Referat: Systematische Desensibilisierung - Ruhr

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Referat:
Systematische Desensibilisierung
Allgemeine Psychologie II
Referenten: Stefanie Hakim, Peter Rotermund, Nils Skotara
Seminar: "Lernen"
Dozent: Kristian Folta
Systematische Desensibilisierung - was ist das?
Die systematische Desensibilisierung nach Wolpe ist eine Verhaltenstherapeutische
Standartmethode zum Abbau verschiedener Störungen, insbesondere von
pathologischen Ängsten. Mittlerweile gehört sie zum Handwerkszeug eines jeden
Verhaltenstherapeuten.
Nun ist Angst ja nicht unbedingt etwas negatives. Sie dient uns als
Schutzmechanismus und ist für uns von großer W ichtigkeit. Es gibt jedoch auch den
Fall, dass Ängste behandlungsbedürftig werden. Wann ist das der Fall? Wann gilt
eine Angst als Phobie?
Man orientiert sich bei der Beantwortung dieser Frage an den sogenannten DSM IVKriterien, die die Voraussetzungen für eine Behandlungsbedürftigkeit einer Angst
darstellen:
DSM IV-Kriterien (APA, 1994): Spezifische Phobie
A
B
C
D
E
F
Durch die Anwesenheit oder die Erwartung eines spezifischen Objektes oder
einer spezifischen Situation ausgelöste Angst (z.B. Fliegen, Höhen, Tiere,
Spritzen, Blut)
Die Konfrontation mit dem spezifischen Stimulus löst fast immer eine
unmittelbare Angstreaktion aus, die die Form eines Angstanfalls annehmen
kann.
Die phobischen Stimuli werden vermieden oder mit starker Angst ertragen.
Die Person erkennt, dass die Angst übertrieben oder unvernünftig ist.
Die Vermeidung oder die ängstlichen Erwartungen verursachen ausgeprägtes
Leiden oder beeinträchtigen die berufliche oder soziale Funktionsfähigkeit.
Die Angst oder die phobische Vermeidung steht nicht im Zusammenhang mit
einer anderen psychischen Störung, z.B. nicht Angst vor Verunreinigung
(Zwangssyndrom), Vermeidung von Hinweisreizen auf einen vergangenen
schweren Stressor (posttraumatische Belastungsreaktion), Vermeidung von
sozialen Situationen aufgrund der Angst vor Peinlichkeit (Sozialphobie), Angst
vor einem unerwateten Angstanfall (Paniksyndrom) oder agraphobische
Vermeidung.
Es müssen alle dieser Punkte erfüllt sein, damit eine Angst als phobisch und damit
als behandlungsbedürftig gilt.
Spezifische Untergruppen:
natürliche Umgebung (Tiere, Insekten, Sturm, Wasser)
Blut, Spritzen, Verletzungen
situativ (Autos, Flugzeuge, Höhen, Aufzüge, Tunel, Brücken)
sonstige (phobische Vermeidung von Situationen, die zum Ersticken , zum Erbrechen oder zu
Krampfanfällen führen könnten)
Das Prinzip der klassischen Konditionierung
Die Systematischen Desensibilisierung basiert auf den Prinzipien der klassischen
Konditionierung.
Wenn man in einer neutralen Situation große Angst erfahren hat, so kann diese
automatisch zum Angstreiz werden.
Ziel der Behandlung
Das Ziel der systematischen Desensibilisierung ist es nun den konditionierten
Angstreiz von der Angstreaktion zu trennen und ihn anstatt dessen mit Entspannung,
die in der Therapie erlernt wird zu kombinieren:
CS
(Angstobjekt)
CR
(Angstreaktion)
CR
(Entspannung)
Mit Hilfe der Entspannung, die in der Therapie erlernt werden soll, soll erreicht
werden, dass sich der Patient der angstauslösenden Situation bald stellen kann ohne
dabei noch eine subjektive Erregung festzustellen.
Die einzelnen Schritte der Systematischen Desensibilisierung:
1.) Diagnostische Phase
2.) Therapierationale
3.) Progressive Muskelentspannung
4.) Erstellung einer Angsthierarchie (mit Hilfe des Angstthermometers)
5.) Eigentliche SD-Sitzung
Die systematische Desensibilisierung nach Wolpe ist wohl die am meisten
untersuchte, in ihrer therapeutischen Wirksamkeit empirisch vielfach belegte
Therapietechnik zur Behandlung neurotischer Angstreaktionen. Trotzdem kann man
mit dieser Methode nur engumschriebene, spezifische Ängste behandeln (z.B. Angst
vor bestimmten Gegenständen oder Situationen). Sozialphobien oder
Prüfungsängste z.B. müssten eher mit einem Selbstsicherheitstraining,
Zwangssyndrome eher kognitiv behandelt werden.
