Prozesse multifunktional auf ein und demselben Stück Land geplant
werden, gewährt grüne Infrastruktur eine effiziente und nachhaltige Landnutzung.
Durch den großflächigen Schutz von Grünflächen kann grüne Infrastruktur Landschaftsstrukturen
schaffen und erhalten, die garantieren, dass Ökosysteme weiterhin Leistungen wie sauberes Wasser,
fruchtbare Böden und attraktive Erholungsgebiete liefern können. Damit fördert der Ansatz sowohl
die wirtschaftliche Entwicklung und das Wohlergehen der Gesellschaft als auch die natürliche
Minderung des Klimawandels und eine Anpassung an diesen.
1.3
Das Konzept grüner Infrastruktur
Das Konzept grüner Infrastruktur zielt auf die
Wiederherstellung eines widerstandsfähigen
Systems, das es Arten und ihren Gemeinschaften ermöglicht, zu wandern und sich
anzupassen. Das „Arbeiten mit der Natur“, ein
grundlegendes Prinzip von grüner Infrastruktur,
stellt vielfache Leistungen zu vergleichsweise
niedrigen Kosten bereit.
In grüne Infrastruktur zu investieren, macht
auch wirtschaftlich Sinn. Künstlich herstellbare
Lösungen als Ersatz für die Leistungen, die die
Natur kostenlos bereitstellt, finden zu müssen,
ist nicht nur eine technische Herausforderung,
sondern auch sehr teuer.
Wertvolle Naturgebiete unter Schutz zu stellen,
ist ein wichtiger Schritt in Richtung des Erhalts
von Ökosystemen, ist aber nicht ausreichend.
Nur die Integration geschützter Gebiete in die
4
breitere Landschaft oder das weitere Meeresgebiet kann die notwendige ökologische
Kohärenz, also die Verbindung und den (genetischen) Austausch zwischen den Gebieten
herstellen.
Grüne Infrastruktur kann deshalb als ergänzendes Element für Schutzgebiete angesehen
werden. Ein solches widerstandsfähiges,
multifunktionales System aus geschützten
und ungeschützten grünen Flächen wird die
Belastbarkeit der Ökosysteme steigern und
Wanderungen, Verbreitung und genetischen
Austausch zwischen Wildarten ermöglichen.
Der Erhalt und die weitere Förderung von
grüner Infrastruktur sollte deshalb zunehmend
eine Rolle in der Raumplanung und jeglichen
infrastrukturellen und städtebaulichen Investitionen spielen.
Kernziele grüner Infrastruktur
Ein Konzept zu grüner Infrastruktur in Europa kann den folgenden Zwecken dienen:
• Bekämpfung des Verlusts biologischer Vielfalt durch die Verbesserung der Vernetzung vorhandener Grünflächen und Steigerung deren ökologischer Kohärenz (hier können Elemente wie
Hecken, Grünstreifen in Feldern, kleine Wasserläufe, „Ökodukte“, Grünflächen in Stadtbereichen
und Lebensraum‐Trittsteine hilfreich sein).
• Stärkung der Funktionalität von Ökosystemen für die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen.
• Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen durch die Verbesserung der funktionellen
und räumlichen Vernetzung, die gleichzeitig als Puffer bzw. Absicherung gegen Auswirkungen
des globalen Wandels, einschließlich des Klimawandels dient.
• Stärkung einer integrierten Raumplanung durch die Bestimmung von multifunktionalen Zonen
oder durch die Integration von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Lebensräumen und
anderen natürlichen Verbindungselementen in Landnutzungspläne und regionale Entwicklungskonzepte.
• Unterstützung der Entwicklung einer grüneren und nachhaltigeren Wirtschaft durch Investitionen in Öko-systemleistungen anstatt rein technischer Lösungen, sowie Reduktion und Ausgleich
der negativen Auswirkungen von Verkehrs- und Energieinfrastruktur.
• Umbau oder Anpassung vorhandener und geplanter Infrastrukturen (z. B. in den Bereichen Wasserwirtschaft, Verkehr oder Stadtentwicklung), um Barriere-Effekte zu reduzieren und ökologische
Korridore zu schaffen.
Die vielfältigen Nutzungsformen und Leistungen von grüner Infrastruktur gehören
zu ihren wichtigsten Eigen-schaften. Zum
Beispiel können gesunde, miteinander verbundene Grünräume zur Abschwächung des
Klima-wandels und zur Anpassung an diesen
dienen. Im Hinblick auf die Anpassung verbessert grüne Infrastruktur die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen durch:
• Abschwächung von Hitzewellen
Grüne Infrastruktur kann insbesondere
in urbanen Bereichen Verdunstungskälte
und Schatten bereitstellen und damit
dazu beitragen, dass Städte weiterhin
attraktive und angenehme Orte zum
Leben, Arbeiten, Besuchen und Investieren bleiben.
• Sicherung der Wasserversorgung
Grüne Infrastruktur kann Raum für die
Speicherung von Wasser für die weitere
Nutzung bieten und das Versickern von
Wasser in den Boden durch den Erhalt
von grundwasserführenden Schichten
und Flussläufen ermöglichen. Sie kann
Sedimente auffangen sowie Schadstoffe
aus dem Wasser filtern und damit die Wasserversorgung und -qualität sicherstellen.
• Hochwasserschutz an Flüssen
Grüne Infrastruktur kann als Wasserspeicher und Rückhaltegebiet fungieren,
Abflussspitzen reduzieren und verlangsamen und damit Überschwemmungen
entlang von Flüssen reduzieren.
• Hochwasserschutz an Küsten
Grüne Infrastruktur kann als Wasserspeicher und Rückhaltegebiet fungieren,
Springfluten reduzieren und verlangsamen und damit Küstenüberschwemmungen abmildern.
• Kontrolle des Oberflächenwassers
Urbane grüne Infrastruktur kann helfen,
Oberflächenwasser und Überflutungen
der Kanalisation durch die Reduktion
von Geschwindigkeit und Volumen des
Wasserabflusses zu kontrollieren. Sie fängt
Wasser auf, ermöglicht die Versickerung
in den Boden und stellt dauerhafte und
temporäre Speichergebiete bereit.
5
• Reduzierung von Bodenerosion
Durch Pflanzen können erosionsgefährdete Böden stabilisiert werden.
• Hilfe für die Anpassung von Arten
Grüne Infrastruktur bietet eine stärker mit
Pflanzen bewachsene und mit Korridoren
ausgestattete Land-schaft, in der Arten
Richtung Norden zu neuen „Klimabereichen“ wandern können.
Im Hinblick auf die Abschwächung des
Klimawandels kann grüne Infrastruktur
einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase durch die Kohlenstoffspeicherung in
Böden oder Pflanzen leisten. Außerdem
können lokale Erholungsräume sowie grüne,
attraktive Reiserouten für FußgängerInnen
und RadfahrerInnen das Mobilitätsverhalten
verändern und dazu führen, dass weniger
Menschen das Auto benutzen.
• Lenkung des Besucherdrucks
Grüne Infrastruktur bietet BesucherInnen
Raum für Erholung und Aktivitäten im
Freien. Sie hilft, den Druck von ökologisch
sensiblen Landschaften abzuleiten.
Abbildung 1: Schematische Darstellung des theoretischen Verlaufs der Zerschneidung eines Lebensraums
Bau einer Straße durch ein zusammenhängendes, naturnahes Waldgebiet
Intensivierung der Forst- und
Landwirtschaft
naturnahes Grünland
naturnaher Wald
landwirtschaftlich bewirtschaftetes Grünland
intensiv bewirtschafteter Wald
Folgen: Es kommt zu keinem wesentlichen direkten
Folgen: Es kommt zu einer umfassenden Lebens-
Lebensraumverlust, aber zur Schaffung von Randha-
raum-verschlechterung, die für viele Arten einen
bitaten. Für einige Arten, die empfindlich gegenüber
Lebens-raumverlust bedeutet. Das Verschwinden von
Störungen sind, könnte es zu einer Verringerung der
Korri-doren zwischen den umgebenden Strukturen
effektiven Lebensraumgröße kommen. Für die Arten
resul-tiert in eine reduzierte Vernetzung der Wald-
(z. B. einige Wirbellose), die nicht in der Lage sind, die
fragmente. Lediglich naturnaher Wald und Grünland
Straße zu überqueren, ergibt sich eine Zerschnei-
bleiben bestehen. Insgesamt ergibt sich eine wesent-
dung des Waldlebensraums.
liche Reduktion der Artenvielfalt.
Quelle: IEEP & IUCN Report „Guidance on the maintenance of landscape connectivity features of major im-portance for
wild flora and fauna”, 2007.
6
Auswirkungen von Lebensraumzerschneidung
auf die Biodiversität
•
•
•
•
•
Der Begriff Zerschneidung wird generell benutzt, um entweder den Verlust oder aber die
Veränderung eines Lebensraums und das Auseinanderbrechen des verbleibenden Lebensraums
in kleinere Einheiten zu beschreiben. Häufig wird der Begriff jedoch nur zur Beschreibung des
letzteren Prozesses genutzt. Die Auswirkungen einer Zerschneidung unterscheiden sich zwischen
den Lebensräumen und Arten, aber treten im Allgemeinen ab einem Verlust von etwa 70 % des
ursprünglichen Lebensraums auf. Solche Auswirkungen können Veränderungen in der Artenzusammensetzung, den Lebensgemeinschaften, den Populationsdynamiken, dem Verhalten, dem
Bruterfolg, der individuellen Vitalität und einer Reihe an weiteren ökologischen und Ökosystemprozessen sein.
