Universität Regensburg Institut für Bayerische Landesgeschichte Übung: Staatsexamensthemen aus der Bayr. Geschichte (Köglmeier) WS 2012/13 Referentin: Miriam Bauer 8. Januar 2013 Bayern und die Reichsgründung von 1871 I. Einleitung Einordnung in die Weltgeschichte: Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 entstand in der Nachfolge der losen Staatengebilde des HRRDN (962-1806), des Rheinbunds (1806-1815), dem Deutschen Bund (1815-1866) und dem Norddeutschen Bund (1866-1871) erstmals eine einheitliche Großmacht mit halbhegemonialer Stellung in Europa Begriffsdefinition/ Zeitliche Eingrenzung/ Fragestellung: o Als Reichsgründung im engeren Sinn wird, z.B. bei SPINDLER, die Phase von März 1870 (Amtsantritt Bray-Steinburg) bzw. Juli 1870 (Beginn des DeutschFranzösischen Krieges) bis Januar 1871 (Kaiserausrufung und In-KraftSetzen der Versailler Verträge) verstanden. o Im weiteren Sinn wird nach den groben innen- und außenpolitische Entwicklungen in Preußen, Österreich und den süddeutschen Staaten ab dem Deutsch-Deutschen Krieg 1866 gefragt, die zur Reichsgründung beitrugen. (In bayerischer Hinsicht kann auch mit dem Regierungsantritt von Ludwig II. 1864 begonnen werden.) o Zudem sind innen- und außenpolitische Veränderungen in Folge der Reichsgründung relevant. o Beides unter besonderer Berücksichtigung Bayerns. Weitere wichtige Aspekte: o Ludwig II. als König der konstitutionellen Monarchie Bayern und den Vorsitzenden des Ministerrats bzw. Außenministern von den Pfordten, Hohenlohe und Bray-Steinburg o Bayerns Rolle als Vermittler zwischen Preußen und Österreich, Bündnispartner und Bundesstaat mit Sonderrechten Leitfrage: Welche Rolle spielte Bayern im Prozess der Reichsgründung und welche verfassungsrechtliche Stellung nahm es in Folge dieser ein? II. Hauptteil 1. Frühere Entwicklungsstufen auf dem Weg zum Deutschen Reich a) Deutscher Bund seit Wiener Kongress 1815 bis 1866 = Staatenbund, bestehend aus 35 überwiegend deutschsprachigen Staaten, die zuvor dem HRRDN oder dem napoleonischen Rheinbund angehörten b) Revolution 1848/49 o in BY entsteht eine konstitutionelle Monarchie unter Max II.; o Frankfurter Paulskirche: Bayerische Abgeordnete wollen überwiegend großdeutsche Lösung; allgemein herrscht jedoch die Tendenz zu einer kleindeutschen Staatengemeinschaft unter preußischer Führung Ablehnung durch Bayern, Österreich, Württemberg, Hannover und Sachsen 1 März 1848: Ablehnung der Reichsverfassung durch PR, Ö, BY, HA, SA Auflösung des Deutschen Bundes; Paulskirche und nationalen Bestrebungen scheitern besonders an folgenden Fragestellungen: Deutsche Frage – großdeutsche oder kleindeutsche Lösung? Verfassungsfrage? c) Wiedergründung des Deutschen Bundes 1850 2. Max II. (1848 – 1864) und seine nationalen Bestrebungen a) „Hebung des bayerischen Nationalgefühls“ (Treml) unter Max II. - Neugründungen bedeutender Einrichtungen, z.B. des Bayerischen Nationalmuseums, Stiftung Maximilianeum usw. - 1858: Bayern-Hymne (Text: Öchsner; Musik: Kunz) b) Die Außenpolitik von Max II. und Außenminister von der Pfordten (1849-1859 & 1864-1866) - Drei Ziele von von der Pfordten prägten von 1849 bis 1866 die Außenpolitik Bayerns: o Erhaltung des Deutschen Bundes o Verhindern des Bruchs zwischen Preußen und Österreich o „Drittes Deutschland“ (Trias-Idee) - Trias-Idee= „Drittes