Kükenthal - Zoologisches Praktikum von Volker Storch, Ulrich Welsch 1. Auflage Kükenthal - Zoologisches Praktikum – Storch / Welsch schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Tierkunde / Zoologie Spektrum Akademischer Verlag 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8274 1998 9 Inhaltsverzeichnis: Kükenthal - Zoologisches Praktikum – Storch / Welsch 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 184 184 Annelida, Ringelwürmer Abb. 101 Larven von Polychaeten. a, b Platynereis. a Trochophora, b Nectochaeta, c fortgeschrittene Nectochaeta von Polydora, die besonders lange im Plankton lebt. Die bodenbelebenden Adulten bohren sich mit speziellen Borsten, die schon bei der Larve zu sehen sind (Pfeile) in das Substrat, z. B. Schneckenschalen, ein. (Nach Fischer, Husemann, Plate) I. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen ∑ ∑ Präpariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abtöten wenigstens eine halbe Stunde vor der Verwendung in 10%igen Alkohol, dem etwas Chloroform hinzugefügt wurde, legen. Einzelheiten der Körperoberfläche lassen sich besonders gut an Würmern beobachten, die in wässeriger, konzentrierter ∑ Pikrinsäure fixiert und in Alkohol aufbewahrt wurden. Als mikroskopische Präparate sind mit Hämatoxylin-Eosin oder mit Azan gefärbte Querschnitte der mittleren Körperregion erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass der Darm i. d. R. nicht schneidbare Erde enthält. Deshalb die zur Fixation vorgesehenen Tiere für einige Tage in ein Zylinderglas bringen, das mit angefeuchteten Filtrierpapierschnitzeln gefüllt ist. Die Regenwürmer fressen das Filtrierpapier, scheiden den erdigen Kot aus und erlangen so in einigen Tagen die erwünschte Schneidfähigkeit. 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 185 I. Oligochaeta, Wenigborster Allgemeine Übersicht Die Oligochaeten, zu denen die Regenwürmer gehören, und die Hirudineen werden als Clitellata (Gürtelwürmer) in einer Klasse vereinigt. Das die Klasse kennzeichnende Clitellum ist eine oft deutlich über die Körperoberfläche vorgewölbte drüsige Umbildung der Epidermis im Bereich bestimmter Segmente. Das Sekret der Drüsenzellen dient zur Bildung des Eikokons, liefert eine Nährflüssigkeit für die sich im Kokon entwickelnden Embryonen und spielt außerdem in einigen Taxa bei der Begattung eine Rolle. Von der Klasse der Polychaeten unterscheiden sich die Clitellaten außerdem durch das Fehlen von Parapodien und durch den zwittrigen Geschlechtsapparat. Die Oligochaeten sind lang gestreckte, drehrunde oder leicht kantige Würmer mit deutlich ausgebildeter innerer und äußerer Segmentierung. Die Zahl der Segmente beträgt 7 bis 600. Die geräumige sekundäre Leibeshöhle ist durch Dissepimente in hintereinander liegende Kammern aufgeteilt. Das Mesenterium ist stark reduziert und meist nur ventral vom Darm ausgebildet. Die Leibeshöhle wird von einer Flüssigkeit erfüllt, in der mehrere Typen von Coelomocyten und abgelöste Chloragogzellen flottieren. Den Dissepimenten entsprechen meist genau die Intersegmentalfurchen, die außen die einzelnen „Ringel“ voneinander abgrenzen; innere und äußere Segmentierung decken sich also. Die einzelnen Segmente sind ursprünglich gleichartig gebaut (homonome Segmentierung). Nervensystem, Blutgefäße und Exkretionsorgane können sich Segment für Segment in ihrem Aufbau wiederholen. Die Leibeswand der Oligochaeten ist ein typischer Hautmuskelschlauch. Die Epidermiszellen sind zu einem einschichtigen Epithel angeordnet, in das Drüsen- und Sinneszellen eingestreut sind. Sie scheiden eine zarte (beim Regenwurm ca. 1 µm dicke), oft irisierende Cuticula ab. Innen an die Epidermis schließt sich der aus schräg gestreiften Muskelzellen bestehende Muskelschlauch an, der sich aus einer äußeren Ring- und einer inneren, viel mächtigeren Längsmuskellage zusammensetzt. Manchmal ist auch noch Diagonalmuskulatur ausgebildet. Innen liegt das flache bis kubische Coelomepithel. 185 Das Nervensystem ist zwar der Anlage und auch dem mikroskopischen Aufbau nach ein typisches Strickleiternervensystem, jedoch sind die Bauchganglien und die Konnektive einander so genähert, dass das Bauchmark bei makroskopischer Präparation als zwar knotiger, aber einheitlicher Strang erscheint. Das Cerebralganglion liegt nicht im Prostomium, sondern etwas weiter hinten. Im Verband der Epidermis liegen freie Nervenendigungen und bisweilen zu Knospen zusammengefasste oder in Flimmergruben eingesenkte Sinneszellen. Sie dienen der Tastund Chemoreception. Die ebenfalls in der Haut, oder auch darunter, im Verlauf von Nerven liegenden Lichtsinneszellen sind sowohl am Vorder- als auch am Hinterende gehäuft (s. S. 197). Pigmentbecherocellen kommen nur selten vor. Der Darmkanal beginnt mit der meist etwas ventral verschobenen Mundöffnung, die vom Kopflappen (Prostomium) überdacht wird. Auf die mit der Cuticula ausgekleidete Mundhöhle folgt der muskulöse Pharynx, der seinerseits in den schlanken Oesophagus übergeht. Der erste Abschnitt des Oesophagus besitzt ein auffallendes, nach innen vorspringendes Faltensystem. Ein zweiter Abschnitt ist durch Längsfalten gekennzeichnet; hier liegen bei vielen landbewohnenden Arten die Kalkdrüsen. Sie entsprechen säckchenförmigen Ausstülpungen, die durch weiße Farbe und reiche Blutversorgung auffallen. Der Oesophagus kann sich zu kropfund magenartigen Bildungen erweitern. Die Funktion