Otto von Bismarck (Bild unten), der im September 1862 durch seine Lückentheorie im Verfassungskonflikt preußischer Ministerpräsident wurde, war eine wichtige Persönlichkeit, ohne die es vielleicht nie zur Reichsgründung gekommen wäre. Er war der Drahtzieher der drei Einigungskriege, er verhalf Deutschland zu einer Verfassung, ja er war sogar der Mann der hinter König Wilhelm stand und dessen Entscheidungen beeinflusste. Der erste Weg zur Reichsgründung war der dänische Krieg 1864. Er kam zustande, weil König Christian IX. von Dänemark (1863 – 1906) ein neues Grundgesetz erließ, das Schleswig einschloss. Damit setzte er sich im Dezember 1863 über das von den Großmächten 1852 vereinbarte und geltende Londoner Protokoll hinweg, welches Schleswig einen Sonderstatus zugestand. Nach einem vergeblichen Protest marschierten im Auftrag des Deutschen Bundes sächsische und hannoversche Truppen in Holstein und Lauenburg ein. Nach der Besetzung Schleswigs am 1. Februar drangen preußische und österreichische Truppen bis nach Nord-Jütland vor. In einem blutigen Sturmangriff nahmen preußische Verbände die Düppeler Schanzen, östliches Nordschleswig, am 18. April ein, worauf die Dänen kapitulierten, zumal die Insel Alsen ebenfalls besetzt wurde . Im Frieden von Wien (30. Oktober 1864) wurde festgelegt, dass Dänemark die Herzogtümer an Österreich und Preußen abtritt. Damit sich Österreich und Preußen nicht in die Quere kommen, vereinbarten beide Mächte bei „Fortdauer der gemeinsamen Oberhoheit“ in der Gasteiner Konvention (14. August 1865) den „Übergang der Verwaltung in Schleswig an Preußen und in Holstein an Österreich“. Doch der Friede dauerte nicht lange an, denn wegen Reibungen zogen Österreichs Ministerrat und Preußens Kronrat beide unabhängig voneinander in der zweiten Februarhälfte 1866 die Konsequenz: man will Krieg, aber man will ihn nicht selbst anzetteln. Einer von vielen Gründen für diesen Entschluss war Bismarcks Versuch, Österreich auszuschließen. Dies versuchte er beispielsweise, indem er eine Einberufung einer „aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht der ganzen Nation hervorgehenden Versammlung“ beantragte, „zwecks der Beratung der Regierungsvorlagen zur Bundesreform“. Doch Bismarck scheiterte mit seiner Strategie, die nationale Bewegung und das „dritte Deutschland“ gegen Österreich zu gewinnen, denn die Mittel- und Kleinstaaten lehnten jede Vergrößerung der preußischen Stellung ab und waren eher auf Österreichs Seite. Da es Differenzen zwischen den beiden Mächten wegen der Verwaltung der beiden Herzogtümer gab, kündigte Österreich am 26. April an, dass es die Schleswig – Holstein Frage in die Hände des Bundes lege und tat dies am 1. Juni auch. Es berief die Stände in Holstein ein und das wertete Preußen als Drohung und besetzte am 7. Juni mit seinen Truppen Holstein, ohne dass ein Schuss fiel. Diese bewusste Verletzung des Bundesrechts beantwortete Österreich mit einem Antrag beim Bund auf Mobilisierung aller nichtpreußischen Kontingente, was Preußen wiederum dazu brachte, das Ende des deutschen Bundes zu erklären. Dazu kam noch, dass Sachsen, Hannover und Kurhessen ein preußisches Ultimatum ablehnten und deswegen preußische Truppen in diese Staaten marschierten, was dazu führte, dass der Bundestag die Bundesexekution gegen Preußen am 14. Juni beschloss. Generalstabchef Helmuth von Moltke (Bild rechts)kennzeichnete den Charakter bzw. das Ziel des Krieges aus preußischer Sicht durchaus zutreffend: Es war ein „im Kabinett als notwendig erkannter, längst beabsichtigter und ruhig vorbereiteter Krieg, nicht für Landerwerb oder materiellen Gewinn, sondern für ein ideelles Gut – Machtstellung“. Der Machtanspruch Preußens in Deutschland stand allerdings gegen den gleich legitimen Anspruch Österreichs. Entgegen allen Erwartungen war der preußisch – österreichische Krieg von kurzer Dauer, was vielleicht daran lag, dass Österreichs Armee zahlenmäßig stärker, aber dafür in Planung, Befehlsstruktur und Bewaffnung der preußischen weit unterlegen war. Am 29. Juni waren die hannoverschen Truppen von den preußischen im Gefecht bei Langensalza geschlagen. Preußen siegte am 14. Juli auch gegen