Gastbeitrag: Science Next Wave, 24

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Gastbeitrag: Science Next Wave, 24. August 2001
Argumente für therapeutisches Klonen
*The English version of the article.
Heiko Maas, Jurist von Beruf, ist
HEIKO MAAS
SPD SAAR
GERMANY
24 AUGUST 2001
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"Die
verfassungsrechtliche
Argumentation gegen
das therapeutische
Klonen halte ich
schlichtweg für
abstrus."
Vorsitzender der SPD-Fraktion im
saarländischen Landtag und gleichzeitig
Vorsitzender der SPD Saar. Im
Frühsommer machte er auf sich
aufmerksam, als er sich als einer der
ersten prominenten Politiker in
Deutschland für die Zulassung
therapeutischen Klonens aussprach. In
einem Gastbeitrag für Science's Next
Wave stellt Heiko Maas seinen
Standpunkt ausführlich dar.
In der deutschen Öffentlichkeit findet zur
Zeit eine grundsätzliche Debatte über
Chancen und Risiken der Genforschung
statt. Neben der Diskussion um die
Präimplantationsdiagnostik (PID), deren
Zulassung ich ausdrücklich befürworte,
geht es insbesondere um das
sogenannte therapeutische Klonen. Auch
hier bin ich nach sorgfältiger Abwägung
der wissenschaftlichen, (verfassungs-)
rechtlichen und ethischen Aspekte der
Auffassung, diese Technologie in
Deutschland zuzulassen.
Vorbild könnte die Entscheidung des britischen Unterhauses sein. In Großbritannien
ist die Forschung an embryonalen Stammzellen in den ersten 14 Tagen ihrer
Entwicklung erlaubt. Auf Einladung der britischen Regierung hatte ich vor kurzem die
Möglichkeit, mit Vertretern der politischen Parteien und der Regierung in England
über diese Frage zu diskutieren. Ich war beeindruckt von der Verantwortung, aber
auch der großen Rationalität, mit der in England dieses Thema diskutiert und einer
Entscheidung zugeführt wurde. In Deutschland, wo regelrechte Kreuzzüge gegen
das therapeutische Klonen vollführt werden, könnten wir uns davon eine Scheibe
abschneiden.
Wissenschaftlich hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, daß dem Arbeiten
mit menschlichen embryonalen Stammzellen in der Forschung immer größere
Bedeutung zukommt. Auch das wahre Potential adulter Stammzellen läßt sich
vermutlich nur durch einen Vergleich mit Zellen am anderen Ende des
entwicklungsbiologischen Potentialspektrums, also mit pluripotenten Stammzellen
ermitteln.
Die Möglichkeiten des therapeutischen Klonens machen vielen Millionen
schwerstkranker Menschen, z.B. Alzheimer-Patienten, große Hoffnung.
Erkrankungen, für die eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten dringend
erforderlich ist, wie Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes oder Erkrankungen
des Nervensystems, etwa der Parkinsonschen Krankheit, könnten wirksamer
bekämpft, vielleicht sogar geheilt werden. Schließlich könnten so auch ganze
menschliche Organe generiert werden, ohne die bisherigen immunologischen
Probleme.
Jede Person hat Anrecht darauf, daß ihr unsere Gesellschaft Wege eröffnet, am
Fortschritt teil zu haben und ihre Lebensbedingungen zu sichern und zu verbessern.
Ich frage mich wirklich, ob ich als Politiker mich irgendwann einmal fragen lassen
will, warum habt ihr nichts getan oder warum habt ihr nicht die Möglichkeit in der
Forschung genutzt, um mir oder meinen Kindern zu helfen. Es gibt also nicht nur die
theoretischen und ethischen Bedenken, sondern es gibt auch Menschen, die
Hoffnung haben. Hoffnung, daß ihre Krankheit bekämpft und geheilt wird, und die
müssen in dieser Diskussion auch eine Rolle spielen.