der Kalkdrüsen ist noch nicht eindeutig geklärt. Sie stehen zweifellos im Dienst der Regulation des inneren Milieus. Durch sie wird sowohl der Calcium- als auch der CO2-Spiegel im Blut und in der Coelomfüssigkeit kontrolliert. Bei landlebenden Arten wird ein Überschuss an Calcium und CO2 von den Zellen als Kalk (in Form von Calcit) sezerniert und über den Darm ausgeschieden. Der Mitteldarm ist meist ein gerades und ziemlich weites Rohr. Bei den in der Erde lebenden Oligochaeten ist seine dorsale Wand median mehr oder weniger tief rinnenförmig nach innen eingefaltet. Durch diese Typhlosolis wird die Oberfläche erheblich vergrößert. Die Wand des Darmes baut sich aus dem bewimperten Darmepithel, einer inneren Ring- und äußeren Längsmuskelschicht sowie dem Peritonealepithel auf, dessen Zellen zum sog. Chloragoggewebe spezialisiert sein können. Die Chlo- 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 186 186 ragogzellen speichern Fette und synthetisieren Glykogen. Sie spielen außerdem eine Rolle beim Proteinabbau und bilden Harnstoff und Harnsäure. Sie sind am Eisenstoffwechsel beteiligt und enthalten das eisenreiche Ferritin und Hämoglobin. Viele Chloragogzellen lösen sich, auch im intakten Tier, ab, flottieren im Coelom, um später durch die Rückenporen ausgeschieden zu werden. Zwischen Darmepithel und Darmmuskulatur verlaufen Blutgefäße. Der Enddarm ist meist kurz und einfach gebaut, der After endständig. Das nahezu völlig geschlossene Blutgefäßsystem entspricht dem des Annelidengrundplanes. Das median über dem Darm verlaufende Rückengefäß ist kontraktil und treibt das Blut von hinten nach vorn. Es steht über den Darmblutsinus, aus dem es Blut empfängt, mit dem Ventralgefäß in Verbindung. Im Vorderkörper können paarige, den Darm umfassende Gefäßschlingen eine besonders kräftige Muskulatur ausbilden und so zu Lateralherzen werden, die das Blut vom Dorsal- zum Ventralgefäß treiben. Weitere bogig verlaufende Adern, die vom Ventralgefäß entspringen, versorgen Metanephridien und Hautmuskelschlauch, andere führen – von dem unter dem Bauchmark den Körper axial durchziehenden Subneuralgefäß kommend – dem Rückengefäß Blut zu. In diese Dorsoparietalgefäße münden Venen aus den Nephridien und Gefäße, die, aus der Haut kommend, sauerstoffreiches Blut führen. Durch Ausbildung weiterer, sowohl längs als auch quer verlaufender Gefäße kann das System erheblich komplizierter werden. Meist ist das Blut durch gelöstes Hämoglobin rot gefärbt; es enthält nur wenige Blutzellen. Atmungsorgane in Form von Kiemen kommen bei Oligochaeten nur vereinzelt vor; Hautatmung ist die Regel. Die Exkretionsorgane sind meist typische Metanephridien. Sie können in einigen der vordersten und hintersten Segmente fehlen; im Übrigen kommt jedem Segment ein Paar zu. Der Geschlechtsapparat der Oligochaeten ist zwittrig. Die Gonaden, ursprünglich zwei Paar Ovarien und zwei Paar Hoden, liegen in bestimmten Segmenten des Vorderkörpers, die Hoden stets vor den Ovarien. Ei- und Samenzellen, die sich unreif aus den Gonaden lösen, werden vorübergehend von Aussackungen der Dis- Annelida, Ringelwürmer sepimente, von Samensäcken und Eisäcken, auch Samenblasen und Eihälter genannt, aufgenommen und später durch besondere Gänge abgeleitet. Diese Ausführgänge beginnen mit Wimpertrichtern in den die Gonaden beherbergenden Coelomkammern. Zum weiblichen Apparat gehören die Receptacula seminis (Spermathecae), kugelige Einstülpungen der Epidermis, die bei der wechselseitigen Begattung das Sperma des Partners aufnehmen und bis zur Eiablage aufbewahren. Die Entwicklung der Oligochaeten erfolgt direkt, ohne freies Larvenstadium. Ungeschlechtliche Fortpflanzung kommt bei einigen Familien vor. Die Oligochaeten leben teils im Süßwasser, teils im Schlamm oder in feuchter Erde; auch im Meer sind sie vertreten. Spezieller Teil Lumbricus terrestris, Regenwurm Äußere Anatomie Das Vorderende des Körpers ist zugespitzt, das Hinterende abgerundet und dorsoventral etwas abgeplattet. Die wegen der Cuticula schwach irisierende Haut ist auf der Dorsalseite dunkler gefärbt als auf der Ventralseite. Die vordere Hälfte des Körpers ist zylindrisch, die hintere flacht sich zunehmend ab. Der bis 30 cm lange Körper ist in ganzer Länge segmentiert. Die Zahl der – maximal 180 – Segmente nimmt mit dem Alter zu; die Wachstumszone (Segmentbildungszone) liegt nahe dem Hinterende. Man spricht daher von teloblastischer Erzeugung neuer Segmente. Die vorderen Ringel sind länger als die übrigen. Dorsal sieht man das meist etwas geschlängelte Rückengefäß durchschimmern, ventral – weniger deutlich – das Subneuralgefäß. Das Vorderende des Körpers wird vom Prostomium (Kopflappen) eingenommen. Es durchsetzt dorsal das erste Segment, ventral befindet sich, nahe seinem Hinterrand, die je nach Kontraktionszustand unterschiedlich gut erkennbare Mundöffnung (Sondieren!). Am Hinterende liegt im Pygidium die senkrecht verlaufende Afterspalte. 