die vereinigten Truppen der süddeutschen Staaten und Kurhessens (ca. 100 000 Mann). Die Entscheidung zugunsten Preußens fiel aber zuvor am 3. Juli auf dem Schlachtfeld von Königgrätz (auch wenn der Hauptteil der österreichischen Truppen entkommen konnte). Dort fielen 9000 Preußen und 25 000 Österreicher. So war der etwa einhundert Jahre dauernde Dualismus in Deutschland mit einem Schlage entschieden. Nach dem Vorfrieden von Nicklosburg am 26. Juli wurde am 23. August 1866 der Frieden von Prag geschlossen. Darin erkannte Österreich die Auflösung des deutschen Bundes an und stimmte der Neugestaltung Deutschlands auf kleindeutscher Basis zu. Da Österreich dem zustimmte und aus dem deutschen Staatsverband ausschied, musste es neben den 40 Millionen preußischen Talern nur Venetien an Italien abtreten, die Gebietsverluste waren also relativ gering. Weitere Erfolge zu dieser Zeit waren für Preußen zum einen, dass es am 22. August Schutz und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten beschloss, die besagten, dass man sich gegenseitig die volle militärische Hilfe unter dem preußischen Oberbefehl gab und zum anderen, dass Mitte Oktober die ehemaligen deutschen Kriegsgegner Preußens mit diesem getrennte Friedensverträge unterzeichneten, worin der Prager Friede anerkannt wurde. Ersteres war dann später im Krieg gegen Frankreich von großer Bedeutung. Ungefähr zeitgleich wurde auch die Verfassung des neugegründeten und von Preußen geführten Norddeutschen Bundes ausgestaltet, die dann mit einer Reihe von Änderungen 1871 auf das gesamtdeutsche Reich ausgedehnt wurde und bis zu dessen Ende 1918 gültig blieb. Nach dem preußisch – österreichischen Krieg hatte Bismarck schon eins seiner Ziele erreicht – er hatte die kleindeutsche Lösung, also ein Deutschland ohne Österreich. Die kleindeutsche Lösung war auch wichtig für die 1971 folgende Reichsgründung. Doch bevor es dazu kam, kam es erst zum deutsch – französischen Krieg. Alles begann damit, dass die spanische Regierung im Februar 1870 dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern – Sigmaringen Spaniens Krone anbot und dieser am 21. Juni annahm. Am 3. Juli wurde es öffentlich und Frankreich sah dies als Provokation und strebte den Verzicht an. Frankreich sah seine Macht über Preußen gefährdet und wollte es demütigen, am 6. Juli dramatisierte der Außenminister Gramont die Lage erheblich, als er in der Kammer unter Beifallstürmen ankündigte, sein Land werde es nicht dulden, „dass eine fremde Macht, indem sie einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setzt, das gegenwärtige Gleichgewicht der Kräfte in Europa zu unseren Ungunsten verändert und die Interessen und die Ehre Frankreichs gefährdet.“ Eine unmissverständliche Kriegsdrohung schloss sich an („unsere Pflicht ohne Zaudern und ohne Schwäche zu erfüllen wissen“). Am 12. Juli verzichtete er dann auf den Thron, aber Frankreich wollte eine bindende Zusage des preußischen Königs, auch künftig keine Zustimmung zur Kandidatur zu geben, die Wilhelm jedoch verweigerte. Diese Forderung „war der schwerste Fehler der französischen Politik während der Julikrise, durch welchen Frankreich den diplomatischen Sieg in der Frage der Hohenzollernkandidatur verspielte und die entscheidende Verantwortung für den Kriegsausbruch auf sich lud“. (Kolb) Die Entscheidung zum Krieg fiel in Paris am 13. Juli durch den Kaiser und Ministerrat und zwar bevor Bismarck den Bericht über die Zurückweisung der Forderung aus Bad Ems („Emser Depesche “)für die Veröffentlichung veränderte und den Wortlaut und Ton verschärfte, ohne den Inhalt gesamt zu verändern. Dies hatte zur Folge dass Frankreich in Wut geriet und am 14. Juli die Mobilmachung beschloss. Die Süddeutschen Staaten anerkannten den Bündnisfall und kämpften gemeinsam mit den Truppen des Norddeutschen Bundes (ca. 500 000 Mann) in drei Armeen gegen ca. 290 000 Franzosen, die in der Bewaffnung fast gleichwertig, aber in Strategie und Führung unterlegen waren. Außerdem überließen sie dem deutschen Gegner die Offensive. Nach einigen äußerst blutigen, zugunsten der Deutschen verlaufenden Kämpfen gelang die Einschließung der letzten Armee unter McMahon bei Sedan (Bild unten), wo sie am 2. September kapitulierte. Mir 100 000 Franzosen geriet auch der Kaiser in Gefangenschaft. Deutschland und Frankreich hatten zusammen etwa 190 000 Tote zu beklagen. Frankreich musste neben Kriegsentschädigung auch noch Elsass – Lothringen abgeben, was Bismarck folgendermaßen rechtfertigte: „Nicht um Elsass – Lothringen wieder an Deutschland zu bringen, sondern nur um den Franzosen einen neuen Angriffskrieg zu erschweren, müssen wir die beiden Festungen, Straßburg und Metz, besitzen.