Einige der Ängste, die am häufigsten erfolgreich mit der Systematischen
Desensibilisierung behandelt werden sind z.B.: die Angst vorm Fliegen, vor
Aufzügen, vor Blut, vor Nadeln, posttraumatische Phobien, sowie Tierphobien.
Die Therapie
Der Behandlungsraum
Man darauf achten, das zur optimalen Durchführung einer solchen Therapie auch
schon zu Beginn ein geeigneter Behandlungsraum zur Verfügung steht. Dieser sollte
während der gesamten Therapie nach Möglichkeit nicht gewechselt werden. Bereits
das erste Gespräch sollte dort stattfinden. Dieser Raum sollte so eingerichtet sein,
dass eine angenehme, entspannte Atmosphäre geschaffen wird. Es sollte ebenfalls
ein Lehnstuhl oder ein Sofa vorhanden sein, damit dem Patienten eine angenehme
Sitzmöglichkeit geboten werden kann. Wünschenswert wäre es auch wenn sich das
Gebäude, oder zumindest das Behandlungszimmer in einer ruhigen Umgebung
befände. Gedämpftes Licht trägt hier ebenfalls zu einer entspannten Atmosphäre bei.
I) Die diagnostische Phase
Die diagnostische Phase dient zur Auflockerung und zum ersten Kennenlernen
zwischen dem Therapeuten und dem Patienten. Hier soll dieser bereits die Empathie
des Therapeuten wahrnehmen können.
Des weiteren dient diese Phase dem "Abtasten" der zu behandelnden Angst. Es
muss klargestellt werden, ob z.B. die DSM4-Kriterien erfüllt sind, die Auswirkungen
nicht vielleicht auf medizinischen Ursachen beruhen wie beispielsweise einer
Allergie, ob die Angstzustände nicht nur auf Unwissenheit oder Fehleinschätzungen
des Patienten beruhen, die mit simplen Argumenten aus der Welt zu schaffen wären,
und natürlich, ob es sich hier um eine Phobie handelt, bei der die Behandlung durch
die Systematische Desensibilisierung auch angebracht ist, was bei einer
Sozialphobie z.B. nicht der Fall wäre.
Kurzum: Es geht in dieser Phase um die Einschätzung der Situation des Patienten.
II) Die Therapierationale
Die Angstpatienten wissen meist genau um die Irrationalität ihrer Angst. Sie fühlen
sich oft hilflos, ohnmächtig und missverstanden. Sie fürchten komplett "verrückt" zu
sein.
Der Therapeut sollte dem Patienten leicht verständlich erklären, dass Angst erst
einmal etwas ganz natürliches ist und dass bei ihm lediglich eine besonders
ausgeprägte Form der Angst existiert, die jedoch behandelbar ist und er deshalb
keinesfalls "verrückt" sei.
Man erstellt in diese Phase der Therapie mit dem Patienten zusammen eine Art
Modell seiner Angst. Dabei beschäftigt man sich mit den Fragen woher seine Angst
kommt (z.B. Schlüsselerlebnis), warum sie so hartnäckig ist (meist durch Vermeidung
der angsteinflößenden Situation, was die Angst nur verstärkt) und wie man seinem
Leiden ein Ende bereiten kann ( mentale und reelle Konfrontation mit dem
Angstobjekt, bis keine subjektive Erregung mehr ausgelöst wird). Der Patient soll hier
zur guten Mitarbeit im weiteren Verlauf der Therapie motiviert werden.
III) Die progressive Muskelentspannung (nach Jakobson)
Ein weiteres Prinzip, das der Therapeut dem Patienten erklären sollte, ist das der
reziproken Hemmung. Das ist das Prinzip, das bei dieser Phase der Systematischen
Desensibilisierung angewandt wird. Es besagt, dass es Dinge gibt, die mit einer
Stresssituation bzw. Angstreaktion nicht vereinbar sind (z.B. Drogen, sexuelle
Erregung, Essen). Jakobson stellte fest, dass auch Muskelentspannungsübungen
dem entgegenwirken, da bei Angstreaktionen automatisch eine Anspannung der
Muskeln erzeugt wird.
