Universität Regensburg Institut für Geschichte Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte WS 2012/13 Übung: Staatsexamensthemen der Bayerischen Geschichte Dozent: Dr. Georg Köglmeier Referentinnen: Fabienne Freundorfer, Corinna Dörfler 20.11.2012 Spielräume eines Mittelstaates: Bayerns Stellung im Mächtesystem des 19. Jahrhunderts I. Einleitung 1. Frage nach Definition von einem „Mittelstaat“ Bayern als Mittelmacht im Dualismus zwischen Preußen und Österreich Zentrale geographische Lage zwischen den Großmächten Österreich, Preußen und Frankreich Bayern als mittelgroßer Staat häufig der Gefahr einer Annexion ausgesetzt 2. Erläuterung zur Bedeutung von „Spielräume“: Handlungsräume in der Außenpolitik innerhalb des Machtgefüges der Großmächte 3. Eingrenzung des Zeitraums: Bayern als Mittelstaat Beginn: Erlangung der Königswürde Souveränität als eigenständiger Staat Ende: Eingliederung ins Deutsche Kaiserreich 1871 Verlust der Souveränität 4. Fragestellungen: Inwieweit war die bayerische Außenpolitik souverän? Welche Faktoren schränkten die bayerische Politik ein? Wo finden sich Diskrepanzen zwischen Anspruch auf Souveränität und realpolitischer Wirklichkeit? II. Hauptteil 1. Vorgeschichte: Bayerns Weg zum Mittelstaat 1799 Regierungsantritt Max Josephs mit neuem innenpolitischen Programm unter Montgelas Phase des zweiten Koalitionskrieg Friede von Lunéville (1801): Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich durch Kaiser und Reich o Verzicht Bayerns auf die von Frankreich besetzten linksrheinischen Gebiete o Französisch-Bayerischer Vertrag: Vereinbarung der Entschädigung Bayerns für Verluste und Garantie des Besitzstandes Bayerns Reichsdeputationshauptschluss (1803): Bayern als Nutznießer der neuen Territorialumverteilung Bayern wird allmählich geographisch arrondiert Bayerns Wechsel zu Frankreich nach langem Zögern Maximilians IV. Maximilian IV zögert aufgrund des Risikos wegen Österreich ein Bündnis mit Napoleon einzugehen Der Wechsel zu Frankreich: Der Vertrag von Bogenhausen (1805) o Ratifizierung durch Montgelas am 28.08.1805 während Kurfürst Unterzeichnung ablehnte o Drängen der Franzosen, dass Neutralität Bayerns unmöglich wäre Ebenso: Einrücken österreichischer Truppen nach Schloss Nymphenburg, die durch Scheinverhandlungen hingehalten wurden 1 o o o o Mobilisierung der bayerischen Truppen in der Oberpfalz und Flucht von Hof und Regierung nach Würzburg Nach Eintreffen französischer Truppen in Würzburg: Ratifizierung des Vertrags durch Kurfürst Maximilian IV am 28.09.1805 Garantie des bayerischen und französischen Besitzstandes (seit RDH) Gegenseitige Akzeptanz der Besitzungen und Hilfe Unterstellung der bayerischen Truppen unter französischen Befehl Der dritte Koalitionskrieg: Dreikaiserschlacht von Austerlitz (02.12.1805): o Ausscheiden Russlands aus dem Krieg o Bündnisvertrag Preußens mit Frankreich (statt Koalition beizutreten) o Waffenstillstand von Znaim zwischen Österreich und Frankreich Französisch-bayerischer Vertrag von Brünn (10.12.1805) o Bayern erhält Markgrafschaft Burgau, die sieben Herrschaften in Vorarlberg, die Grafschaften Hohenems und Königsegg-Rothenfels, Herrschaften Tettnang und Argen, die Reichsstädte Augsburg und Lindau, die Reste der Hochstifte Eichstätt und Passau, das Innviertel und Tirol mit Vorarlberg Frieden von Pressburg (26.12.1805): o Anerkennung dieser bayerischen Erwerbungen durch Österreich und Abtretung Tirols o Erhebung Bayerns