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 187 I. Oligochaeta, Wenigborster Geschlechtsreife Tiere haben von Februar bis August im vorderen Körperabschnitt eine auch durch ihre hellere Färbung auffallende Verdickung, das Clitellum. Es umfasst Rücken und Flanken der Segmente 32 bis 37 und verdankt seine Entstehung der mächtigen Entwicklung von 2 Typen von Drüsenzellen, die Proteine und Mucopolysaccharide absondern. Das Sekret ist bei der gegenseitigen Begattung der zwittrigen Würmer und bei der Eiablage von Bedeutung. Die Seitenränder des Clitellums treten als sog. Pubertätsleisten besonders hervor. Papillenartige Vorwölbungen mit so genannten Kittdrüsen finden sich oft auch im 26. Segment, um die ventralen Borsten herum (Abb. 102). Beim Kriechen streckt sich zunächst die vordere Körperregion infolge einer Kontraktion der Ringmuskulatur lang aus. Gleich darauf folgt eine von vorn nach hinten verlaufende Kontraktionswelle der Längsmuskulatur, die zu einer lokalen Verdickung führt und den Körper nach vorn zieht. Ein Zurückrutschen wird durch das Ausfahren der Borsten verhindert. Unmittelbar anschließend oder auch gleichzeitig streckt sich die vordere Körperregion erneut aus, es folgt eine zweite Kontraktionswelle der Längsmuskulatur und so fort. Die Festigkeit (Rigidität), die der Wurmkörper durch Kontraktion der Muskulatur des Hautmuskelschlauches erreichen kann, ist erheblich. Dieses hydrostatische Skelet spielt vor allem beim Graben eine wichtige Rolle. An fixierten Tieren (Abb. 102) kann man die Borsten besser erkennen als am lebenden Tier. Jedem Segment kommen acht Borsten zu. Sie sind jederseits zu einem ventralen und einem lateralen Paar angeordnet. An den fixierten Tieren lassen sich auch die Geschlechts- und Exkretionsöffnungen besser als am lebenden Wurm erkennen. Die Geschlechtsöffnungen liegen seitlich an der Bauchfläche, und zwar die weiblichen im 14., die männlichen im 15. Segment, unmittelbar lateral von den ventralen Borsten. Die männlichen Öffnungen werden von lippenförmigen Querwülsten eingefasst, die weiblichen sind sehr fein und daher schwerer erkennbar. Vom Außenrand der die männliche Geschlechtsöffnung einfassenden Lippen führt eine Rinne nach hinten bis zum Clitellum; sie dient dem Transport des Spermas und wird daher als Samenrinne bezeichnet. Eine ihr parallel laufende zweite Rinne unbekannter Funktion 187 Prostomium Mundöffnung ventrale Borsten lateraleBorsten Mündungen der Receptacula seminis weibliche Geschlechtsöffnung männliche Samenrinne Kittdrüsen Pubertätsleiste Clitellum laterale Borsten ventrale Borsten Abb. 102 Lumbricus terrestris. Ventralansicht des vorderen Körperabschnittes. Unten: Borstenstellung im Querschnitt. 4 × (Transport der Eier?) geht vom Innenrand der Lippen aus. Zur Zeit der Fortpflanzung wird man ferner in den beiden das 10. Segment begrenzenden Furchen jederseits die feinen Öffnungen der Receptacula seminis (Spermathecae) finden. 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 188 188 Die nicht immer wahrnehmbaren Exkretionsporen liegen ganz vorn im Segment, oft unmittelbar in seiner vorderen Grenzfurche, teils im Zuge der ventralen Borstenpaare, teils in dem der lateralen oder noch höher; sie fehlen den ersten drei Segmenten. Auf der Rückseite sieht man bei gut gestreckten Würmern feine Poren in der Medianlinie, die durch ringförmige Muskulatur verschließbaren Rückenporen. Sie liegen in der Tiefe der die Segmente trennenden Furchen, fehlen nur den vordersten Segmenten und stellen Verbindungen der Leibeshöhle mit der Außenwelt dar, durch die Coelomflüssigkeit und in ihr enthaltene Zellen ausgestoßen werden können, was besonders als Folge einer Reizung (Zwicken mit der Pinzette, Erwärmung auf 35 °C) eintritt. Präparation ∑ ∑ ∑ ∑ ∑ ∑ Den Wurm im Becken unter Wasser (besser in 0,43%iger NaCl-Lösung) so aufstecken, dass die dunklere Rückenseite nach oben zu liegen kommt. Eine starke Stecknadel an der Grenze vom 1. zum 2. Segment, eine zweite etwas vor dem Hinterende einführen. Den Wurm allmählich so weit ausspannen, wie es ohne Zerreißen möglich ist. Den Hautmuskelschlauch mit einer feinen hochwertigen Schere von vorn her in der durch das Rückengefäß angegebenen Mittellinie eröffnen. Dabei den Hautmuskelschlauch mit einer Pinzette anheben, um nicht das Gefäß oder den unmittelbar darunter liegenden Darm anzuschneiden. Besonders vorsichtig beim 3. Segment (Cerebralganglion!) und vom 20. Segment nach hinten sein, da hier der Darm dem Hautmuskelschlauch dicht anliegt. Es ist von Vorteil, den Schnitt in der hinteren Körperhälfte etwas seitlich zu führen. Alternativ folgendermaßen vorgehen: im Bereich des 40. Segmentes dorsal einen kleinen Schnitt quer durchführen und von dort aus den Wurm dorsomedial nach vorn und hinten eröffnen. Diese Vorgehensweise ermöglicht fast immer eine schöne Ansicht des Cerebralganglions. Die zwei Körperseiten vorsichtig auseinander biegen und sie seitlich durch schräg eingeführte feinere Nadeln feststecken (Abb. 103). Annelida, Ringelwürmer Dazu, soweit erforderlich, die die einzelnen Segmente trennenden Dissepimente durchschneiden. Den Hautmuskelschlauch keinesfalls so weit auseinanderziehen, dass er platt wie ein Brett dem Boden des Präparierbeckens aufliegt, da manche Organe dadurch eine unnatürliche Lage erhalten oder auch zerrissen werden. Man verwende das Stereomikroskop. Die nach unten gerichtete Mundöffnung führt in die Mundhöhle, die nach hinten in den bauchigen, muskulösen Pharynx übergeht. Seinem Vorderrand liegt dorsal das wegen seiner weißen Farbe auffallende, paarige Cerebralganglion auf. Zahlreiche Muskelfaserzüge ziehen vom Pharynx zur Körperwand. Die vorderen sind kurz und seitlich gerichtet, die folgenden werden zunehmend länger und ziehen schräg nach hinten, wobei sie mehrere Dissepimente durchsetzen. Durch ihre Kontraktion wird der Pharynx erweitert