Deutschland“ bestehend aus den Süddeutschen Staaten unter der Führung Bayerns als Gegengewicht zu PR & Ö; - Seit 1848 bemühten sich die süddeutschen Staaten darum, Allianzen im Sinne der Trias-Idee zu gründen - Bayern musste z.T. Vermittlerrolle im Dualismus von PR & Ö einnehmen, z.B. bei Krimkrieg und Zollvereinskrisen 1851 und 1859/60 3. Ludwig II. (1864-1886) und die Außenpolitik bis zur Reichsgründung 1871 a) Ludwig II. - *1845; Affinität für Kunst und Kultur (Richard Wagner etc.); mit „zutiefst neurotische[n] Strukturen“ - Bayerischer König ab 1864 (mit 19 Jahren); er betraute ab 1864 wieder von der Pfordten mit dem Vorsitz und Außenministerium, nachdem dieser 1859 zurückgetreten war (1859-1864: von Notzing & von Neumayr) - Regierungsstil: er arbeitet nachts und schlief tagsüber; nur schriftlicher Kontakt zu seinen Ministern; erfüllte Repräsentationsaufgaben immer weniger; deshalb immer mehr Kritik unter Ministern und am Hof b) Die Schleswig-Holsteinische Frage Hintergrund: König Friedrich VII. von Dänemark stirbt 1863 kinderlos Londoner Verträge der Großmächte von 1852: Prinz Christian von Sonderburg-Glücksburg als sein Nachfolger – er unterzeichnet Verfassung, die in Deutschland als unvereinbar mit den Sonderrechten von Schleswig und Holstein aufgefasst wird 2 Gegenreaktion: Friedrich von Augustenburg erhebt als Kandidat der deutschen Bevölkerung von Schleswig und Holstein Anspruch auf die Regierung der Elbherzogtümer Zwischenzeitlich: Besetzung von Holstein (= anders als Schleswig Mitglied im Deutschen Bund) wegen Bundesexekution (=schärfste Maßnahme des Dt. Bundes) Ziele Bismarcks: will Herzogtümer keinem der beiden Kandidaten zugestehen, sondern sie für PR annektieren – dafür nötig: Krieg gegen DK; Bismarck gewinnt Ö für sein Vorhaben und stellt Forderung an König Christian, die Herzogtümer wieder unabhängig voneinander zu regieren; dieser lehnt ab Deutsch-Dänischer Krieg 1864 Sieg Österreichs Friedensvertrag von Wien August 1864: Abtretung von SCHL & HOL an PR & Ö; aber Bismarck lehnt dt. Kandidaten Friedrich v. Augustenburg ab; deshalb: provisorische gemeinsame Verwaltung der Herzogtümer durch Ö & PR; aber andauernd Reibereien Konvention von Gastein 1865 Preußen bekommt Verwaltung über Schleswig, Kiel (wichtiger Kriegshafen) und Lauenburg; Österreich bekommt Holstein (umgeben von preußischem Gebiet und damit isoliert) - parallel: Geheimverhandlungen Bismarcks, weil dieser den Dualismus PR & Ö weiterhin kriegerisch lösen will c) Deutsch-deutscher Krieg 1866 - Ausgangslage: Russland ist seit Krimkrieg neutral zu Preußen; Napoleon III. glaubt, er würde linksrheinische Gebiete bekommen und bleibt somit auch neutral; Italien sagt in geheimen Bündnisvertrag zu, im Kriegsfall auf Seite von PR zu kämpfen (befristet auf 3 Monate) - Provokationen Bismarcks: 1. Einberufung einer Nationalversammlung, gewählt nach allgemeinem Stimmrecht – unannehmbar für den Vielvölkerstaat Ö 2. Zuspitzung der Konflikte um SCHL & HOL: Ö will Holstein-Frage dem Bundestag vorlegen; Bismarck deutet dies als Bruch des Gasteiner Abkommens Besetzung Holsteins durch Preußen Ö stellt Antrag auf Bundesexekution für PR PR tritt aus Dt. Bund aus - Bayern versucht erst zu vermitteln, um Dt. Bund zu retten; dann stellt sich Bayern auf Seiten Österreichs und stimmt auch