In Europa werden die bedeutendsten Lebensräume durch nationale Gesetze geschützt und sind
Teil des Natura‐2000‐Netzwerks, das 26.000 Gebiete umfasst und fast 20 % des EU‐Territoriums
abdeckt. Aber auch innerhalb der verbleibenden 80 % müssen Maßnahmen ergriffen werden, um
die Zerschneidung von Lebensräumen zu reduzieren sowie isolierte Lebensräume und Populationen über Landschaften hinweg zu verbinden. Das ermöglicht die Bewegungsfreiheit, Wanderung
und Verbreitung von wilden Tieren und Pflanzen sowie einen Populationsaustausch zwischen
Schutzgebieten. Langfristig wird damit ihr Überleben sichergestellt.
Lebensraumzerschneidungen innerhalb und außerhalb von Natura-2000-Gebieten werden durch
viele unterschiedliche Faktoren verursacht, die in Verbindung mit Änderungen der Landnutzung,
einschließlich der Ausbreitung von Städten, der Verkehrsinfrastruktur und intensivierter Landund Forstwirtschaft stehen. In bestimmten Fällen kann auch die Stilllegung von Flächen zu einem
Verlust biologischer Vielfalt führen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn extensive Ackerbaumethoden einen stärker strukturierten, vielfältigeren Lebensraum oder extensiv bewirtschaftete Fischteiche bessere Bedingungen für Zugvögel geschaffen haben. Wenn diese Art von Landnutzung
dann aufgegeben wird, verringert sich der Naturwert dieser Flächen.
Neueste Statistiken der Europäischen Umweltagentur zeigen wie ausgeprägt diese Trends sind.
Während der 1990er Jahre wurden etwa 8.000 km² betoniert, was einem Anstieg an künstlich
angelegten Flächen von 5 % in nur 10 Jahren entspricht. Zusätzlich wurden innerhalb der EU
zwischen 1990 und 2003 insge-samt 15.000 km neuer Autobahnen gebaut.
Abbildung 1 zeigt eine theoretische Situation, in der sich die Zerschneidung eines Lebensraums
als Ergebnis des Baus einer einfachen Straße anfänglich ohne wesentlichen Lebensraumverlust
darstellt, dann aber zu einer Lebensraumzerstörung fortschreitet, die die funktionelle Vernetzung
der einzelnen Lebensräume verringert.
Die Auswirkungen von Lebensraumzerschneidung werden wahrscheinlich durch
die Effekte des Klimawandels verstärkt
und können die Widerstandsfähigkeit von
Lebensräumen und Populationen gegenüber
den Folgen des Klimawandels reduzieren.
Auch die Fähigkeit mancher Arten zu neuen
Gebieten mit geeigneten klimatischen
Bedingungen zu wandern, könnte eingeschränkt werden.
Die Zerschneidung von Landschaften kann
auch zur Verschlechterung des Wasserhaushalts führen. Die Reduktion oder der Verlust
von Feuchtgebieten und Uferzonen verringern die Kapazitäten überschüssiges Wasser
aufzunehmen und damit Überschwemmungen zu kontrollieren, Sediment anzureichern,
Giftstoffe und überschüssige Nährstoffe
herauszufiltern und wilde Tier‐ und Pflanzenarten zu fördern.
7
Grüne Infrastruktur versus graue Infrastruktur
Die durch die Entwicklung grauer Infrastruktur (z. B. Straßen, städtische Siedlungen oder Wasserkraftwerke) verursachten Lebensraumzerschneidungen und der Verlust ökologischer Kohärenz
stellen eine erhebliche Bedrohung für intakte Ökosysteme dar. Die Infrastrukturentscheidungen von
Heute werden Europas Landschaft mindestens für die nächsten fünfzig Jahre formen. Die traditionelle Infrastrukturplanung kann diese neuen Herausforderungen nicht bewältigen und muss damit
beginnen, Umweltaspekte zu integrieren.
Während sich graue Infrastruktur wie Straßen, Schienen, Wasserversorgung, Kanalisation, Hochspannungsnetze oder Fernmeldetechnik auf technisch miteinander verbundene Strukturen bezieht,
die die Gesellschaft unterstützen, ist grüne Infrastruktur ein miteinander verbundenes Netzwerk
aus grünen Räumen, die die Ökosystemwerte und ‐funktionen schützen und damit zusammenhängende Ökosystemleistungen für die Gesellschaft bereitstellen. Es ist offensichtlich, dass beide
Formen der Infrastruktur gebraucht werden und wir Wege finden müssen, wie sich graue und grüne
Infrastruktur ergänzen können.
In manchen Fällen sind bestimmte Formen grauer Infrastruktur notwendig, um grüne Infrastruktur zu unterstützen. Zum Beispiel schützen feste Strukturen wertvollen Küstenlebensraum vor
Erosion oder Schleusen regulieren das Wasserregime von Feuchtgebieten.
Der Mehrwert grüner Infrastruktur begründet sich in ihren multifunktionellen Nutzungsmöglichkeiten. Die Multifunktionalität bezieht sich dabei auf die Integration und Interaktion von verschiedenen Funktionen oder Aktivitäten auf ein und demselben Stück Land.
Flussauen an Stadträndern zum Beispiel bieten natürliche Böden zum Versickern eines Hochwassers,
fungieren als Naturreservat, sind Erholungsraum, dienen als Aufwuchsgebiete für Fische und können
auch durch Vieh beweidet werden. Städtische Grünräume kühlen die Städte durch Beschattung und
Verdunstung, filtern die Luft, reduzieren den oberflächlichen Wasserabfluss, bieten Platz für Natur
und erhöhen die Lebensqualität sowie den Wert der Bebauung.
Das heißt, dass zum einen die Natur Leistungen kostenlos bereitstellt, die in anderen Fällen graue
Infrastruktur nur nach hohen Investitionen bereitstellen kann. Zum anderen schaffen grüne Infrastrukturmaßnahmen wie Lebensraumrenaturierungen oder ‐erhalt auch Arbeitsplätze und sind Antrieb für die Wirtschaft genauso wie graue Infrastrukturaktivitäten, jedoch in einer nachhaltigeren
Art und Weise.
8
2.
EU-Politik zur Unterstützung grüner Infrastruktur
Die Entwicklung des Konzepts zu grüner
Infrastruktur begann in der Mitte der 1990er
Jahre im Rahmen von Landnutzungsplanungen. Im EU-Kontext erlangte es Bekanntheit mit dem Workshop „Towards a
green infrastructure for Europe – integrating
Natura 2000 sites into the wider countryside”
im März 2009 in Brüssel. Die Hauptziele der
Veranstaltung waren, eine geeignete Reaktion der EU zu Lebensraumzerschneidungen
zu finden und die Maßnahmen zu bestimmen, die auf EU-Ebene am effektivsten sein
würden.
Europa sollte nun massiv in die Begrünung
von Städten, den Bau von Grünbrücken,
Tunneln, Fischpassagen und dem Rückbau veralteter Infrastrukturen in Flüssen
investieren, ebenso wie in den Erhalt und die
Renaturierung von Ökosystemen. Geeignete
Lebensräume sowohl in ländlichen als auch
in städtischen Bereichen sollten geschützt
und rekultiviert, frühere Industriegebiete
begrünt und Ackerland durch Hecken, Baumreihen und Teiche bereichert werden. Diese
Investitionen werden auch Arbeitsplätze und
Geschäftsmöglichkeiten schaffen.
Zu Beginn des Jahres 2010 veröffentlichte
die Europäische Kommission die Mitteilung
„Optionen für ein Biodiversitätskonzept
und Biodiversitätsziel der EU für die Zeit
nach 2010“. Man schlussfolgert darin, dass
Lebensraumverlust, ‐degradation und
‐zerschneidung bei weitem die größten
Ursachen für den Biodiversitätsverlust in
terrestrischen Ökosystemen auf EU‐Ebene
sind. Obwohl die wichtigsten Naturgebiete
für Schlüsselarten und Lebensräume durch
das Natura‐2000‐Netzwerk, das fast 20 % von
Europas Landesfläche bedeckt, geschützt
wurden, wird dies nicht ausreichen, um das
europäische Biodiversitätsziel zu erreichen.
Laut der Mitteilung kann die Entwicklung
von und Investition in grüne Infrastruktur
helfen, Natura‐2000‐„Inseln“ zu verbinden,
um einen allumfassenden Naturschutz zu
verbessern und weitere Ökosystemleistungen im EU-Gebiet innerhalb und außerhalb
des Natura‐2000‐Netzwerks zu fördern.
In Anerkennung der Notwendigkeit der
Entwicklung von und Investition in grüne
Infrastruktur verpflichtet man sich in der
oben genannten Biodiversitäts-Mitteilung
von 2010 zur Förderung und Unterstützung
des Austausches von Methoden guter Praxis
als Grundlage für eine EU-Strategie zu grüner
Infrastruktur, die nach dem Jahr 2010 entwickelt werden soll. Dies wurde im März 2010
durch den Rat der Europäischen Union bekräftigt. Zusätzlich rufen auch das EU-Weißbuch zur Anpassung an den Klimawandel
und die TEEB-Studie (The Economics of
Ecosystems and Biodiversity) zur Erhöhung
der Kohärenz von Ökosystemen auf.
