Die Gründung des Kaiserreichs

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Die Gründung des Kaiserreichs
Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft
Die Industrialisierung sorgte verspätet, aber dafür umso
schneller für einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung
in Deutschland. Doch politisch änderte sich an den nach
den Napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress
1815 gefundenen Strukturen nichts. Immer noch hatte der
auf diesem Kongress ins Leben gerufene Deutsche Bund,
eine lockere Vereinigung von 35 deutschen
Fürstentümern, Bestand.
Auch die gescheiterte Revolution von 1848/49 brachte
nicht den von vielen Deutschen ersehnten Nationalstaat.
Mit der Niederschlagung der Revolution blieben auch die
Träume von einer demokratischen Ordnung und einem
deutschen Nationalstaat auf der Strecke.
Deutscher Krieg von 1866
1862 ernannte der preußische König Wilhelm I. den
Diplomaten Otto von Bismarck (1815-1898) zum
preußischen Ministerpräsidenten. Bismarcks Politik war
geprägt von zwei wesentlichen Grundzügen: In der
Innenpolitik war er entschlossen, die preußische Karikatur aus Wien, 1864
Monarchie gegen alle demokratischen Tendenzen zu (http://www.mrkunz.ch/ 16.11.09)
verteidigen; in der Außenpolitik strebte er nach der kleindeutschen Lösung (Deutschland ohne
Österreich und die angeschlossenen Staaten), die 1849 noch gescheitert war. Preußen sollte sich als
Vormacht zunächst in Norddeutschland, dann in ganz Deutschland gegen Österreich durchsetzen.
1864 kam es zu einem Krieg zwischen Dänemark, das sich das Herzogtum Schleswig einverleibt
hatte, und dem Deutschen Bund. Preußen und Österreich besiegten Dänemark in einem kurzen
Feldzug. Die Herzogtümer Schleswig und Holstein wurden in der Folge von Preußen und
Österreich gemeinsam verwaltet. Bismarck nutzte diesen Zustand, um Spannungen mit Österreich
zu schaffen.
Die anhaltenden Provokationen führten letztlich 1866 zum Krieg
zwischen Preußen und Österreich. Bayern hatte sich zusammen mit
Württemberg, Sachsen, Hannover und vielen anderen deutschen
Klein- und Mittelstaaten mit Österreich verbündet. Der Krieg
dauerte nur wenige Wochen. Am 3. Juli 1866 brachte die Schlacht
bei Königgrätz bereits die Entscheidung zugunsten der mit
moderner Technik ausgerüsteten preußischen Armee. An der
Vormachtstellung Preußens in Deutschland gab es nun keine
Zweifel mehr. Österreich schied aus dem Deutschen Bund aus und
Preußen annektierte alle Gebiete nördlich des Mains mit der
Ausnahme von Sachsen und Hessen-Darmstadt und gründete 1867
den Norddeutschen Bund.
Otto von Bismarck
(http://de.wikipedia.org/ 16.11.09)
Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 und Reichsgründung
Die europäischen Großmächte, insbesondere
Frankreich, beobachteten den Aufstieg
Preußens
zur
Vormacht
innerhalb
Deutschlands mit großer Sorge. Frankreich
war dazu entschlossen, eine endgültige
nationale Vereinigung Deutschlands unter
der Führung Preußens
nicht
ohne
entsprechende Entschädigung zu dulden. In
der Folge waren die Beziehungen zwischen
Preußen und Frankreich immer mehr von
gegenseitigem Misstrauen gekennzeichnet.
Im Jahr 1870 wurde ein wie der preußische
König aus dem Hause Hohenzollern
stammender Prinz als Nachfolger des
spanischen Königs vorgeschlagen. Hieraus
entwickelte sich ein diplomatischer Streit
zwischen Frankreich und Preußen, da
Frankreich eine Einkreisung fürchtete. Die
Situation, von Bismarck gesteuert („Emser
Karte des Deutschen Reichs
Depesche“), eskalierte und Frankreich
(http://de.wikipedia.org/ 16.11.09)
erklärte den Krieg. Nun sah Bismarck die
Gelegenheit gekommen, die nationale Einigung unter preußischer Führung gewaltsam
durchzusetzen.
Die Nachricht von der französischen Kriegserklärung löste in allen deutschen Staaten eine Welle
der nationalen Begeisterung aus. Die süddeutschen Staaten, seit 1867 in sogenannten „Schutz- und
Trutzbündnissen“ mit Preußen verbunden, kämpften gemeinsam unter preußischem Oberbefehl.
Schon am 2. September 1870 musste sich der französische Kaiser Napoleon III. mit seiner Armee
bei Sedan in Nordostfrankreich ergeben. Der Sieg löste in ganz Deutschland Begeisterungsstürme
aus, doch er bedeutete noch nicht das Ende des Krieges. Die Franzosen kämpften weiter, woraufhin
deutsche Truppen Teile Frankreichs besetzten und die Hauptstadt Paris einschlossen und belagerten.
Noch während der Krieg andauerte,
verhandelte
Bismarck
mit
den
süddeutschen Staaten über eine Aufnahme
dieser Staaten in den bereits bestehenden
Norddeutschen Bund. Doch an die Stelle
des Bundes sollte nun ein Reich treten, an
dessen Spitze der preußische König als
erblicher deutscher Kaiser stehen sollte.
Um die Zustimmung der süddeutschen
Staaten zu erleichtern, wurden den
Königreichen Württemberg und Bayern
sowie dem Großherzogtum Baden
sogenannte Reservatrechte eingeräumt.