der Mobilmachung der Bundeskontingente zum Schutz der Verfassung des Bundes zu; - Kriegsausbruch: Preußische Truppen besetzen Sachsen, Hannover und Kurhessen - Von der Pfordten wollte Krieg mit Verzögerungstaktik verhindern, aber begünstigte ihn eher mit seiner unentschlossenen Haltung gegenüber Preußen sowie durch Verhinderung der Modernisierung der bayerischen Armee Eintritt der bayerischen Armee in den Krieg für Österreich, ohne richtig ausgebildet zu sein (Max II. und Ludwig II. hatten beide am Heeretat gespart) - 3.7.1866: Entscheidungsschlacht bei Königgrätz (bayerische Armee vereinigte sich zu spät mit österreichischer); - süddeutsche Truppen kämpften noch weiter gegen Preußen; Waffenstillstand am 2. August 1866 - 1866 Frieden von Prag (zwischen Preußen und Österreich) / Frieden von Berlin (zwischen Preußen und Bayern) 3 Folgen: - Gründung des Norddeutschen Bundes: Preußen erhielt endgültig die Führungsrolle und annektierte zudem Hannover, Hessen-Nassau, Kurhessen und Frankfurt - Österreich schied aus dem deutschen Nationalstaat aus - Bayern geriet in Abhängigkeit: o Reparationszahlungen von 30 Millionen Gulden o Geringe Gebietsabtretungen o Schutz- und Trutzbündnis mit Norddeutschem Bund (im Kriegsfall muss Bayern auf Seiten des Bundes kämpfen) - Innenpolitische Folgen für Bayern o Von der Pfordten wird für Kriegsniederlage verantwortlich gemacht und muss als Vorsitzender des Ministerrats und als Außenminister für Hohenlohe-Schillingsfürst (preußenfreundlich; kleindeutsch orientiert) Platz machen o Preußischer Gesandter in Bayern, Werther von Beichlingen, setzte Bismarcks Vorstellungen in Bayern durch (dies war möglich wegen politischer Unfähigkeit von Ludwig II. und seiner Bauleidenschaft, wofür er finanzielle Unterstützung von Bismarck brauchte, sowie wegen des nationalliberalen, preußenfreundlichen Kabinetts) d) Zollverein/ Zollbund - Ab 1834 Deutscher Zollverein Ziel des Zollvereins war die Schaffung eines wirtschaftlichen Binnenmarkts und die Vereinheitlichung fiskalisch-ökonomischer Rahmenbedingungen; politisch stärkte er die Vormachtstellung Preußens und förderte die Entstehung der kleindeutschen Lösung. - - 1864 war Bayern zum Zollverein beigetreten (hatte zuvor immer versucht, den Beitritt Österreichs zum Zollverein fördern, um Macht Preußens zu schwächen) 1867 Zollbund Er nahm auf der Ebene der Zoll- und Handelspolitik einen einheitlichen Bundesstaat vorweg und verfügte erstmals über föderale Institutionen: Zollbundesrat und ein Zollparlament als Legislative unter preußischer Führung Folge: Süddeutsche Staaten waren so auch wirtschaftlich sehr eng an den Norddeutschen Bund angeschlossen e) Liberale Reformen und Rücktritt von Hohenlohe in den späten 1860ern - Liberales Ministerium (unterstützt durch Fortschrittspartei) führte innere Reformen durch, die Bayern Preußen anglichen, z.B. Schulwesen, Gewerbefreiheit 1868, Gründung der TU München, neue Bahnlinien usw. - Von Preußen gewünschte Erhöhung des Wehretats scheiterte jedoch am Einspruch der Patriotenpartei Entstehung der Patriotenpartei - Im Winter 1868/69: Zusammenschluss der konservativ-katholischen, großdeutsch eingestellten Kräfte in der Zweiten Kammer zur lockeren Gruppierung einer „Patriotischen Fraktion“ - Populäre Mitglieder: Joseph Edmund Jörg und Johann Baptist Sigl 4 - Wahl