P O L I T I K Medizinreport Internationale Klonkonferenz in Berlin Unterschiedliche Bewertungen Während das reproduktive Klonen von den Wissenschaftlern weltweit abgelehnt wird, ist man sich in der Frage über Art und Ausmaß des therapeutischen Klonens uneinig. K lonschaf Dolly hat im Gegensatz zu Verbot des reproduktiven Klonens sich Im September stehen vor der UNO neuMillionen anderer friedlich grasen- in den UN-Verhandlungen 2002 heraus- erliche Verhandlungen an. Die Klonkonder Schafe 1997 Wissenschaftsge- kristallisiert habe. Aus ihrer Sicht sei die ferenz zeigte aber auf, dass sich über alle schichte geschrieben. Obwohl längst im Technik aber „auch dann ethisch inak- Landes- und Kulturgrenzen hinweg die Museum, hielt Dolly im übertragenen zeptabel, wenn sie zur Herstellung von Ablehnung des reproduktiven Klonens Sinne Hof auf der Internationalen Klon- Embryos eingesetzt wird, die an- mühelos erzielen lässt; beim therapeutikonferenz in Berlin, zu der das Bundes- schließend zur Gewinnung von Gewebe schen Klonen herrscht kein Konsens, ministerium für Bildung und Forwohl aber – wie es der Baseler schung (BMBF) geladen hatte. Gynäkologe, Prof. Wolfgang HolzKaum einer der Referenten vergaß greve, treffend formulierte – ein es, Dollys Bedeutung für die Bio„tiefes Unbehagen“. technologie und die damit verbunDie Rede der Juristin Ruth dene bioethische, juristische, sozialReusser (Vorsitzende des Lenwissenschaftliche und medizinische kungsausschusses für Bioethik des Diskussion zu erwähnen. Europarats) kritisierte die starre Hintergrund der Konferenz war deutsche Haltung: „Ich befürworein Auftrag des Bundestages vom te die Politik der kleinen SchritFebruar 2003 an die Bundesminite. . . . Maximalprogramme auf insterin Edelgard Bulmahn, für die ternationaler Ebene zahlen sich anstehenden UN-Verhandlungen nicht aus.“ Das reproduktive Klozu einem internationalen Klonienen sei auf UNO-Ebene schnell rungsverbot die wissenschaftliche erreichbar, nicht aber beim theraGesamteinschätzung auszuloten peutischen Klonen, das von vielen und die Durchsetzung eines komStaaten durchaus befürwortet wird pletten Klonverbots auf interna– wenn auch mit Auflagen. tionaler Ebene zu erreichen. In ihZur Klonierung stehen mehrere rer Eröffnungsrede wies die BunTechniken zur Verfügung. So wurdesministerin darauf hin, dass in de bereits 1892 erstmals durch Emder bestehenden „allgemeinen Erbryo-Splitting eine Klonierung von klärung über das menschliche GeSeeigeln durchgeführt. Mehr als nom und die Menschenrechte“ der 100 Jahre später konnte eine erUnesco zwar Grundwerte wie Lefolgreiche asexuelle Fortpflanzung bensschutz und Menschenwürde mittels Zellkerntransfer in eine Biomedizin im Spannungsfeld: In einer pluralistischen verankert seien, diese Erklärung entkernte Eizelle erreicht werden, Welt ist es schwierig, für ethische Zweifelsfragen allgeaber keine unmittelbar umsetzbaund Klonschaf Dolly entstand mein akzeptierte Lösungen zu finden. Foto: Mauritius re rechtliche Regelung darstellt. 1997. Kommt nun bald der klonierDies schon deshalb nicht, weil Grund- zerstört werden“. Hier steht die Bun- te Mensch mit identischen Aussehen und werte in verschiedenen Kulturkreisen desministerin zum Beispiel im Dissens Eigenschaften, stand als bange Frage im und Religionen eine unter Umständen mit Großbritannien, wo Embryonen im Raum. divergierende Auslegung erfahren. Es Alter bis zu 14 Tagen keinen Schutz vor Die Erfahrung an Tieren zeigte, dass sei schwierig, „in einer pluralistisch wissenschaftlicher Forschung genießen. zur Entstehung von Dolly 277 und von geprägten Welt für ethische ZweifelsBulmahn bedauerte, dass bei der von Mäuserich Fibro 174 Klonversuche fragen allgemein akzeptierte Lösungen Deutschland und Frankreich vor der nötig waren. Lebensfähige Klone entzu finden“. UNO gemeinsam eingebrachten Initia- wickeln sich oft nicht weiter oder zeigen Bulmahn verwies darauf, dass ein tive zum generellen Klonverbot noch Riesenwuchs, Organfehlbildungen, hoannähernd weltweiter Konsens zum keine Einigung erzielt werden konnte. he Infektanfälligkeit. Bisher starben al- A 1588 Jg. 100 Heft 23 6. Juni 2003 Deutsches Ärzteblatt P O L I T I K le vorzeitig. Klonversuche an Primaten wie Affen blieben bislang erfolglos. Die angeblich bereits zur Welt gebrachten Klonbabys konnten bisher nicht wissenschaftlich verifiziert werden. Zum umstrittenen therapeutischen Klonen mit dem Ziel, in Erkrankungen heilend, lindernd oder rehabilitierend einzugreifen, werden menschliche Embryos mit dem alleinigen Zweck geklont, aus ihnen embryonale Stammzellen zu gewinnen, die aufgrund ihrer Totipotenz gezielt zur