“ Nach dem Sieg über Frankreich fand am 1. Januar 1871 die Reichsproklamation in Versailles statt. Obwohl dies ein sehr wichtiger Schritt war, trat das Reich „nicht spektakulär ins Rampenlicht der Geschichte“. Im Gedächtnis blieb lediglich die Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, im Lande des Gegners, mit dem erst 10 Tage später Waffenstillstand geschlossen wurde. Nach außen sichtbar „wurde ein Akt der Fürsten vollzogen“ – glanzvoll, aber doch erst später zum großen Ereignis erklärt – als der preußische König zum „Kaiser Wilhelm“ durch den badischen Großherzog ausgerufen wurde. Aber die Spannungen, die unter der Oberfläche lauerten, waren kaum verdeckt. Denn König Wilhelm war zunächst keineswegs bereit, den Kaisertitel anzunehmen, denn für ihn gab es nichts höheres als den Rang eines Königs von Preußen, ja er betrachtete die Kaiserwürde zunächst sogar als Abschiebeversuch auf einen Ehrenposten. Verächtlich soll er gesagt haben: „was soll mir der Charaktermajor?“ (Bezeichnung für einen Majorsrang ohne Bedeutung, den man einem Hauptmann zur Pensionierung zu verleihen pflegte). Zumal lagen der König und Bismarck über die Weiterführung der Krieges im Streit. So waren diese Wochen im Hauptquartier in Versailles voller Spannungen und Schwierigkeiten und am Tag vor der Proklamation brach es sogar aus dem alten Kaiser heraus: „Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens. Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe, und daran sind sie, Graf Bismarck, schuld!“. König und Kanzler stritten bis kurz vor Beginn des Festaktes über die Frage, ob es „Kaiser von Deutschland “, „Deutscher Kaiser“ oder „Kaiser der Deutschen“ heißen sollte. Großherzog von Baden, dem das erste Wort unter den anwesenden Fürsten zustand, zog sich aus der Affäre indem er ihn „Kaiser Wilhelm“ nannte. Wie verärgert der Kaiser war, erkannt man, als er nach der feierlichen Kaiserproklamation, die Bismarck verlesen hatte und allein vor ihm stand, diesen ignorierte und an ihm vorbei ging und den hinter ihm stehenden Generälen die Hand gab. Die Kaiserproklamation hatte den Stil einer militärischen Kundgebung und vollzog sich darum nicht so glänzend, staatsmännisch und wohlgeordnet, wie sie Anton von Werners berühmtes Gemälde zeigt. Aber so ging sie in das Bewusstsein der Deutschen ein, begleitet von folgenden Worten Bismarcks: „den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Uns aber und unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.“ Die Deutschen hatten nun ein geeintes Reich, sie hatten einen Kaiser, auch wenn dieser damit bis ans Ende seines Lebens nicht besonders glücklich war. Die nationale Begeisterung in einer heute schwer vorstellbaren Weise schlug hoch. Heinrich von Sybel, liberaler Politiker und Historiker schwärmte: „Wodurch hat man die Gnade Gottes verdient, so große und mächtige Dinge erleben zu dürfen? Und wie wird man nachher leben? Was 20 Jahre der Inhalt alles Wünschens und Strebens gewesen, ist nun in so unendlicher herrlicher Weise erfüllt!“ In ihrer Freude wurden nun Nationaldenkmäler errichtet, die an dieses Ereignis erinnern sollten und die uns heute noch erhalten sind. Susanne Luger, KS 12/1 Quellen: - Leske & Budrich, „Deutschland im 19. Jahrhundert“ – Entwicklungslinien; Manfred Görtemaker, 1983 - Weltbild, „Die deutsche Geschichte“ – Band 3, 1756 – 1944; Dr. Christian Zentner, 2001 - J.B.Metzler, „Deutsche Geschichte“ – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 4. erweiterte Auflage, Martin Vogt, 1997 - Prisma Verlag, „Deutsche Geschichte“ – Von der Restauration bis zur Reichsgründung 1815 – 1871, Teil 9, Prof. Dr. Winfried Böhm, 1984