zum Zollparlament 1868 und Landtagswahl 1869: Katholische Gebiete wählten vermehrt konservativ; Großstädte und protestantische Regionen wählten liberal; Katholischer Konservativismus: Bewahrung der bayerischen Eigenstaatlichkeit und föderalistische Positionen Liberalismus: preußisch-protestantischer Staatsnationalismus Rücktritt von Hohenlohe wegen scharfen Angriffen von Jörg wegen propreußischer Politik; neuer Vorsitzender Graf Otto von Bray-Steiburg - - - - Deutsch-Französischer Krieg Auslöser: Frage der Thronkandidatur eines württembergischen Hohenzollern in Spanien diente als Provokation von Napoleon III. Frankreich erklärt Preußen den Krieg („Emser Depesche“) Bündnisfall (Schutz- und Trutzbündnis): Bray-Steinburg erklärte sich zu einer Unterstützung Preußens bereit, weil er bei einem Sieg Preußens ohne Bayern, das Ende Bayern befürchtete. In der Zweiten Kammer gab es Einwände der Patrioten, schließlich aber einen Umschwung – unter anderem wegen der Überzeugungsarbeit des preußischen Gesandten Werthern. Zwei bayerische Armeekorps unter Kronprinz Friedrich von Preußen (Generäle von der Tann und Hartmann) siegten mehrmals und waren auch bei der Schlacht von Sedan und der Belagerung von Paris beteiligt.. Gemeinsame Kämpfe und Siege erhöhten das National- und deutsche Einheitsgefühl Entscheidungsschlacht bei Sedan 1. September 1870 4. Die Reichsgründung an sich und die Rolle Bayerns a) Münchner Konferenz 22.-27. September 1870 - (Vor-)Verhandlungen der bayerischen Minister, dem preußischen Staatsminister Delbrück und dem württembergischen Minister Mittnacht - Bayern lehnt einen Eintritt in den Norddt. Bund ab b) Versailler Verhandlungen/ Novemberverhandlungen ab 24. Oktober 1870 - Bayern wird durch Minister Bray, Pranckh und Lutz vertreten (Ludwig II. lehnte ein Beisein ab); Harte Verhandlungen: Bayern forderte einen Doppelbund aus dem engeren Norddeutschen und einem weiteren (Süddeutschland einschließenden) Bund; Bismarck spielte die süddeutschen Staaten gegeneinander aus, sodass Bayern eine isolierte Verhandlungsrolle einnahm; deshalb: Zustimmung Bayerns zu einem Beitritt in den Norddeutschen Bund am 8. November 1870 - Im Gegenzug: Sonderrechte für Bayern (= „mehr Beruhigungspillen als wirkliche Souveränitätselemente“; siehe unten) - Österreich bedauerte den Entschluss Bayerns sehr c) Versailler Hauptvertrag 23. November 1870 (zw. Preußen und Bayern) - Beitritt Bayerns zum Norddeutschen Bund - Schlussprotokoll mit Sonderrechten 5 - Geheime Vereinbarungen mit Recht zur Entsendung bayerischen Bevollmächtigen zu Friedensverhandlungen Ludwig II. nahm keinerlei Einfluss auf die Abmachungen, sondern akzeptierte die von seinen Ministern getroffenen Entscheidungen im Nachhinein d) Kaiserbrief Ludwigs II. - Zweck: König von Preußen sollte als Oberhaupt des neuen Bundes einen Kaisertitel tragen, der die Reichseinheit verfestigte und die öffentliche Meinung befriedigte; Legitimation durch den bayerischen König im Namen aller Fürsten - Brief war von Bismarck vorformuliert - Ludwig II. erhielt für seine Unterschrift bis 1886 jährlich 100 000 Gulden bzw. 300 000 Mark zuzüglich einer Sonderzahlung von 1 Mio. Mark im Jahr 1884, von denen etwa 10 % an den vermittelnden Grafen Holnstein gingen, der das Geschäft in München eingefädelt hatte - Prinz Luitpold überreichte