zum Königtum und Erringung der vollen staatlichen Souveränität für Bayern (Artikel 14) 2. Das Königtum Bayern im Zeitalter Napoleons bis 1815/1817 Außenpolitische Hauptakteure: König Max Joseph und leitender Minister Montgelas Seit November 1799 Zentrierung der Außenpolitik im Zeichen der Politik, Eroberungen und Feldzüge Napoleons: Prägung des bayerischen Handlungsspielraumes v.a. durch Verhältnis zur damaligen Großmacht Frankreich Ausrufung des bayerischen Königtums (1.1.1806): Berufung Max I. auf Fortsetzung des mittelalterlichen „ursprünglichen“ bayerischen Königtums Klare Distanzierung zum Anschein eines Königtums von Napoleons Gnaden Durch Königswürde Erlangung der vollen staatlichen Souveränität: Basis für Reformprozess im Inneren Proklamationsrede König Max I. als Zeichen eines unbedingten Souveränitätswillens: Ziel einer völlig unabhängigen Politik Bayerns Problem: Erhalt des Königstitels nur durch Einbußen möglich: Verheiratung seiner ältesten Tochter Augusta Amalia mit Stief- und Adoptivsohn Napoleons, Eugène Beauharnais, und gleichzeitig politische Konzession Beitritt Bayerns zum Rheinbund Aufstieg Bayerns zum wichtigsten Glied im Kontinentalsystem Napoleons (1806-1810): Einschränkung der eigentlich souveränen Handlungsfreiheit mehr Verpflichtungen und geringeren Aktionsradius im Vergleich zum bayerischen Kurfürst im 18. Jahrhundert Extreme Einschränkung einer außenpolitisch unabhängigen Politik Bayerns während der Zeit im Rheinbund (1806-1813) Ziel Napoleons: Schaffung eines dritten unabhängigen Deutschlands als Gegengewicht zu den Großmächten Preußen und Österreich Gründung des Rheinbundes am 12. Juli 1806 unter Protektorat Napoleons Beitritt von zunächst 15 (1807 dann bereits 38) süd- und mitteldeutschen Staaten auf massiven Druck Napoleons hin Regelungen der Rheinbundakte: o Souveränität der Staaten (Realität: Souveränität erheblich eingeschränkt) 2 o o o Offensiv- und Defensivbündnis (Bayern hatte 30.000 Mann zu stellen): Frankreich bestimmend über Krieg oder Frieden keine Bestimmung der Einzelstaaten bezüglich der Außenpolitik Recht der Mediatisierung der im jeweiligen Bereich der Mitgliedstaaten gelegenen Territorien Austritt der Mitglieder aus dem Heiligen Römischen Reich Folge: Ende des Alten Reiches mit Niederlegung der Krone von Kaiser Franz II. am 6.8.1806 Kein eigenständiges bayerisches Agieren in militärischer Hinsicht möglich: o Verpflichtung Bayerns zur Teilnahme an sämtlichen Feldzügen Napoleons o Belastung durch französische Truppeneinquartierungs- und Kontributionskosten während des 4. Koalitionskrieges Unmut innerhalb der Bevölkerung Ziel Bayerns: Erhaltung der neu gewonnenen Souveränität, Folge: Verhinderung des Ausbaus der Rheinbundakte zu einem Bundesstaat Eintritt in Rheinbund auch außenpolitisch zu begründen: Bayern als Ziel österreichischer Annexionsgelüste Bayern als Schauplatz für antinapoleonische Strömungen: Einmarsch Österreichs im April 1809 Auftakt für 5. Koalitionskrieg Ab 1810 zunehmende Spannungen zwischen Bayern und Napoleon dennoch keine Ablösung vom übermächtigen Frankreich möglich Gründe für ansteigende Unzufriedenheit mit Frankreich: o Napoleons Vermählung mit Erzherzogin Marie-Luise von Österreich o Territorialgewinne o Rigorose Maßnahmen Frankreichs zur Kontinentalsperre gegen England: Einbindung Bayerns in den Wirtschaftskrieg Russischer Feldzug 1812 als Höhepunkt der Entfremdung zwischen Bayern und Frankreich: Verpflichtung Bayerns das