Man wechselt nun bei der Therapie die Konfrontation mit dem Angstreiz und
Entspannungssequenzen ab, die der Patient in den ersten Sitzungen der Therapi e
erlernt und die er zu Hause übt (oftmals mit der Unterstützung von
Tonbandaufnahmen des Therapeuten).
IV) Erstellung einer Angsthierarchie mit Hilfe des Angstthermometers (nach Wolpe)
In dieser Phase der Therapie wird dem Patienten nun das Prinzip des
Angstthermometers erklärt. Dabei werden elf Situationen, die der Patient nennt nach
dem Schweregrad der Angstreaktion hierarchisch angeordnet. Die erste Situation soll
dabei einen 0-Punkt darstellen, also eine Situation, in der sich der Patient wohl fühlt,
die nicht gezeichnet ist von einer Sache, die ihm Angst bereitet. Der Patient soll sich
nun vorstellen er müsse auf einer Skala von Null bis 100 (wobei 0 die neutrale
Situation und 100 einen Angstanfall darstellt) in Zehnerschritten je eine Situation
nennen, die ihm entsprechend mehr Angst bereitet. Dieses nun mit Situationen
"gefülltes" Angstthermometer ist nun eine spezifische Angsthierarchie.
Ein Beispiel für eine Angsthierarchie eines Patienten, der an Flugangst leidet:
10.
Einen Film von einem Flugzeug sehen, das auf- und abwärts fliegt und in
Schräglage geht.
20.
In einem Privatflugzeug sitzen, das auf dem Boden steht und der Motor dreht
sich im Leerlauf.
30.
In einem Privatflugzeug sitzen, das auf dem Boden steht und der Pilot begibt
sich ans Ende der Rollbahn.
40.
In einem Privatflugzeug sitzen, das auf dem Boden steht und der Pilot lässt
den Motor aufheulen.
50.
Mit einem Freund eine Reise in einem Linienflugzeug vorbereiten. Die Reise
findet in drei Monaten statt.
60.
Einen Monat vor der Reise im Flugzeug.
70.
Drei Wochen vor der Reise im Flugzeug.
80.
Drei Tage vor der Reise im Flugzeug.
90.
Während des Starts in einem Privatflugzeug.
100. In einem Linienflugzeug über Land fliegen.
Während der weiteren Therapie kann es sein, dass sich herausstellt, dass der
Patient eigentlich unter mehreren Phobien leidet. Unter diesen Umständen können
weitere Hierarchien erstellt werden, mit denen man nun weiter arbeitet. Auch
Erweiterungen oder andere Veränderungen können bei Bedarf während der Therapie
an der Hierarchie durchgeführt werden.
V) Die eigentliche SD-Sitzung
Man geht nun mit dem Patienten die einzelnen Items der erstellten Angsthierarchie durch. Er
soll zunächst in einer möglichst entspannten Haltung die am wenigsten angsteinflößende
Situation visualisieren. Allein die mentale Verbildlichung führt zu Angstreaktionen. Diese
Visualisierung soll einige Sekunden gehalten werden. Der Therapeut hilft verbal dabei die
Situation möglichst realistisch erscheinen zu lassen. Nachdem der Patient sich der
Angstsituation gestellt hat fordert der Therapeut ihn nun auf mit Hilfe der erlernten
progressiven Muskelentspannung eine Entspannungssequenz von ebenfalls einigen Sekunden
durchzuführen ohne dabei mit dem Angstobjekt mental konfrontiert zu sein. Diese Prozedur
wird so of mit einem Item wiederholt, bis der Patient bei der Visualisierung der spezifischen
Situation keine subjektive Erregung mehr feststellt. Jedoch kommt es dabei häufig vor, dass
der Patient die mentale Konfrontation mit dem Angst-Item nicht durchhält. Wenn die Angst
für ihn unerträglich wird signalisiert er dies dem Therapeuten meist durch eine kleine
Handbewegung, damit die Visualisierungs- und Entspannungsprozesse nicht zu sehr
unterbrochen werden. Der Therapeut fordert in einer solchen Situation dazu auf den vorher
best immten O-Punkt zu visualisieren, um der Angstreaktion kurzzeitig entweichen zu können.