und nach hinten gezogen. Die Wand des Pharynx ist außerdem dicht mit kurzen Büscheln von Drüsenzellen besetzt. Ihr Sekret ist reich an Schleim (Erleichterung des Schlingaktes), enthält aber auch Amylase und Proteasen zur Verdauung. An den Pharynx schließt sich der schlankere Oesophagus an, der etwa vom 7. bis zum 13. Segment reicht. Sein hinterer Abschnitt (10. bis 12. Segment) ist beiderseits zu drei Paar weißen, reich durchbluteten Kalksäckchen ausgebuchtet, von denen die beiden hinteren die eigentlichen, Calciumcarbonat ausscheidenden Drüsen, die vorderen, die sich in den Darm öffnen, lediglich Reservoire sind. Das Innere der Kalkdrüsen ist durch Gewebelamellen stark untergliedert. Die Lamellen werden von Ionen transportierendem Epithel bedeckt. Der Kalk gelangt in den Darm und wird mit dem Kot ausgeschieden. Die physiologische Bedeutung der Kalkdrüsen ist noch nicht völlig geklärt, auf alle Fälle aber sind sie an der Einregulierung eines bestimmten pH-Wertes im Blut und in der Coelomflüssigkeit beteiligt (s. S. 185). Auf den Oesophagus folgen der rundliche Kropf und, unmittelbar daran anschließend, der mit einer sehr kräftigen Muskulatur und einer starken Cuticula ausgestattete Muskelmagen, in dem die aus alten Blättern und anderen Pflanzenteilen bestehende Nahrung mithilfe der gleichzeitig aufgenommenen Sandkörnchen zerrieben wird. Der Mitteldarm, des- 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 189 I. Oligochaeta, Wenigborster 189 Cerebralganglion Pharynx Erste kontraktile Schlinge (Lateralherz) Oesophagus Receptacula seminis Samenblasen Borstensäckchen Kalksäckchen Kropf Muskelmagen Mitteldarm Dorsointestinalgefäß Dissepimente Bauchgefäß Nephridien Bauchmark Subneuralgefäß Längsmuskulatur Ringmuskulatur Abb. 103 Dorsalansicht eines präparierten Lumbricus terrestris 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 190 190 Annelida, Ringelwürmer sen Anfangsteil an Breite den Magen übertrifft, läuft geradlinig, sich allmählich verschmälernd nach hinten. Er wird durch die sich ansetzenden Dissepimente segmental eingeschnürt und ist von einer gelbbraunen Masse bedeckt, die sich besonders im Zuge des Rückengefäßes anhäuft und, wie wir mit dem Stereomikroskop erkennen können, aus keulenförmigen, zelligen Anhängen besteht. Es handelt sich um die so genannten Chloragogzellen, das sind stark vergrößerte und umgewandelte Zellen des visceralen Coelomepithels. ∑ Den Mitteldarm seitlich eine Strecke weit aufschneiden, man erkennt die als Längsfalte in sein Lumen hineinragende Typhlosolis, die im hinteren Mitteldarm fehlt. Sie wird von Gefäßen durchzogen, ist von Chloragogzellen erfüllt und bewirkt eine bedeutende Vergrößerung der sezernierenden und resorbierenden Darmfläche. Das starke Rückengefäß liegt dorsal dem Darm auf; es ist bis in die Region des Pharynx zu verfolgen. Es ist kontraktil und treibt das Blut nach vorn. Ein Nach-hinten-Fließen des Blutes bei der Diastole (Erweiterung von Gefäßabschnitten) wird durch Ventilklappen verhindert. Bei frisch getöteten Würmern sind die rhythmischen Kontraktionen des Gefäßes gut zu beobachten. Im 7. bis 11. Segment gehen vom Rückengefäß jederseits Gefäßschlingen ab, die den Oesophagus umfassend in das ventral vom Darm verlaufende Bauchgefäß einmünden. Die Wandung dieser Gefäßschlingen, die gleichfalls im Inneren mit Ventilklappen ausgestattet sind, ist besonders muskelzellreich. Peristaltische Kontraktionen dieser als Lateralherzen bezeichneten Gefäßschlingen treiben das Blut vom Rücken- in das Bauchgefäß. Im 12. Segment münden in das Rückengefäß zwei von vorn kommende Längsgefäße ein, die rechts und links dem Oesophagus anliegen (Oesophagusgefäße). Im Bereich des Darmes selbst münden in jedem Segment drei Paar Gefäßschlingen in das Rückengefäß ein. ∑ Gefäßschlingen durch Abpinseln der sie dicht bedeckenden Chloragogzellen freilegen. Die vorderste Schlinge ist sehr zart und daher nicht immer gut erkennbar; sie wurde in Abb. 103 nicht dargestellt. Sie verläuft dicht an dem Abb. 104 Lumbricus. Schema des Gefäßsystems im Querschnitt das betreffende Segment vorn abschließenden Dissepiment, wird als Dorsoparietalgefäß bezeichnet und kommt (Abb. 104 und 105) von dem unterhalb des Bauchmarks gelegenen Subneuralgefäß her, wobei sie Seitenzweige von der Körperwand und den Nephridien aufnimmt. Deutlich sichtbar sind stets die beiden hinteren Schlingen (Dorsointestinalgefäße), die das Blut aus dem Capillarnetz der Darmwand (s. S. 196) ableiten, das seinerseits von dem zwischen Darm und Bauchmark gelegenen Bauchgefäß (Subintestinalgefäß) gespeist wird. Diese ventralen Abschnitte des Gefäßsystems können besser in jener Region erkannt werden, in der die Körperwand seitlich aufgeschnitten wurde. ∑ Eventuell den Darm noch etwas zur Seite ziehen und feststecken. Man sieht jetzt noch ein weiteres segmentales Gefäßpaar, die Ventroparietalgefäße, die vom Bauchgefäß zur Körperwand ziehen. Insgesamt kann man vom Gefäßsystem folgendes Schema entwerfen (Abb. 104 und 105): Einem dorsalen Hauptgefäß (Rückengefäß), in dem das Blut von hinten nach vorn getrieben wird, stehen zwei ventrale Gefäße gegenüber, das subintestinale (Bauchgefäß) und das subneurale, in denen das Blut von vorn nach hinten fließt. Das Rückengefäß ist mit den beiden ventralen in jedem Segment durch zwei Gefäßbogen verbunden. Der eine, als splanchnischer Bogen bezeichnet, entspringt mit mehreren