Hausaufgabe 2 - Vorlesung Bildungsmanagement Vera Alice Schulze - MA Sozialwissenschaften - Matrikelnummer: 2138077 - 8.1.2013 Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen in der Managementlehre. Wie Führung verstanden wird, auf welchen Prämissen Empfehlungen für wirkungsvolles Führungshandeln beruhen und was im Mittelpunkt der Managementansätze steht, variiert stark. Bitte wählen Sie einen Managementansatz aus und beschrieben Sie diesen unter Einbeziehung von möglichen Kritikpunkten. Das neue St. Galler Management-Modell Das neue St. Galler Management-Modell (NSGMM) wurde vor zehn Jahren aus den St. Galler Management-Modell (SGMM) weiterentwickelt. Das SGMM wurde bereits in den 1960er und –70er Jahren von einem Forscherteam um Hans Ulrich und Walter Krieg (1972) an der Universität St. Gallen in der Schweiz entwickelt und zählt heute zu den bekanntesten Konzepten im Feld der Managementlehre (Rüegg-Stürm 2002: 16; IfB 2012; Brauchlin 2006: 3). Bevor die überarbeitete Version des Modells vorgestellt wird, soll das SGMM kurz dargestellt werden. Anschließend wird das NSGMM mit seinen einzelnen Komponenten präsentiert und eine Einschätzung bezüglich seines Nutzens für die Führung von Unternehmen sowie seiner Schwächen dargelegt. Der abschließende Fokus wird hierbei auf dem Bereich des Bildungsmanagements liegen. Will man das SGMM in einem möglichst einfachen Schema darstellen, so lassen sich die drei Ebenen des Managements, die in Abbildung 1 dargestellt sind, heranziehen. Die Dreiteilung der Aufgaben der Unternehmensführung als Bestandteil des Modells wurde in den 1990er Jahren explizit gemacht und verhalf dem SGMM zu zusätzlicher Bekanntheit. Normatives Management Strategisches Management Operatives Management Abb. 1. Eigene Darstellung: Drei Ebenen des St. Galler Management-Modells. Die oberste Ebene ist die des normativen Managements (Trummer 2008). Sie umfasst unter Anderem die Festlegung von Unternehmensstandards, -leitsätzen oder einer Unternehmensethik. Die auf dieser Ebene gefassten Entscheidungen bilden den Rahmen und die Legitimation für weitere Entscheidungen, die auf der zweiten Ebene, der des strategischen Managements (Trummer 2008), getroffen werden. Hier soll z.B. ein Geschäftsplan ausgearbeitet und grundsätzlich Strategien entwickelt und verfolgt werden, die die Etablierung am Markt und die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Marktteilnehmern anstreben. Die unterste der drei 1 Ebenen ist die des operativen Managements (Trummer 2008). Auf dieser Ebene spielt sich das Alltagsgeschäft ab – bis hin zu Einzelzielen und Detailentscheidungen. Aspekte wie Qualitätsmanagement und Personalführung werden hier bearbeitet und stets von den auf den oberen Ebenen getroffenen Entscheidungen geleitet. Diese geben den Rahmen für die Entscheidungen im (operativen) Alltagsgeschäft vor. 2002 wurde von Johannes Rüegg-Stürm eine erneute Weiterentwicklung des SGMM in Das neue St. Galler Management-Modell veröffentlicht. Es bricht mit dem in den 1990er Jahren geschaffenen griffigen Drei-Ebenen-Konzept und bemüht sich, eine Vielzahl von Komponenten und Elementen, die eine „Unternehmung als komplexes System“ (Rüegg-Stürm 2002: 17ff.) beeinflussen, in sein Modell aufzunehmen. Die sechs zentralen Grundkategorien sind hierbei: • Umweltsphären – Kontexte eines Unternehmens, etwa die Gesellschaft, in der das Unternehmen agiert, die Natur, Fortschritt und Verfügbarkeit von Technologie sowie wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Diese Faktoren können den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen und unterliegen ständiger Veränderung, weshalb eine Beobachtung und Analyse der Umweltsphären sinnvoll ist. (Rüegg-Stürm 2002: 