insgesamt größte deutsche Kontingent zu stellen Desaströser Ausgang des Feldzuges Vernichtung der bayerischen Truppen als Tiefpunkt der bayerisch-französischen Beziehung Vorbereitung eines Bündniswechsels notwendig, ansonsten finanzieller und wirtschaftlicher Ruin Bayerns als Bündnispartner Napoleons Bündniswechsel zu Österreich als Notwendigkeit für Selbsterhaltung des bayerischen Staates: Vertrag von Ried (8. Oktober 1813) als Lossagung vom Rheinbund und Zusammenschluss unter österreichischem Oberkommando Garantie Österreichs auf Wahrung und Aufrechterhaltung der bayerischen Souveränität und des bisherigen Besitzstandes bzw. vollständige Entschädigung für eventuelle Gebietsverluste Fazit der Stellung Bayerns im Zeitalter Napoleons: o Rheinbund lediglich als Vergrößerung von Napoleons Herrschaftsgebiet o Kein außenpolitisch souverän bestimmter Handlungsraum vorhanden o Frankreich als alleiniger Initiator der außenpolitischen Vorgänge, Bayern nur eine Art Stütze zur Machtarrondierung Napoleons o Ergebnis der Außenpolitik trotz aller Verluste in den Kriegen positiv: Erhebung zum Königreich, Vergrößerung und Abrundung des Staatsgebiets, Beseitigung der Enklaven und Erlangung der vollen äußeren und inneren Souveränität 3 3. Bayern im Deutschen Bund (1814/15 – 1866) Wiener Kongress (1814/15): Zielsetzungen o Schaffung einer europäischen Friedensordnung, d.h. Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit o Garantie der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der Staaten ( Souveränität) o Defensivbündnis Zwei Aufgaben der bayerischen Diplomatie: o Erreichung einer angemessenen Entschädigung für die Abtretungen Salzburgs und des Innviertels an Österreich o Wahrung der errungen Souveränität Entstehung des Deutschen Bundes Montgelas erhoffte sich einen Bund souveräner Staaten mit dem einzigen Zweck der gemeinsamen Verteidigung, d.h. keine Beschneidung der errungen Souveränität Aber: Unterschätzung des Willens der beiden Großmächte und der Dauerhaftigkeit der Zusammenarbeit der Bundesmitglieder Verhandlungen zielten auf Fortentwicklung der Staatenbundprojekte zu Bundesstaat Organisation als Staatenbund nicht als Bundesstaat mit gemeinsamen Organ der Bundesversammlung in Frankfurt, einem Gesandtenkongress unter Vorsitz Österreichs Wenig Handlungsspielraum der bayerischen Außenpolitik hinsichtlich Erreichung der beiden Zielsetzungen, da politischer Rahmen durch Großmächte bestimmt Dennoch größere innere Bewegungsfreiheit der deutschen Staaten im Deutschen Bund als in Organisation des Alten Reiches Wichtiges Ziel der Außenpolitik Ludwig I: Rückgewinnung der rechtsrheinischen Pfalz Münchner Vertrag (14.04.1815) als Schlussstein der territorialen Neuordnung Europas Endgültiger Gebietsausgleich zwischen Bayern und Österreich: Abtretung Salzburgs und des Innviertels und dafür Entschädigung durch linksrheinische Gebiete (Rheinkreis) und ebenso verschiedene ehemalige fuldische und hessische Ämter Vertragszusatz über Erhalt des Main- und Tauberkreis bei Aussterben der badischen Hauptlinie trat nicht ein, v.a. durch Rückendeckung der Großmächte für Baden Zur Verhinderung der bayerischen Hegemonie in Süddeutschland Bayerisches Staatsgebiet erhält endgültige Form, das bis auf wenige Grenzberichtigungen nicht mehr verändert wurde Vergrößerung und Arrondierung des bayerischen Staates abgeschlossen und Rettung der Unabhängigkeit Bayerns Bayern als Mittelstaat im Deutschen Bund: Bayern als drittgrößter