Bayerns Stellung im Mächtesystem des 19. Jahrhunderts

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Universität Regensburg
Institut für Geschichte
Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte
WS 2012/13
Übung: Staatsexamensthemen der Bayerischen Geschichte
Dozent: Dr. Georg Köglmeier
Referentinnen: Fabienne Freundorfer, Corinna Dörfler
20.11.2012
Spielräume eines Mittelstaates: Bayerns Stellung im Mächtesystem des 19. Jahrhunderts
I. Einleitung
1. Frage nach Definition von einem „Mittelstaat“

Bayern als Mittelmacht im Dualismus zwischen Preußen und Österreich

Zentrale geographische Lage zwischen den Großmächten Österreich, Preußen und
Frankreich

Bayern als mittelgroßer Staat häufig der Gefahr einer Annexion ausgesetzt
2. Erläuterung zur Bedeutung von „Spielräume“: Handlungsräume in der Außenpolitik innerhalb
des Machtgefüges der Großmächte
3. Eingrenzung des Zeitraums: Bayern als Mittelstaat

Beginn: Erlangung der Königswürde  Souveränität als eigenständiger Staat

Ende: Eingliederung ins Deutsche Kaiserreich 1871  Verlust der Souveränität
4. Fragestellungen:

Inwieweit war die bayerische Außenpolitik souverän?

Welche Faktoren schränkten die bayerische Politik ein?

Wo finden sich Diskrepanzen zwischen Anspruch auf Souveränität und realpolitischer
Wirklichkeit?
II. Hauptteil
1. Vorgeschichte: Bayerns Weg zum Mittelstaat

1799 Regierungsantritt Max Josephs mit neuem innenpolitischen Programm unter
Montgelas  Phase des zweiten Koalitionskrieg

Friede von Lunéville (1801): Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich durch Kaiser
und Reich
o
Verzicht Bayerns auf die von Frankreich besetzten linksrheinischen Gebiete
o
Französisch-Bayerischer Vertrag: Vereinbarung der Entschädigung Bayerns für Verluste
und Garantie des Besitzstandes Bayerns

Reichsdeputationshauptschluss (1803): Bayern als Nutznießer der neuen
Territorialumverteilung  Bayern wird allmählich geographisch arrondiert


Bayerns Wechsel zu Frankreich nach langem Zögern Maximilians IV.
Maximilian IV zögert aufgrund des Risikos wegen Österreich ein Bündnis mit Napoleon
einzugehen
Der Wechsel zu Frankreich: Der Vertrag von Bogenhausen (1805)
o
Ratifizierung durch Montgelas am 28.08.1805 während Kurfürst Unterzeichnung
ablehnte
o
Drängen der Franzosen, dass Neutralität Bayerns unmöglich wäre  Ebenso: Einrücken
österreichischer Truppen nach Schloss Nymphenburg, die durch Scheinverhandlungen
hingehalten wurden
1
o
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o
o
Mobilisierung der bayerischen Truppen in der Oberpfalz und Flucht von Hof und
Regierung nach Würzburg  Nach Eintreffen französischer Truppen in Würzburg:
Ratifizierung des Vertrags durch Kurfürst Maximilian IV am 28.09.1805
Garantie des bayerischen und französischen Besitzstandes (seit RDH)
Gegenseitige Akzeptanz der Besitzungen und Hilfe
Unterstellung der bayerischen Truppen unter französischen Befehl
Der dritte Koalitionskrieg:
Dreikaiserschlacht von Austerlitz (02.12.1805):
o
Ausscheiden Russlands aus dem Krieg
o
Bündnisvertrag Preußens mit Frankreich (statt Koalition beizutreten)
o
Waffenstillstand von Znaim zwischen Österreich und Frankreich

Französisch-bayerischer Vertrag von Brünn (10.12.1805)
o
Bayern erhält Markgrafschaft Burgau, die sieben Herrschaften in Vorarlberg, die
Grafschaften Hohenems und Königsegg-Rothenfels, Herrschaften Tettnang und Argen,
die Reichsstädte Augsburg und Lindau, die Reste der Hochstifte Eichstätt und Passau,
das Innviertel und Tirol mit Vorarlberg