Man sollte es vermeiden in einer einzelnen Sitzung so viele Items wie möglich
"abzuarbeiten". Die Intensität der Behandlung des einzelnen Items ist hier
entscheidend.
Eine Therapie mit der Systematischen Desensibilisierung umfasst im Durchschnitt 12
Sitzungen, von denen meist die ersten 4 Sitzungen zum Kennenlernen, zur
Einschätzung der Situation und zur Erlernung der progressiven Muskelentspannung
genutzt werden.
Systematische Konfrontation (Flooding) / Reizkonfrontation
Prinzip: Unter therapeutischer Hilfe suchen die Patienten genau die Situationen auf,
in denen ihre Probleme auftreten! Und zwar sowohl in sensu (per Vorstellungskraft),
als auch in vivo(also real)!
Unterschied zur SD: Beim Auftreten einer Angstreaktion als Folge einer Konfrontation
wird der Kontakt mit dem Angstinhalt nicht abgebrochen. Der Kontakt wird eine
vorher festgesetzte Zeitspanne ausgehalten, oder bis zum spontanen Absinken der
Angst fortgesetzt.
Eine Löschung der Angst vor der Angst soll eintreten. Die befürchtete Katastrophe
wird nicht erlebt. Bei der wiederholten Konfrontation wird ein Meistern der
Problemsituation gelernt.
Das Angstgefühl soll bewusst erlebt, und nicht vermieden werden.
Beispiele:
a) Bulimie-Patienten lernen es,
vor dem Spiegel, oder anhand von
Videoaufzeichnungen, sich intensiv mit dem eigenen Körper auseinander zu
setzen
b) Alkoholabhängige werden dem Anblick von und dem Geruch von Alkohol
ausgesetzt, um in Zukunft nicht mehr auf Verlangen und Versuchung zu
treffen
Warum?
a) Habituationsprozesse: Die Patienten gewöhnen sich an solche Situationen
und ein Rückgang psychophysiologischer Angstreaktionen wird erzielt
b) Wahrnehmung und Bewertung der Problemsituation verändern sich: Gefahren
werden realistisch eingeschätzt, positive Einschätzung von Coping-Strategien
c) Verhaltensmuster werden neu aufgebaut: Patient stellt sich aktiv den
Problemsituationen, anstatt vor ihnen zu fliehen
Diagnostische Phase
Ziel: Indikation für Reizkonfrontation soll abgeklärt werden und die für die
Therapieplanung notwendigen Informationen sollen eingeholt werden.
d) Erstgespräch
e) Diagnostisches Interview zur Klassifikation psychischer Störungen und zur
Erhebung therapierelevanter Formen
f) Medizinische Diagnostik
g) Störungsorientierte
psychologische
und
psychophysiologische
Untersuchungen
h) Problem- und Verhaltensanalyse
Medizinische Diagnostik: sind die psychischen Probleme durch organische
Erkrankungen bedingt, die vorrangig behandelt werden müssen?
Psychologische Diagnostik: sind die Wirkkomponenten der Störung durch
Reizkonfrontation beeinflussbar?
Bei Fertigkeitsdefiziten, z.B. beim Lernen, wird der Aufbau von Lernstrategien bei
Prüfungsängsten eingeplant.
Sind die Ängste nicht durch Fertigkeitsdefizite bestimmt, werden durch
Reizkonfrontation Veränderungen auf der psychophysiologischen, kognitiven und
Verhaltensebene erzielt, und der Handlungsfreiraum der Patienten wird
wiederhergestellt.
Sind die Indikationen für RK gegeben , wird ein Modell zur Erklärung und
Veränderung der Probleme entwickelt.
Mithilfe der diagnostischen Informationen wählt der Therapeut ein wissenschaftliches
Erklärungsmodell aus, das den Gegebenheiten des Patienten und einer Symptomatik
entspricht (modifiziert es ggf.)
Kognitive Vorbereitung
i) ca. 1-4 Stunden
j) Patient wird über die wichtigsten diagnostischen Ergebnisse informiert
k) Störungsmodell
wird
zusammen
erarbeitet
(Modell,
das
die
lebensgeschichtliche Entwicklung und die Aufrechterhaltung der Störung
erklärt)
l) Implikationen für die Therapie werden eingeleitet (Verhaltensmodell)
Die Modelle, die der Therapeut als Erklärungsmuster benutzt, haben weitreichende
Auswirkungen auf die Akzeptanz bzw. Widerstände des Patienten gegenüber der
Therapie. Sie sind das Kernstück der Therapie.