Staat im Deutschen Bund, aber Dominanz Preußens und Österreichs Trotz Souveränitätsversprechen durch Garantie des Vertrags von 1813 und der Bundesakte, Einfluss des Gleichgewichts der beiden Großmächte auf realpolitische Situation Unter Montgelas Außenpolitik: Wahrung der Souveränität und keine Abgabe von Kompetenzen an Bund Bundesverhandlungen unter Außenminister Graf Rechberg und dem Bundestagsgesandten Johann Adam von Aretin in Frankfurt (zw. 1817-1819): o Vorschlag einer engen Zusammenarbeit des „Dritten Deutschland“ der Mittel- und Kleinstaaten gegenüber den Großmächten o Verhinderung einer Stärkung der Bundesgewalt 4 Verbesserung des Verhältnisses Bayerns zu anderen Mittelstaaten Ab 1819 – Versuch eines guten Einvernehmens mit Österreich: Verhandlungen Metternichs mit Rechberg: o Dominanz Metternichs über Rechberg Keine Kritik Metternichs hinsichtlich Verfassungen der süddeutschen Staaten und somit Vermeidung einer Entfremdung o Münchner Konferenzen 1819: Metternich für Abänderung der bayerischen Verfassung gegenüber König Max I, Rechberg und Wrede o Karlsbader Konferenz 1819: Verteidigung der bayerischen Verfassung durch Rechberg und dennoch Zustimmung zu Karlsbader Beschlüsse o In Bayern Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse nur, wenn nicht im Widerspruch zur Souveränität, der Verfassung oder den bestehenden Gesetzen Abwehr einer Verfassungsänderung und Umsetzung von Bundesbeschlüssen nur im Rahmen der Wahrung der bayerischen Souveränität Ab 1830/31 konservative Wende Ludwigs: Handeln mit dem Deutschen Bund aufgrund revolutionären Kräften in der Pfalz und Franken nötig Autorität des Bundes als Mittel o Nach Hambacher Fest (1832) keine Ablehnung mehr von Bundesbeschlüssen durch König und Ministerrat o Trotz Abwehrhaltung Oettingen-Wallersteins Ludwig I. für Umsetzung aller Bundesbeschlüsse Wiener Konferenzen (1834): Bayerischer Widerstand bezüglich Ausweitung der Bundeskompetenzen Bayerns Beitritt zu den Zollvereinen von 1828 und 1834 o 1828 Süddeutscher Zollverein zwischen Bayern und Württemberg o 1834 Zusammenschluss mit preußisch-hessischen Zollverein und anderen Staaten zum Deutschen Zollverein 28 Staaten als Zoll-Staatenbund mit dem Ziel eines Aufbaus einer Nationalwirtschaft in Deutschland o Vorbereitung auf kleindeutschen Nationalstaat, da Ausschluss Österreichs Märzrevolution 1848 und ihre Folgen: Politisierung der Öffentlichkeit in Bayern Zusammenkommen eines Vorparlaments in Frankfurt 18.05.1848 Paulskirchenversammlung mit Entscheidung zur kleindeutschen Lösung: o Wahl eines preußischen Königs zum Kaiser o Ausschluss Österreich o Bildung eines demokratisch rechtlichen Bundesstaates Letztlich Scheitern der Bemühungen der Paulskirche König Maximilian II. und Ministerium gegen die Vorstellungen der Paulskirche und Ablehnung der formulierten Grundrechte und Text der Reichsverfassung (März 1849), aber Zustimmung des Landtags Auflösung des Landtags (Juni 1849) Ziel der Regierung: Bayern sollte nicht zum Untertan der Reichsgewalt werden o Außenpolitik unter Ludwig von der Pfordten (1849-1866): Basis der bayerischen Außenpolitik: Erhaltung des Deutschen Bundes, Vermeidung des Bruchs zwischen Preußen und Österreich und Aufbau eines Dritten Deutschlands Trias-Idee: Leitung eines zu erneuernden Bundes durch Dreier-Direktorium mit Vertretern aus Nord- Ost- und Süddeutschland: Preußen, Österreich und Bayern Bayern mit Führungsrolle über Klein- und Mittelstaaten 1849 