Wichtige Vokabeln zum Thema:

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Wichtige Vokabeln zum Thema:
die Annahme = acceptance
annektieren = to annex
beitreten = to join, to enter
die Bewegung = movement
der Bund = alliance
die Demütigung = humiliation
eingliedern = to integrate, incorporate
die Einigung = unification
die Erweiterung = expansion, enlargement
die Fahne = flag
der Fürst = prince, ruler
genehmigen = to approve
die Gründung = formation, foundation
das Herzogtum = duchy, dukedom
hissen = to wave (a flag)
die Kaiserwürde = emperorship
nachkommen = to comply
der Nationalismus = nationalism
der Patriotismus = patriotism
die Pflicht = duty
die Schmach = dishonor
die Verfassung = constitution
die Verhandlung = negotiation
der Vertrag = treaty, agreement
die Vorherrschaft = dominance
die Vormachtstellung = supremacy
Die Gründung des Deutschen Reiches 1871
(Adaptiert vom LeMO, Lebendiges virtuelles Museum Online: http://www.dhm.de/lemo/)
Nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 erstarrte der Einigungsprozess in Deutschland
zunächst für einige Jahre. Erst Ende der 1850er Jahre gewann die deutsche Nationalbewegung
wieder an Schwungkraft, und die Gründung des Königreichs Italien 1861 galt vielen Deutschen
als Vorbild. Sie strebten einen deutschen Nationalstaat unter Einschluss Österreichs an, doch der
Preußisch-Österreichische Krieg von 1866 um die Vorherrschaft im Deutschen Bund ließ die
Beteiligung Österreichs am deutschen Einigungsprozess in weite Ferne rücken. Der preußische
Ministerpräsidenten Otto von Bismarck erkannte während des für Preußen siegreichen Kriegs die
Schubkraft des nationalen Gedankens und suchte sie zu nutzen. Über die Machterweiterung
Preußens und die Errichtung von dessen Hegemonie in Deutschland auf Kosten Österreichs trieb
er die Einigung voran. Preußens Sieg über Österreich in der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli
1866 zwang die Donaumonarchie aus dem Deutschen Bund und legte den Grundstein eines
deutschen Nationalstaats unter preußischer Vorherrschaft. Preußen annektierte die im so
genannten Deutschen Krieg mit Österreich verbündeten Staaten Hannover, Kurhessen, Nassau
und Frankfurt am Main sowie die Herzogtümer Schleswig und Holstein und entthronte die
jeweiligen Herrscher.
Mit dieser Gebietserweiterung war die von Preußen lange ersehnte Landverbindung zwischen
den Altprovinzen und dem wirtschaftlich bedeutenden Rheinland hergestellt. An Stelle des
aufgelösten Deutschen Bunds setzte Bismarck den Norddeutschen Bund, in den alle deutschen
Staaten nördlich der Mainlinie eingegliedert wurden. Der Norddeutsche Bund war kein lockerer
Staatenbund mehr, sondern ein Bundesstaat mit dem Bundeskanzler - in Doppelfunktion vom
preußischen Ministerpräsidenten Bismarck ausgeübt -- als oberstes Regierungsorgan, mit
einheitlicher Außen- und Militärpolitik sowie mit Verfassung und Militär. Preußens zunehmende
Hegemonie in Deutschland betrachtete vor allem Frankreich mit großer Sorge, das um seine
Vormachtstellung in Mitteleuropa fürchtete. Bismarck gelangte zu der Überzeugung, dass eine
militärische Auseinandersetzung mit Frankreich nur eine Frage der Zeit sei und sah in einem
Krieg das geeignete Mittel, den Einigungsprozess Deutschlands “durch Blut und Eisen” zu
vollenden. Da sich die süddeutschen Staaten zur Waffenbrüderschaft mit Preußen verpflichtet
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hatten, sollten sie in einem gemeinsam gegen Frankreich geführten Krieg auch politisch in das
neue Reich eingebunden werden. Anlass zu einem Krieg bot der Konflikt um die Thronfolge in
Spanien, in deren Folge und nach gegenseitigen Provokationen Frankreich dem Königreich
Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg erklärte.
Die patriotische Begeisterung in Deutschland schlug 1870 ähnlich hohe Wellen wie in den
Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 gegen Napoleon I. (1769-1821). Die süddeutschen Staaten
zögerten nicht, ihren Bündnis-verpflichtungen nachzukommen und sich an die Seite Preußens zu
stellen. Am 2. September 1870 gelang den verbündeten deutschen Truppen der entscheidende
Sieg bei Sedan. Dabei geriet auch Kaiser Napoleon III. (1808-1873) in deutsche Gefangenschaft
und wurde von Bismarck zu König Wilhelm I. (1797-1888) von Preußen geleitet. Während die
deutschen Truppen nach Paris vorstießen und den Belagerungsring um die Hauptstadt schlossen,
betrieb Bismarck ab September 1870 diplomatische Verhandlungen mit den süddeutschen
Staaten, um noch während des Deutsch-Französischen Kriegs die Reichseinigung als
“Revolution von oben” zu vollenden. Unter dem Eindruck des Kriegs traten die süddeutschen
Staaten dem Norddeutschen Bund bei und machten damit den Weg für die Reichseinigung frei.
