Ludwig II. galt als schwärmerischer Träumer (Spielszene). Ludwig II. und die Bayern Der Märchenkönig Zwischen bayerischer Freiheit und deutscher Einheit Mythen und Legenden ranken sich um die Gestalt Ludwigs II. von Bayern (1845-1886), den man den "Märchenkönig" nennt. Er habe die Politik gescheut und sich vor allem seinen schwärmerischen Leidenschaften hingegeben: den Opern Richard Wagners und dem Bau prunkvoller Schlösser wie Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee. Doch Ludwig war keineswegs nur ein versponnener Träumer, sondern verfolgte klare politische Ziele: Er glaubte an das "Dritte Deutschland", an eine eigenständige Kraft neben Preußen und Österreich. Der föderale Staatenbund der kleinen und mittleren deutschen Länder war Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gegenmodell zu einem Bundesstaat unter preußischer Führung. Scheitern wird die Vision am politischen Genie Otto von Bismarcks und der militärischen Stärke des Hohenzollern-Staats. Infobox Eckdaten 25. August 1845: Geburt Ludwigs II. 10. März 1864: Ludwigs Vater Maximilian II. stirbt. Am selben Tag wird der 18-Jährige zum König von Bayern proklamiert. 11. Mai 1866: Ludwig II. unterschreibt den Mobilmachungsbefehl. Bayern tritt an der Seite Österreichs in den Krieg mit Preußen ein 22. Januar 1867: Verlobung mit Sophie von Bayern, im selben Jahr wieder gelöst 5. September 1869: Grundsteinlegung für Schloss Neuschwanstein, das erst nach dem Tod Ludwigs fertig gestellt wird 30. November 1870: Ludwig II. unterschreibt den von Bismarck entworfenen "Kaiserbrief", in dem er den Preußenkönig Wilhelm I. bittet, den Titel eines Deutschen Kaisers anzunehmen. 1874 bis 1878: Bau des Schlosses Linderhof 21. Mai 1878: Baubeginn des Schlosses Herrenchiemsee nach Vorbild des Schlosses Versailles. Es wird nie fertig gestellt 10. Juni 1886: Entmachtung von Ludwig II. 13. Juni 1886: Ludwig II. stirbt unter ungeklärten Umständen im Starnberger See. Exotische Randfigur Im "Deutschen Krieg" von 1866 setzte sich Preußen nicht nur gegen Österreich, sondern auch gegen die mit Habsburg verbündeten "dritten" deutschen Staaten durch. Bayern verlor nach dem Friedensvertrag mit Preußen die Kontrolle über die eigene Armee. Ein Souveränitätsverlust, der sich mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870 fortgesetzt hat. Bismarck nutzte den militärischen Triumph zur Schaffung des Deutschen Kaiserreichs. In diesem geeinten Reich wurde der Bayerische König mehr und mehr zur exotischen Randfigur. Er verlegte sich fortan auf das Bauen, um wenigstens auf dem Gebiet der Architektur seiner Herrschaft einen Rest von Glanz und Würde zu verleihen. Fernab der Residenzstadt München errichtete er Schlösser, die als weithin sichtbare Monumente an die Epoche des Absolutismus erinnern sollten. Historiker sprechen über die Persönlichkeit Ludwigs II. Hochverschuldet Bald konnte der König seine kostspieligen Bauvorhaben nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren. Hochverschuldet drohte Ludwig auch seiner Regierung. Ihrer Absetzung wollten die Minister mit einem Staatsstreich zuvor kommen. Der Machtkampf kostete dem letzten "wahren" König Bayerns das Leben. Wie der Monarch ums Leben kam, ist bis heute ungeklärt und wird in diesem Film anhand verschiedener Szenarien beleuchtet. * Das Zündnadelgewehr verhalf Preußen zum Sieg (Spielszene). Ludwig II. und die Bayern Der Deutsche Krieg Eskalation des Konflikts zwischen Preußen und Österreich Mit dem Ausstieg Preußens aus dem Deutschen Bund am 14. Juni 1866 bahnte sich der entscheidende Schlagabtausch an. In Berlin hielt man einen Konflikt schon seit einigen Monaten für unausweichlich. Mit einem bereits im April 1866 geschlossenen geheimen Angriffsbündnis mit dem Königreich Italien legte es Preußen