Frieden von Pressburg (26.12.1805):
o
Anerkennung dieser bayerischen Erwerbungen durch Österreich und Abtretung Tirols
o
Erhebung Bayerns zum Königtum und Erringung der vollen staatlichen Souveränität für
Bayern (Artikel 14)
2. Das Königtum Bayern im Zeitalter Napoleons bis 1815/1817

Außenpolitische Hauptakteure: König Max Joseph und leitender Minister Montgelas

Seit November 1799 Zentrierung der Außenpolitik im Zeichen der Politik, Eroberungen und
Feldzüge Napoleons: Prägung des bayerischen Handlungsspielraumes v.a. durch
Verhältnis zur damaligen Großmacht Frankreich

Ausrufung des bayerischen Königtums (1.1.1806): Berufung Max I. auf Fortsetzung des
mittelalterlichen „ursprünglichen“ bayerischen Königtums  Klare Distanzierung zum
Anschein eines Königtums von Napoleons Gnaden

Durch Königswürde Erlangung der vollen staatlichen Souveränität: Basis für
Reformprozess im Inneren

Proklamationsrede König Max I. als Zeichen eines unbedingten Souveränitätswillens: Ziel
einer völlig unabhängigen Politik Bayerns

Problem: Erhalt des Königstitels nur durch Einbußen möglich: Verheiratung seiner ältesten
Tochter Augusta Amalia mit Stief- und Adoptivsohn Napoleons, Eugène Beauharnais, und
gleichzeitig politische Konzession  Beitritt Bayerns zum Rheinbund

Aufstieg Bayerns zum wichtigsten Glied im Kontinentalsystem Napoleons (1806-1810):
Einschränkung der eigentlich souveränen Handlungsfreiheit  mehr Verpflichtungen und
geringeren Aktionsradius im Vergleich zum bayerischen Kurfürst im 18. Jahrhundert

Extreme Einschränkung einer außenpolitisch unabhängigen Politik Bayerns während
der Zeit im Rheinbund (1806-1813)

Ziel Napoleons: Schaffung eines dritten unabhängigen Deutschlands als Gegengewicht zu
den Großmächten Preußen und Österreich  Gründung des Rheinbundes am 12. Juli 1806
unter Protektorat Napoleons

Beitritt von zunächst 15 (1807 dann bereits 38) süd- und mitteldeutschen Staaten auf
massiven Druck Napoleons hin

Regelungen der Rheinbundakte:
o
Souveränität der Staaten (Realität: Souveränität erheblich eingeschränkt)
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Offensiv- und Defensivbündnis (Bayern hatte 30.000 Mann zu stellen): Frankreich
bestimmend über Krieg oder Frieden  keine Bestimmung der Einzelstaaten bezüglich
der Außenpolitik
Recht der Mediatisierung der im jeweiligen Bereich der Mitgliedstaaten gelegenen
Territorien
Austritt der Mitglieder aus dem Heiligen Römischen Reich
Folge: Ende des Alten Reiches mit Niederlegung der Krone von Kaiser Franz II. am
6.8.1806
Kein eigenständiges bayerisches Agieren in militärischer Hinsicht möglich:
o
Verpflichtung Bayerns zur Teilnahme an sämtlichen Feldzügen Napoleons
o
Belastung durch französische Truppeneinquartierungs- und Kontributionskosten
während des 4. Koalitionskrieges  Unmut innerhalb der Bevölkerung
Ziel Bayerns: Erhaltung der neu gewonnenen Souveränität, Folge: Verhinderung des
Ausbaus der Rheinbundakte zu einem Bundesstaat
Eintritt in Rheinbund auch außenpolitisch zu begründen: Bayern als Ziel österreichischer
Annexionsgelüste
Bayern als Schauplatz für antinapoleonische Strömungen: Einmarsch Österreichs im April
1809  Auftakt für 5. Koalitionskrieg
Ab 1810 zunehmende Spannungen zwischen Bayern und Napoleon  dennoch keine
Ablösung vom übermächtigen Frankreich möglich
Gründe für ansteigende Unzufriedenheit mit Frankreich:
o Napoleons Vermählung mit Erzherzogin Marie-Luise von Österreich
o Territorialgewinne
o Rigorose Maßnahmen Frankreichs zur Kontinentalsperre gegen England: Einbindung
Bayerns in den Wirtschaftskrieg
Russischer Feldzug 1812 als Höhepunkt der Entfremdung zwischen Bayern und
Frankreich: Verpflichtung Bayerns das insgesamt größte deutsche Kontingent zu stellen
Desaströser Ausgang des Feldzuges  Vernichtung der bayerischen Truppen als Tiefpunkt
der bayerisch-französischen Beziehung
Vorbereitung eines Bündniswechsels notwendig, ansonsten finanzieller und wirtschaftlicher
Ruin Bayerns als Bündnispartner Napoleons
Bündniswechsel zu Österreich als Notwendigkeit für Selbsterhaltung des bayerischen
Staates: Vertrag von Ried (8. Oktober 1813) als Lossagung vom Rheinbund und
Zusammenschluss unter österreichischem Oberkommando
Garantie Österreichs auf Wahrung und Aufrechterhaltung der bayerischen Souveränität und
des bisherigen Besitzstandes bzw. vollständige Entschädigung für eventuelle
Gebietsverluste
Fazit der Stellung Bayerns im Zeitalter Napoleons:
o Rheinbund lediglich als Vergrößerung von Napoleons Herrschaftsgebiet
o Kein außenpolitisch souverän bestimmter Handlungsraum vorhanden
o Frankreich als alleiniger Initiator der außenpolitischen Vorgänge, Bayern nur eine Art
Stütze zur Machtarrondierung Napoleons
o Ergebnis der Außenpolitik trotz aller Verluste in den Kriegen positiv: Erhebung zum
Königreich, Vergrößerung und Abrundung des Staatsgebiets, Beseitigung der Enklaven
und Erlangung der vollen äußeren und inneren Souveränität
3
3. Bayern im Deutschen Bund (1814/15 – 1866)
Wiener Kongress (1814/15):