Wurzeln (Ventro- 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 191 I. Oligochaeta, Wenigborster 191 Rückengefäß Dorsointestinalgefäß Rückengefäß Dorsoparietalgefäß Lateroneuralgefäß Subintestinalgefäß Subneuralgefäß Bauchgefäß Ventrointestinalgefäße Ventroparietalgefäß Lateralherz Oesophagusgefäß Bauchmark Subneuralgefäß Abb. 105 Lumbricus. Schema des Gefäßsystems, links im Bereich des Darmes, rechts im Bereich des Oesophagus intestinalgefäße) aus dem subintestinalen Gefäß, teilt sich zum Capillarnetz der Darmwand auf und mündet durch die Dorsointestinalgefäße ins Rückengefäß. Der zweite Gefäßbogen, als somatischer bezeichnet, breitet sich mit seinen capillaren Verzweigungen vor allem in der Körperwand aus, steht also unter anderem im Dienst der Hautatmung. Sein zuführendes Gefäß ist das ventroparietale, das vom Bauchgefäß entspringt, seine abführenden Gefäße sind die vom subneuralen zum Rückengefäß ziehenden Dorsoparietalgefäße und die aus der Haut zu den Lateroneuralgefäßen ziehenden Adern. Die vordere Körperregion weicht von diesem Schema ab, einmal durch Ausbildung der beiden seitlichen Oesophagusgefäße, besonders aber durch die Einschaltung der Lateralherzen als direkte Verbindungen zwischen Rücken- und Bauchgefäß. Die Dissepimente sind zarte, gefensterte und daher die Körpersegmente nur unvollkommen trennende Wände, die sich am Darm und an der Leibeswand anheften und nur den vordersten Segmenten fehlen. Sie entwickeln sich als Duplikaturen des Peritoneums, das die ganze Leibeshöhle auskleidet. In einigen Segmenten der Oesophagusregion werden sie zu dicken, nach hinten geneigten, muskulösen Scheidewänden. In jeder Coelomkammer findet man rechts und links vom Darm als opake, in Querschlingen liegende Kanälchen die Metanephridien (Segmentalorgane). Sie sind vom Peritoneum über- zogen und durch eine Peritonealfalte an der vorderen Dissepimentwand befestigt; sie fehlen nur den ersten drei und den letzten Segmenten. Jedes Nephridium beginnt mit einem Wimpertrichter (Nephrostom), der jedoch nicht in demselben Segment wie das zugehörige Exkretionskanälchen, sondern in dem davor liegt. Die sehr kleinen und flachen Nephrostome sitzen mit kurzem, verdicktem Hals den rückwärtigen Dissepimentwänden der Coelomkammern im Bereich zwischen Darm und ventraler Leibeshöhlenbegrenzung vorn auf; ihre zum Nephridium führenden Kanälchen durchbrechen das Dissepiment. Die Wimpertrichter muss man bei 20- bis 30facher Vergrößerung des Stereomikroskops und guter Beleuchtung (Mikroskopierlampe) im Gebiet des Mitteldarms in den Segmenten suchen, deren Dissepimente wenigstens im basalen Teil nicht zerstört sind. Man findet die sehr kleinen Nephrostome (∅ 0,1 mm) im Winkel zwischen Darm- und ventraler Körperwand den Dissepimenten vorn aufsitzend. ∑ ∑ Hierfür den Darm vorsichtig zur Seite schieben und mit zwei Nadeln fixieren. Abgelöste Chloragogzellen mit feinem Pipettenstrahl wegspülen. Der muskulöse Endabschnitt der Nephridialkanälchen ist erweitert und wird als Harnblase bezeichnet. Sie mündet mit dem Exkretionsporus nach außen. 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 192 192 Vom Geschlechtsapparat fallen gleich bei der Eröffnung der Leibeswand die drei Paar großen, gelblich-weißen Samenblasen auf; es sind sackförmige Ausstülpungen der Dissepimente in den Segmenten 9 bis 13; sie umgreifen, wenn sie stark entwickelt sind, dorsal den Oesophagus. ∑ Oesophagus hinter dem Pharynx durchschneiden, mit der Pinzette anheben und sehr vorsichtig bis zum 12. Segment von seiner Unterlage trennen und abschneiden. Die Samenblasen gehen von taschenförmigen Räumen aus, von denen der eine im 10., der andere im 11. Segment unter dem Oesophagus liegt. Es sind dies die sog. Samenkapseln, Coelomräume, die völlig von den segmentalen Coelomkammern „abgekapselt“ sind. In ihnen liegen die Hoden und die grellweiß durch die Kapselwand schimmernden Samentrichter. Das erste und zweite Samenblasenpaar gehen von der vorderen Samenkapsel aus (Abb. 106 und 107), wobei das erste Paar eine nach vorn gerichtete Aussackung des Dissepiments 9/10 ist, das zweite eine nach hinten gerichtete des Dissepiments 10/11. Von der hinteren Samenkapsel stülpt sich das dritte Paar von Samenblasen nach hinten zu als Aussackung des Dissepiments 11/12 aus; es kann so groß werden, dass es noch das ganze Segment 13 durchsetzt. Annelida, Ringelwürmer ∑ In die Decke der Samenkapseln ein Fenster schneiden und die trübe Spermiensuspension mit der Pipette ausspülen. Man findet mit dem Stereomikroskop die wie kurzfingerige Handschuhe aussehenden Hoden. Sie sitzen der Basis der die Kapsel vorne begrenzenden Dissepimentwand an. Es sind insgesamt zwei Paar Hoden vorhanden, je eines im 10. und 11. Segment. Hinter jedem Hoden liegt einer der großen, flimmernden Samentrichter. Sie sehen wie Faltenfilter aus und setzen sich nach hinten in den Samenleiter fort. Die Samentrichter fallen durch ihr grelles Weiß auf. Es kommt durch den dichten Besatz ihrer Oberfläche mit stark lichtbrechenden, reifen Spermien zustande. Der Samenleiter durchbricht die gleichfalls von einem Dissepiment gebildete Hinterwand der Samenkapsel und zieht zunächst schräg, dann geradlinig nach hinten. Die beiden Samenleiter einer Seite vereinigen sich zu einem Kanal, der im 15. Segment den Hautmuskelschlauch durchsetzt und mit der männlichen Geschlechtsöffnung ausmündet. Die männlichen Geschlechtszellen