9
Das Weißbuch zur Anpassung an den
Klimawandel weist darauf hin, dass die
Auswirkungen des Klimawandels auch im
Management des Natura‐2000‐Netzwerks
berücksichtigt werden müssen, um die
Diversität von und Verbindung zwischen
Naturgebieten sicherzustellen und das
Wandern und Überleben von Arten zu
ermöglichen, wenn sich die Klimabedingungen verändern. Die Publikation betrachtet
auch die Möglichkeit, die Politik zu verbessern und Maßnahmen zu entwickeln, die
Biodiversitätsverlust und Klimawandel in
einer integrierten Art und Weise ansprechen, um die positiven Nebeneffekte voll
auszunutzen und Ökosystemreaktionen,
die die globale Erwärmung beschleunigen,
zu verhindern. Ökosystembasierte Ansätze
zur Abschwächung des Klimawandels und
einer Anpassung an diesen sind Beispiele für
eine solche Integration. Der CBD-COP-10Beschluss bezüglich Biodiversität und Klimawandel hebt die vielfältigen Leistungen
ökosystembasierter Ansätze hervor und die
anschließenden Schlussfolgerungen des
Umweltrats empfehlen die Entwicklung und
Verwendung ökosystembasierter Ansätze
zur Abschwächung des Klimawandels und
einer Anpassung an diesen.
Die Empfehlungen des Integrierten
Küstenzonenmanagements der EU (IKZM)
(2002/413/EC) und das IKZM-Protokoll
(2010/631/EU) fördern den Ansatz des „Arbeitens mit der Natur“, der auch ein Schlüsselkonzept grüner Infrastruktur ist.
Grüne Infrastruktur wird eine entscheidende
Rolle bei der Integration von Biodiversität
in andere EU-Strategien wie zu Land- und
10
Forstwirtschaft, Wasser, Meeres- und Fischereiwirtschaft, Regional- und Kohäsionspolitik,
Klimawandelanpassung und -abschwächung, Verkehr, Energie- und Landnutzung
spielen. Sie ist auch ein wichtiges Instrument
für bestehende Umweltrichtlinien, insbesondere die Wasserrahmen-, FFH- und Vogelschutzrichtlinien, welche die rechtliche
Grundlage für das Natura-2000-Netzwerk
bilden. Artikel 3 der Vogelschutzrichtlinie
weist darauf hin, dass Maßnahmen zu
Lebensraumschutz und -renaturierung
innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten stattfinden sollten und Artikel 10 der
FFH-Richtlinie erklärt, dass Mitgliedsstaaten
Strategien zur Verbesserung der ökologischen Kohärenz des Natura-2000-Netzwerks
entwickeln sollten, indem sie die Vernetzung
von Schutzgebieten sicherstellen.
Des Weiteren sollte grüne Infrastruktur Teil
von Umweltverträglichkeitsprüfungen für
Pläne und Projekte entsprechend der relevanten Richtlinien sein (UVP, SUP), aber auch
in der Entwicklung von transeuropäischen
Netzwerken wie TEN-V enthalten sein.
Der EU-Aktionsplan zur Biodiversität (KOM
2006/216) setzt eine hohe Priorität auf die
Verbesserung der Kohärenz und Vernetzung
von Schutzgebieten sowohl innerhalb als
auch außerhalb von Natura-2000-Gebieten.
3.
Aufbau einer grünen
Infrastruktur
Einer der effektivsten Wege grüne Infrastrukturen aufzubauen, ist ein integrierter
Raumplanungsansatz, um die räumlichen
Interaktionen über große, geographische
Flächen hinweg, von lokaler bis regionaler
Ebene, zu verbessern. Dieser Ansatz kann
zukünftige graue Infrastrukturentwicklungen
von sensiblen Lebensräumen wegleiten und
helfen, weiteren Lebensraumverlust und ‐
zerschneidung zu verhindern.
Integrierte Raumplanung kann auch helfen,
Barrieren für Wildtiere in bestehenden Infra-
strukturen zu identifizieren, sowie Wege zu
finden, um die verbleibenden Naturgebiete
räumlich wieder zu verbinden. Dies könnte
zum Beispiel durch die Förderung von
Projekten zur Renaturierung von Lebensräumen an strategisch wichtigen Gebieten
oder durch die Integration von ökologischen
Verbindungselementen (z. B. Ökodukte
oder natürliche Trittsteinbiotope) in neue
Entwicklungsschemata geschehen. Auch in
städtischen Bereichen können multifunktionale Grünflächen mit Hilfe von Raumplänen
geschaffen werden.
3.1 Notwendigkeit integrierter Planung
Integrierte Planung kann verschiedene Sektoren an einen Tisch bringen und Kombinationen finden, die für beide Seiten von Vorteil
sind oder zu einem geringen Verlust von
Lebensräumen bei gleichzeitigem Zugewinn
von Funktionen führen. Diese können vielfältige Vorteile nicht nur für LandnutzerInnen
(LandwirtInnen, FörsterInnen, TourismusanbieterInnen etc.) bringen, sondern auch
für die Gesellschaft im Allgemeinen durch
die Bereitstellung wertvoller Ökosystemleistungen wie Wasserreinigung oder Bodenverbesserung und die Schaffung attraktiver
Erholungsräume für Menschen.
Wie geht das? Natürliche Ökosysteme
(Abbildung 2) sind in der Lage, bedeutende
Umweltleistungen bereitzustellen, außer
in den meisten Fällen die Lebensmittelpro-
duktion. Im Gegensatz dazu kann intensiv bewirtschaftetes Ackerland (mittlere
Abbildung) Lebensmittel in großen Mengen
produzieren, allerdings auf Kosten anderer
Ökosystemleistungen.
Ein extensives Ackerland (Abbildung 2), das
Teil einer grünen Infrastruktur sein kann
und explizit in einer Art und Weise bewirtschaftet wird oder rekultiviert wurde, um
andere Ökosystemleistungen zu erhalten,
kann jedoch ein breiteres Spektrum an
Ökosystemleistungen unterstützen. Das
kann z. B. durch den Schutz von Hecken,
Grünstreifen entlang von Feldrändern oder
kleinen Wasserläufen sowie die Einführung
wildtierfreundlicher Land‐ und Forstwirtschaftsmethoden sichergestellt werden.
11
3.2 Ausgleichsmaßnahmen
Abbildung 2: Vergleich der Ökosystemleistungen bei verschiedenen
Landnutzungen.
Der Verkehrssektor hat einen erheblichen
Einfluss auf die Biodiversität und Landschaftsökologie innerhalb der EU. Straßen und
Schienenwege führen zu Zerschneidungen und
dauerhaften Lebensraumverlusten, verändern
Lebensraumbedingungen (z. B. den Wasserhaushalt), unterbrechen Bewegungsgewohnheiten von Wildtieren und können Hauptverursacher für Populationsveränderungen und die
Mortalität von Wildtieren sein. Für viele Arten,
insbesondere Wirbellose, sind Straßen und
Schienen unüberwindbare Barrieren. Dementsprechend spielt der Verkehrssektor eine Hauptrolle bei der Vermeidung weiterer Landschaftszerschneidungen.
Die Zerschneidung durch Verkehrsinfrastruktur
kann teilweise durch gezielte Maßnahmen, die
Barriereeffekte reduzieren, gemindert werden.
Zum Beispiel verbessern künstliche Übergänge
wie Wildbrücken und ‐tunnel (Abbildungen 3
und 4) die „Durchlässigkeit“ von Straßen und
Schienen. Solche Maßnahmen können die
Mortalitätsraten von Wildtieren verringern und
es einigen Arten ermöglichen, Straßen und
Schienen gefahrlos zu überqueren. Jedoch
müssen solche künstlichen Passagen gut
angelegt sein, an geeigneten Stellen platziert
(in Anlehnung an wissenschaftliche Studien
über die Anforderungen von Vernetzung) und
angemessen bewirtschaftet und überwacht
werden, wenn sie die Wanderung von Tieren
innerhalb zerschnittener Landschaften effektiv
unterstützen sollen.
Flussbarrieren, die für die Erzeugung von
Wasserkraft oder für die Verbesserung der
Befahrbarkeit von Binnengewässern geschaffen
wurden, behindern ebenso wie Brücken und kanalisierte Durchlässe oft die Wanderungen von
Fischen und anderen Süßwasserorganismen,
mit negativen Folgen für die Flussökologie. Der
Bau gut gestalteter Fischpassagen, die es den
Fischen ermöglichen, flussab‐ und ‐aufwärts zu
wandern, kann diese Folgen verringern..
12
Quelle: Bericht der Europäischen Union „LIFE – Building up
Europe’s green infrastructure – addressing connec-tivity and
enhancing ecosystem functions, 2010. Foyle et al., 2005.
Abbildung 3:
Ein Tunnel für Wildtiere im
Het-Aardhuis-Wildpark in den
Niederlanden.
Quelle:
IUS Weibel & Ness GmbH
Abbildung 4a:
Ein kanalisierter Durchlass
mit ungünstigen Bedingungen für die Wanderungen
von Tieren vor dem Umbau.
Abbildung 4b:
Derselbe Durchlauf wie in
Abbildung 4a nach dem
Umbau mit geeigneten
ökologischen Bedingungen und gleichzeitig der Erhöhung der
Tragfähigkeit der darüber
liegenden Brücke.
Quelle der Fotos 4a und 4b:
Biologische Station im Kreis Euskirchen e. V.,
Darstellung einer Investition innerhalb des
EFRE-Ziel-2-Projekts „Flusspassagen“.
13
4.
Finanzierungsmöglichkeiten für
grüne Infrastrukturmaßnahmen
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten für
die Finanzierung von grünen Infrastrukturmaßnahmen.
