Einleitung

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Einleitung
1 Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer
Anwendungen: technische Möglichkeiten,
ethische Konflikte, gesellschaftliche
Konsequenzen und rechtliche Regelungsmodelle
Seit Beginn des Jahres 2004 ist es wissenschaftlich nachgewiesen: Klonen im
Humanbereich ist grundsätzlich möglich. Weil das Forschungsklonen mit
dem Ziel der Erzeugung geborener Menschen nahezu einhellig abgelehnt
wird, konzentriert sich die bioethische Debatte auf das Forschungsklonen
mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen, kurz: auf das so genannte therapeutische Klonen. Unter den dabei aufbrechenden Konflikten erweist sich
die Frage nach dem ontologischen und moralischen Status des menschlichen Embryos als Nadelöhr der gesamten Diskussion. Die neuartige Herausforderung durch das Forschungsklonen mit dem Ziel therapeutischer
Anwendungen besteht darin, dass diese spezielle Handlungssituation ihrerseits die bisherigen Debatten zur Statusbestimmung hinterfragt: Unklar ist
jetzt nämlich, ob die durch den somatischen Zellkerntransfer produzierten
Transferklone, sofern sie nur eine begrenzte Entwicklungsfähigkeit besitzen,
überhaupt als Menschen zu begreifen und entsprechend zu schützen sind.
Die Aufsätze des vorliegenden Sammelbandes gehen auf Vorträge zurück, die im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Nachwuchswissenschaftlerkonferenz „Therapeutisches Klonen als Herausforderung für die Statusbestimmung des
menschlichen Embryos“, die vom 04. bis 10. Oktober 2004 am Fachbereich
Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg stattfand, gehalten wurden. In interdisziplinärer Vielfalt gehen die Beiträge dieser zentralen, ursprünglich naturwissenschaftlichen Problemstellung und ihren Implikationen für Ethik, Recht und Gesellschaft nach und eröffnen dabei durch
die Weite der unterschiedlichen Perspektiven neue Sichtweisen. Neben Einführungen in die biologischen und biomedizinischen Aspekte der Klonverfahren im Allgemeinen und des somatischen Zellkerntransfers im Besonderen finden sich Arbeiten, die sich dem Forschungsklonen mit dem Ziel
therapeutischer Anwendungen anhand wissenschaftstheoretischer Frage-
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stellungen nähern. Die überwiegende Anzahl der Aufsätze erörtert in theologischer wie philosophischer Perspektive die unterschiedlichen ethischen
Probleme im Zusammenhang des so genannten therapeutischen Klonens
oder widmet sich den bestehenden oder möglichen rechtlichen Regelungen
aus den verschiedensten Blickwinkeln (Verfassungsrecht, Strafrecht, internationaler Rechtsvergleich und Patentrecht). Soziologische und kulturtheoretische Beiträge komplettieren mit der Frage nach den Auswirkungen biomedizinischen Fortschrittes auf das menschliche Selbstbild und die gesellschaftlichen Strukturen den Überblick über alle Sachgebiete, die im Hinblick auf das Thema der Statusbestimmung des menschlichen Embryos angesichts der Technologie des somatischen Zellkerntransfers als relevant zu
erachten sind.
2 Zum Stand der ethischen Diskussion, der
naturwissenschaftlichen Forschung und der
gesellschaftlichen Entwicklungen
Das Jahr 2004 war ohne Zweifel das ,Jahr des Klonens‘. Kein anderes Themengebiet der Bioethik und kein anderes Forschungsfeld der Biowissenschaften war so häufig Gegenstand intensiver und kontroverser weltweiter Debatten auf den verschiedensten politischen Ebenen, in den diversen
wissenschaftlichen Institutionen und in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und Verbänden. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die
den Fragen nach technischen Verfahrensweisen, ethischen Konsequenzen
und rechtlichen Regelungsmodellen des so genannten therapeutischen und
damit auch des so genannten reproduktiven Klonens von menschlichen
Zellen zuteil wurde, hat einen ihrer wesentlichen Gründe in dem Durchbruch der biomedizinischen Forschung, der im Februar 2004 bekannt wurde. Nachdem es südkoreanischen Wissenschaftlern gelungen ist, den schon
beim Klonschaf Dolly verwendeten somatischen Zellkerntransfer (somatic
cell nuclear transfer SCNT) auf den Menschen anzuwenden, kann und muss
nunmehr die zuvor lediglich theoretische Möglichkeit des Klonens mit humanen Zellen als prinzipiell praktikabel gelten.1
Zwar konnte die Forschergruppe um Woo Suk Hwang bei ihren ersten erfolgreichen Experimenten aufgrund methodischer Schwierigkeiten eine nur
geringe Erfolgsrate erzielen, aber schon im Mai 2005 wurde eine erhebliche Effektivitätssteigerung publiziert.2 Dieser so noch längst nicht erwarte1
2
Vgl. Hwang WS u.a. 2004.
