Deutschland im 19. Jahrhundert Jan Bruners Inhaltsverzeichnis 1 Die französische Revolution und Napoleon (1789/92 - 1815) 2 2 Vormärz (1815 - 1847) 3 3 Revolution und Nationalversammlung (1848 - 1850) 3 4 Reaktion und Dualismus (1851 - 1866) 4 5 Reichsgründung (1867 - 1871) 4 1 Die französische Revolution und Napoleon (1789/92 - 1815) 2 1 Die französische Revolution und Napoleon (1789/92 - 1815) Die französische Außenpolitik und die Tendenz zur Ausbreitung der Revolution über die Grenzen Frankreichs hinaus bedrohten sowohl das europäische Mächtegleichgewicht als auch die innere Macht der Fürstenstaaten. Deshalb kam es zum Ersten Koalitionskrieg (1792 - 1797) Österreichs und Preußens gegen Frankreich. Die Koalition wurde durch den Beitritt der meisten europäischen Mächte verstärkt, aber der französische General Napoleon Bonaparte konnte sich nach Preußens Rückzug aus dem Krieg gestützt auf die motivierten Volksheere durchsetzen (Friede von Campo Formio 1797). Auch im Zweiten Koalitionskrieg (1799 - 1802) gegen Großbritannien, Rußland, Österreich, Portugal, Neapel und die Türkei konnte sich Frankreich halten: 1801 wurde der Friede von Campo Formio bestätigt, 1802 der Friede von Amiens mit Großbritannien geschlossen. Der Dritte Koalitionskrieg sollte das Ende des Heiligen Römischen Reiches bringen: nach dem Sieg Napoleons in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz 1805 gegen Kaiser Franz II. und Zar Alexander I. und dem Frieden von Preßburg traten 16 süd- und westdeutsche Fürsten aus dem Reich aus und bildeten 1806 den Rheinbund unter Napoleons Protektorat, dem bis 1811 weitere 20 deutsche Staaten beitraten. Auf ein französisches Ultimatum hin legte Franz II. (als österreichischer Kaiser Franz I.) die römisch-deutsche Kaiserwürde nieder und besiegelte formal das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Preußens Forderungen nach einem französischen Rückzug führten im selben Jahr zum Vierten Koalitionskrieg, der mit einer doppelten preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt endete. Der Fünfte Koalitionskrieg (1809) brachte mit dem Frieden von Schönbrunn eine weitere Schwächung Österreichs und bestätigte das napoleonische Hegemonialsystem in Deutschland. Nach der Niederlage der französischen Armee im Krieg gegen Rußland 1812 begannen 1813 die deutschen Befreiungskriege gegen Frankreich: Preußen, verstärkt durch Großbritannien und Österreich konnte seine Position im wechselnden Kriegsverlauf verbessern. In der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wurde Napoleon besiegt, die französischen Truppen zogen sich über den Rhein zurück und die napoleonische Hegemonialpolitik brach zusammen (Auflösung des Rheinbundes). Im Frieden von Paris 1814 die deutsch-französische Grenze von 1792 im großen und ganzen wiederhergestellt. Nach der Niederwerfung Napoleons trafen sich die Staatsoberhäupter und Minister Europas auf dem Wiener Kongreß 1815 zur Neuordnung Deutschlands und des europäischen Staatensystems. Ziel war es, das multipolare Gleichgewicht der Mächte in Europa zu erhalten. In der Wiener Kongreßakte von 1815 wurde neben verschiedenen Gebietsabtretungen und rückerstattungen auch die Gründung eines Deutschen Bundes von 37 souveränen Fürsten und 4 freien Städten unter Leitung Österreichs beschlossen. Zweck des Bundes war die „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands, die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der einzelnen deutschen Staaten“ (Artikel 2 Bundesakte). Oberste Behörde war der Bundestag (1816 in Frankfurt a.M. eröffnet) der Gesandten der Bundesstaaten unter Vorsitz Österreichs, Mehrheitsbeschlüsse waren für die Mitglieder bindend, ein Austritt war nicht möglich. Nach Artikel 13 der Bundesakte sollten in allen Bundesstaaten landständische Verfassungen eingerichtet werden, was nur teilweise eingelöst wurde. Zwar begann ab 1814 in zahlreichen deutschen Klein- und Mittelstaaten der Frühkonstitutionalismus, aber die wichtigsten Staaten Preußen und Österreich lösen ihr Verfassungsversprechen nicht oder nur teilweise ein. 2 Vormärz (1815 - 1847) 3 2 Vormärz (1815 - 1847) 1815 gründete sich die Jenaer Burschenschaft, die alle deutschen Studenten als Vorbild für die angestrebte liberal-nationale politische Einigung zusammenfassen sollte, fast alle Hochschulen folgten. Auf dem Wartburgfest 1817 demonstrierten die Burschenschaften für ihre Ziele. 1819 wurden wegen der nationalen und liberalen Bestrebungen des Bürgertums und der studentischen Burschenschaften die Karlsbader Beschlüsse auf Betreiben des leitenden Ministers von Österreich, Fürst Clemens von Metternich, gefaßt. Sie sahen eine Vorzensur für kürzere Druckwerke, ein Verbot der Burschenschaften, die Entlassung „revolutionär“ gesinnter Lehrkräfte und eine Überwachung der Universitäten vor. Die Wiener Schlußakte des Deutschen Bundes von 1820 proklamierte erneut das monarchische Prinzip. Die französische Julirevolution 1830 (Auftand des Bürgertums gegen die Entrechtung durch König Karl X.) führte in mehreren Bundesstaaten zu Unruhen, erregend wirkte auch der polnische Freiheitskampf. Auf dem Hambacher Fest 1832 demonstrierten die süddeutschen radikalen Liberalen für ein republikanisches Europa, daraufhin bestätigte der Bundestag das monarchische Prinzip erneut, überwachte die Landtage und verbot politische Vereine und Versammlungen. Kleinere Aufstände boten Anlaß für weitere Einschränkungen der rechtsstaatlichen Freiheiten. In Schlesien kam es 1844 wegen der extremen Verelendung (Pauperismus) zum Weberaufstand. Der 1833 gegründete Deutsche Zollverein schloß die meisten deutschen Staaten unter Führung Preußens wirtschaftlich zusammen, Österreich war nicht beteiligt. 