Ablehnung des Erfurter Unionsprojekt Preußens zur Wahrung der bayerischen Souveränität Österreichische Pläne zur Restituierung des Deutschen Bundes unter österreichischem Präsidium 5 1850 Wiedereröffnung des Frankfurter Bundestages unter Führung Österreichs: Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Kurfürst von Hessen und Großherzog von HessenDarmstadt o Drohung einer militärischen Konfrontation aufgrund zweier Interventionsanträge gegen preußische Interessen o Verhandlungen zur Friedenswahrung Olmützer Punktuation 1850: Vereinbarung der Großmächte zu einvernehmlichen Lösung der Interventionsfälle; Einladung aller Staaten zu Ministerkonferenz in Dresden Bayerische Außenpolitik ohne Auswirkungen, da Treffen der Entscheidungen durch Großmächte Außenpolitische Verwicklungen zwischen 1853-1864: Krim-Krieg (1853-1856): Engagement Österreichs im Krieg zwischen Türkei und Russland; Neutralität Preußens und der Mittelstaaten 1854 Schutz- und Trutzbündnis Preußens mit Österreich geplanter Anschluss der anderen Staaten des deutschen Bundes Konferenz der deutschen Mittelstaaten in Bamberg (Mai 1854): Keine Realisierung der Ziele Bayerns und der Mittelstaaten o keine einheitliche Linie der Mittelstaaten gegenüber politischem Gewicht der Großmächte Ohnmacht der Mittelstaaten gegenüber Deutschem Bund o Anspruch Bayerns als Führung der „Trias“ in Deutschland illusorisch o Stattdessen: Dominanz der preußischen Führungsmacht im Bund Regierungsantritt Ludwig II. und von der Pfordten erneut als Außenminister mit dem Ziel der Reformierung des Deutschen Bundes zur Wahrung der Souveränität des bayerischen Staates und Königs Festhalten an der Triasidee, um der bayerischen Aufgabe einer großdeutschen Politik nachzukommen und den Ausgleich zwischen Preußen und Österreich herbeizuführen Die Schleswig-Holstein-Frage und die Entscheidung des Dualismus zwischen Österreich und Preußen im Deutschen Bund (1866) Großmächte bestimmten Entscheidung über die schleswig-holsteinische Frage: o Friede von Wien (1865): Übergabe der Herzogtümer durch Dänkemark an Preußen und Österreich o Konvention von Gastein (1865): Aufteilung der Verwaltung von Schleswig (Preußen) und Holstein (Österreich) Große Enttäuschung der Mittelstaaten: Bayerische Politik ab 1865: Distanzierung von Österreich und Freundlichkeit gegenüber Preußen 1866: Versuch Preußens Verdrängung Österreichs aus Deutschem Bund o Bayerische Versicherung des Bundeshilfe bei Bundesexekution gegen Angreifer Stellungnahme für Österreich o 9. April: Preußische Beantragung einer Einrichtung eines deutschen Parlaments aus allgemeinen und direkten Wahlen zur Beratung der Bundesreform, d.h. Bundestag ohne Teilnahme Österreichs Ablehnung durch Bayern und Österreich o 1. Juni: Forderung Österreichs zur Entscheidung des Bundestags über die Erbfolge in Schleswig und Holstein Bruch der Konvention von Gastein und Einrücken preußischer Truppen in Holstein o 10. Juni: Beantragung einer Bundesreform ohne Österreich durch Preußen o 11. Juni: Mobilmachungsforderung der nicht-preußischen Bundesarmee durch Österreich 6 Bayern: Weder für Ausschluss Österreichs noch Duldung der Verletzung der Bundesakte durch Preußen Krieg als Ergebnis der Gegensätze beider Großmächte ohne bayerische Einwirkung Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund und Beginn des deutschen Bruderkriegs von 1866 Niederlage Bayerns auf Seiten Preußens Friedensverhandlungen Bismarcks mit Mittelstaaten als