Zielsetzungen
o
Schaffung einer europäischen Friedensordnung, d.h. Erhaltung der äußeren und inneren
Sicherheit
o
Garantie der Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der Staaten (  Souveränität)
o
Defensivbündnis

Zwei Aufgaben der bayerischen Diplomatie:
o
Erreichung einer angemessenen Entschädigung für die Abtretungen Salzburgs und des
Innviertels an Österreich
o
Wahrung der errungen Souveränität
Entstehung des Deutschen Bundes

Montgelas erhoffte sich einen Bund souveräner Staaten mit dem einzigen Zweck der
gemeinsamen Verteidigung, d.h. keine Beschneidung der errungen Souveränität

Aber: Unterschätzung des Willens der beiden Großmächte und der Dauerhaftigkeit der
Zusammenarbeit der Bundesmitglieder  Verhandlungen zielten auf Fortentwicklung der
Staatenbundprojekte zu Bundesstaat

Organisation als Staatenbund nicht als Bundesstaat mit gemeinsamen Organ der
Bundesversammlung in Frankfurt, einem Gesandtenkongress unter Vorsitz Österreichs
 Wenig Handlungsspielraum der bayerischen Außenpolitik hinsichtlich Erreichung der
beiden Zielsetzungen, da politischer Rahmen durch Großmächte bestimmt  Dennoch
größere innere Bewegungsfreiheit der deutschen Staaten im Deutschen Bund als in
Organisation des Alten Reiches
Wichtiges Ziel der Außenpolitik Ludwig I: Rückgewinnung der rechtsrheinischen Pfalz

Münchner Vertrag (14.04.1815) als Schlussstein der territorialen Neuordnung Europas
Endgültiger Gebietsausgleich zwischen Bayern und Österreich: Abtretung Salzburgs und
des Innviertels und dafür Entschädigung durch linksrheinische Gebiete (Rheinkreis) und
ebenso verschiedene ehemalige fuldische und hessische Ämter

Vertragszusatz über Erhalt des Main- und Tauberkreis bei Aussterben der badischen
Hauptlinie trat nicht ein, v.a. durch Rückendeckung der Großmächte für Baden  Zur
Verhinderung der bayerischen Hegemonie in Süddeutschland

Bayerisches Staatsgebiet erhält endgültige Form, das bis auf wenige Grenzberichtigungen
nicht mehr verändert wurde  Vergrößerung und Arrondierung des bayerischen Staates
abgeschlossen und Rettung der Unabhängigkeit Bayerns
Bayern als Mittelstaat im Deutschen Bund:

Bayern als drittgrößter Staat im Deutschen Bund, aber Dominanz Preußens und
Österreichs

Trotz Souveränitätsversprechen durch Garantie des Vertrags von 1813 und der
Bundesakte, Einfluss des Gleichgewichts der beiden Großmächte auf realpolitische
Situation  Unter Montgelas Außenpolitik: Wahrung der Souveränität und keine Abgabe
von Kompetenzen an Bund

Bundesverhandlungen unter Außenminister Graf Rechberg und dem Bundestagsgesandten
Johann Adam von Aretin in Frankfurt (zw. 1817-1819):
o
Vorschlag einer engen Zusammenarbeit des „Dritten Deutschland“ der Mittel- und
Kleinstaaten gegenüber den Großmächten
o
Verhinderung einer Stärkung der Bundesgewalt
4
Verbesserung des Verhältnisses Bayerns zu anderen Mittelstaaten
Ab 1819 – Versuch eines guten Einvernehmens mit Österreich: Verhandlungen Metternichs
mit Rechberg:
o
Dominanz Metternichs über Rechberg  Keine Kritik Metternichs hinsichtlich
Verfassungen der süddeutschen Staaten und somit Vermeidung einer Entfremdung
o
Münchner Konferenzen 1819: Metternich für Abänderung der bayerischen Verfassung
gegenüber König Max I, Rechberg und Wrede
o
Karlsbader Konferenz 1819: Verteidigung der bayerischen Verfassung durch Rechberg
und dennoch Zustimmung zu Karlsbader Beschlüsse
o
In Bayern Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse nur, wenn nicht im Widerspruch zur
Souveränität, der Verfassung oder den bestehenden Gesetzen
 Abwehr einer Verfassungsänderung und Umsetzung von Bundesbeschlüssen nur im
Rahmen der Wahrung der bayerischen Souveränität
Ab 1830/31 konservative Wende Ludwigs: Handeln mit dem Deutschen Bund aufgrund
revolutionären Kräften in der Pfalz und Franken nötig  Autorität des Bundes als Mittel
o
Nach Hambacher Fest (1832) keine Ablehnung mehr von Bundesbeschlüssen durch
König und Ministerrat
o
Trotz Abwehrhaltung Oettingen-Wallersteins Ludwig I. für Umsetzung aller
Bundesbeschlüsse
Wiener Konferenzen (1834): Bayerischer Widerstand bezüglich Ausweitung der
Bundeskompetenzen
Bayerns Beitritt zu den Zollvereinen von 1828 und 1834
o
1828 Süddeutscher Zollverein zwischen Bayern und Württemberg
o
1834 Zusammenschluss mit preußisch-hessischen Zollverein und anderen Staaten zum
Deutschen Zollverein  28 Staaten als Zoll-Staatenbund mit dem Ziel eines Aufbaus
einer Nationalwirtschaft in Deutschland
o
Vorbereitung auf kleindeutschen Nationalstaat, da Ausschluss Österreichs
Märzrevolution 1848 und ihre Folgen: Politisierung der Öffentlichkeit in Bayern
Zusammenkommen eines Vorparlaments in Frankfurt
18.05.1848 Paulskirchenversammlung mit Entscheidung zur kleindeutschen Lösung:
o
Wahl eines preußischen Königs zum Kaiser
o
Ausschluss Österreich
o
Bildung eines demokratisch rechtlichen Bundesstaates
 Letztlich Scheitern der Bemühungen der Paulskirche
König Maximilian II. und Ministerium gegen die Vorstellungen der Paulskirche und
Ablehnung der formulierten Grundrechte und Text der Reichsverfassung (März 1849), aber
Zustimmung des Landtags  Auflösung des Landtags (Juni 1849)
 Ziel der Regierung: Bayern sollte nicht zum Untertan der Reichsgewalt werden
o
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Außenpolitik unter Ludwig von der Pfordten (1849-1866):
Basis der bayerischen Außenpolitik: Erhaltung des Deutschen Bundes, Vermeidung des
Bruchs zwischen Preußen und Österreich und Aufbau eines Dritten Deutschlands