Der private Sektor hat damit begonnen, Ausgleichsmaßnahmen bezüglich Biodiversität
in seine CSR-Programme (Corporate Social
Responsibility) im Rahmen von Ausbauplänen aufzunehmen. Systeme zur Bezahlung von Ökosystemleistungen können ein
möglicher Weg für die Wirtschaft sein, die
Bereitstellung von Ökosystemleistungen
wie Trinkwasser zu erhalten. Ökologische
Kompensationssysteme sind ein weiterer
Fördermechanismus für die Renaturierung
und den Schutz von Ökosystemen.
Der EU-Ansatz zur Finanzierung von
Natura 2000 fördert die Integration von
Naturschutzmaßnahmen in alle EU-Fonds.
Grüne Infrastrukturmaßnahmen können im Rahmen des EU-Programms LIFE+
Natur und Biologische Vielfalt kofinanziert
werden, das Fördermittel für Projekte wie die
Verbesserung der funktionellen Vernetzung
von Lebensräumen für Wildtiere oder die
Wanderung von Arten zwischen Schutzgebieten wie Natura2000 bereitstellen. Life+
Umwelt bietet auch Möglichkeiten, um
grüne Infrastrukturelemente in städtischen
und stadtnahen Bereichen zu fördern und
Projekte zu unterstützen, die Verbindungen
zwischen bewaldeten Gebieten schaffen.
Des Weiteren kann es Projekte kofinanzieren,
die integrierte Planungsinitiativen fördern.
14
Der Europäische Landwirtschaftsfonds für
die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)
unterstützt eine Reihe an Maßnahmen (z. B.
Forstwirtschaft, Agrarumwelt), die genutzt
werden können, um die Vernetzung innerhalb von ländlichen Gebieten zu fördern.
Das Ziel der EU‐Regionalpolitik ist es, eine
kohärente Entwicklung innerhalb der EU zu
fördern und die Diskrepanz zwischen armen
und reichen Regionen zu verringern. Bisher
hat die Regionalpolitik den EU Fragestellungen bezüglich Naturschutz und Biodiversität
wenig Beachtung geschenkt.
Außerdem wurden die Initiativen, die
durch die Struktur- und Kohäsionsfonds
unterstützt wurden, oft für ihre negativen
Auswirkungen auf die Biodiversität kritisiert
(siehe WWF-Bericht: Conflicting EU Funds:
Pitting Conservation against Unsustainable
Development, 2006). Diese negativen Effekte
umfassen zum Beispiel Probleme in Bezug
auf die Zerschneidung von Landschaften als
Folge des Ausbaus von Verkehrsnetzen und
dem Bau von Infrastruktur für Bewässerung
(z. B. Dämme und Kanäle).
Abbildung 5: Flussrenaturierung schafft grüne Infrastruktur.
Wiederverbundener Altarm am Fluss Vesselina, Bulgarien..
© Ivan Hristov/WWF
4.1
Gegenwärtige Möglichkeiten
zur Finanzierung grüner Infrastruktur
Die EU‐Regionalpolitik wird durch drei spezifische Förderinstrumente unterstützt: den
beiden Strukturfonds Europäischer Fonds für
regionale Entwicklung (EFRE) und Europäischer
Sozialfonds (ESF), und dem Kohäsionsfond.
Die wichtigsten Instrumente für die Förderung
grüner Infrastrukturprojekte und Natura 2000
sind der EFRE und der Kohäsionsfonds.
Wie im Rahmen des Projekts „SURF Nature“
analysiert wurde, können viele Operationelle Programme des Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung Kofinanzierung für das
Management von Natura‐2000‐Gebieten bereitstellen und Maßnahmen in Gang setzen, die
die ökologische Kohärenz und Vernetzung im
Kontext von Regionalentwicklung unterstützen.
Diese Maßnahmen werden häufig unter der
Ausgabenkategorie für die Förderung von Biodiversität und Naturschutz finanziert. Sie können jedoch zum Beispiel auch mit Maßnahmen
zur Risikovermeidung oder der Entwicklung
von Verkehrsnetzen verbunden sein. Zusätzlich
wird auch Unterstützung für transnationale
Initiativen bereitgestellt.
Ausgaben für grüne Infrastrukturmaßnahmen
könnten und sollten in alle Verkehrsprojekte im
Rahmen des Kohäsionsfonds eingebunden werden, um Zerschneidungseffekte zu vermeiden
oder zu minimieren.
Die folgende Tabelle zeigt eine Reihe von Möglichkeiten, die im Rahmen der aktuellen EFRE‐
Verordnung angeboten werden, einschließlich
möglicher Verbindungen zu den Ausgabekategorien der Fördermittel. Die Übersicht stellt
dabei nur die potenziellen Möglichkeiten dar.
Die eigentliche Verfügbarkeit von Fördermitteln
und relevanten Maßnahmen basiert auf den
regionalen oder nationalen Operationellen
Programmen (OP).
Die Analyse von fast 50 Operationellen
Programme durch „SURF Nature“ hat gezeigt,
dass in der Praxis die Aufnahme von grünen Infrastrukturmaßnahmen, die mit der Anpassung
an oder Vermeidung von Risiken verbunden
sind, eher gering ist und dass die meisten
Maßnahmen mit konventionellen Infrastrukturinvestitionen oder Renaturierungsmaßnahmen
verbunden sind..
15
Artikel
Mögliche Anwendung
auf Projekte zu grüner Infrastruktur
4(4)
• Umwelt, einschließlich: Investitionen im Zusammenhang mit Wasserversorgung und Wasserund Abfallbewirtschaftung.
• Abwasserbehandlung und Luftqualität.
• Vermeidung, Verminderung und Bekämpfung der Desertifikation.
• integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung.
• Hilfen zur Abschwächung der Auswirkungen von Klimaveränderungen.
• Wiederherstellung eines Umweltzustandes, darunter Sanierung von verschmutzten Geländen
und Flächen und Neuerschließung von brachliegenden Flächen.
• Förderung der Artenvielfalt und des Naturschutzes einschließlich Investitionen in „NATURA
2000“- Gebiete.
• Unterstützung für KMU im Hinblick auf die Förderung von Plänen zur nachhaltigen Produktion
durch Einführung kosteneffektiver Umweltmanagementsysteme und durch die Einführung und
Nutzung von Technologien zur Verschmutzungsvermeidung.
• Schaffung grüner Korridore und Naturgebiete zur
Verbesserung der Luftqualität
• Erhalt natürlicher Pufferzonen um Industrieansiedlungen
• Renaturierung von Industriebereichen zu grünen
Erholungsbereichen und als mögliche Elemente von
Netzwerken grüner Infrastruktur
• Maßnahmen zur Renaturierung von Flussauen,
z. B. Wiederverbindungen von Seitenarmen oder
Verlegung von Deichen
4(5)
Ausgabekategorien, die bereits die Investitionen in gr. Infrastruktur abdecken könnten
47 Luftqualität
48 Integrierte Vermeidung und Kontrolle
von Umweltverschmutzung
49 Abschwächung von und Anpassung
an Klimaveränderungen
50 Sanierung von Industrieplätzen
und kontaminiertem Land
51 Förderung von Biodiversität
und Naturschutz
(einschließlich Natura 2000)
54 Sonstige Maßnahmen zum Erhalt der
Umwelt und der Vermeidung von
Risiken
• Risikovermeidung, einschließlich Ausarbeitung und Durchführung von Plänen zur Vermeidung
und Bewälti-gung von naturbedingten und technologischen Risiken.
• Schaffung natürlicher Lebensräume durch das groß- 53 Risikovermeidung (...)
flächige Anpflanzen von einheimischen Baumarten, 54 Sonstige Maßnahmen zum Erhalt der
die ein geringes Brandrisiko haben
Natur und der Vermeidung von Risiken
4(8) • Investitionen im Verkehrsbereich.
und • Bau von Unter- oder Überführungen für beste5(3)a hende Verkehrsinfrastruktur, z. B. Straßen und
Schienenwege
• Entwicklung von Grünkorridoren entlang von
Radwegen, z. B. Hecken zur Verbesserung der Landschaftsdiversität
• Intelligente Wege zum Umgang mit Sedimenten zur
Reduzierung von Ausbaggerungen in Hafenbecken
und Wasserwegen mit einem zusätzliche Nutzen für
die Natur
16
17
20
21
22
23
24
30
31
Schienennetz
Schienennetz (TEN-V)
Autobahnen
Autobahnen (TEN-V)
Nationale Straßen
Regionale/Lokale Straßen
Fahrradwege
Häfen
Binnenwasserwege
(regional und lokal)
32 Binnenwasserwege (TEN-V)
5(2)a • Umwelt und Risikovermeidung, und insbesondere Förderung von Investitionen zur Wiederherund
stellung des physischen Umfelds, insbesondere von verschmutzten, verödeten und brachlieg5(2)b enden Geländen und Flächen; Förderung der Entwicklung der Infrastruktur im Zusammenhang
mit der Artenvielfalt und den Investitionen in NATURA-2000-Gebiete, sofern dies zu einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung und/oder zur Di-versifizierung der ländlichen Gebiete beiträgt.
• einmalige Sedimententfernung oder Bau von
50 Rehabilitation von Industriebereichen
Schleusen zur Regulierung des Wasserflusses in und
und kontaminiertem Land
aus Feuchtgebieten
51 Förderung von Biodiversität und Natur
schutz (einschließlich Natura 2000)
16
Artikel
Mögliche Anwendung
auf Projekte zu grüner Infrastruktur
Ausgabekategorien, die bereits die Investitionen in gr. Infrastruktur abdecken könnten
5(2)e • Umwelt und Risikovermeidung, und insbesondere Entwicklung von Plänen und Maßnahmen zur
Vermeidung und Bewältigung von naturbedingten Risiken (z. B. Wüstenbildung, Dürren, Brände
und Überschwemmungen) und technologischen Risiken.