Separatverhandlungen Verhandlungen von der Pfordtens mit Bismarck: Territoriale und finanzielle Forderungen Bismarcks als Druckmittel Friede von Berlin am 22. August 1866: Finanzielle Entschädigung, Gebietsabtretung und Zustimmung zu Schutz-und Trutzbündnis Prager Frieden (23.08.1866): Ausschluss Österreichs aus der Neuordnung Deutschlands sowie Annexionen Preußens in Norddeutschland und Gründung eines Norddeutschen Bundes Durch Ende des Deutschen Bundes und dessen Schutzfunktion: Abschluss von Schutzund Trutzbündnissen der süddeutschen Staaten mit Preußen Wesentliche Entscheidung der Deutschen Frage durch militärische und politische Folgen des Krieges von 1866 4. Bayern und der Weg bis zur Reichsgründung Bayern – ein Satellit Preußens Bereits 1866 Verlust der Unabhängigkeit durch Abschluss des geheimen Schutz- und Trutzbündnisses Abhängigkeit von Preußen vergleichbar mit Abhängigkeit Bayerns von Napoleon Bindung der Südstaaten durch Aufnahme in den Zollverein an Preußen (8. Juli 1867) Expansion zum Zollbund unter preußischer Führung Bayern nach wie vor im Spannungsfeld des österreichisch-preußischen Dualismus Entscheidungsarmut und Handlungsohnmacht von der Pfordtens: Eigentliches Ziel der Verwirklichung der Trias-Idee, aber keine aktiven Maßnahmen diesbezüglich; andererseits absolute Ablehnung der sich anbahnenden Möglichkeit eines Anschlusses an Norddeutschen Bund Diskrepanzen innerhalb der bayerischen Reihen Verpasste Chancen: Keine rechtzeitige Beteiligung von der Pfordtens an Kriegsverhandlungen zu spätes Eintreffen in Wien; Verhandlungen zwischen Österreich und Preußen bereits in Gange Ablehnung einer Annäherung an Preußen Problem: andauernde Hoffnungen auf Zusammenschluss der Südstaaten; aber keine Durchsetzung bzw. Initiierung der Ideen und Vorstellungen Abstimmung im bayerischen Landtag (30. August 1866): große Mehrheit für Anschluss an Preußen (≠ Politik von der Pfordtens) Beschäftigung mit der Nationalfrage im Vordergrund Souveränität Bayerns im Hintergrund Von der Pfordtens nicht mehr haltbar Rücktritt am 10. Dezember 1866 Nachfolger: Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1866-1870) Ziele Hohenlohes: „ein Verfassungsbündnis mit dem übrigen Deutschland, wenn auch mit Ausschluß Österreichs“ Widersprüche in der deutschen Politik Hohenlohe-Schillingsfürsts: eigene Überzeugung (Anschluss an Norddeutschen Bund, kleindeutsche Einstellung) vs. Meinung des Königs (Beharren auf ungeschmälerte bayerische Selbstständigkeit) 7 Bayerischer Handlungsspielraum äußerst beengt Eigenständige Politik nur noch möglich unter zwei Voraussetzungen: 1) Abschluss eines Südbundes (undenkbar für Hohenlohe) 2) Anschluss an Norddeutschen Bund (undenkbar für König) Abhängigkeit Bayerns in jeder Hinsicht Handlungsohnmacht Bayerns Ausscheiden aus „politischem Spiel der Zeit“ Errichtung des deutschen Zollvereins (1867): Dominanz Preußens und somit Druckausübung auf Bayern Unterzeichnung des Zollvertrags am 8. Juli 1867 Ziel Bismarcks: Erzwingen des Anschlusses der süddeutschen Staaten an Norddeutschen Bund Wahlen zum Landtag 1868: Erstmalig eine konservative Mehrheit HohenloheSchillingsfürst ohne Rückhalt Absetzung durch Landtag Fazit der Amtszeit Hohenlohe-Schillingfürsts: Jegliche außenpolitische Aktionen ohne Erfolg; Amtszeit bestimmt vom Zwiespalt zwischen eigenen Ansichten und Interessen des Königs „politischer Zwitter“ (Andreas Kraus) Nachfolger: Graf von Bray-Steinburg (ab Februar 1870) Anhänger