Trias-Idee: Leitung eines zu erneuernden Bundes durch Dreier-Direktorium mit Vertretern
aus Nord- Ost- und Süddeutschland: Preußen, Österreich und Bayern
Bayern mit Führungsrolle über Klein- und Mittelstaaten
1849 Ablehnung des Erfurter Unionsprojekt Preußens zur Wahrung der bayerischen
Souveränität  Österreichische Pläne zur Restituierung des Deutschen Bundes unter
österreichischem Präsidium
5
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1850 Wiedereröffnung des Frankfurter Bundestages unter Führung Österreichs: Bayern,
Sachsen, Hannover, Württemberg, Kurfürst von Hessen und Großherzog von HessenDarmstadt
o
Drohung einer militärischen Konfrontation aufgrund zweier Interventionsanträge gegen
preußische Interessen
o
Verhandlungen zur Friedenswahrung  Olmützer Punktuation 1850: Vereinbarung der
Großmächte zu einvernehmlichen Lösung der Interventionsfälle; Einladung aller Staaten
zu Ministerkonferenz in Dresden
 Bayerische Außenpolitik ohne Auswirkungen, da Treffen der Entscheidungen durch
Großmächte
Außenpolitische Verwicklungen zwischen 1853-1864:
Krim-Krieg (1853-1856): Engagement Österreichs im Krieg zwischen Türkei und Russland;
Neutralität Preußens und der Mittelstaaten
1854 Schutz- und Trutzbündnis Preußens mit Österreich  geplanter Anschluss der
anderen Staaten des deutschen Bundes
Konferenz der deutschen Mittelstaaten in Bamberg (Mai 1854): Keine Realisierung der
Ziele Bayerns und der Mittelstaaten
o
keine einheitliche Linie der Mittelstaaten gegenüber politischem Gewicht der
Großmächte  Ohnmacht der Mittelstaaten gegenüber Deutschem Bund
o
Anspruch Bayerns als Führung der „Trias“ in Deutschland illusorisch
o
Stattdessen: Dominanz der preußischen Führungsmacht im Bund
Regierungsantritt Ludwig II. und von der Pfordten erneut als Außenminister mit dem Ziel
der Reformierung des Deutschen Bundes zur Wahrung der Souveränität des bayerischen
Staates und Königs
Festhalten an der Triasidee, um der bayerischen Aufgabe einer großdeutschen Politik
nachzukommen und den Ausgleich zwischen Preußen und Österreich herbeizuführen
Die Schleswig-Holstein-Frage und die Entscheidung des Dualismus zwischen Österreich
und Preußen im Deutschen Bund (1866)
Großmächte bestimmten Entscheidung über die schleswig-holsteinische Frage:
o
Friede von Wien (1865): Übergabe der Herzogtümer durch Dänkemark an Preußen und
Österreich
o
Konvention von Gastein (1865): Aufteilung der Verwaltung von Schleswig (Preußen) und
Holstein (Österreich)
Große Enttäuschung der Mittelstaaten:
Bayerische Politik ab 1865: Distanzierung von Österreich und Freundlichkeit gegenüber
Preußen
1866: Versuch Preußens Verdrängung Österreichs aus Deutschem Bund
o
Bayerische Versicherung des Bundeshilfe bei Bundesexekution gegen Angreifer
Stellungnahme für Österreich
o
9. April: Preußische Beantragung einer Einrichtung eines deutschen Parlaments aus
allgemeinen und direkten Wahlen zur Beratung der Bundesreform, d.h. Bundestag ohne
Teilnahme Österreichs  Ablehnung durch Bayern und Österreich
o
1. Juni: Forderung Österreichs zur Entscheidung des Bundestags über die Erbfolge in
Schleswig und Holstein Bruch der Konvention von Gastein und Einrücken preußischer
Truppen in Holstein
o
10. Juni: Beantragung einer Bundesreform ohne Österreich durch Preußen
o
11. Juni: Mobilmachungsforderung der nicht-preußischen Bundesarmee durch
Österreich
6