• Verhinderung von Erosionen in sensiblen Räumen
durch den Erhalt der Waldbedeckung, um Gebirgsflächen vor Lawinen zu schützen
53 Risikovermeidung (…)
54 Sonstige Maßnahmen zum Erhalt der
Umwelt und der Vermeidung von
Risiken
6(1)b •Entwicklung
Entwicklungvon
vongrenzübergreifenden
grenzübergreifendenwirtschaftlichen,
wirtschaftlichen,sozialen
sozialenund
undökologischen
ökologischenTätigkeiten
Tätigkeiten
durch gemeinsame Strategien für eine nachhaltige territoriale Entwicklung, in erster Linie durch:
• Förderung und Verbesserung des gemeinsamen Schutzes und der Bewirtschaftung der natürlichen und kulturellen Ressourcen sowie der Vermeidung von naturbedingten und technologischen Risiken.
Wasserbewirtschaftung,
6(2)b •Entwicklung
Entwicklungder
vongrenzübergreifender
grenzübergreifenderZusammenarbeit.
Zusammenarbeit:Umwelt:
Tätigkeiten
können den Schutz und die
Energieeffi
zienz, Maßnahmen
im Bereich der Küstengebieten,
Risikovermeidung
und des Umweltschutzes,
soweit
Bewirtschaftung
von Flusseinzugsgebieten,
Meeresressourcen,
Wasserdiendiese
Maßnahmen
eine eindeutigebeinhalten.
transnationale Dimension haben
stleistungen
und Feuchtgebieten
• Hierzu können folgende Maßnahmen gehören: Schutz und Bewirtschaftung von Flusseinzugsgebieten, Küstengebieten, Meeresressourcen, Wasserdienstleistungen und Feuchtgebieten.
• Vermeidung von Bränden, Dürren und Überschwemmungen.
• Förderung der maritimen Sicherheit und Schutz vor naturbedingten und technologischen
Risiken.
• Schutz und Aufwertung des Naturerbes zur Unterstützung der sozioökonomischen Weiterentwicklung und der Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus.
51 Förderung von Biodiversität und Natur• grenzübergreifende und transnationale Initiaschutz (einschließlich Natura 2000)
tiven zur Unterstützung ökologischer Vernetzung
53 Risikovermeidung (…)
innerhalb von Landschaften, einschließlich der
Renaturierung von Flussbetten durch Sedimen54 Sonstige Maßnahmen zum Erhalt der
tauffüllungen oder den Rückbau von Flussdämmen,
Umwelt und der Vermeidung von
um Fischwanderungen zu ermöglichen.
Risiken
81 Mechanismen zur Verbesserung der
Politik, Programmgestaltung,
Monitoring und Evaluation…
8
• nachhaltige Stadtentwicklung: Steigerung des Wirtschaftswachstums, Sanierung der physischen
Umwelt, Neuerschließung brachliegender Flächen, Erhaltung und Aufwertung des Natur- und
Kulturerbes, die Förderung der unternehmerischen Initiative, der lokalen Beschäftigung und der
kommunalen Entwicklung sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Bevölkerung,
wobei den sich ändernden demographischen Strukturen Rechnung getragen wird.
• Sanierung von Natura-2000-Gebieten oder die
Verbindung von Gärten und Parks in städtischen
Bereichen
50 Sanierung von Industriebereichen und
kontaminiertem Land
Quelle: Interpretation des WWF basierend auf den Ausgabekategorien, die im Rahmen der Umsetzung der EU-Verordnung Nr.
1828/2006 bereitgestellt wurden
Die Analyse zeigt, dass großes Potenzial für
die Integration von grüner Infrastruktur in
den bestehenden Rahmen des Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung besteht. Sie
zeigt jedoch auch, dass die Möglichkeiten
über viele Interventionsbereiche verteilt sind
und es an einer strategischen rechtlichen
Grundlage und spezifischen Ausgabekategorien für grüne Infrastruktur mangelt.
17
4.2 Strategischer Ansatz zur Unterstützung
grüner Infrastruktur
Traditionellerweise konzentriert sich die
EU-Kohäsionspolitik stark auf konventionelle Infrastrukturinvestitionen, die die
Gefahr von negativen Auswirkungen auf die
Biodiversität durch Zerschneidung, Luftverschmutzung oder Bodendegradation mit
sich bringen. Ihr Spektrum sollte und könnte
ausgeweitet werden, um grüne Infrastruktur
zu unterstützen.
Die zukünftige Kohäsionspolitik sollte einen
strategischeren Ansatz zur Unterstützung
grüner Infrastrukturinvestitionen in drei
Schlüsselkategorien entwickeln:
Verringerung der negativen
Auswirkungen
Wo bestehende Infrastruktur negative
Auswirkungen auf Biodiversität hat, sollten
EU-Fonds in ökologische Verbesserungen
und Renaturierungsmaßnahmen investieren,
um diese zu minimieren. Alle Projekte zu
Investitionen in den Verkehrsbereich und zur
Verbesserung und Aufwertung bestehender
Verkehrsnetze sollten geeignete Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von
Zerschneidungseffekten beinhalten. Beispiele dafür sind der Bau von Grünbrücken und
Unterführungen oder die Renaturierung von
Küstenbereichen, die ökologische Renaturierung von Wasserwegen mit verbesserten
Wandermöglichkeiten für Fische oder die
Sanierung degradierter Bereiche, um deren
ökologische Funktionen wiederherzustellen.
Vermeidung und Planung
Neue Infrastrukturpläne sollten die Bedürfnisse grüner Infrastruktur von Anfang an
18
beinhalten, einschließlich der Maßnahmen
zur Vermeidung oder Minimierung negativer
Effekte auf Ökosysteme. Dies sollte auch eine
Revision der Risikovermeidungsplanung im
Rahmen der Kohäsionspolitik umfassen.
Das Ziel ist es, sich von technischen Lösungen der Risikovermeidung fort und in
Richtung eines ökosystembasierten Ansatzes
hin zu bewegen, bei dem der Erhalt oder
die Wiederherstellung grüner Infrastruktur
als Instrument zur Vermeidung negativer
Auswirkungen angesehen wird. Die Gefahr
von Waldbränden kann zum Beispiel durch
Streifen natürlicher Vegetation, die an lokale
Klimabedingungen angepasst ist, reduziert
werden. Durch den Erhalt und die Renaturierung von natürlichen Flussauen kann das
Hochwasserrisiko reduziert werden. Grüne
Bereiche an strategisch wichtigen Stellen
können zur Verbesserung der Luftqualität
und der Abschwächung der Effekte des
Klimawandels beitragen, indem sie ein günstiges Mikroklima schaffen.
Unterstützung für
Ökosystemleistungen
Strukturfonds sollten in direkte Maßnahmen
zur Schaffung oder Erhaltung grüner Infrastruktur, insbesondere in die Vernetzung und
Widerstandsfähigkeit von Naturgebieten am
Land und im Wasser investieren, um die Bereitstellung wertvoller Ökosystemleistungen
sicherzustellen. Diese Aktivitäten sollten Teil
von Maßnahmen sein, die in direktem Bezug
zur Förderung von Biodiversität stehen und
das Natura‐2000‐Netzwerk unterstützen.
Zur Zeit sind direkte und indirekte Biodiversitätsmaßnahmen im Rahmen der Kohäsionspolitik oft in ein und derselben Ausgabekategorie geplant, was es erschwert, Ausgaben
und deren Auswirkungen zu analysieren
und überprüfen. Maßnahmen mit direktem
Nutzen für Biodiversität sind zum Beispiel die
Entwicklung von Natura‐2000‐Managementplänen oder Aktivitäten zur Renaturierung
von Flüssen. Die Verbesserung des Informationsservice in Schutzgebieten ist ein Beispiel
für indirekte Maßnahmen.
Die gegenwärtige und zukünftige Kohäsionspolitik sollte einen strategischeren und
gezielteren Ansatz zur Aufnahme von grüner
Infrastruktur in ihre Förderschwerpunkte
entwickeln. Deshalb ist es wichtig, von den
gegenwärtigen Verordnungen und Programmen zu lernen. Dies gilt insbesondere für
den Bereich der Verkehrsinvestitionen und
den Umfang, in welchem grüne Infrastrukturinvestitionen eingeschlossen worden sind.
Es ist ebenso wichtig, im Bereich der
Risikovermeidung einen Wechsel von der
gegenwärtigen, auf technischen Lösungen
basierenden Förderpolitik hin zu einem
Ansatz, der grüne Infrastrukturlösungen
enthält, zu initiieren. Nicht zuletzt werden
mehr Beispiele guter Praxis benötigt, um die
breiteren Vorteile von Investitionen in Biodiversität und die Bereitstellung von Ökosystemleistungen durch grüne Infrastruktur zu
verstehen.
