44 Job & Karriere 2016 6-7 „Wir brauchen Mitarbeiter, die Spaß an Innovationen haben“ Von Hans Königes, leitender Redakteur CW: Welche Rolle spielen heute die IT-Organisation und der IT-Chef vor dem Hintergrund der Digitalisierungswelle? DIAZ ROHR: In unserem Unternehmen hat die IT eine Schlüsselrolle inne. Wir wollen zum führenden digitalen Handelsunternehmen für Consumer Electronics in Europa werden, und da wird IT zur Kernkompetenz für alle Aufgabenbereiche. Für die IT-Abteilung bedeutet das: Sie muss IT-Wissen vermitteln und die Anforderungen anderer Abteilungen verstehen. Sie muss Mitarbeiter und Systeme zusammenführen, um gemeinsam bessere Lösungen zu finden. Sie übernimmt nicht mehr einen detailliert spezifizierten Auftrag und liefert ein fertiges Produkt ab, sondern arbeitet kontinuierlich mit anderen Abteilungen zusammen. Das ist ein iterativer Prozess, der Kommunikations- und Organisations-Know-how erfordert. Karriereratgeber 2016 – Silke Aich, Voquz Vom 11. bis 24. Februar beantwortet die Recruitment-Managerin Silke Aich Fragen rund um die Karrierechancen und -perspektiven bei ­IT-Dienstleistern. Silke Aich verantwortet innerhalb der Voquz Group das konzernweite Recruitment. Zuvor war sie neben der Personalvermittlung von Fach- und Führungskräften aus der Finanzwelt für den Aufbau des IT-Recruitings in einer Personalberatung verantwortlich. Die Voquz Group ist ein IT-Dienstleistungs- und Lösungsanbieter mit Sitz in München und beschäftigt rund 300 Mitarbeiter in neun Niederlassungen. TILKER: Es ist spannend zu beobachten, wie sich die Aufgaben der IT respektive der IT-Verantwortlichen in den vergangenen 25 Jahren verändert haben. In der Phase der EnterpriseIT bis zu den 90er Jahren wurde mit Hilfe der IT die Prozessautomatisierung immer effizienter. In der Phase der Industrialisierung ab 2000 musste die IT selbst peu à peu effizienter werden. Und heute in Zeiten des Internets der Dinge ist es Aufgabe der IT-Verantwortlichen, sich proaktiv in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einzubringen. CW: Welche neuen Aufgaben kommen dadurch auf den CIO zu? DIAZ ROHR: Der CIO muss die IT für die Digitalisierungswelle wettbewerbsfähig aufstellen. Das heißt, die richtigen Mitarbeiter an Bord holen, Steine aus dem Weg rollen, die Unternehmenskultur weiterentwickeln sowie die entsprechen­den Ressourcen effektiv einsetzen. TILKER: Zukünftig wird sich der CIO zu einem Digital Leader entwickeln. Die Frage lautet daher, ob er selbst zum Chief Digital Officer wird oder dieser für ihn der wesentliche SparringPartner für die Digitalisierung wird. Unabhängig davon wird auf den CIO eine prägnantere Führungsrolle auch mit Blick auf die Geschäfts­ modelle eines Unternehmens zukommen. CW: Wie gelingt es, die Anforderungen der Fachbereiche mit der Digitalisierungsstrategie optimal abzubilden? TILKER: Die Business-Anforderungen sind Treiber der Digitalisierungsstrategie. So werden beispielsweise im Vertrieb via E-Commerce mit Hilfe von Predictive Analytics Bedarfe von Kunden treffsicher analysiert und prognostiziert. In der produzierenden Industrie führen integrierte digitale Planungsansätze, die Vertrieb, Produktion und Zulieferer gleichermaßen einbeziehen, zu einer verbesserten Steuerung sowie effizienteren Abläufen. DIAZ ROHR: Für uns als Consumer-ElectronicsHändler ist die Digitalisierung selbst eine Geschäftsanforderung. Wir verkaufen Produkte, die Digitalisierung ermöglichen – da ist es unerlässlich, sein eigenes Geschäft auf die Möglichkeiten dieser Produkte zuzuschneiden. Aber Digitalisierung betrifft nicht nur Verkaufs­ konzepte oder Produkte, sondern auch unser Denken. Überall versuchen wir agil zu werden und digitale Prozesse einzuführen. Wir wollen schnell implementieren, um schnell Erkenntnisse zu sammeln und auszurollen – oder schnell wieder mit etwas aufzuhören. CW: Gibt es Beispiele in Ihrem Unternehmen, die zeigen, wie die IT-Organisation die Digitalisierung vorantreibt? Fotos: Voquz; Media-Saturn; Eric Salmon & Partners Digitalisierung bedeutet nicht nur, innovative Produkte und Vertriebskonzepte zu entwickeln. Es geht auch darum, die Mitarbeiter auf agiles Arbeiten und das schnelle Umsetzen neuer Geschäftsideen