Die verfassungsrechtliche Argumentation gegen das therapeutische Klonen halte ich
schlichtweg für abstrus. Weder aus der Verfassung noch aus dem
Embryonenschutzgesetz kann ein eindeutiges Verbot von PID oder dem
therapeutischen Klonen abgeleitet werden. Da wird zwar auf die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichtes hingewiesen, wonach bereits der Embryo als
selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz des Staates steht. Folglich sei auch das
Arbeiten an und der „Verbrauch" von embryonalen Stammzellen zu
Forschungszwecken verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht hat aber ebenso
klargestellt, daß das Recht des Embryos gewissen Schranken unterliegt. So ist der
Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Das heißt,
die Tötung von Föten, also in der Entwicklung bereits weiter fortgeschrittener
Embryos, wird insoweit toleriert. Somit kann sich aus diesem Verfassungsrecht und
der dazugehörigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aber kein
grundsätzliches Argument gegen das Arbeiten mit embryonalen Stammzellen und
damit das therapeutische Klonen ergeben. Das Verfassungsrecht ist sozusagen ein
stumpfes Schwert im Kreuzzug gegen das therapeutische Klonen.
Entscheidend ist also letztlich die ethische Dimension des Themas. Viele sehen
bereits im Embryo eine potentielle menschliche Existenz mit eigener Identität und
Menschenwürde. Dies ist durchaus begründbar. Von einer „Vernutzung"
menschlichen Lebens zu Forschungszwecken wollen diejenigen nichts wissen. Die
meisten Anhänger dieser Auffassung haben allerdings nichts gegen
Verhütungsmethoden wie der Pille oder der Spirale, die eine Einnistung des
befruchteten Eis in die Gebärmutter verhindern, und damit auch zur Abtötung
desselben führen. Von ihnen denkt wohl auch niemand ernsthaft daran,
entsprechende Medikamente und technische „Einnistungshindernisse" zu verbieten.
Wer diese aber akzeptiert oder toleriert, der wird unglaubwürdig, wenn er mit dem
therapeutischen Klonen allzu fundamentalistisch das Ende des Abendlandes nahen
sieht. Richtig ist, daß hier wesentliche Bereiche des menschlichen Lebens berührt
werden. Wer aber eine Forschungsrichtung stoppen will, muß stichhaltig darlegen,
warum sie nicht gestattet werden soll. Dies ist im Falle des therapeutischen Klonens
für mich nirgendwo erkennbar gelungen.
Häufig wird die Frage gestellt, ob nicht etwas aus dem Ruder laufen kann, was nicht
mehr korrigierbar ist. Die Schreckensvision vom „Designer-Baby" wäre auch für mich
eine. Es muß also enge Grenzen geben, die den Mißbrauch verhindern. Solche
Dinge wie Designer-Babies können nicht das Ziel von Forschung sein. Die Frage ist
die, ob wir einfach Nein sagen zu all dem, wohlwissend, daß in anderen Ländern
munter geforscht wird und damit in Deutschland Grauzonen entstehen, in denen
dann auch und trotzdem geforscht wird. Da ist es mir lieber, Ja zu sagen und diesen
Prozeß unter engen gesetzlichen Vorgaben zu gestalten. Deshalb brauchen wir ein
neues Embryonenschutzgesetz, sonst werden möglicherweise Fakten geschaffen,
die wir so nicht wollen. In dem Gesetz muß klar geregelt werden, was zulässig ist
und was nicht. Das aktuelle Embryonenschutzgesetz kann die jetzt diskutierten
Fragen nicht präzise beantworten. Und es muß nun relativ bald entschieden werden.
Man kann nicht mit einer so stark auseinandergehenden Auslegung von Recht und
Ethik in die Zukunft gehen.
Wesentlich ist allerdings, daß eine derartige Forschung nicht in das Belieben der
Wissenschaft, schon gar nicht der Wirtschaft gestellt, sondern an ein strenges
Genehmigungsverfahren gekoppelt wird. Das wäre unsere politische Aufgabe und
der sollten wir nachkommen.
Um Mißverständnisse zu vermeiden: Forschung hat ihre Grenzen. Reproduktives
Klonen lehne auch ich strikt ab. Ebenso wenig halte ich etwas davon, die
Befürwortung einer Forschungsrichtung in erster Linie mit der Förderung des
Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland zu begründen.
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