Bayern: Weder für Ausschluss Österreichs noch Duldung der Verletzung der Bundesakte
durch Preußen  Krieg als Ergebnis der Gegensätze beider Großmächte ohne bayerische
Einwirkung

Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund und Beginn des deutschen Bruderkriegs von
1866  Niederlage Bayerns auf Seiten Preußens

Friedensverhandlungen Bismarcks mit Mittelstaaten als Separatverhandlungen

Verhandlungen von der Pfordtens mit Bismarck: Territoriale und finanzielle Forderungen
Bismarcks als Druckmittel Friede von Berlin am 22. August 1866: Finanzielle
Entschädigung, Gebietsabtretung und Zustimmung zu Schutz-und Trutzbündnis

Prager Frieden (23.08.1866): Ausschluss Österreichs aus der Neuordnung Deutschlands
sowie Annexionen Preußens in Norddeutschland und Gründung eines Norddeutschen
Bundes

Durch Ende des Deutschen Bundes und dessen Schutzfunktion: Abschluss von Schutzund Trutzbündnissen der süddeutschen Staaten mit Preußen
 Wesentliche Entscheidung der Deutschen Frage durch militärische und politische Folgen
des Krieges von 1866
4. Bayern und der Weg bis zur Reichsgründung
Bayern – ein Satellit Preußens

Bereits 1866 Verlust der Unabhängigkeit durch Abschluss des geheimen Schutz- und
Trutzbündnisses  Abhängigkeit von Preußen vergleichbar mit Abhängigkeit Bayerns von
Napoleon

Bindung der Südstaaten durch Aufnahme in den Zollverein an Preußen (8. Juli 1867) 
Expansion zum Zollbund unter preußischer Führung

Bayern nach wie vor im Spannungsfeld des österreichisch-preußischen Dualismus

Entscheidungsarmut und Handlungsohnmacht von der Pfordtens: Eigentliches Ziel der
Verwirklichung der Trias-Idee, aber keine aktiven Maßnahmen diesbezüglich; andererseits
absolute Ablehnung der sich anbahnenden Möglichkeit eines Anschlusses an
Norddeutschen Bund  Diskrepanzen innerhalb der bayerischen Reihen

Verpasste Chancen: Keine rechtzeitige Beteiligung von der Pfordtens an
Kriegsverhandlungen  zu spätes Eintreffen in Wien; Verhandlungen zwischen Österreich
und Preußen bereits in Gange
Ablehnung einer Annäherung an Preußen

Problem: andauernde Hoffnungen auf Zusammenschluss der Südstaaten; aber keine
Durchsetzung bzw. Initiierung der Ideen und Vorstellungen

Abstimmung im bayerischen Landtag (30. August 1866): große Mehrheit für Anschluss an
Preußen (≠ Politik von der Pfordtens)

Beschäftigung mit der Nationalfrage im Vordergrund  Souveränität Bayerns im
Hintergrund

Von der Pfordtens nicht mehr haltbar  Rücktritt am 10. Dezember 1866

Nachfolger: Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1866-1870)

Ziele Hohenlohes: „ein Verfassungsbündnis mit dem übrigen Deutschland, wenn auch mit
Ausschluß Österreichs“