lösen sich unreif, in Form mehrkerniger, kugeliger Follikel von den Hoden ab, geraten in die Samenkapsel, dann in die Samenblasen, wo sie Teilungen und ihre Enddifferenzierung durchmachen. Im Zuge der Teilungen entsteht eine zentrale Cytoplasma- Abb. 106 Geschlechtsorgane des Regenwurmes, Lumbricus terrestris 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 193 I. Oligochaeta, Wenigborster 193 erhalten, wenn man sehr umsichtig präpariert hat. Im anderen Fall wurden sie mit dem Dissepiment 12/13 herausgerissen. Abb. 107 Schematischer Längsschnitt durch die Genitalsegmente von Lumbricus terrestris. (Nach Hesse) masse (Cytophor), an der letztlich Spermien ausgebildet werden, die in die Samenkapseln zurückwandern, aus denen sie durch die Samentrichter abgeleitet werden. ∑ Mit dem Phasenkontrastmikroskop einen Tropfen des mit 0,43%iger NaCl-Lösung verdünnten Samenblaseninhalts mikroskopieren. In der Suspension erkennt man neben den Entwicklungsstufen von Monocystis (Gregarinen) die verschiedenen Stadien der Spermienentwicklung. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem Paar sehr kleiner, wie Zipfelmützen aussehender opak-weißlicher Ovarien, die vorn im 13. Segment, rechts und links neben dem Bauchmark der Basis des Dissepiments 12/13 angeheftet sind, und zwei kurzen, schräg nach hinten und außen gerichteten Eileitern, die im 14. Segment ausmünden. Die Eileiter beginnen mit einem Flimmertrichter, der mit nach vorne gerichteter Öffnung flach im Dissepiment 13/14 liegt. Unmittelbar darüber bildet das Dissepiment häufig je eine kleine, den Samenblasen entsprechende Aussackung, die Eihälter, in denen sich die zur Ablage bereiten Eier ansammeln. ∑ Die Samenblasen und den Oesophagus im 13. Segment seitlich verschieben und mit Nadeln fixieren. Wurde bei der Präparation der männlichen Geschlechtsorgane der Oesophagus nicht nur bis zum 12. Segment, sondern ganz entfernt, so sind die Ovarien nur dann noch Zum Geschlechtsapparat gehören außerdem noch zwei Paar Receptacula seminis (Spermathecae), Einstülpungen des Integuments, die zur Leibeshöhle hin geschlossen sind und als weiße, kugelrunde Körper auffallen, die lateral im 9. und 10. Segment liegen. Man kann sie leicht finden und, von hier aus die Segmente zählend, zur Orientierung benutzen. Bei der gegenseitigen Begattung legen sich zwei Würmer mit der Bauchfläche aneinander, und zwar so, dass das Clitellum des einen Wurmes den Segmenten 9 bis 15 und damit den Öffnungen der Receptacula seminis des anderen anliegt. Drüsen scheiden nun schleimige Sekrete ab, welche die Genitalregionen wie mit einer Manschette umhüllen. Das aus der männlichen Öffnung austretende Sperma wird in der sich durch Muskelkontraktion zu einem Rohr schließenden Samenrinne bis zu den Receptacula seminis des Partners geleitet und dort gespeichert. Dann trennen sich die Würmer. Zur Eiablage bildet der Wurm erneut einen Sekretgürtel um die Region des Clitellums herum. Dieser Gürtel wird durch peristaltische Bewegungen des Hautmuskelschlauches langsam kopfwärts verschoben. Während er an den beiden weiblichen Geschlechtsöffnungen vorbeigleitet, werden in ihm ein (bei Lumbricus terrestris) oder einige Eier abgelegt. Dann zieht sich der Wurm allmählich nach rückwärts aus dem Gürtel heraus; beim Passieren der Receptacula seminis wird Sperma zu den Eiern gegeben. Ist der Gürtel ganz abgestreift, so schließt er sich vorn und hinten und wird so zu einem zitronenförmigen, Eier, Sperma und eine eiweißreiche Flüssigkeit enthaltenden Kokon. Der Keim ernährt sich mithilfe einiger zum Munde führenden Wimperorganellen vom Eiweiß der Kokonflüssigkeit. Die Entwicklung dauert drei bis vier Monate, dann verlassen die Jungwürmer die schützende Hülle. Lumbricus terrestris kann zehn Jahre alt werden. ∑ Jetzt die Samenkapseln mit den anhängenden Samenblasen abtragen, unter Schonung des Cerebralganglions den Pharynx und den Darm einschließlich des ihrer Ventralseite angelagerten Bauchgefäßes entfernen. 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 194 194 Als Teil des Nervensystems besteht das Bauchmark aus zwei Längssträngen, die aber so innig miteinander verbunden sind, dass sie wie ein einziger Strang erscheinen. Die in der Mitte eines jeden Segments liegenden Ganglien sind nicht scharf abgesetzt. Von jedem Ganglion gehen dicht beieinander zwei Paar Nerven ab, die in den Hautmuskelschlauch übertreten. Ein drittes, feineres Nervenpaar entspringt weiter vorn vom Bauchmark, dicht am Dissepiment. ∑ Das Bauchmark eine Strecke weit von seiner Unterlage abtrennen. Man sieht das mäßig starke Subneuralgefäß, während die ihm rechts und links anliegenden feinen lateroneuralen Gefäße in Abhängigkeit von der Blutfüllung meist nur streckenweise zu erkennen sind. In jedem Segment geht vom subneuralen Gefäß rechts und links eines der oben erwähnten dorsoparietalen Gefäße ab, und in jedem Segment führen ihm zwei von den lateroneuralen Blutbahnen kommende Adern Blut zu. Die Lateroneuralgefäße empfangen ihrerseits Blut aus der Haut. Die ersten vier Ganglienpaare sind zum Unterschlundganglion zusammengerückt. Davor spaltet sich das Bauchmark in die beiden Schlundkonnektive auf, die beiderseits des Pharynx zu dem im dritten Segment liegenden Cerebralganglion (Gehirn) aufsteigen. Das Gehirn ist paarig und weist damit auf seine Entstehung aus zwei getrennten Ganglien hin. Nach vorn entsendet es zwei relativ starke Nervenpaare, die die Sinnesorgane des Prostomiums versorgen. Von dem unmittelbar unter der Epidermis liegenden und das ganze Tier durchziehenden Nervenplexus können wir – ebenso wie von den in der Epidermis und im Verlauf von Nerven liegenden Lichtsinneszellen – nichts erkennen. Mikroskopische Betrachtung Die Regenwürmer fressen die an organischen Substanzen reiche Erde der oberen Bodenschichten, gleichzeitig nehmen sie sich zersetzende Blätter auf. Dementsprechend besteht ihr Darminhalt – wie das Mikroskop zeigt – aus einer Mischung von Erde und pflanzlichen Resten. Der viele organische Bestandteile und Bakterien enthaltende Kot wird nachts an der Erdoberfläche Annelida, Ringelwürmer abgesetzt. Aufgrund seiner Beschaffenheit vermag er weit mehr Wasser zu speichern als der Boden, in dem die Würmer leben. Die Bedeutung, die Lumbricus terrestris und seine Verwandten für die Humusbildung und die Bodenumlagerung haben, kann nicht überschätzt werden. ∑ ∑ Es ist eine nicht ganz leichte, aber lohnende Aufgabe, eines der Nephridien in ganzer Länge herauszupräparieren, das dann in einem Tropfen 0,43%iger NaCl-Lösung mikroskopiert wird. Dazu die Verbindung mit dem Exkretionsporus durchtrennen. Außerdem den medialen, vom Metanephridium durchbohrten Abschnitt der vorderen Dissepimentwand mit herausschneiden, um nicht den präseptalen Abschnitt mit dem Wimpertrichter zu verlieren. Man sieht, dass der Wimpertrichter die Form eines abgeflachten Trichters hat, dass das Exkretionskanälchen reich von Blutgefäßen umsponnen wird und dass seine einzelnen Abschnitte verschiedene Durchmesser haben. Bei frisch getöteten Tieren ist im Innern des Kanälchens eine lebhafte Flimmerbewegung zu beobachten, die dem Transport der Exkretionsstoffe dient. Nicht selten finden sich in dem Kanälchen sehr kleine, sich lebhaft schlängelnde Nematoden, Jugendstadien von Rhabditis pellio, die, wenn sie durch den Tod des Wirtes frei werden, sich binnen kurzem zu geschlechtsreifen Tieren entwickeln. ∑ Ovarien in Wasser oder Glycerin unter dem Deckglas bei schwacher Vergrößerung betrachten. Die einzelnen Eier sind gut zu erkennen. Ihre Bildungszone liegt in der am Dissepiment angehefteten Basis des Organs, während fertig entwickelte Eier seine Spitze einnehmen. ∑ Eine Samenblase auf dem Objektträger zerzupfen. Man findet meist, außer den schon erwähnten parasitischen Nematoden, Gregarinencysten und fast immer auch freie Gregarinen vor (vgl. S. 29), in einer mit 0,43%iger NaCl-Lösung verdünnten Samenblasenflüssigkeit außerdem alle Entwicklungsstadien der männlichen Geschlechtszellen. Die Jugendformen sind durch 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 195 I. Oligochaeta, Wenigborster 195 Histologie Vermittlung einer Cytoplasmamasse (Cytophor, Blastophor) zu 8, 16 oder mehr zu Rosetten oder morulaähnlichen Körperchen vereint. So machen sie Vermehrungsteilungen durch und reifen heran, und in dem Maße, in dem sie länger werden und Geißeln ausbilden, nehmen die Spermienbüschel sternförmiges Aussehen an. In der Mehrzahl handelt es sich um Spermatogonien und Spermatocyten. In der Leibeshöhle der Regenwürmer findet man vor allem in den hinteren Segmenten die sog. Bällchen, kugelige bis längliche, weißlich bis gelblich-braune Gebilde von etwa 0,5 bis 1 mm Durchmesser. Es handelt sich um Zusammenballungen von Blutzzellen, Chloragogzellen, Borstenresten, Gewebsfetzen, Gregarinencysten und Nematoden. Sie entstehen in allen Segmenten, werden aber schließlich durch die ventrale Dissepimentöffnung in die hinteren Segmente befördert. Dort gelangen sie schließlich über Coelomporen nach außen. ∑ Es werden mit Azan oder Hämatoxylin-Eosin gefärbte Querschnitte durch die mittlere Körperregion eines Regenwurmes mikroskopiert. In der Mitte des Präparates (Abb. 108) ist der Querschnitt des Darmes und zwischen ihm und dem dicken Hautmuskelschlauch eine geräumige Leibeshöhle zu sehen. Die Dorsalseite des Darmes ist durch die nach innen vorspringende Typhlosolis gekennzeichnet. Über ihr liegt das Rückengefäß, unter dem Darm das Bauchgefäß und unter diesem wiederum das Bauchmark. Rechts und links vom Darm sind in der Leibeshöhle Anschnitte der Metanephridien zu sehen. Die Epidermis ist ein einschichtiges, aus schmalen, prismatischen Zellen zusammengesetztes Epithel. Außen liegt die dünne Cuticula. Zwischen den gewöhnlichen Epidermiszellen finden sich zahlreiche, ein schleimiges Sekret absondernde Drüsenzellen, die sich durch ihre bauchige Form und den bei Hämatoxylin-EosinRückengefäß Chloragog Epidermis Ringmuskulatur Coelomepithel Längsmuskulatur Darmlumen Coelom Blutgefäße des Darmes Metanephridium Harnblase Typhlosolis Borsten Mesenterium Bauchgefäß Bauchmark Subneuralgefäß Abb. 108 Querschnitt durch die Körpermitte vom Regenwurm, Lumbricus terrestris 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 196 196 Annelida, Ringelwürmer Abb. 109 Lumbricus terrestris. Darmwand quer. 350× Färbung blauen Farbton zu erkennen geben. Seltener sind die durch das Eosin rötlich gefärbten, eiweißreichen Sekrete liefernde Drüsenzellen. Der Schleim gereizter Regenwürmer enthält einen Schreckstoff. Unmittelbar unterhalb der Epidermis liegt, von einer äußerst feinen Basalmembran abgesehen, die deutlich in zwei Schichten gesonderte Muskulatur. Die äußere Schicht umfasst die Ringmuskelzellen, die einzeln in ein lockeres Bindegewebe eingelassen und deren Kerne