4.3 Grüne Infrastruktur in Rumänien
Die Programmgestaltung von Struktur‐ und
Kohäsionsfonds gibt den Mitgliedsstaaten
beträchtliche Freiheiten zur Entwicklung von
Strategien und Maßnahmen, die zu ihren
nationalen und regionalen Bedürfnissen passen. Dementsprechend hängen die eigentliche Höhe und die Arten der Förderung zur
Unterstützung des Natura‐2000‐Netzwerks
und der Ökosysteme in den einzelnen Ländern von Entscheidungen ab, die auf nationaler Ebene getroffen werden. Daher sollte
sichergestellt werden, dass diese Aktivitäten
durch die Prioritäten der Mitgliedsstaaten in
ihren nationalen strategischen Plänen und
Operationellen Programmen innerhalb der
Kohäsionspolitik widergespiegelt werden.
In Rumänien zum Beispiel gibt es viele
Fördermöglichkeiten für Initiativen zu grüner
Infrastruktur durch die Kohäsionspolitik. Die
Gesamtfördersumme im Rahmen der EU‐
Kohäsionspolitik liegt für Rumänien bei fast
21 Milliarden Euro ‐ 20,5 Milliarden im Rahmen des Konvergenzziels und 455 Millionen
im Rahmen des Ziels „Europäische Territoriale
Zusammenarbeit“, wovon etwa 172 Millionen zur Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen vorgesehen sind (Management des
Natura‐2000‐Netzwerks).
Rumänien kann ein hohes Maß an Biodiversität vorweisen, jedoch stehen viele Pflanzen‐ und Tierarten durch die Zerschneidung
von Lebensräumen und Übernutzung von
Ressourcen in Verbindung mit wirtschaftlicher Entwicklung unter Druck. Unter den 27
EU‐Mitgliedsstaaten und den Beitrittskandidaten gehört Rumänien zu den Ländern mit
der höchsten Anzahl an gefährdeten Arten..
19
Auch Rumänien soll den Aufbau des
Natura‐2000‐Netzwerks entsprechend der
FFH‐ und Vogelschutzrichtlinien sicherstellen
und relevante Schutzmaßnahmen vorbereiten. Folglich bedecken Natura‐2000‐Gebiete
etwa 17 % der Fläche des Landes.
Gebieten, zu entwickeln, müssen verschiedene Aktivitäten initiiert bzw. weiterentwickelt
werden. Dazu gehören::
Innerhalb des Sektoralen Operationellen
Programms Umwelt, das durch EFRE und
Kohäsionsfonds gefördert wird, hat Rumänien Maßnahmen geplant, die sich mit der Verbesserung der räumlichen Vernetzung und
Renaturierung von natürlichen Ökosystemen
beschäftigen.
• Entwicklung/Überprüfung von Managementplänen für Schutzgebiete
Eines der spezifischen Ziele des Sektoralen
Operationellen Programms „Umwelt“ (SOP
Umwelt) in Rumänien ist der Schutz und
die Verbesserung der Biodiversität und des
Naturerbes durch die Unterstützung des Managements von Schutzgebieten, einschließlich der Umsetzung von Natura 2000.
Um einen Rahmen für das Management von
Schutzgebieten, einschließlich Natura2000
• Entwicklung spezifischer Infrastrukturen
(grüner Infrastruktur)
• Errichtung von Monitoringsystemen
• Erstellung von Studien, Inventarisierungen, Karten, Informationsmaterialien und
Öffentlichkeitskampagnen
Die unten stehende Tabelle zeigt die
Möglichkeiten der Finanzierung von grünen
Infrastrukturprojekten durch das Sektorale
Operationelle Programm „Umwelt“ (SOP
Umwelt):
Achse
Ziele
Hauptinterventionsbereich
Prioritätsachse 4
„Umsetzung
von geeigneten
Managementsystemen für
Naturschutz“
Schutz der biologischen Vielfalt,
natürlichen Lebensräume sowie
wilden Tier- und
Pflanzenarten
Entwicklung von • ökologische Renaturierung von LebensräuInfrastrukturmen und Stärkung von Populationen
und Manage• Bau und Verbesserung der Infrastruktur in
mentplänen
nationalen Schutzgebieten und Naturazum Schutz von
2000-Gebieten (Bau von Besucher- und InforBiodiversität und mationszentren, Gestaltung von InformationNatura 2000
stafeln, Risikomanagement: Brandvorsorge
und -kontrolle etc.)
• Unterstützung von Biodiversität: Reduzierung der Auswirkungen von Infrastrukturverbesserungen auf die Arten, die durch
Landschaftszerschneidungen beeinflusst
werden (Durchführung von Maßnahmen zur
Beseitigung von Barrieren an Flüssen und
Autobahnen)
Sicherstellung
effizienten Managements von
Schutzgebieten,
einschließlich
Natura-2000-Gebiete
20
• Verbesserung/Errichtung geeigneter
Verwaltungsstrukturen
Mögliche Anwendung durch grüne
Infra-strukturprojekte
5.
Aufbau grüner Infrastruktur:
Good-Practice-Beispiele
Viele EU‐Mitgliedsstaaten haben bereits
Maßnahmen zur Stärkung und zum Aufbau
grüner Infrastruktur umgesetzt, obwohl
diese Investitionen oftmals nicht durch den
EFRE finanziert worden sind. Jedoch steigt
die Zahl an EFRE‐Projekten, die gute Praxisbeispiele für die Finanzierung von grüner
Infrastruktur sind. All diese Pilotprojekte
haben gemeinsam, dass sie einen multifunk-
tionalen Nutzen für Mensch und Umwelt
haben. Denn Sie ermöglichen nicht nur dass
Arten wandern und sich anpassen können,
sondern fördern auch die Bereitstellung von
Ökosystemleistungen durch nachhaltiges
Hochwassermanagement, die Bereitstellung
von Erholungsräumen oder Kohlenstoffspeicherung.
Alpen-KarpatenKorridor
Strände in
Ligurien
ComanaFeuchtgebiet
21
5.1 Ökologische Renaturierung des ComanaFeuchtgebiets in Giurgiu, Rumänien
Das Comana‐Feuchtgebiet, Teil des Natura‐2000‐Netzwerks, liegt im Kreis Giurgiu in
Rumänien. Es ist eines der wichtigsten Naturräume im südlichen Teil des Landes und
sogar der gesamten Donauregion. Comana
ist auch ein Teil des „Grünen Korridors Untere
Donau“, einem Netzwerk aus Natura‐2000‐
Gebieten, das vier Länder miteinander
verbindet: Rumänien, Bulgarien, Moldawien
und die Ukraine.
Die reich strukturierte Landschaft mit
Feuchtgebieten, Wäldern, Seen, landwirtschaftlichen Flächen und Ortschaften besitzt
einen hohen Naturwert. Die ausgedehnten,
mit Schilf bewachsenen Flächen, die sich mit
Seen, Eichenwäldern und Teichwirtschaft
abwechseln, schaffen ausgezeichnete Bedingungen für Vögel, indem sie Lebensräume
für Nahrungsaufnahme, Brut und Überwinterung bieten. Deshalb gehört die Region zu
einem der wichtigsten Lebensräume für zwei
Drittel der rumänischen Vogelfauna.
22
Aufgrund seiner Ausdehnung und Artenvielfalt ist diese Region nach dem Donaudelta
und der Kleinen Insel von Brăila gegenwärtig
das drittwichtigste Feuchtgebiet in Rumänien. Comana ist ein äußerst komplexes,
aquatisches Ökosystem, das an den Hauptwanderrouten von Zugvögeln liegt und ein
wichtiges Brutgebiet für viele seltene Arten
darstellt.
Jedoch haben Projekte zur Wasserbewirtschaftung, die vor 1990 im Einzugsgebiet
der Donaunebenflüsse Arges und Neajlov
mit dem Ziel der Ausweitung von Ackerbauflächen durchgeführt wurden, dramatische
ökologische Veränderungen verursacht.
Oberflächenwasser und Grundwasserspiegel
sanken, was zu deutlichen Veränderungen
der Struktur von Pflanzengesellschaften
führte. Sogar Landwirte bemerkten diese
negativen Effekte, da die Qualität der bewirtschafteten Flächen abnahm und damit auch
die landwirtschaftlichen Erträge sanken.
Abbildung 6: Karte des Naturparks Comana.
Quelle: Romanian Forest Research and Management Institute (ICAS)
Figure 7: Landschaft des Comana-Feuchtgebiets
© Naturparkverwaltung Comana
23
Abbildung 8: Weg innerhalb der limnischen Zone des Schutzgebiets.
© Naturparkverwaltung Comana
Unterstützung durch das
Operationelle Programm
Im Jahr 2009 hat der Kreisrat von Giurgiu in
Zusammenarbeit mit dem Naturpark Comana und dem Gemeinderat von Comana das
Projekt „Ökologische Renaturierung des
Comana-Feuchtgebiets im Kreis Giurgiu“
begonnen. Das Ziel dieser Initiative ist die Wiederherstellung und der Schutz der Artenvielfalt,
natürlicher Lebensräume und wilder Pflanzenund Tierarten durch die Renaturierung von
Feuchtgebieten und eine effiziente Bewirtschaftung des ökologischen Netzwerks Natura 2000
auf einer Fläche von etwa 1.180 ha.
Das Projekt wird durch das Sektorale Operationelle Programm „Umwelt“ unter der
Prioritätsachse 4 „Umsetzung von geeigneten
Managementsystemen für Naturschutz“ und
dem Hauptinterventionsbereich „Entwicklung
von Infrastruktur und Managementplänen
zum Schutz von Biodiversität und Natura 2000“
finanziert. Als Hauptergebnisse werden eine
Stärkung der grünen Infrastruktur und des
Bewusstseins der lokalen Bevölkerung über die
Vorteile grüner Infrastruktur erwartet.