3 Revolution und Nationalversammlung (1848 - 1850) Die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten und gleichzeitig der Drang des Bürgertums nach politischer Beteiligung führten zur Märzrevolution 1848: obwohl sich alle Schichten des Volkes beteiligten, war das Bürgertum mit seiner politischen Programmatik des Libralismus führend. Nach Aufständen in Wien und Berlin gaben die überraschten Regierungen nach und stimmten der Einberufung einer Nationalversammlung in Frankfurt (Paulskirche) zu. Die zum großen Teil aus Akademikern und Staatsdienern zusammengesetzte Versammlung entwickelte zwei gegensätzliche Konzepte: eine großdeutsch-österreichische Lösung mit Österreich an der Spitze und eine kleindeutsch-erbkaiserliche mit dem König von Preußen als deutschem Kaiser (setzte sich durch). Nach langen Auseinandersetzungen wurde im März 1849 die deutsche Reichsverfassung verabschiedet. Mittlerweile hatten sich die gegenrevolutionären Kräfte allerdings durchgesetzt und blockierten die neue Verfassung, in Preußen und Österreich wurden Verfassungen oktroyiert. Durch die Abberufung der Abgeordneten Österreichs, Preußens und weiterer Staaten wurde die Nationalversammlung im Laufe des Jahres zum Rumpfparlament, das sich im Juni nach Stuttgart zurückzog und von der württembergischen Regierung gewaltsam aufgelöst wurde. Der König von Preußen hatte bereits im April die angebotene Kaiserkrone abgelehnt und erklärt, er könne sie nur mit Zustimmung der deutschen Fürsten annehmen. Der zur Durchsetzung eines von den Fürsten getragenen preußischen Kaisertums gebildeten Deutschen Union unter preußischer Führung schlossen sich die übrigen Staaten außer Österreich und den Königreichen nach und nach an. Der 4 Reaktion und Dualismus (1851 - 1866) 4 Widerstand Österreichs gegen die Unionspolitik führte beinahe zum preußisch-österreichischen Krieg, bis Preußen seine Politik im November 1850 aufgab. Im Mai 1851 traten die ehemaligen Unionsstaaten dem Deutschen Bund wieder bei. 4 Reaktion und Dualismus (1851 - 1866) Das anfängliche Einvernehmen wurde bald durch den sich steigernden Gegensatz der beiden deutschen Großmächte abgelöst. In den meisten Staaten wurden die Errungenschaften von 1848/9 im Zuge einer konservativen Innenpolitik revidiert, Träger der deutschen Einigungsbestrebungen war weiterhin das Bürgertum. Der seit 1862 in Preußen amtierende Ministerpräsident Otto von Bismarck versuchte, Preußen die Vormachtstellung in Deutschland mit kriegerischen Mitteln zu verschaffen. 1864 bestätigte Dänemark eine Verfassung, die die Einverleibung Schleswigs in Dänemark vorsah, worauf preußische und österreichische Truppen in Schleswig einzogen (Deutschdänischer Krieg). Nach dem deutschen Sieg sollte Preußen Schleswig, Österreich Holstein verwalten, Lauenburg sollte an Preußen gehen. Wegen Spannungen in der schleswig-holsteinischen Frage begann der Deutsch-österreichische Krieg 1866 Preußens und der kleineren norddeutschen Staaten gegen Österreich und die Königreiche, er endete nach dem preußischen Sieg bei Königgrätz mit dem Frieden von Prag (August 1866): Österreich stimmte der Auflösung des Deutschen Bundes, den von Preußen geplanten Annexionen und der Neugestaltung Deutschlands ohne Österreich zu. Preußen annektierte Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a.M. und gründete 1866/7 den Norddeutschen Bund mit diesen Gebieten und den Bundesgenossen von 1866 (Sachsen und Teile Hessens). Die Verfassung des Bundes wurde die Grundlage für die spätere Reichsverfassung, Bismarck wurde Bundeskanzler. 5 Reichsgründung (1867 - 1871) Der Deutsche Zollverein wurde 1867 zu einem politischen Zusammenschluß zwischen dem Norddeutschen Bund und den vier süddeutschen Staaten ausgeweitet. Wegen gegenseitiger Provokationen (Kandidatur eines Hohenzollern auf den spanischen Thron) kam es 1870 zum DeutschFranzösischen Krieg. Die süddeutschen Staaten stellten sich sofort nach der Kriegserklärung an die Seite Preußens und schlossen sich noch während des Krieges auf Betreiben Bismarcks mit dem Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich zusammen, 1871 wurde König Wilhelm I. von Preußen im Spiegelsaal von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Träger der Souveränität im neuen Bundesstaat war die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte, vertreten im Bundesrat (Preußen hatte 17 von 58 Stimmen). Der König von Preußen war erblicher Deutscher Kaiser, er führte den Oberbefehl über das Heer, berief, eröffnete und schloß den Reichstag (Vertretung des wahlberechtigten Volkes) und ernannte den Reichskanzler, der den Vorsitz im Bundesrat hatte.