(Therapeut muss sich gut in die Situation des Patienten einfühlen: Patient, der die
Störung als Strafe Gottes sieht, denkt anders, als der Patient, der sie für genetische
bedingt hält)
Aufbau einer guten Motivation für die RK ist wichtige Aufgabe des Therapeuten.
i. SYSTEMIMMANENZ
Durch die Integration wissenschaftlicher und subjektiver Annahmen entwickelt der
Therapeut Modelle, die Einfluss auf die Motivationsbildung haben und sich durch
folgende Merkmale auszeichnen:
- Kompatibilität:
Der Therapeut muss Strategien einsetzen, die die wissenschaftlichen und
subjektiven Erklärungen kompatibel machen. Das heißt, das die Informationen
des Therapeuten nicht in kognitiver Dissonanz zu zentralen Überzeugungen des
Patienten stehen dürfen. (Bsp.: religiöse Überzeugungen)
- Nicht-Falsifizierbarkeit:
Das erarbeitete Modell muss so konstruiert sein, dass es nicht durch
Einzelerfahrungen des Patienten falsifiziert werden kann. Die Glaubwürdigkeit
der Therapie muss gesichert sein.
- Perspektivität:
Die durch evtl. Konnotationen beeinflusste negative Erwartungshaltung des Patienten muss
durch Entpathologisierung und Betonung einer günstigeren Prognose geändert werden.
Lebensgeschichtlich bedeutsame Ursachen sollen erörtert werden. (biographisches Material)
Die Konfrontation mit intensiver Angst führt unter anderem zu häufigerem
Auftreten von Emotionen, die in Verbindung mit der Vergangenheit auftreten. Sie
ist wichtig für die kognitiv-emotionale Einordnung des gesamten therapeutischen
Geschehens. Der Therapeut muss die Querverbindungen zwischen akuten und
alten Erfahrungen fördern, um dem Patienten das dynamisch-psychologische
Verständnis der Störung nahe zu bringen.
- Plausibilität
Ein Modell wird vom Patienten als plausibel empfunden, wenn es die ersten drei
Punkte berücksichtigt. Zwei weitere Punkte:
a) Patient muss aktiv in die Konstruktion eines Modells miteinbezogen werden
und der Therapeut gestaltet die therapeutische Beziehung so, dass der
Patient wichtige Schlussfolgerungen selbst ziehen kann (indem er nur kurz
über wichtige Mechanismen, die für eine Störung von Bedeutung sind,
informiert)
b) Sparsamkeitsprinzip: Menschen tendieren immer dazu, möglichst einfache
Erklärungen zu suchen, so auch hier: Kausalannahmen, die mehrere plausible
Ursachen beinhalten sind nicht so glaubwürdig wie Erklärungen, die nur die
plausibelste Ursache enthalten
Intensivphase der Reizkonfrontation
Direkte Konfrontation:
Die Patienten werden unter therapeutischer Anleitung in genau die Situationen
gebracht, in denen ihre Probleme auftreten. Die Patienten sollen sich so lange in die
Problemsituationen begeben, bis das Problemverhalten deutlich abgenommen hat.
Reaktionsverhinderung:
Jegliche Vermeidung des Patienten in der Problemsituation muss verhindert werden.
Er muss seine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Reize richten, die die
Angstsymptome auslösen. Die Patienten sollen ihre Gefühle zulassen und die sie
ängstigenden Gedanken aussprechen.
Langandauernde Exposition:
Wenn sich die negativen Gefühle langsam verändern und neue Bewertungen
gegenüber den zuvor negativ erlebten Reizen aufgebaut werden, geben die
Patienten ihr Vermeidungsverhalten auf und gewinnen damit wieder einen größeren
Handlungsraum.
2 Vorgehensweisen zur Reizkonfrontation:
a) Graduelle Annäherung: ist vorzuziehen. In der Angsthierarchie wird Schritt für
Schritt vorgegangen. Vermeidungsmöglichkeit wird (im Ggs. Zur SD) blockiert.