Proklamation des Deutschen Kaiserreichs in Versailles
(http://de.wikipedia.org/ 16.11.09)
Bayern behielt so z. B. die Hoheit über das Militär in Friedenszeiten, konnte eigene
Auslandsgesandtschaften unterhalten, behielt Privilegien im Post- und Eisenbahnwesen und konnte
zu großen Teilen über die Einnahmen aus der Biersteuer verfügen.
Der bayerische König Ludwig II. unterzeichnete nach langen Verhandlungen den Königsbrief, in
dem der preußische König zur Annahme der Kaiserkrone aufgefordert wurde. Am 18. Januar 1871
wurde im Spiegelsaal von Versailles der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser
ausgerufen.
Die Bekanntgabe der Reichsgründung führte in
Deutschland verbreitet zu großen Freudenfesten. Viele
Menschen hatten sich lange nach der Verwirklichung
eines deutschen Nationalstaates gesehnt, wenn auch
vielleicht nicht unter diesen undemokratischen
Vorzeichen.
Die Ausrufung des Deutschen Reiches und seines
Kaisers
in
Versailles
sowie
die
harten
Friedensbedingungen, die von deutscher Seite gestellt
wurden, führten in Frankreich zu großer Verbitterung. Wie der Reichstag aussehen wird –
Bismarck hatte, die neuen Machtverhältnisse auf dem Karikatur aus einer Zeitung
(http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/ 16.11.09)
europäischen Kontinent vor Augen, vor zu harten
Friedensbedingungen gewarnt. Doch die preußische Militärführung konnte sich mit ihren
Vorstellungen durchsetzen: Frankreich musste hohe Reparationszahlungen leisten und ElsassLothringen an das Deutsche Reich abtreten. Damit war die Grundlage für eine tiefgehende
Feindschaft zwischen beiden Nationen gelegt, die nur wenige Jahrzehnte später einen noch
blutigeren Krieg heraufbeschwören sollte.
Reichsverfassung
Die vorgelegte Reichsverfassung entsprach in wesentlichen
Teilen der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Von den noch
in der Paulskirchenverfassung 1849 enthaltenen Grundrechten
war selbstverständlich keine Rede mehr.
Wilhelm I. (1797-1888)
(http://de.wikipedia.org/ 16.11.09)
Die oberste Gewalt im Reich ging nicht vom Volk aus, sondern
von den Fürsten des Reiches. Das Reich war somit kein
Volksstaat, sondern ein Bund der regierenden Fürsten. Deren
Vertreter im Bundesrat mussten alle vom Reichstag
verabschiedeten Gesetze billigen. Die Entscheidung über Krieg
und Frieden lag beim Kaiser des Reiches, der gleichzeitig
Oberbefehlshaber der Armee war. Zudem ernannte er den
Reichskanzler, der somit einzig von seinem Vertrauen und nicht
vom
Vertrauen
des
Reichstags
abhängig
war.
Mehrheitsverhältnisse im Reichstag waren für das politische
Handeln des Reichskanzlers formal ohne Bedeutung.
Von der Außen- und Sicherheitspolitik waren die Abgeordneten
des Reichstages ganz ausgeschlossen. Der Reichstag hatte nur Entscheidungsbefugnisse bei der
Gesetzgebung, der Festlegung des Staatshaushaltes und den Steuern.
Die Parteien
Insbesondere
seit
der
gescheiterten
Revolution von 1848/49 hatten sich immer
mehr Parteien gebildet, die für die Interessen
bestimmter
gesellschaftlicher
Gruppen
eintraten. 1866 war so, aufbauend auf
Vorgängerparteien, die Nationalliberale
Partei entstanden und 1870 das Zentrum.
Zunächst wurden nun alle drei Jahre, ab
1893 alle fünf Jahre die Abgeordneten für
den Reichstag nach allgemeinem Wahlrecht
gewählt. Wählen durften jedoch nur Männer.
Zudem war die Einteilung der Wahlkreise,
aus denen jeweils nur ein Abgeordneter in
den Reichstag gewählt werden konnte, zum Sitzung des Reichstags 1872
Nachteil der Arbeiterparteien vorgenommen (http://germanhistorydocs.ghi-dc.org 16.11.09)
worden. Bevölkerungsarme ländliche Wahlkreise, die traditionell eher konservativ wählten, waren
gegenüber den bevölkerungsreichen städtischen Wahlkreisen, in denen man eher Arbeiterparteien
wählte, eindeutig im Vorteil.
Im Wesentlichen waren es vier große Parteien, die die meisten Abgeordneten im Reichstag stellten:
-
Nationalliberale: Ihre Wähler stammten in der Regel aus dem Bürgertum und der Wirtschaft.
-
Konservative: Sie wurden meist von adligen Gutsbesitzern und Offizieren gewählt.
-
Zentrum: Diese Partei setzte sich für die Interessen der Katholiken im Reich ein.
-
Sozialdemokraten: Sie wurden von den Arbeitern und kleinen Angestellten gewählt. Ihre
Abgeordnetenzahl wurde immer größer. 1912 stellten sie mit 110 Abgeordneten die größte
Fraktion, blieben jedoch stets von einer direkten Beteiligung an der Macht im Reich
ausgeschlossen.
Im Lauf der Zeit nahm der Einfluss des Reichstages auf die Reichsregierung immer weiter zu.
Insbesondere die Bewilligung von Steuern und Ausgaben für Verwaltung und Militär wurde zu
einem wichtigen Druckmittel gegenüber der Reichsregierung. Zunächst fanden sich jedoch immer
Mehrheiten für deren Politik; zuerst wurde sie von den Nationalliberalen unterstützt, dann von den
Konservativen und dem Zentrum.
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