Vgl. Hwang WS u.a. 2005: Patient-Specific Embryonic Stem Cells Derived from
Human SCNT Blastocysts, http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/1112286
(24.05.2005). Bei der im Februar 2004 veröffentlichten Versuchsreihe hatten die Wissenschaftler von 16 gesunden Spenderinnen 242 Oozyten entnommen und mittels SCNT 30
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te Forschungsfortschritt nährt Hoffnungen und Erwartungen, mit Hilfe der
Klontechnik zukünftig Therapieoptionen für zurzeit nicht oder nur schwer
heilbare Krankheiten zur Verfügung stellen zu können. Insbesondere die Erzeugung von Ersatzgewebe, das nicht der Immunabwehr unterliegt und daher ohne den begleitenden Einsatz einer risikobehafteten Immunsuppressionsbehandlung transplantiert werden könnte, ist ein primäres und ethisch
als hochrangig zu qualifizierendes Ziel der biomedizinischen Forschung auf
diesem Sektor.
Wie die divergierenden internationalen Reaktionen auf die Publizierung der südkoreanischen Forschungsergebnisse zeigen, sind neben ethischen und biomedizinischen auch forschungspolitische und wirtschaftliche
Aspekte unlöslich mit der Frage nach der Erlaubnis des Forschungsklonens mit dem Ziel therapeutischer Anwendungen verbunden. Nationen wie
Großbritannien und Israel, die die Forschung an Embryonen – allerdings begrenzt durch Auflagen und Beschränkungen – freigegeben haben, befürchten gegenüber Südkorea im globalen Wissenschafts- und Wirtschaftswettbewerb in Rückstand zu geraten. Wie das bereits im Januar 2004 beschlossene und Anfang 2005 in Kraft getretene Bioethikgesetz und die finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite zeigen, sollen die wissenschaftlichen
Erkenntnisse der Hwang-Gruppe nach dem Willen der Regierung in Seoul
im Rahmen eines rechtlichen Regulariums, das die Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag nach der Befruchtung und zu therapeutischen Zwecken
grundsätzlich gestattet, als Basis für die weitere Erforschung möglicher Heilungsverfahren genutzt werden.
Dagegen werden insbesondere in Deutschland, aber auch in Staaten, die
die Forschung an menschlichen Embryonen nicht untersagen, erhebliche
ethische und wissenschaftliche Zweifel an der Legitimität und Verantwortbarkeit der biomedizinischen Forschung und der Anwendung der Klonierungsverfahren an menschlichen Zellen geltend gemacht, die sich zum Teil
auf eine breite sittliche Ablehnung des so genannten therapeutischen Klonens und zumindest in der Bundesrepublik auf eine restriktive Gesetzgebung in diesem Bereich stützen können. Dabei erweist sich neben konsequentialistischen Bedenken hinsichtlich der hohen Risikobehaftetheit der
Technik und der tiefen Sorge, mit dem so genannten therapeutischen Klonen
ebne man den Weg zum so genannten reproduktiven Klonen, immer wieder
der moralische Status des Embryos, der für die Forschung verbraucht wird,
als Bruchstelle moralischer und ethischer Diskurse.
In jedem Falle sind die mit dem Klonen im Humanbereich verbundenen
ethischen und rechtlichen, natur- und sozialwissenschaftlichen Fragen angesichts der erwiesenen grundsätzlichen Anwendbarkeit des SCNT beim
Menschen drängender denn je geworden und steigern noch einmal die ErEizellen entwickelt, von denen 20 bis zum fünften Tag überlebten. Am Ende konnte lediglich eine Stammzelllinie kultiviert werden. Nunmehr gelang es ihnen, aus 185 Oozyten insgesamt 11 Stammzelllinien zu gewinnen.
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