Es kann zu Verhandlungen des Klienten in Bezug auf die Schwierigkeit der
Aufgaben kommen, was die Behandlung in die Länge zieht. Wichtig ist es
aber, den Klienten an einem Kompromiß zwischen Schwierigkeit und Aufgabe
und seinen Vermeidungstendenzen mitarbeiten zu lassen
b) Plötzliche Konfrontation: Therapeut-Patient-Verhältnis muss extrem belastbar
sein, da mit Panikreaktionen und Fernbleiben des Patienten gerechnet werden
muss. Lerneffet ist nicht da, da der Patient kaum diese Schritte in Angriff
nehmen wird. Mit der PK werden dramatische Erleichterungseffekte erzielt, die
aber eher eine Abreaktion (von kurzer Dauer) darstellen, als eine Lösung.
Konfrontation in der Vorstellung und Konfrontation in der Realität
Ein Test der Vorstellungsfähigkeit ist erforderlich, um abzuwägen, ob in sensu oder in
vivo konfrontiert wird. Grundsätzlich wird erst in sensu behandelt, da in beiden
Erfahrungsmodalitäten spezifische Angstauslöser gelernt wurden, die es nun gilt, in
eben diesen Modalitäten zu entschärfen. (möglich, dass der Patient in vivo keine
Angst empfindet, in sensu aber schon, und umgekehrt)
Die Dauer der Konfrontation
Es ist von Fall zu Fall zu entscheiden, welche Dauer an Konfrontation nötig ist
(allerdings nicht abhängig von der Entscheidung des Patienten). Man sollte bis zu
einer Art Hingabe des Patienten an die Angsterfahrung arbeiten: die unangenehme
Qualität der Angsterfahrung soll nicht beschönigt, sondern voll wahrgenommen
werden (Ist-Zustand). Die Angstintensität ist ein wichtiger Indikator für die zeitliche
Begrenzung der Übung.
Wiederholungen
Jeder Schritt muss erarbeitet und durch ständige Wiederholung gefestigt werden
(auch leichtere, längst bewältigte Schritte) => Basis für Top-Items
Sitzungsverteilung
Eine verteilte Übung ist grundsätzlich dann günstiger, als die massierte, wenn für die
Übungsfortschritte keine „qualitativen Sprünge“ mehr gefordert sind, d.h., dass eine
Fertigkeit erworben ist, jedoch noch weiter gefestigt werden soll. Eine massierte
Übung wird erst dann angewendet, wenn das Top-Item mindestens einmal
erfolgreich absolviert wurde. In Intensivphasen arbeitet der Patient täglich 2-3
Stunden, eingebettet in verteilte Übungen (dabei wird der Patient aus seinem
Lebenskontext herausgenommen).
Kognitive Unterstützung
A) Die Förderung angstunspezifischer Kompetenz bei der Stressbewältigung
Die Belastbarkeit des Patienten wird unspezifisch gefördert. Seine Fähigkeiten
werden unterstützt, sich gegen Belastung aufzurichten. => Änderung des
Selbstkonzeptes
Selbstbewältigungstraining mit physischen oder sensorischen Belastungen, die zunächst
nichts mit der Angststörung des Patienten zu tun haben, später nach und nach darauf
eingehen.
B) Das Bewusstmachen angststeigernder Gedankeninhalte (Kognitionen)
C) Das Bewusstmachen angststeigernder Gedankenprozesse (Modulationen der kogn.
Vorgänge)
Förderung der Selbstwahrnehmung in Hinblick auf die Funktion der eigenen
Gedankentätigkeit. „Wie machen wir uns Probleme?“
D) Förderung von Kognitionen, die sowohl in der Vorstellung wie auch in der Realität der
Angstauslösung dienen
Vorbereitung von kognitiven Haltungen und Prozessen, die eine allmähliche
Löschung des Angstkomplexes ermöglichen.
Es geht darum, dass der Patient, wenn er die entsprechenden Prozesse an sich
selber wahrgenommen hat, durch ad-hoc-Übungen und –Veränderungen in den
Situationen einen langfristigen Lernprozess in Gang setzt, der für die dauerhafte
Lösung seiner Ängste erforderlich ist.
Generalisation: Selbststeuerung der Konfrontation durch den Patienten
Patient soll zum Experten seiner eigenen Problematik ausgebildet werden und
letztlich in der Lage sein, sich selbst zu therapieren. Bleibt dieser Effekt aus, ist eine
bleibende Lösung der Angstproblematik nicht zu erwarten.