gut erkennbar sind. Die Längsmuskelzellen der sehr viel dickeren inneren Schicht sind in größerer Zahl innerhalb schmaler, durch zarte Bindegewebssepten getrennte Fächer zweireihig angeordnet. Die Innenfläche des Hautmuskelschlauches wird vom Coelothel bedeckt. Letzteres umhüllt auch die in der Leibeshöhle liegenden Organe. Obwohl es nur ein flaches Epithel ist, lässt es sich doch sehr gut erkennen. An vier Stellen ist der Hautmuskelschlauch durch die paarweise angeordneten, leicht S-förmig gekrümmten Borsten unterbrochen. Sie sitzen in Hauteinstülpungen, den Borstentaschen, an denen Muskelbündel ansetzen, die die Borsten bewegen. Eine weitere Unterbrechung des Hautmuskelschlauches findet sich dorsal, genau median zwischen den Segmenten. In der Darmwand (Abb. 109) lassen sich verschiedene Schichten unterscheiden. Innen liegt das Darmepithel aus zylindrischen Zellen, die Mikrovilli und Cilien tragen. Zwischen den resorbierenden Darmzellen finden sich zahlreiche bauchige, stärker gefärbte Drüsenzellen. Das Epithel der vorderen Darmregion scheidet peritrophische Membranen ab. Außen ist das Darmepithel bedeckt von einer Ring- und einer Längsmuskelschicht, die beide sehr dünn sind. Zwischen ihnen und dem Darmepithel breitet sich das zwischen Rücken- und Bauchgefäß eingeschaltete Capillarnetz aus. Das den Darm außen umziehende Coelomepithel ist ungewöhnlich hoch; es ist zu Chloragoggewebe umgebildet. Zwischen Darm und Bauchgefäß spannt sich ein Mesenterium aus, in dem wir meist Anschnitte jener Gefäße erkennen, die vom Bauchgefäß zum Capillarnetz der Darmwand aufsteigen. Die von diesem Capillarnetz zum Rückengefäß führenden Dorsointestinalgefäße und die vom Bauchgefäß und vom Subneuralge- 08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:52 Uhr Seite 197 II. Hirudinea, Egel Epineurale Muskulatur 197 Riesenfasern II. Hirudinea, Egel Nerv Technische Vorbereitungen ∑ Lateroneuralgefäß Subneuralgefäß Perikaryen von Nervenzellen Abb. 110 Lumbricus. Querschnitt des Bauchmarks. (Nach K. C. Schneider) ∑ ∑ fäß abgehenden Schlingen (Ventroparietal- und Dorsoparietalgefäße) werden natürlich nur bei vereinzelten Präparaten getroffen sein. Ventral vom Bauchgefäß und ohne mesenteriale Verbindungen mit ihm liegt das Bauchmark (Abb. 110). Seine paarige Natur ist, besonders an Schnitten durch die Segmentgrenzen, deutlich erkennbar. Im Bereich der Ganglien sind die beiden Längsstränge dagegen durch zahlreiche Querfasern eng aneinander geschlossen. Ventral und lateral sind große, birnenförmige Perikaryen von Ganglienzellen zu einer Schicht angeordnet. Dorsal fallen drei sehr dicke Nervenfasern auf, die so genannten Riesen- oder Kolossalfasern, die das Bauchmark in ganzer Länge durchziehen. Sie bestehen aus segmentlangen Einzelstücken, die an schräg verlaufenden Synapsen aneinander grenzen. In den Riesenfasern wird die für den Zuckreflex verantwortliche Erregung geleitet. Die Leitungsgeschwindigkeit ist viel höher als in den übrigen Axonen. – Umhüllt wird das Bauchmark vom Coelomepithel und Muskelzellen. In der Epidermis sind Sinneszellen nur mit besonderen histologischen Methoden darstellbar. Sie treten am Vorderende (vor allem auf dem Prostomium) und am Hinterende gehäuft auf. Das gilt im besonderen Maße für die Lichtsinneszellen, die außerdem an den Gehirnnerven und im Gehirn selbst zu finden sind. Sie sind pigmentlos und auch von keiner Pigmentzelle umhüllt. Der Lichtreception dienen Mikrovilli, die von der Wand eines kugelförmigen Binnenraumes der Lichtsinneszellen entspringen, der auch Binnenkörper oder Phaosom genannt wird. Er ensteht durch Einfaltung der apikalen Zellmembran. Zur Untersuchung gelangt Hirudo medicinalis, der Medizinische Blutegel. Die Tiere lassen sich in kühl aufgestellten, zugedeckten Aquarien sehr lange ohne Fütterung halten. Abgetötet werden sie in einem verschließbaren Glasgefäß mit Chloroform, oder, was für die Untersuchung des Nervensystems vorteilhafter ist, durch Einlegen in 10%igen Alkohol. An mikroskopischen Präparaten sind mit Hämatoxylin-Eosin oder Azan gefärbte Querschnitte der mittleren Körperregion erforderlich. Lebende Blutegel sind erhältlich bei ZAUG – Biebertaler Blutegelzucht, Talweg 31, 35444 Biebertal, können aber auch in vielen Apotheken bestellt werden. Allgemeine Übersicht Egel sind meist 2–5 cm lange, selten bis gut 10 cm und im Ausnahmefall bis 30 cm lange Anneliden. Sie kommen insbesondere in flachen, ruhigen oder langsam fließenden Süßgewässern vor, treten aber auch im Meer auf. In den südostasiatischen und australischen Tropen gibt es sogar terrestrische Formen, die Haemadipsidae. Egel sind Räuber oder Ectoparasiten; manche Arten zeigen Übergänge zwischen diesen Ernährungsweisen. Die räuberischen Formen leben von Wirbellosen, die Parasiten befallen Wirbellose (z. B. Schnecken, Krebse und Insekten) und Wirbeltiere. Die an Wirbeltieren parasitierenden Formen sind i. a. nicht wirtsspezifisch, beschränken sich aber meist auf eine Wirbeltierklasse, so befallen z. B. die Piscicolidae Süßwasser- und Meeresfische. Die Hirudinea sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr embryonal noch annelidentypisch angelegtes Coelom nach Rückbildung der Dissepimente zu einem den ganzen Körper durchziehenden System von Längs- und Querkanälen mit Gefäßfunktion eingeengt wird. Diese Umwandlung des Coeloms steht in Beziehung zur mäch- http://www.springer.com/978-3-8274-1998-9