Widersprüche in der deutschen Politik Hohenlohe-Schillingsfürsts: eigene Überzeugung
(Anschluss an Norddeutschen Bund, kleindeutsche Einstellung) vs. Meinung des Königs
(Beharren auf ungeschmälerte bayerische Selbstständigkeit)
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Bayerischer Handlungsspielraum äußerst beengt  Eigenständige Politik nur noch möglich
unter zwei Voraussetzungen:
1) Abschluss eines Südbundes (undenkbar für Hohenlohe)
2) Anschluss an Norddeutschen Bund (undenkbar für König)
 Abhängigkeit Bayerns in jeder Hinsicht
Handlungsohnmacht Bayerns  Ausscheiden aus „politischem Spiel der Zeit“
Errichtung des deutschen Zollvereins (1867): Dominanz Preußens und somit
Druckausübung auf Bayern  Unterzeichnung des Zollvertrags am 8. Juli 1867
Ziel Bismarcks: Erzwingen des Anschlusses der süddeutschen Staaten an Norddeutschen
Bund
Wahlen zum Landtag 1868: Erstmalig eine konservative Mehrheit  HohenloheSchillingsfürst ohne Rückhalt  Absetzung durch Landtag
Fazit der Amtszeit Hohenlohe-Schillingfürsts: Jegliche außenpolitische Aktionen ohne
Erfolg; Amtszeit bestimmt vom Zwiespalt zwischen eigenen Ansichten und Interessen des
Königs  „politischer Zwitter“ (Andreas Kraus)
Nachfolger: Graf von Bray-Steinburg (ab Februar 1870)  Anhänger Preußens
Zuspitzung des Konflikts: Entscheidungszwang für Bayern
Spanische Frage: Bismarck nutzt Gelegenheit für Provokation Frankreichs durch
angebliches Interesse an spanischer Erbfolge
Bewusstes Anheizen der Situation, um Konfrontation mit Frankreich unausweichlich
erscheinen zu lassen (Emser Depesche, Juli 1870)
Frankreich zur militärischen Auseinandersetzung gezwungen: Schmach der Emser
Depesche nur so wiedergutzumachen
Kein Interesse Bayerns an einer bayerisch-französischen Konfrontation
Aber: Druck Bismarcks durch abgeschlossene Schutz-und Trutzbündnisse
Bayern erneut nur Spielball der preußischen Außenpolitik: Überlegungen Bray-Steinburgs
1) Geht man mit Preußen und gewinnt man  Anerkennung der bayerischen
Souveränität
2) Geht man mit Preußen und verliert man  maximaler Verlust der Pfalz
3) Bleibt Bayern neutral und Preußen gewinnt  maximaler Verlust der Pfalz
4) Bleibt Bayern neutral und Preußen siegt  Ende Bayerns
Bayern somit gezwungen mit Preußen in den Krieg zu ziehen  kein souveräner
Handlungsspielraum Bayerns
Hitzige Debatten im Landtag über Kriegszustimmung  Letztendlich Einwilligung des LT
Telegramm Ludwigs II. an Wilhelm I.: „Möge es zum Wohle Deutschlands und zum Heile
Bayerns sein.“  Hoffnung auf Wahrung der bayerischen Souveränität
1. September 1870: Schlacht von Sedan  Sieg über Frankreich
Umschwung in Bayern: Zunächst Gegner eines Anschlusses an Frankreich, jetzt
Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Bevölkerung
Druck auf Regierung durch stetig anwachsendes Nationalgefühl
Bayerns Rolle bei der Reichsgründung
Ziel Bismarcks: Entstehung der Deutschen Reiches durch Einigung der Fürsten 
Annäherung an Preußen soll von Ludwig II. ausgehen
Beginn eines Wettbewerbs von Baden, Württemberg und Bayern um die Gunst Preußens
Ziel König Ludwigs II.: Auflösung des Norddeutschen Bundes und Neuordnung
Deutschlands
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
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Erfolglose Versuche Bayerns einen Zusammenschluss der Südstaaten zu erreichen 
Bessere Ausgangssituation für Verhandlungen mit Preußen
Problem: Bestrebung Bismarcks separate Verhandlungen mit Südstaaten aufzunehmen 
Spaltung der süddeutschen Staaten durch bilaterale Verhandlungen
Ab Oktober 1870 Verhandlungen in Versailles: Beitritt Bayerns nur unter Voraussetzung
eines lockeren Staatenbundes  Druckmittel Preußens: Kündigung des Zollvereins im Falle
einer Beharrung Bayerns auf lockeren Staatenbund (=wirtschaftlicher Schaden für Bayern)
Bismarcks Ultimatum an Bayern:
1) Beitritt zum Norddeutschen Bund (mit Gewährung von Sondermodalitäten)
2) Isolation Bayerns
Ausweglose Situation Bayerns: Keine Wahlmöglichkeit oder Alternative, Zwang sich
Norddeutschem Bund anzuschließen
Ergebnis: 23. November 1870 Unterzeichnung der Versailler Verträge (Anschluss von
Bayern, Baden, Hessen und Württemberg an Preußen)
Modifikation der Verfassung des Norddeutschen Bundes durch Novemberverträge
Ohnmacht der bayerischen Vertreter  Zustimmung unausweichlich
Konflikt im bayerischen Landtag: Zustimmung der 1. Kammer, Ablehnung der 2. Kammer
aus Angst vor Ende der bayerischen Souveränität (v.a. Patrioten unter Jörg)
Abstimmung am 21. Januar 1871: Mehrheit von 102 zu 48 Stimmen für Zustimmung
Bestechung des Königs durch Geldzahlungen
Unterzeichnung des vorgefertigten Kaiserbriefs von Ludwig II.  „Reichsgründung von
oben“
Angebliche besondere Rechte Bayerns: Reservatrechte (wie z.B. Bier- und
Branntweinsteuer, Heimat- und Niederlassungsrecht, Militärrecht zu Friedenszeiten,
Bestehen einer eigenen Eisenbahn und weitgehende Unabhängigkeit der Post),
Sonderrechte (z.B. stellvertretender Vorsitz im Bundesrat, ständigen Sitz im
Bundesratsausschuss für das Landheer) und Gesandtschaftsrecht (aktives und passives
Gesandtschaftsrecht, v.a. bezogen auf die Kultur- und Wirtschaftspolitik)  Vorgaukeln von
bayerischer Souveränität
Wirklichkeit: erhebliche Souveränitätseinbußen durch Versailler Vertrag  dennoch
Nationalgedanke im 19. Jahrhundert als zündende Kraft der Zeit
Aufteilung der Aufgaben zwischen Reich und Länder
Gerichtsbarkeit weitestgehend Landessache, aber reichseigene Verwaltungsgerichte und
Reichsgerichte
Ständiger Zuwachs der Kompetenzen des Reiches: Aneignung der konkurrierenden
Gesetzgebung zugunsten eines Machtgewinns auf Reichsebene
Souveränität Bayerns im Reich beschränkt  Aufgabe der Eigenständigkeit zugunsten des
Reiches: Verlust des Bündnisrechts und der Entscheidung über Krieg und Frieden
Von nun an Dominanz Preußens (größter Bevölkerungsanteil, Vorrangstellung,
Sperrminorität im Bundesrat)
Tendenz zur Unitarisierung: Bedeutungsgewinn zugunsten des Gesamtstaates, d.h. zum
Nachteil der einzelnen Gliedstaaten
Fazit: Bayerns Weg in das Deutsche Reich
Unrealisierbare Pläne der bayerischen Politiker in den 50er Jahren als ungünstige
Ausgangslage (z.B. Trias-Idee)
Bayern als Spielball des Konflikts zwischen Österreich und Preußen  Mächtedominanz
zugunsten Preußens führt zur Stellung Bayerns als „preußischer Satellit“
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


Weg Bayerns bereits vorbestimmt seit Beitritt zum Deutschen Zollverein und der damit
verbundenen wirtschaftlichen Trennung von Österreich
Wirtschaftliche Isolation Bayerns Grund und Druckmittel genug für Bismarck, das
Königreich in gewünschte Bahnen zu lenken
Unterschrift des Königs unter Versailler Verträge als Abschluss für die Bildung des
Deutschen Kaiserreiches unter preußischer Hegemonie
III. Das Ende eines Mittelstaates
1871- Ein Epochenjahr für die (bayerische) Geschichte?

Eintritt in das Bismarcksche Reich als tiefster Einschnitt in die bayerische
Verfassungsentwicklung: Aufgabe der bayerischen Souveränität und somit Aufgabe
wesentlicher Rechte  ab dem 16. April 1871 bloßer Gliedstaat des Deutschen Reiches

Aber: trotz alledem Schonung der Selbstständigkeit der Länder durch die
Reichsverfassung von 1871: Trotz Reichsbildung Möglichkeit eine bayerische Geschichte
innerhalb dieser Jahre auszumachen (anders als von 1933-1945)

Scheitern der sich durch das gesamte 19. Jahrhundert ziehenden Bestrebungen nach
Erhalt und Stabilisierung der Eigenstaatlichkeit mit Reichsgründung 1871

Widerstandsmöglichkeiten der wittelsbachischen Dynastie beschränkt durch Zurückhaltung
zugunsten der Wahrung des monarchischen Prinzips
Literatur:
Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute.
Regensburg 22004.
Kraus, Andreas: Die Regierungszeit Ludwigs I. (1825-1848). In: Alois Schmid (Hg.): Das neue Bayern.
Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV,1). München 22003, S. 129236.
Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 32004.
Treml, Manfred (Hg.): Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat. München 32006.
Volkert, Wilhelm: Die politische Entwicklung von 1848 bis zur Reichsgründung. In: Alois Schmid (Hg.):
Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV,1).
München 22003, S. 237-318.
Weis, Eberhard: Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825). In:
Alois Schmid (Hg.): Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart (Handbuch der bayerischen
Geschichte, Bd. IV,1). München 22003, S. 4-128.
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