darauf an, Österreich in einen Zweifrontenkrieg zu zwingen. Mit diplomatischen Vorkehrungen sorgte Bismarck dafür, dass Frankreich und Russland nicht in den deutschen Konflikt eingriffen. Auf französischer Seite war man sich indes auch sicher, dass ein Eingreifen angesichts der vermeintlichen militärischen Überlegenheit Österreichs unnötig sei. Bahn ermöglicht blitzartigen Aufmarsch Aufseiten der preußischen Truppen hatte General Helmuth von Moltke den Oberbefehl. Der 65-jährige Feldherr bereitete das Vorgehen minutiös vor. Eine wichtige Rolle bei dem - für damalige Verhältnisse - blitzartigen Aufmarsch kam dem inzwischen flächendeckenden Bahnnetz in Deutschland zu. Moltke ließ die Verbände auf unterschiedlichen Strecken zum geplanten Kriegsschauplatz in Böhmen bringen. Dem preußischen Generalstab standen fünf Bahnlinien zur Verfügung, während Österreich nur auf eine Verbindung zurückgreifen konnte. Im Vorfeld wies von Moltke mit einem Memorandum an König Wilhelm I. auf die Gefahren hin, die insbesondere die bayerische Bahnlinie Regensburg - Pilsen - Prag für die preußischen Kriegspläne bedeutete. Bayerns Neutralitätswunsch In seiner Denkschrift vom 02. April 1866 ließ sich der preußische General auch über den Zustand der bayerischen Armee aus: "Das für den Krieg so wenig vorbereitete Bayern ist mit Rüstung, Mobilmachung und Konzentration seiner 40.000 Mann aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht fertig, wenn schon die erste Schlacht zwischen Oesterreich und Preußen geschlagen wird." Der weitsichtige General sollte recht behalten. Bayern war in keiner Weise auf eine militärische Auseinandersetzung vorbereitet. Das lag auch am politischen Kurs seines Monarchen. Ludwig II. wollte eigentlich neutral bleiben und Bayern aus dem direkten Kriegsgeschehen heraushalten. Aber Österreich pochte auf die Einhaltung der im Deutschen Bund vereinbarten Bündnispflichten. Bayern und sein König lavierten zwischen Neutralitätswunsch und Bündnispflicht. Für die Zukunft Bayerns sollte sich diese Strategie sogar als vorteilhaft erweisen. Ludwig II.: "Ich will keinen Krieg!" In Armee und Öffentlichkeit wurde das Verhalten des Königs aber als Zaudern und schlimmer noch - als Desinteresse verstanden. Der inzwischen 21-jährige König hatte die Euphorie, die seine jugendlich schöne Gestalt nach der Thronbesteigung auslöste, bereits fast gänzlich verspielt. In den Augen der Öffentlichkeit waren vor allem die Begünstigungen, mit denen er den Komponisten Richard Wagner überschüttet hatte, auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Ludwigs Verhalten im sich anbahnenden Deutschen Krieg verstärkte die Entfremdung zwischen Teilen des Volkes und dem König. Wiederholt war von ihm der Ausspruch zu hören: "Ich will keinen Krieg!" Alle relevanten Entscheidungen überließ er seinen Ministern. Nach großen Widerständen konnte er schließlich doch noch dazu bewegt werden, den für Ende Mai 1866 einberufenen Landtag mit einer Thronrede persönlich zu eröffnen. In dem kurzen Auftritt bekräftigte Ludwig seinen Friedenswillen, betonte aber auch die Bündnistreue Bayerns. Dieser kam er mit seinem Befehl zur Mobilmachung auch nach. Desolater Zustand der bayerischen Armee Die bayerische Armee befand sich zu Kriegsbeginn 1866 in einem desolaten Zustand. Ausrüstung und Organisation waren seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. Bereits auf das Jahr 1849 datierte der letzte Einsatz bayerischer Truppen, als es um die Niederschlagung der badischen und der pfälzischen Revolutionsbewegungen ging. So wie es von Moltke prognostiziert hatte, benötigte die bayerische Armeeführung bis Ende Juni, um ihre Truppen gefechtsbereit an Bayerns Nordgrenze zu postieren. Zu diesem Zeitpunkt hatten die preußischen Verbände das Königreich Sachsen bereits überrannt. Das Königreich Hannover stand kurz vor der Kapitulation. Die süddeutschen Staaten blieben zunächst bei ihrer Strategie und beschränkten sich darauf, das jeweils eigene Territorium zu beschützen. Erst als die militärische Lage nahezu aussichtslos war, beschlossen die antipreußischen Verbände eine Zusammenführung ihrer Truppen an der Mainlinie. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen. Niederlage Österreichs zeichnet sich ab Das Königreich Hannover hatte bereits kapitulieren müssen, als es am 03. Juli bei Königgrätz in Böhmen zum Entscheidungskampf zwischen Preußen und Österreich kam. Als einziger Vertreter des Dritten Deutschland warf das Königreich Sachsen ein 20.000 Mann starkes Kontingent in die Schlacht. Aber auch die konnten die schwere Niederlage Österreichs nicht verhindern. Während sich die Reste der österreichischen Nordarmee zur Verteidigung Wiens von Böhmen aus nach Süden zurückzogen, begannen preußische Truppenteile mit ihrem Vorstoß auf die Mainlinie. Die Kämpfe, bei denen auch die heutige Kurstadt Bad Kissingen in Mitleidenschaft gezogen wurde, dauerten knapp vier Wochen. Nach dem Beschuss der Feste Marienberg bei Würzburg am 26. Juli kapitulierte die bayerische Armee unter dem Kommando von Prinz Karl von Bayern. Geringe Gebietsverluste Bayerns Sein zögerliches Verhalten im Deutschen Krieg kam Bayern nun zugute. Im Gegensatz zu dem Königreich Hannover, das von der politischen Landkarte Deutschlands verschwand und zu einer preußischen Provinz gemacht wurde, musste Bayern offiziell nur geringfügige Gebietsverluste an Preußen hinnehmen und 30 Millionen Gulden an Kriegsentschädigung leisten. Ein vergleichsweise geringer Betrag, wenn man berücksichtigt, dass etwa die Bürger der Freien Stadt Frankfurt am Main eine ähnlich hohe Summe aufbringen mussten wie das Königreich Bayern. Bismarck schonte Ludwig II., weil er ahnte, dass er den Wittelsbacher für die Verwirklichung seiner nationalstaatlichen Pläne noch brauchen würde. Der preußische Ministerpräsident wollte außerdem den Eindruck vermeiden, dass es seinem Land 1866, jedenfalls südlich der Mainlinie, um territoriale Eroberungen ging. Reorganisation der Armee In Bayern machte man für die Niederlage vor allem die Minister und die militärische Führung verantwortlich. Bereits im August ernannte Ludwig mit Siegmund von Pranckh einen neuen Kriegsminister, der mit der Reorganisation der bayerischen Armee beauftragt wurde. Im Dezember trat mit Ludwig von der Pfordten auch der Vorsitzende des Ministerrats zurück. Das höchste Regierungsamt besetzte der bayerische König daraufhin mit dem parteilosen, aber nationalliberal und propreußisch gesinnten Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Eine Berufung, die dem König in der antipreußisch aufgeladenen Stimmung vor allem in Altbayern alles andere als Beifall einbrachte. Franken hatte im Sommer 1866 die Hauptlast des Mainkriegs zu tragen. König Ludwig II. entschloss sich Ende des Jahres zu einer Reise in die kriegszerstörten Gebiete. Eine wichtige Geste für jenen Landesteil, in dem es noch immer an Zugehörigkeitsgefühl zum neuen Bayern mangelte. Erstaunliche Personalpolitik Ludwig II. setzte die Personalpolitik seiner Vorgänger fort. Den bayerischen Königen, deren Handlungsspielraum in der konstitutionellen Monarchie eingeschränkt war, ging es darum, die politischen Kräfte im Land zu neutralisieren und den Einfluss der Volksvertretung möglichst gering zu halten. Die Ministerien wurden grundsätzlich gegen die Mehrheit im Landtag besetzt. Als in der Folge des Krieges von 1866 die katholisch-konservative, antipreußische Patriotenpartei die absolute Mehrheit in der Kammer der Abgeordneten errang, berief König Ludwig II. nationalliberale und preußenfreundliche Minister. Mit seiner