Selbstkontrollphase
Um einen dauerhaften Erfolg zu gewährleisten, muss der Patient zu seinem eigenen
Therapeuten werden (schon in der Intensivphase muss er allein Übungen
durchführen). Die Übungen müssen vorgeplant sein. Er muss wissen,
a) welche Situationen er konkret aufsuchen soll,
b) wie lange er darin bleiben soll,
c) wie häufig er die Übung durchführen soll,
d) was bei Flucht- und Vermeidungstendenzen hilfreich ist,
e) worauf besonders zu achten ist.
Der Therapeut zieht sich nach und nach zurück.
Anwendungsbereiche und Wirksamkeit der RK
Bei Angststörungen, wie Agoraphobie, einfachen Phobien, Zwangsstörungen ist die
Effizienz vielfach belegt. Weiterhin wird die RK bei Essstörungen, Alkohol- und
Drogenabhängigkeit, sexuellen Störungen, Depressionen und Psychosen überprüft..
Kritik
Symptomverschiebung! Ist die eine Störung therapiert, taucht die nächste auf.
Indikation
Konfrontationstherapie ist bei verschiedenen Formen von Ängsten indiziert, vor allem
bei Ängsten, in denen konkrete Angstauslöser real „in der Außenwelt“ des Patienten
gegeben sind:
a) multiple Phobien
b) Agora/Klaustrophobien
c) Tier-, Höhen-, Körper- und Krankheitsphobien
d) Etc.
Schwierig bei diffusen Ängsten:
e) Zukunftsängste
f) Freiflottierende Existenzängste
g) Beziehungsängste
Erweiterung des Verfahrens notwendig
Die wesentlichen Elemente heute verwendeter Formen der SK
Die graduelle Konfrontation mit der Angst ist kein isoliertes Programm, sondern ein
Bestandteil
eines
komplexen
therapeutischen
Vorgehens,
das
der
Gesamtpersönlichkeit und der Konfliktlage eines Patienten gerecht wird.
Es lassen sich viele, für den Patienten typische Verhaltensmuster aufgreifen, ihre
Beziehung zu vergangenen Erfahrungen herstellen, und dabei sowohl die
Bewältigung aktueller Probleme wie auch die Vergangenheitsbewältigung fördern.
Kern des Vorgehens: Patient darf während der graduellen Annäherung seine
üblichen Vermeidungsrituale nicht einsetzen (äußere/innere Form des Vermeidens,
kognitive Ablenkung, Verdrängung, Verleugnung) => Patient muss seine
„Vermeidungstrickkiste“ aufzeigen.
Das kognitive Modell / Kognitive Verhaltensmodifikation
Der kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansatz versucht Kognitivismus und Behaviourismus,
scheinbar unvereinbare Gegensätze, noch mal zu verbinden. Der Vater der behaviouristischen
Sichtweise J. Watson leugnete radikal die Existenz von Bewusstseinsphänomenen und sah in
den Umwelteinflüssen die einzige Ursache menschlichen Verhaltens. Die humanistische
Psychologie (z.B. C. Rogers) dagegen, sah den Menschen als autonom und aktiv an. Die
sogenannten Kognitionen,
wie Gedanken, Erinnerungen, Wahrnehmungs- und
Vorstellungsbilder stehen hier im Mittelpunkt. Diese beiden Sichtweisen, reaktiv und
außengeleitet, gegenüber aktiv und innengeleitet, zu verbinden, steht in der kognitiven
Verhaltenstherapie anstelle des Stimulus-Response-Prinzips. Eine reziproke Beziehung
zwischen Mensch und Umwelt. Der klinisch tätige kognitive Verhaltenstherapeut unterwirft
sich jedoch weiterhin der Forderung nach empirischer Überprüfbarkeit seines Handelns.
Aufgrund des Zwiespaltes einerseits den rational durch Nachdenken Einsicht
gewinnenden Menschen zu sehen, jedoch trotzdem am linearen Prinzip des ReizReaktions-Lernens festzuhalten, steht diese Therapieform erst am Anfang, und ist
bei weitem noch nicht einheitlich oder ausgereift.
Kognitive Therapie und Rational Emotive Therapy
Heute gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze: Kognitive Therapie und Rational
Emotive Therapy.