Folgende Maßnahmen werden durch dieses
Umwelt OP umgesetzt:
24
• ökologische Renaturierung von Lebensräumen und Stärkung von Tier- und Pflanzenpopulationen
• Aufbau von Monitoringsystemen für
Natura-2000-Gebiete und Schutzgebiete,
einschließlich Infrastruktur und Ausrüstung
für das Monitoring der natürlichen Lebensräume und des Schutzstatus von Tier- und
Pflanzenarten
• Aufbau und Verbesserung der Infrastruktur in den nationalen Schutz- und Natura-2000-Gebieten (Bau von Besucher- und
Informationszentren, Gestaltung von Informationstafeln, Risikovermeidung: Brandvorsorge und -kontrolle etc.)
• Vorbereitung von Informationsmaterialien,
die das Bewusstsein hinsichtlich der Probleme in Schutz‐ und Natura‐2000‐Gebieten
stärken
Ökologische Renaturierungsmaßnahmen
Das Comana-Feuchtgebiet ist entlang wichtiger
Zugkorridore für Vögel gelegen. Ein Wechsel
Abbildung 9: Ornithologischer Beobachtungspunkt
© Naturparkverwaltung Comana
aus Schilfbereichen und Seen, Hainbuchen- und
Eichenwäldern sowie Teichwirtschaft schaffen
ausgezeichnete Bedingungen für die Nahrungssuche, die Brut und die Überwinterung von –
Großteils selten gewordenen - Vögeln.
Aufgrund der vor 1990 durchgeführten
Wasserbewirtschaftungsmaßnahmen wurden
Uferbänke mit Schilf und Binsen überwachsen
und nur ein Viertel der Fläche ist weiterhin
mit Wasser bedeckt. Als Folge verwandelte
sich die Landschaft von einem aquatischen zu
einem hauptsächlich terrestrischen Ökosystem.
Zusätzlich verschlechterten sich in den verbleibenden Feuchtbereichen die Bedingungen für
aquatische Vögel und insbesondere für Fische.
Das Ziel des Projekts ist es daher, die Flussauen
und Flüsse wieder miteinander zu verbinden,
den Wasserspiegel in stehenden Gewässern
zu erhöhen und die Oberfläche von Seen und
Kanälen auszuweiten.
Im Mittelpunkt des Projekts steht der Bau eines
Damms mit einer Schleuse am Fluss Neajlov,
flussabwärts des Sees Comana. Sein Zweck ist
die Steigerung und der Erhalt eines konstanten
Wasserspiegels in dem Gebiet der Flussaue.
Es wird erwartet, dass sich die Wassertiefe
im Fluss auf mehr als 1,50 m erhöht, was die
Wasseroberfläche auf 490 ha vergrößern und
beträchtliche Flachwasserbereiche mit Wassertiefen unter 0,50 m schaffen würde.
Für Fischpopulationen und ihre wirbellose
Beute werden die neuen Bedingungen sowie
der höhere Sauerstoffgehalt und der veränderte
Wasserspiegel mit seinen täglichen Schwankungen die Lebensraumqualität deutlich
verbessern.
Um die Zerschneidung aquatischer Lebensräume und somit die Unterbrechung von
Wanderrouten einiger Fischarten zu vermeiden,
wird im Rahmen des Projekts eine Fischpassage
flussabwärts vom Damm gebaut. Diese wird
auch helfen, Nahrungs‐ und Bruthabitate für
Fische und Vögel wieder zu erschaffen.
Zudem werden neue befristete Arbeitsplätze
im Zuge des Dammbaus geschaffen. Dauerhafte wirtschaftliche Vorteile für die Region
können durch die hervorragenden Möglichkeiten für ökologische Forschung geschaffen
werden, insbesondere in Zusammenarbeit mit
wissenschaftlichen Einrichtungen in der nahen
Hauptstadt Bukarest und anderen Städten.
25
5.2
Renaturierung des Alpen-Karpaten-Korridors
Sowohl die Gebirgszüge der Alpen als auch
der Karpaten sind wichtige Lebensräume für
Wildtiere wie Braunbär, Rotwild oder Luchs.
Der Austausch zwischen diesen beiden
Biodiversitätsknotenpunkten entlang traditioneller Wanderrouten des Alpen-KarpatenKorridors wird jedoch durch eine Reihe
von Verkehrswegen und Flächen intensiver
Landwirtschaft blockiert. Auch die steigende
Nachfrage nach Bauland in den Tälern der
Donau und March zwischen Wien, Bratislava
und Budapest stellt eine Bedrohung dar.
Im Jahr 2001 hat die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) im Auftrag des öster-
reichischen Bundesverkehrsministeriums
eine erste Untersuchung zu den Barrieren
innerhalb des nationalen Autobahnnetzes
und der Wildtierkorridore durchgeführt.
Anschließend wurde eine breit angelegte
Partnerschaft zwischen österreichischen und
slowakischen Organisationen beschlossen,
um mit vereinten Kräften zum Aufbau und
Erhalt eines zusammenhängenden, grünen
Korridors zwischen Alpen und Karpaten
beizutragen. In einer Machbarkeitsstudie
durch österreichische und slowakische PartnerInnen wurden Hauptaktivitätsfelder zur
Wiedererschaffung und Erhalt des Korridors
bestimmt.
Abbildung 10: Karte des Alpen-Karpaten-Korridors
Der Alpen-Karpaten-Korridor unterstützt die Ziele der Alpenkonvention
und stellt neben der Donau und dem
Grünen Band entlang des früheren
„Eisernen Vorhangs“ eine Hauptwanderoute von europäischer Bedeutung
dar..
26
Reduzierung der Zerschneidung
Abbildung 11: Grünbrücke über die
österreichische Autobahn A6.
© WWF
Abbildung 12: Eine Brücke, die Platz für den Erhalt
von Korridorfunktionen für den darunter
liegenden Lebensraum bietet
Das Projekt zum Alpen‐Karpaten‐Korridor
wurde 2009 als dreijähriges, grenz‐ und
sektorübergreifendes Projekt unter dem Ziel
„Europäische Territoriale Zusammenarbeit“ innerhalb des Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung (EFRE) begonnen. Im Rahmen des
Projektes werden wissenschaftliche Daten erhoben und Umsetzungsmaßnahmen geplant.
Österreichische und slowakische ProjektpartnerInnen aus Naturschutz, Raumplanung und
Verkehr arbeiten mit einem breiten Netzwerk
zusammen, das unterschiedliche Interessensgruppen wie Land‐ und Forstwirtschaft, Jagd,
Tourismus und die betroffenen Gemeinden
verbindet.
Die Eckpunkte des Projekts sind sowohl die
Verringerung der Zerschneidungseffekte von
Autobahnen durch den Bau von „Grünbrücken“ an strategisch wichtigen Stellen als auch
die Schaffung geeigneter Lebensräume zur
Wiederverbindung vorhandener Trittsteinbiotope, die als Rast- und Nahrungsplatz von
wandernden Tieren benötigt werden. Um die
Effektivität solcher Maßnahmen zu garantieren, sollte das ökologische Netzwerk in die
Raumplanung einbezogen werden. Damit
können die erhobenen Daten des Korridors
auch bestehenden Planungsinstrumente und
Studien wie Umweltverträglichkeitsprüfungen
dienen.
Die Ziele des Projektes sind::
• die Sicherstellung der ökologischen
Vernetzung zwischen den Alpen und den
Karpaten
• Wanderungen von Wildtieren und Austausch zwischen Populationen ermöglichen
© S. Hysek / Weinviertelmanagement
• eine nachhaltige Entwicklung in der Region, die sowohl Vorteile für den Menschen
als auch die Wildtiere bringt
27
5.3 Strandaufschüttung in Ligurien, Italien
Ein 1,5 km langes Teilstück der italienischen
Küstenregion Ligurien ist von Erosion betroffen. Früher wurde es mit den Sedimenten
des Flusses Roja angereichert. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts verursachte dann der Bau
von Dämmen zur Hochwasserkontrolle und
Stromgewinnung eine allgemeine Abnahme
der Flusssedimente, die zu den Stränden
transportiert wurden. Der Erosionsprozess
wurde außerdem durch den Bau eines
Schienenweges entlang der Küste und die
zunehmende Urbanisierung verstärkt.
Während des 20. Jahrhunderts, und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg,
wurden verschiedene Schutzmaßnahmen
ergriffen. Fast alle Eingriffe an der Küste umfassten dabei feste Strukturen, insbesondere
parallele Wellenbrecher.
Errichtung eines dauerhaften
Küstenschutzes
Das Projekt bot gute Synergieeffekte der
Küstenschutzmaßnahmen mit dem Managementplan des Roja Einzugsgebietes, welcher
die Ausbaggerung des Flussbetts vorsieht,
um das Wasserregime in verschiedenen
Bereichen wiederherzustellen.
Das ausgebaggerte Material wurde genutzt,
um die Strände innerhalb ihrer ursprünglichen Ausweitung aufzuschütten, was zu
deutlichen Kosteneinsparungen führte.
Die lokale Bevölkerung begrüßte sowohl die
Landschaftsverbesserung als auch die Tatsache, dass der Strand den starken Sturmereignissen der letzten Jahre widerstehen konnte.
Abbildung 13: Mündung des Flusses Roja in
Ligurien
Das Hauptziel eines Projekts, das durch den
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt wurde, war die Schaffung einer effizienteren und dauerhafteren
Form des Küstenschutzes, die der Küstenerosionen standhalten kann und hilft die natürliche Landschaftsdynymik zu verbessern.