Die langwierigen
Verhandlungen fanden
ihren Abschluss in den
“Novemberverträgen”:
Sie umfassten den
Vertrag mit Baden und
Hessen über die
Gründung des
Deutschen Bunds -- so
die ursprünglich
vorgesehene
Bezeichnung des
Deutschen Reichs -vom 15. November, die
norddeutsche
Militärkonvention vom
25. November sowie
die Verträge mit den
Königreichen Bayern
und Württemberg über
den Beitritt zur Deutschen Bundesverfassung vom 23. und 25. November 1870.
Die Verfassung des Deutschen Reichs, die mit Wirkung zum 1. Januar 1871 in Kraft treten
sollte, musste zunächst durch den Bundesrat, den Reichstag des Norddeutschen Bunds und die
süddeutschen Kammern genehmigt werden. Eine Deputation des Reichstags reiste anschließend
ins Hauptquartier nach Versailles, um Wilhelm I. um die Annahme der Kaiserwürde zu bitten
und so das Werk der Einigung zu vollenden. Der preußische König kam diesem Ansinnen am 18.
Dezember 1870 nach, genau einen Monat später -- auf Wunsch Wilhelms I. am 170. Jahrestag
der Erhebung des Kurfürsten von Brandenburg zum König in Preußen vom 18. Januar 1701 --
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riefen die versammelten deutschen Fürsten und hohe Militärs im Spiegelsaal von Versailles
Wilhelm I. zum “Deutschen Kaiser” aus.
Der Maler Anton von Werner war Augenzeuge der Kaiserproklamation, die er später in
mehreren Kunstwerken darstellte. Auf
einer vierstufigen Estrade des
Spiegelsaals steht Wilhelm, umgeben
von den deutschen Fürsten. Bismarck,
nur leicht aus der Mitte des Bildes
gerückt und frontal zum Betrachter
stehend, hat gerade die
Proklamationsurkunde verlesen.
Wilhelm I. hatte in einer von Bismarck
verfassten kleinen Ansprache die
Annahme der “Kaiserwürde für Mich
und Meine Nachfolger in der Krone
Preußens” bestätigt und seinen
Entschluss in der von ihm erlassenen
und von Bismarck verlesenen
Proklamation dem deutschen Volke
kund getan.
Nach der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 hissten am folgenden Tag die deutschen
Belagerer auf der Festung Vanves südwestlich von Paris die deutsche Fahne in Schwarz-WeißRot, die Farben des Norddeutschen Bunds, die das neu gegründete Kaiserreich übernahm. In
Deutschland waren die meisten Menschen im nationalen Überschwang und in nahezu einmütiger
Geschlossenheit begeistert über die Reichseinigung, auch wenn vor allem in den süddeutschen
Staaten Skepsis aufgrund von Animositäten gegenüber Preußen zu vernehmen war. Für die
Franzosen bedeutete die Kaiserproklamation in dem nationalen Identifikationsort von Versailles
sowie vor allem die Abtretung Elsaß-Lothringens an Deutschland Schmach und Demütigung.
Die Kaiserproklamation “An das Deutsche Volk”
Die von Bismarck verlesene Proklamation an das deutsche Volk über die Annahme der
deutschen Kaiserwürde durch den König von Preußen:
“Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, nachdem die deutschen Fürsten und
freien Städte den einmütigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des Deutschen Reichs
die seit mehr denn sechzig Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu
übernehmen, und nachdem in der Verfassung des Deutschen Bundes die entsprechenden
Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden hiermit, dass Wir es als eine Pflicht gegen das
gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem Ruf der verbündeten deutschen Fürsten und
Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen.
Demgemäß werden Wir und Unsere Nachfolger an der Krone Preußens fortan den kaiserlichen
Titel in allen Unseren Beziehungen und Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen, und
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hoffen zu Gott, dass es der deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer
alten Herrlichkeit das Vaterland einer segensreichen Zukunft entgegenzuführen. Wir
übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die
Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit
Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in
der Hoffnung, daß dem deutschen
Volke vergönnt sein wird, den Lohn
seiner heißen und opfermutigen
Kämpfe in dauerndem Frieden und
innerhalb der Grenzen zu genießen,
welche dem Vaterlande die seit
Jahrhunderten entbehrte Sicherung
gegen erneute Angriffe Frankreichs
gewähren.
Uns aber und Unseren Nachfolgern an
der Kaiserkrone wolle Gott verleihen,
allezeit Mehrer des Deutschen Reiches
zu sein, nicht an siegreichen
Eroberungen, sondern an den Gütern
und Gaben des Friedens auf dem
Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit
und Gesittung.
Gegeben Hauptquartier Versailles, den
17. Januar.
Wilhelm”
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