Unterschied:
a) RET unterscheidet sich durch die Problemlösestrategie und die spärliche
Verwendung operanter Techniken. Sie unterbindet Problemlösungsversuche
so lange, bis der Patient theoretisch aufgeklärt ist. Während die Kognitive
Therapie schon bald zu Problemlösungstechniken gelangt. Konkret
geschehen beide und fließen ineinander über. Der Therapeut entscheidet von
Fall zu Fall.
b) Das Kognitive Modell besagt, dass irrationale Gedankenabläufe verzerrte
Vorstellungen und Wahrnehmungen, also kognitive Konstrukte, Auslöser für
die Phobie sind. Emotionen sind also nicht ohne Beteiligung kognitiver
Prozesse zu verursachen. Die Aufrechterhaltung intensiver Emotionen über
längere Zeit ist nur durch gestörte irrationale Denkprozesse möglich. Während
kurzfristige Gefühle durch Bewertung, wie angenehm / unangenehm,
hervorgerufen werden.
Emotionale Störungen, wie Ängste, haben somit mit Einstellungen gegenüber
der eigenen Person oder der Umwelt zu tun. Sie werden im Wesentlichen
durch eine anhaltende, unrealistische Gefahreneinschätzung und
geringfügiges oder fehlendes Vertrauen in eigene Bewältigungs- und
Kontrollmöglichkeiten aufrechterhalten. Werden diese Mechanismen vom
Patienten erkannt, wird er fähig, diese Kognitionen durch Logik, Vernunft
herauszufiltern, da er sich ihrer Irrationalität bewusst wird.
Diese „falschen Alarm“ auslösenden Vorstellungen werden als weniger
bedrohlich erkannt. Die entstehenden somatischen Symptome, wie
Herzklopfen, beschleunigtes Atmen, Muskelanspannung, die vorher als
gefährlich und die psychische Angst steigernd empfunden wurden, und Panik
ausgelöst hatten, versucht der Therapeut nun dadurch zu unterbrechen, dass
er sie dem Patienten bewusst macht, und sie mit ihm gemeinsam verändert
ersetzt.
Ablauf:
Zunächst erfolgt eine Identifikation der Angstbezogenen Kognitionen durch
Introspektive / Selbstbeobachtungstraining. Hierbei geschieht eine erste
Umattribuierung der Angst. Wichtig dabei ist, dass eine vertrauensvolle TherapeutKlient-Beziehung aufgebaut werden kann. Voraussetzung ist, dass der Patient in
einer realen Angstsituation mit seiner Phobie konfrontiert wird, da nur hier die
gedanklichen Abläufe wirklich identifiziert werden können. Danach werden die
angstverursachenden Vorstellungen modifiziert. Nachdem der Patient das
zugrundeliegende Modell der Angstentstehung und –aufrechterhaltung angenommen
und bei sich selbst wahrgenommen hat, diskutieren Therapeut und Patient
gemeinsam Pläne zu einer positiven Veränderung der Situation. Der
Copingstrategien
Als erste Möglichkeit kann man versuchen, sich abzulenken. Diese Strategie wird als
„Rejection“ bezeichnet. Man geht davon aus, dass sie nur kurzfristig hilfreich sein
kann. Wesentlich erfolgversprechender und langfristig hilfreicher ist die sogenannte
„Attention-Strategie“. Bei dieser Vorgehensweise lenkt der Phobiker seine
Aufmerksamkeit bewusst auf die angsterfüllenden Situationen, um sie als eigentlich
harmlos zu entlarven. Ziel ist eine generelle Problemlösestrategie zu entwickeln,
welche selbstständig auf beliebige Probleme angewendet werden können / sollen.
Die kognitive Behandlung erstreckt sich über ca. 5 – 20 Sitzungen, worauf nach einer
Pause von ca. 2 – 6 Monaten eventuell ein bis zwei Auffrischungssitzungen
stattfinden können.
Indikation der Systematischen Desensibilisierung
a) Generelle Indikation: Ängste, in denen eine Konfrontation in vivo aus
pragmatischen oder ethischen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar
ist, z.B. Prüfungsängste, sexuelle Funktionsstörungen, bestimmte spezifische
Ängste (z.B. Hühnern!) und posttraumatische Belastungsstörungen.
b) Relative Indikation: Bei medizinische Kontraindikation, z.B. Herzinsuffizienz,
beim Erbringen realer Leistungen (z.B. Autofahren), bei geringerer oder gar
keiner Kontrollmöglichkeit durch den Psychotherapeuten oder bei Ablehnung
der Reizkonfrontation seitens des Patienten kann eine Behandlung durch die
SD ungeeignet sein.
c) Differentielle Indikation: Die Angst muss unberechtigter Art sein. Eventuell ist
eine Gruppenbehandlung vorzuziehen.
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