Personalpolitik konterkarierte der König sogar die eigene Haltung, die derjenigen der bayerischen Patrioten wesentlich näher stand. Wichtiger als die meinungskonforme Besetzung seiner Regierung war dem Wittelsbacher die Demonstration seiner königlichen Souveränität, die sich mitnichten von der Mehrheit im Parlament beeinflussen lassen wollte. * Nicht nur Zeit für Träumereien: Ludwig II. (Spielszene). Ludwig II. und die Bayern Gewissenhafter Regent Ludwig II. war politisch aktiver als bisher angenommen Für sein Volk wurde der König zusehends zu einem Phantomwesen. Kaum jemand außerhalb des engsten Zirkels konnte von sich behaupten, den König leibhaftig gesehen zu haben. Ein Umstand, der auch dazu führte, dass man bis heute Ludwig II. ein generelles Desinteresse und sogar eine Abneigung gegenüber seinen politischen Pflichten nachsagt. Wie sollte ein abwesender König auch regieren? Jüngste Recherchen haben nun belegt, dass es sich dabei um eine Fehldeutung handelt. Ludwig II. hat seine Amtsgeschäfte fast bis zum Schluss vergleichsweise gewissenhaft ausgeübt. Täglicher Kontakt zur Regierung Vor allem in den frühen Jahren legte der König Wert darauf, täglich mit seiner Regierung in München in Kontakt zu stehen. Verantwortlich für die schnelle Kommunikation zwischen Ministern und dem Monarchen war der Kabinettssekretär, der die Vorlagen zum Aufenthaltsort des Königs brachte. Nach Starnberg gab es eine Bahnverbindung, und selbst in seinem Sommerrefugium, dem Königshaus auf der Schachen-Alpe bei Garmisch-Partenkirchen, wickelte Ludwig die meisten Amtsgeschäfte innerhalb kürzester Zeit ab. Alle wichtigen Anfragen und Dokumente versah er mit eigenhändig verfassten Signaten, die Anmerkungen oder Empfehlungen für die Minister enthielten. Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein Der Wittelsbacher ging neben den Regierungsgeschäften auch seinen anderen herrscherlichen Pflichten nach. Ludwig II. schaltete sich bei der Ernennung katholischer Bischöfe ein und scheute dabei auch nicht die Auseinandersetzung mit dem Papst. Er bearbeitete die Gnadengesuche von zum Tode Verurteilten mit großer Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein. Gegen den Widerstand der alteingesessenen Zünfte unterstützte der König seine Minister bei der Durchsetzung einer Gewerbeordnung nach preußischem Vorbild, die für die meisten Berufe ein freies Niederlassungsrecht brachte. Mit der neuen Gewerbeordnung gelang auch in Bayern ein wirtschaftlicher Aufbruch, der als "Gründerzeit" zu einer eigenen Epoche werden sollte. Technische Neugierde Ludwigs ewiger Kampf gegen die demokratischen Ansätze seiner Zeit - Konstitution und Parlamentarismus - bleibt anachronistisch und rückwärtsgewandt. In anderer Hinsicht kann man in ihm aber durchaus einen modernen Herrscher erkennen. 1868 gründete der Wittelsbacher mit der Polytechnischen Schule die erste Technische Universität Bayerns und bestimmte München als deren Standort. Schon im Jahr zuvor hatte der König zur Befriedigung seiner technischen Neugier - und in Begleitung seines Großvaters Ludwig I. - die Weltausstellung in Paris besucht. Ludwig war bereits zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Inspirationen für seine zukünftigen Bauvorhaben. Konkrete Pläne gab es seit 1867 für einen großflächigen Ausbau des Wintergartens auf dem Dach der Residenz in München. Meisterhafte Bauwerke Aber die Weltausstellung hatte noch mehr zu bieten als neue Werkstoffe und Technologien. Ausgerechnet der preußische Pavillon, ein im maurischen Stil bunt verglaster Kiosk mit einer Zentralkuppel, tat es dem bayerischen Monarchen an. Über Umwege gelang es dem bayerischen König, das filigrane Gebäude schließlich zu kaufen. Noch heute ist es in den Parkanlagen von Schloss Linderhof zu besichtigen.