Preußens Zuspitzung des Konflikts: Entscheidungszwang für Bayern Spanische Frage: Bismarck nutzt Gelegenheit für Provokation Frankreichs durch angebliches Interesse an spanischer Erbfolge Bewusstes Anheizen der Situation, um Konfrontation mit Frankreich unausweichlich erscheinen zu lassen (Emser Depesche, Juli 1870) Frankreich zur militärischen Auseinandersetzung gezwungen: Schmach der Emser Depesche nur so wiedergutzumachen Kein Interesse Bayerns an einer bayerisch-französischen Konfrontation Aber: Druck Bismarcks durch abgeschlossene Schutz-und Trutzbündnisse Bayern erneut nur Spielball der preußischen Außenpolitik: Überlegungen Bray-Steinburgs 1) Geht man mit Preußen und gewinnt man Anerkennung der bayerischen Souveränität 2) Geht man mit Preußen und verliert man maximaler Verlust der Pfalz 3) Bleibt Bayern neutral und Preußen gewinnt maximaler Verlust der Pfalz 4) Bleibt Bayern neutral und Preußen siegt Ende Bayerns Bayern somit gezwungen mit Preußen in den Krieg zu ziehen kein souveräner Handlungsspielraum Bayerns Hitzige Debatten im Landtag über Kriegszustimmung Letztendlich Einwilligung des LT Telegramm Ludwigs II. an Wilhelm I.: „Möge es zum Wohle Deutschlands und zum Heile Bayerns sein.“ Hoffnung auf Wahrung der bayerischen Souveränität 1. September 1870: Schlacht von Sedan Sieg über Frankreich Umschwung in Bayern: Zunächst Gegner eines Anschlusses an Frankreich, jetzt Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Bevölkerung Druck auf Regierung durch stetig anwachsendes Nationalgefühl Bayerns Rolle bei der Reichsgründung Ziel Bismarcks: Entstehung der Deutschen Reiches durch Einigung der Fürsten Annäherung an Preußen soll von Ludwig II. ausgehen Beginn eines Wettbewerbs von Baden, Württemberg und Bayern um die Gunst Preußens Ziel König Ludwigs II.: Auflösung des Norddeutschen Bundes und Neuordnung Deutschlands 8 Erfolglose Versuche Bayerns einen Zusammenschluss der Südstaaten zu erreichen Bessere Ausgangssituation für Verhandlungen mit Preußen Problem: Bestrebung Bismarcks separate Verhandlungen mit Südstaaten aufzunehmen Spaltung der süddeutschen Staaten durch bilaterale Verhandlungen Ab Oktober 1870 Verhandlungen in Versailles: Beitritt Bayerns nur unter Voraussetzung eines lockeren Staatenbundes Druckmittel Preußens: Kündigung des Zollvereins im Falle einer Beharrung Bayerns auf lockeren Staatenbund (=wirtschaftlicher Schaden für Bayern) Bismarcks Ultimatum an Bayern: 1) Beitritt zum Norddeutschen Bund (mit Gewährung von Sondermodalitäten) 2) Isolation Bayerns Ausweglose Situation Bayerns: Keine Wahlmöglichkeit oder Alternative, Zwang sich Norddeutschem Bund anzuschließen Ergebnis: 23. November 1870 Unterzeichnung der Versailler Verträge (Anschluss von Bayern, Baden, Hessen und Württemberg an Preußen) Modifikation der Verfassung des Norddeutschen Bundes durch Novemberverträge Ohnmacht der bayerischen Vertreter Zustimmung unausweichlich Konflikt im bayerischen Landtag: Zustimmung der 1. Kammer, Ablehnung der 2. Kammer aus Angst vor Ende der bayerischen Souveränität (v.a. Patrioten unter Jörg) Abstimmung am 21. Januar 1871: Mehrheit von 102 zu 48 Stimmen für Zustimmung Bestechung des Königs durch Geldzahlungen Unterzeichnung des vorgefertigten Kaiserbriefs von Ludwig II. „Reichsgründung von oben“ Angebliche besondere Rechte Bayerns: Reservatrechte (wie z.B. Bier- und Branntweinsteuer, Heimat- und Niederlassungsrecht, Militärrecht zu Friedenszeiten, Bestehen einer eigenen