Die Umbauarbeiten umfassten den Rückbau
der parallelen Wellenbrecher sowie anderer
künstlicher Riffstrukturen und ihren Ersatz
durch 13 große, sich halb unter Wasser
befindliche Buhnen aus Felssteinen der
ursprünglichen Strukturen. Zusätzlich wurde
der Strand mit 2.100.000 m³ Material, das
vom Fluss Roja ausgebaggert wurde, aufgeschüttet.
Quelle: Wikipedia.
28
6.
Schlussfolgerungen und
Empfehlungen
Gesunde, miteinander vernetzte Ökosysteme
versorgen den Menschen mit lebenswichtigen Leistungen wie sauberer Luft und
Trinkwasser. In Europa ist diese Funktionalität der Ökosysteme zunehmend bedroht,
insbesondere durch die Zerschneidung
von Lebensräumen aufgrund des stetig
zunehmenden Ausbaus grauer Infrastruktur.
Beispiele hierfür sind Straßen, die Landschaften zerschneiden oder Flussdämme und
‐brücken, die die Wanderrouten von Fischen
blockieren.
Grüne Infrastruktur zielt auf die Wiederverbindung von Lebensräumen und die
Stärkung dieser Biodiversitätsknotenpunkte. Damit soll wesentlich zum Schutz der
europäischen Artenvielfalt beigetragen und
die Bereitstellung von Ökosystemleistungen
sichergestellt werden. Dieser Ansatz unterstützt und ergänzt die EU‐Gesetzgebung im
Bereich Umwelt, insbesondere die Wasserrahmen‐, Hochwasser‐ und Naturschutzrichtlinien.
Das „Arbeiten mit der Natur“ und die Anwendung von ökosystembasierten Ansätzen
für die Anpassung an den Klimawandel und
seine Abschwächung bringen vielfältige
Leistungen, bzw. Nutzen bei vergleichsweise geringen Kosten. Investitionen in grüne
Infrastruktur schaffen sowohl Arbeitsplätze
als auch Geschäftsmöglichkeiten und helfen
durch seinen integrierten Ansatz, Partnerschaften aufzubauen.
Innerhalb der EU werden die Instrumente
grüner Infrastruktur wie Grünbrücken, Wildtiertunnel und Fischpassagen, die Renaturierung von Lebensräumen sowie Hecken
oder Baumreihen als Strukturelemente in
Agrarlandschaften bereits angewendet. Integratives, vorausschauendes Planen verhindert nachweislich weitere Zerschneidungen
und damit Kosten zur Wiederherstellung.
Das Konzept der grünen Infrastruktur mit all
seinen Vorteilen hat sich an vielen Stellen
bewährt, sodass es nun eines überregionalen
Austausches von Praxiserfahrungen bedarf,
der die Bereitschaft der Planer und Politiker
für neue Ansätze fördert. Ein derart umfassender und integrativer Ansatz benötigt die
Beteiligung und gemeinsame Verantwortung aller LandnutzerInnen und Politiksektoren von Anfang an. Europa sollte jetzt
massiv in grüne Infrastruktur investieren, um
die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen
gegenüber dem Klimawandel und anderen
Bedrohungen zu erhöhen..
Beispiele haben gezeigt, dass die gegenwärtigen Finanzierungsinstrumente der EU eine
Vielzahl an grünen Infrastrukturmaßnahmen
unterstützen können. Life+, der Europäische
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung
des ländlichen Raums und der Europäische
Fonds für regionale Entwicklung bieten
interessante Möglichkeiten für Investitionen,
jedoch fehlt es grundsätzlich an einer Strategie. Zukünftige Arbeiten sollten die Grundlage für eine einheitliche Strategie zu grüner
Infrastruktur schaffen, die das Spektrum für
Investitionen erweitert.
29
Die grünen Infrastrukturmaßnahmen, die
in dieser Broschüre vorgestellt werden,
sind im Prinzip im Rahmen der gegenwärtigen Kohäsionspolitik förderfähig. Jedoch
entsprechen diese Maßnahmen oft nicht
direkt den Zielen der Fördermechanismen
und werden deshalb nicht gefördert. Eine
strategischere Einbindung dieser Maßnahmen in die Verordnungen für die Förderperiode 2014‐2020 ist daher notwendig, um die
Fördermöglichkeiten für grüne Infrastruktur
in den Mitgliedsstaaten und Regionen besser
zu verankern.
Bei der Gestaltung des EU‐Haushalts und
seiner Instrumente für die Periode 2014 bis
2020 sollten grüne Infrastrukturaspekte von
Anfang an integriert werden. Insbesondere
sollte die zukünftige EU‐Kohäsionspolitik
Ausgabenkategorien vorsehen, die für die
Unterstützung grüner Infrastrukturmaßnahmen geeignet sind. Bei dieser neuen
Ausrichtung des EU Haushalts sollte das
grundlegende Anliegen grüner Infrastruktur stets berücksichtigt werden und seine
Kernelemente in alle Förderbereiche Eingang
finden. Folgende Bestandteile grüner
Infrastruktur sollten in alle Förderbereiche
integriert werden: erstens die Minimierung
von Zerschneidungseffekten, um den fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt
aufzuhalten, zweitens die Vermeidung der
Degradation existierender grüner Infrastruktur durch neue graue Infrastrukturen und
drittens die direkte Förderung von Ökosystemleistungen.
Um das Konzept grüner Infrastruktur in der
gegenwärtigen und zukünftigen Regionalpolitik zu stärken, emp-fiehlt das Projekt
„SURF Nature“:
• der Europäischen Kommission die
Entwicklung einer Strategie zu grüner Infrastruktur, die sowohl die Fördernotwen-
30
• der Europäischen Kommission die
Entwicklung einer Strategie zu grüner Infrastruktur, die sowohl die Fördernotwendigkeiten aufzeigt als auch den Beitrag
der verschiedenen Förderinstrumente zur
Förderung grüner Infrastruktur definiert
• der Generaldirektion Regionalpolitik (GD
Regio) die Entwicklung von Richtlinien für
potenzielle Projektträger, die die verschiedenen Maßnahmen grüner Infrastruktur
im Rahmen von Infrastrukturinvestitionen,
Planungen und der Risikovermeidung
sowie für Biodiversität und Ökosystemleistungen unterstützen
• der GD Regio die Analyse des gegenwärtigen Rechtsrahmens und die Aufnahme
von grüner Infrastruktur als eigenen
Fördergegenstand in die Vorschläge für
zukünftige Verordnungen
• den EU‐Mitgliedsstaaten die Analyse gegenwärtiger Programme hinsichtlich der
Fördermöglichkeiten grüner Infrastrukturmaßnahmen, die Ermittlung existierender
Projekte zu grüner Infrastruktur und die
bessere Nutzung der vorhandenen Fördermöglichkeiten innerhalb der EU‐Fonds,
sowie die Förderung einer stärkeren Bewusstseinsbildung für die Leistungen und
Notwendigkeit grüner Infrastruktur unter
allen InteressensvertreterInnen, z. B. den
StadtbewohnerInnen, RaumplanerInnen
oder IngenieurInnen.
Zum Schluss muss betont werden, dass das
Projekt „SURF Nature“ auf die europäische
Regionalpolitik ausgerichtet ist, was natürlich die Bandbreite dieser Empfehlungen auf
diesen Bereich beschränkt. Die AutorInnen
sind sich völlig bewusst, dass viele wichtige
Aspekte grüner Infrastrukturmaßnahmen
und Fördermechanismen, insbesondere
die, die durch LIFE+ und den Europäischen
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung
des ländlichen Raums geboten werden,
dementsprechend in dieser Veröffentlichung
nicht abgedeckt sind.
7.
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© M. Czasnoiċ
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www.greeninfrastructurenw.co.uk/resources/
GI_&_Hydrology_Report_May_2009.pdf
• Wiederherstellung des Alpen-Karpaten-Korridors – Beispiel guter Praxis:
www.alpenkarpatenkorridor.at/
www.alpskokarpatskykoridor.sk/
www.alparc.org/news/international-news/
start-of-the-international-alps-carpathians-corridor-project.
www.surf-nature.eu
Weitere ProjektpartnerInnen:
AT | Umweltbundesamt Österreich
RO | Giurgiu County Council
PL | Marshal Office of Warmia &
Mazury Voivodship
IT | Provinz Rieti
GR | Municipal Enterprise for
Planning & Development
of Patras S.A.
GR | Präfektur Preveza
ES | Direction General for Nature,
Environment & Biodiversity
of the Region of Murcia
ES | Forest Sciences Centre
of Catalonia
UK | Environment Agency Wales
CZ | Universität Olomouc
AT | Österreichische Bundesforste AG
AT | Nationalpark Donau-Auen
FR | Cotes d’Armor General Council
SL | Development Agency Savinja
ProjektpartnerInnen:
Austrian Federal Forests
Pummergasse 10-12
3002 Purkersdorf
Austria
Kontakt:
Gerald Plattner
Head of Ecosystem Management
Phone: + 43 2231 600-3140
[email protected]
www.bundesforste.at
Leadpartner:
Environment
Agency Austria
Spittelauer Lände 5
1090 Wien
Austria
Kontakt:
Peter Tramberend
Klara Brandl
Phone: + 043 1313 045935
coordination(at)surf-nature.eu
www.umweltbundesamt.at
Projektkoordination:
WWF Germany
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Germany
Kontakt:
Peter Torkler
Melanie Hillmann
Julia Steinert
Phone: + 049 30 311777222
coordination(at)surf-nature.eu
www.wwf.de
© M. Czasnoiċ
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