den Brief am 3. Dezember 1970 in Versailles an den preußischen König e) Rückzug Ludwig II. - Ludwig II. litt darunter, dass er den Oberbefehl über sein Heer im DeutschFranzösischen Krieg an den preußischen Kronprinz abgeben musste – allerdings beklagte er sich nur mäßig - Alle politischen Lager waren von seiner Rolle bei der Reichseinigung enttäuscht - Die konservative Patriotenpartei, die seit 1869 die Mehrheit im Landtag stellt, verzieh ihm den Kaiserbrief nie - Auch das nationalliberale Bürgertum begrub wegen Ludwigs Distanz seine Hoffnungen, die es ursprünglich auf ihn als „Ludwig den Deutschen“ gesetzt hatte Rückzug Ludwigs II. in die Bergwelt; er nahm weder an der Feier zum Sieg von Sedan noch an der Kaiserproklamation teil; er verließ die Bühne der Politik und überließ sie den Ministern und Beamten, die so ihre nationalliberale Politik mit seiner Duldung betreiben konnten So wurde Bayern immer mehr in das Reich eingebunden, ohne dass es Einsprüche von Ludwig II. gegeben hätte f) Ratifikation des Beitritts Bayerns im Landtag - 1. Januar 1871 als Geburtsstunde des Deutschen Reiches - Zustimmung Bayerns fehlte noch: o Kammer der Reichsräte hatte am 30. Dezember 1870 zugestimmt; o Kammer der Abgeordneten konnte sich nicht einigen; nach 10-tägiger Redeschlacht wechselten 31 Abgeordnete der Patriotenpartei die Seite und stimmten dem Beitritt zum Reich zu Ergebnis vom 21. Februar 1871: 102:48 für Beitritt (nur zwei Stimmen über der 2/3-Mehrheit); Verträge wurden rückwirkend zum 1. Januar 1871 in Kraft gesetzt 6 - Bismarck hatte die Abstimmung aber nicht mehr abgewartet: schon am 18. Januar 1871 Ausrufung vom Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles 5. Folgen der Reichsgründung für Bayern a) Die verfassungsrechtliche Stellung Bayerns im Reich - Bayern war nun kein souveräner Staat mehr und hatte wesentliche Rechte an den neuen deutschen Gesamtstaat (25 Mitgliedsstaaten) abgegeben - Ebenso wie die anderen Staaten behielt Bayern folgende Rechte: o Recht auf eine eigene Verfassung o Ausübung der Länderkompetenz im Bereich der Judikative, Legislative und Exekutive (hier besonders: Bildungs- und Kultusbereich sowie Polizeiwesen) o „unentziehbares Recht auf Existenz“, d.h. Bayern blieb Staat mit Staatsgebiet, Staatsvolk und eigenem Staatsrecht - Mitgliedschaftsrechte aller Staaten: o Sitz und Stimme im Bundesrat (Bayern hatte im Bundesrat 6 von 58 Stimmen; einfach Mehrheit im Bundesrat entschied über Reichsgesetze) - Besondere Mitgliedschaftsrechte für Bayern: o Stellvertretender Vorsitz im Bundesrat o Vorsitz im Bundesratsausschuss für auswärtige Angelegenheiten und im Ausschuss für das Landheer - Reservatrechte (Besondere Hoheitsrechte) für Bayern: o Oberbefehl über die bayerische Armee in Friedenszeiten o Ehe- und Immobilienversicherungswesen o Verwaltung des eigenen Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesens o Bier- und Branntweinsteuer o Heimat- und Niederlassungsrecht o Heeresfinanzwesen und Militärgesetzgebung - Gesandtschaftsrechte o Diplomatische Vertretungen im In- und Ausland o Bei allen Friedensverhandlungen durfte ein bayerischer Bevollmächtigter anwesend sein - Finanzielle Regelung o Einnahmen für das Reich: Zölle, Verbrauchssteuern (Tabak, Zucker, Salz etc.), Post und Telegraphenwesen (außer von Bayern) o Einnahmen