einzustellen, betonen der CIO von Media-Saturn, Ricardo Diaz Rohr, und der Berater Lutz Tilker im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. DIAZ ROHR: All die Innovationen, die Sie als Kunde in unseren Märkten sehen, sind auch ­IT-getrieben. Dass man Produktverfügbarkeiten vor Ort per App abrufen kann, war eine wich­ tige IT-Aufgabe. Ein Projekt wie der digitale Kassenzettel erfordert die Anbindung an die bestehende Systemlandschaft durch die IT. Und wenn unsere Verkäufer in den Märkten ein Tablet bekommen, um ihren Kunden bes­ sere Antworten geben zu können, beruht die App, die das ermöglicht, auf der Infrastruktur unserer IT. Ein wichtiges aktuelles Projekt ist unser Media-Saturn-eigener App Store für Mitarbeiter. Das ist ein gutes Beispiel für abteilungsübergreifende Projekte: entstanden auf Initiative unserer Multichannel-Kollegen der MS E-Business Concepts & Service, umgesetzt in Kooperation mit uns, als Plattform offen für alle anderen Abteilungen und für jeden Kollegen mit der Möglichkeit, einen Überblick über unsere Anwendungen zu erhalten. CW: Ist es eher die IT oder sind es die Fachabteilungen, die bei Media-Saturn die Digitalisiserung vorantreiben? Und wie wird sich das Verhältnis zwischen diesen Bereichen zukünftig entwickeln? DIAZ ROHR: Traditionell haben die Fachabteilungen die IT angeschoben. Aktuell verschiebt sich dieses Verhältnis deutlich. Am Ziel angekommen sind wir, wenn sich diese Frage gar nicht mehr stellt. Wenn Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. TILKER: Wenn man zum Beispiel Vertrieb und Marketing als einen der Bereiche betrachtet, für den die Digitalisierung weitreichende Chan­cen bietet, dann wird sehr schnell klar, dass der bei einigen Unternehmen schon eingeführte Chief Digital Officer Brückenbauer und Innovationstreiber gleichermaßen sein muss. DIAZ ROHR: Die übergreifende Funktion des Chief Digital Officer ist auf jeden Fall empfehlenswert. Aber sicher muss man sich auch fragen, ob der CIO das in Personalunion leisten kann. Wir haben einen CIO und einen CDO, weil beides Herkulesaufgaben sind – die übergreifende Digitalisierung und die entsprechende Aufstellung der IT. Dabei arbeiten wir eng zusammen, denn die enge Verzahnung von Prozessen muss von den Führungskräften vorgelebt werden. CW: Welche Art Mitarbeiter wird zukünftig für die großen Digitalisierungsprojekte gebraucht? TILKER: Für die bisher primär fachspezifisch ausgerichteten Anforderungsprofile in der IT werden zukünftig die horizontal ausgeprägten Geschäftsprozesse der fachliche Maßstab. Insofern müssen Mitarbeiter in der IT verstärkt fachseitiges Prozess-Know-how entwickeln, um ihrer Funktion in der Steuerung der Ressourcen gerecht zu werden. Ob dieses besser durch „Digital Natives“ als durch „Digital Immigrants“ erreicht wird, sei dahingestellt. Was zählt ist der „Digital Evangelist“. DIAZ ROHR: Neben all dem brauchen wir ­Mitarbeiter, die Spaß an Innovationen haben. ITler, für die unsere Märkte eine Art Schlaraffenland sind, werden sich auch bei uns im Unternehmen wohlfühlen. Zudem brauchen wir Mitarbeiter, die nicht auf Aufträge warten, sondern sich proaktiv einbringen, um Innova­ tionen zu generieren. Ich freue mich auf Bewer­ bungen von Leuten, die daran arbeiten möchten, die Zukunft des Einzelhandels zu gestalten und Spaß an der Bearbeitung etwa folgender Fragen haben: Wieso finde ich Produkte offline nicht so schnell wie online? Wieso habe ich online mehr Informationen als offline? Und warum ist das Einkaufen im Internet heute noch so viel weniger Erlebnis als das im stationären Markt? Wer hier Antworten finden möchte, der ist bei uns richtig. k Ricardo Diaz Rohr ... ... ist CIO der Media-Saturn-Holding sowie CEO der Media-Saturn IT Services GmbH. Mit einem ­Nettoumsatz von 21 Milliarden Euro und rund 65.000 Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2013/14 ist die mehrheitlich zur Metro AG gehörende Gruppe in 15 Ländern vertreten. (www.media-saturn.com) Lutz Tilker ... ... ist Partner bei Eric Salmon & Partners. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Suche, Beurteilung und Auswahl von Führungskräften der ersten und zweiten Führungsebene sowie von Aufsichtsräten. (www.ericsalmon.com)