Eisenbahn und weitgehende Unabhängigkeit der Post), Sonderrechte (z.B. stellvertretender Vorsitz im Bundesrat, ständigen Sitz im Bundesratsausschuss für das Landheer) und Gesandtschaftsrecht (aktives und passives Gesandtschaftsrecht, v.a. bezogen auf die Kultur- und Wirtschaftspolitik) Vorgaukeln von bayerischer Souveränität Wirklichkeit: erhebliche Souveränitätseinbußen durch Versailler Vertrag dennoch Nationalgedanke im 19. Jahrhundert als zündende Kraft der Zeit Aufteilung der Aufgaben zwischen Reich und Länder Gerichtsbarkeit weitestgehend Landessache, aber reichseigene Verwaltungsgerichte und Reichsgerichte Ständiger Zuwachs der Kompetenzen des Reiches: Aneignung der konkurrierenden Gesetzgebung zugunsten eines Machtgewinns auf Reichsebene Souveränität Bayerns im Reich beschränkt Aufgabe der Eigenständigkeit zugunsten des Reiches: Verlust des Bündnisrechts und der Entscheidung über Krieg und Frieden Von nun an Dominanz Preußens (größter Bevölkerungsanteil, Vorrangstellung, Sperrminorität im Bundesrat) Tendenz zur Unitarisierung: Bedeutungsgewinn zugunsten des Gesamtstaates, d.h. zum Nachteil der einzelnen Gliedstaaten Fazit: Bayerns Weg in das Deutsche Reich Unrealisierbare Pläne der bayerischen Politiker in den 50er Jahren als ungünstige Ausgangslage (z.B. Trias-Idee) Bayern als Spielball des Konflikts zwischen Österreich und Preußen Mächtedominanz zugunsten Preußens führt zur Stellung Bayerns als „preußischer Satellit“ 9 Weg Bayerns bereits vorbestimmt seit Beitritt zum Deutschen Zollverein und der damit verbundenen wirtschaftlichen Trennung von Österreich Wirtschaftliche Isolation Bayerns Grund und Druckmittel genug für Bismarck, das Königreich in gewünschte Bahnen zu lenken Unterschrift des Königs unter Versailler Verträge als Abschluss für die Bildung des Deutschen Kaiserreiches unter preußischer Hegemonie III. Das Ende eines Mittelstaates 1871- Ein Epochenjahr für die (bayerische) Geschichte? Eintritt in das Bismarcksche Reich als tiefster Einschnitt in die bayerische Verfassungsentwicklung: Aufgabe der bayerischen Souveränität und somit Aufgabe wesentlicher Rechte ab dem 16. April 1871 bloßer Gliedstaat des Deutschen Reiches Aber: trotz alledem Schonung der Selbstständigkeit der Länder durch die Reichsverfassung von 1871: Trotz Reichsbildung Möglichkeit eine bayerische Geschichte innerhalb dieser Jahre auszumachen (anders als von 1933-1945) Scheitern der sich durch das gesamte 19. Jahrhundert ziehenden Bestrebungen nach Erhalt und Stabilisierung der Eigenstaatlichkeit mit Reichsgründung 1871 Widerstandsmöglichkeiten der wittelsbachischen Dynastie beschränkt durch Zurückhaltung zugunsten der Wahrung des monarchischen Prinzips Literatur: Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. Regensburg 22004. Kraus, Andreas: Die Regierungszeit Ludwigs I. (1825-1848). In: Alois Schmid (Hg.): Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV,1). München 22003, S. 129236. Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 32004. Treml, Manfred (Hg.): Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat. München 32006. Volkert, Wilhelm: Die politische Entwicklung von 1848 bis zur Reichsgründung. In: Alois Schmid (Hg.): Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV,1). München 22003, S. 237-318. Weis, Eberhard: Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825). In: Alois Schmid (Hg.): Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV,1). München 22003, S. 4-128. 10