für die Einzelstaaten: Direkte Steuer o Matrikularbeiträge der Einzelstaaten ans Reich b) Weitere Entwicklungen - Bayern wuchs mehr und mehr in das Gesamtreich hinein – trotz besonderer Rechte - Weitere Aushöhlung der bayerischen Eigenstaatlichkeit durch Rückzug von Ludwig II. aus der Politik und die schwache Position des Prinzregenten Luitpold 7 - - Rechtseinheit durch Bürgerliches Gesetzbuch 1896 und Handelsgesetzbuch 1897 Preußische Gesandte in Bayern, Georg Freiherr von Werthern, waltet wie ein Prokonsul in München: Ministerratsvorsitzende wurden nur noch mit Billigung aus Berlin ernannt Liberale, reichsfreundliche Minister (ernannt durch preußischen Einfluss) standen konservativ-katholischer Mehrheit in der Kammer der Abgeordneten gegenüber III. Schluss Fazit und Beantwortung der Leitfrage: Mit der Reichsgründung wurde in Europa und für die Einzelstaaten eine neue Ära eingeleitet. Bayerns ursprüngliche Ziele, die Gründung eines Dritten Deutschlands oder eines großdeutschen Reichs unter Einbezug Österreichs, scheiterten. Nach der Niederlage Österreichs, dem Verbündeten Bayerns, im Deutsch-Deutschen Krieg und durch das Schutz- und Trutzbündnis mit dem Norddeutschen Bund war es gezwungen, im DeutschFranzösischen Krieg auf Seiten Preußens zu kämpfen und sich nach dessen Sieg dem Reich anzuschließen. Bayern hat viel Selbstständigkeit abgeben müssen. Auch die Sonderrechte beschertem ihm nicht all zu viele, ausschlaggebende Eigenständigkeiten. Dennoch behielt es eine Sonderrolle als strenger Wahrer des Föderalismus und Vorkämpfer für die Rechte der Einzelstaaten. (Vgl. Treml S.87) Ausblick: Bayern spielte im Bundesrat eine wichtige Rolle und erhielt von Bismarck mehr Unterstützung als die anderen Staaten. Ab der innenpolitischen Wende schrieb Bismarck dem BR eine erhöhte Bedeutung zu, versuchte ihn aber auch vermehrt zum Instrument seiner Politik zu machen. Insgesamt kam dem BR im Vergleich zum Reichstag sehr wenig Gewicht zu. Nicht nur Reichsbegeisterung, z.B. innerhalb des liberalen Bürgertums, sondern auch partikularistische Strömungen, z.B. im Bayerischen Bauernbund und im Zentrum, waren innerhalb Bayerns zu verzeichnen. Als Wilhelm II. die Kaiserkrone übernahm, regte sich in Bayern harsche Kritik, besonders in der freien bayerischen Presse – nicht gegen das Reich, sondern gegen Preußentum und Militarismus. Bis zum Ende des WK I weitete sie sich bis zur Kritik an der bestehenden Reichsstruktur aus. IV. Literatur Albrecht, Dieter: Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1871-1918). In: Handbuch der Bayerischen Geschichte. Vierter Band. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Erster Teilband. Staat und Politik. Begründet von Max Spindler. Hrsg. v. Alois Schmid. 2. Auflage. München 2003. S.319-440. Hartmann, Peter Claus: Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute. 2. Auflage. Regensburg 2003. Treml, Manfred: Geschichte des modernen Bayern. Königreich und Freistaat. 3. neu bearbeitete Auflage. München 2006. Volkert, Wilhelm: Die politische Entwicklung von 1848 bis zur Reichsgründung 1871. In: Handbuch der Bayerischen Geschichte. Vierter Band. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Erster Teilband. Staat und Politik. Begründet von Max Spindler. Hrsg. v. Alois Schmid. 2. Auflage. München 2003. S.237-319. 8