Ausdifferenzierung bestimmter Gewebe oder Organe geführt werden sollen. Bislang war zur Klonierung eines menschlichen Embryos die Eispende einer Frau nötig. Jüngste Forschungsergebnisse der deutschen Biologen Hans Schöler und Karin Hübner in den USA zeigen am Tiermodell, dass aus embryonalen Stammzellen auch Eizellen entstehen können. Diese In-vitro-Oozytenvermehrung – vorausgesetzt, sie sei auch beim Menschen erreichbar – würde die ethischen und rechtlichen Bedenken über die Tötung von Embryos beim therapeutischen Klonen wesentlich abmildern. Ob nämlich der solchermaßen entstandene Klon tatsächlich noch als Embryo anzusehen ist, wird bereits kontrovers diskutiert, und dies spräche eher für als gegen eine Zulassung des therapeutischen Klonens. Im Wesentlichen verdeutlichte die Konferenz mit ihren geschliffen formulierten Reden namhafter Wissenschaftler, dass sie im Grunde nur eine politische Tagung war. Am Schluss betonte Bulmahn vor der Presse, Deutschland schütze mit seiner Gesetzgebung vor dem reproduktiven und therapeutischen Klonen bei Menschen, und sie wolle sich dafür auch auf dem internationalen Parkett einsetzen. Hierzu bedürfe es jetzt mehrerer Sondierungsgespräche mit anderen Staaten. Die Journalistenfrage, ob möglicherweise die neue therapeutische Klonierungstechnik mit der In-vitro-Oozytenzüchtung einen Dammbruch bis hin zum reproduktiven Klonen von Menschen erzeugen könne, blieb im Raum stehen, ebenso wie das viel zitierte „Unbehagen“, das immer dann auftritt, wenn Forschungsfreiheit, politische Ansprüche und ethisch-moralische Grundwerte aufDr. Barbara Nickolaus einander treffen. Jg. 100 Heft 23 6. Juni 2003 Deutsches Ärzteblatt Ä rztlicher Alltag gleicht einem rasenden Stakkato von Anamnese, Diagnostik und Therapie. Anders kommt man auf keinen grünen Zweig, sondern läuft sogar Gefahr, wegen unzumutbarer Wartezeiten dreistellige Eurosummen als Entschädigung aus dem Portemonnaie zu kramen. In den heutigen Zeiten, in denen die Buchhalter und Consulting-Firmen mit ihren Effizienzbeschleunigern auch Einzug in unsere Praxen halten, müssen wir ständige Kosten-Nutzen-Analysen machen. Als ärgster Zeitfresser schält sich immer wieder heraus (eigentlich überflüssig zu notieren): das Patientengespräch. Seien wir doch mal ehrlich – eine Gastroskopie dauert nur einen Bruchteil der Zeit, die für Aufklärung und Diskussion über die kleinfleckige Rötung im Antrum draufgeht. Genau wie Sie halte ich hinter meinem Rücken die deutschsprachige Ausgabe des Harrison griffbereit. Falls sich jemand beschwert, ich sei zu kurz angebunden, und nach lehrbuchartiger Auskunft verlangt, schiebe ich dieses 5,4 Kilogramm eng bedruckte Papier über den Tisch und empfehle die Lektüre in einer ruhigen Minute. Re- Mündig gelhaft wird dieser Rat weit von sich gewiesen, das möchte sich keiner antun. Aber als hätte Ulla Schmidt mir dabei auf die Finger geschaut, bin ich kürzlich wieder harsch von unserer Fachpresse ermahnt worden, alle möglichen Nebenwirkungen sämtlicher diagnostischer und therapeutischer Verfahren bis ins molekulare Detail auszuleuchten. Mit hochroten Ohren und voller Reue beginne ich nun meinen Arbeitstag. Als erster Testpatient sitzt mir ein sehr differenzierter und kritischer Herr gegenüber, den nach primär erfolgreicher PTCA erneut eine Angina pectoris plagt. Das Prozedere ist ihm klar, er muss sich wieder in einer Kardiologie zwecks Herzkatheter vorstellen. Er habe nun gehört, da gäbe es ein Krankenhaus mit Herzchirurgie, ob er nicht lieber dahin gehen solle, was ich denn dazu sagen würde.Ausführlich berichte ich ihm nunmehr von primären Erfolgsraten, sekundären Komplikationen, optimalen Begleitmedikationen und Inzidenzen von Notfallrevaskularisationen.Vom Saulus zum Paulus gewandelt, lasse ich nicht locker, bis er über die Vor- und Nachteile aller Optionen Bescheid weiß, alle Kardiologien des Umlandes bis hin zu den Assistenzärzten kennt. Quasi als Krönung meiner Darbietung trage ich ihm auf, diese minutiöse Ausleuchtung seiner potenziellen Werdegänge in Ruhe zu überlegen. Wir wollen dann am nächsten Tag, beide gestärkt durch die Kraft des Wissens aller Details, eine gemeinsame tragfähige Entscheidung fällen.Wie versprochen, sitzt er mir am nächsten Tag gegenüber: „Was Sie da gestern von sich gegeben haben, das war schlicht und einfach nur verwirrend! Was sollte denn dieser ganze Quatsch?“ Ich bin zutiefst betroffen. Mein Gegenüber fährt fort: „Jetzt hören Sie mir mal gut zu: Mein alter Hausarzt, der hat das richtig gemacht! Der hat mir einfach nur gesagt, was ich zu tun habe! Der hat nicht so rumgefaselt wie Sie!“ Dr. med. Thomas Böhmeke A 1589