23) • Anspruchsgruppen – werden auch als Stakeholders bezeichnet und beschreiben all die Gruppen, die von Erfolg und Misserfolg des Unternehmens, also auch von den Managemententscheidungen, betroffen sind. Die Kategorie umfasst Gruppen mit direkten Interessen (Kapitalgeber, Kunden, Mitarbeitende) ebenso wie Gruppen, die nur indirekt von den Entscheidungen des Unternehmens abhängen (Konkurrenz des Unternehmens, Lieferanten, Staat, NGOs, Öffentlichkeit). (Rüegg-Stürm 2002: 23, 28ff.) • Interaktionsthemen – der Begriff bezeichnet Themen, bezüglich derer eine Interaktion zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen stattfindet. Er umfasst Ressourcen, Normen und Werte sowie Anliegen und Interessen der verschiedenen Parteien, welche sowohl materieller als auch immaterieller Art sein können. (Rüegg-Stürm 2002: 23) • Ordnungsmomente – versuchen, die Kommunikations- und Handlungsmuster des Alltagsgeschehens im Unternehmen in eine Form zu bringen, die diese nachvollziehbar macht und seine Aktionen dahingehend zu bündeln versucht, dass bestimmte Wirkungen und Ergebnisse erzielt werden. Schlagworte sind hier Strategie, Strukturen, Kultur. (RüeggStürm 2002: 22f.) • Prozesse – die in den drei Aufgabenbereichen (Management-, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse) getane Führungsarbeit umfasst alle Wertschöpfungsaktivitäten auf diesen Ebenen, die einer zeitlich und sachlich logischen Strukturierung unterliegen. (RüeggStürm 2002: 22f.) • Entwicklungsmodi – diese Kategorie beschreibt die Notwendigkeit der Weiterentwicklung für ein Unternehmen. Erneuerung des Unternehmens und Optimierung der Abläufe und 2 Produkte sind Möglichkeiten, sich neuen Anforderungen der Kunden und der hohen Umweltdynamik anzupassen, um erfolgreich zu bleiben. (Rüegg-Stürm 2002: 22f.) Die genannten Grundkategorien finden sich in Abbildung 2 wieder, die einen Überblick über das NSGMM geben soll. Abb. 2. Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick. Entnommen aus: Rüegg-Stürm (2002): 22. Betrachtet man die Ausgestaltungen der Kategorien genauer, so wird deutlich, dass Rüegg-Stürm langfristige Konzepte und nachhaltige, ethische Unternehmensführung als den Weg zu wirtschaftlichem Erfolg sieht und nicht auf kurzfristiges Wachstum abzielt. Die Ganzheitlichkeit des Modells versucht, allen Anspruchsgruppen sowie einer gesamtgesellschaftlichen unternehmerischen Verantwortlichkeit – auch über die Zeit – gerecht zu werden. (Rüegg-Stürm 2002: 88f., Neue Züricher Zeitung 2003) In weiten Kreisen der Management- und betriebswirtschaftlichen Forschung wird das NSGMM zu den besten Ansätzen des Forschungsfeldes gezählt. Jedoch bringt ihm seine Konzeption auch Kritik ein: 3 • Allem voran ist der hohe Abstraktionsgrad des Modells zu beklagen. Die Ausführungen sind – gerade aufgrund seiner integrativen, allumfassenden Ausrichtung – sehr theoretisch und wenig konkret (Neue Züricher Zeitung 2003). Handlungsempfehlungen zur Lösung von Managementproblemen finden sich nicht. Stattdessen muss eine jede Unternehmung anhand der Denkansätze die eigene Situation analysieren und situationsgerechte Lösungen generieren. Somit ist auch unter Anwendung des Modells noch ein großer Aufwand erforderlich, um konkreten Nutzen daraus ziehen zu können. • Die Ganzheitlichkeit des NSGMM und sein hoher ethischer Anspruch bergen eine weitere Problematik. Es scheint sich – obgleich diese Feststellung traurig sein mag – mehr um eine Idealvorstellung des Autors zu handeln, als um eine realistische Basis für Unternehmensführung. Betrachtet man die tatsächliche Lage in Unternehmen weltweit, werden in Lohndumping, großflächiger Umweltverschmutzung oder dem Ausnutzen von Steuerschlupflöchern Unternehmensethiken offenbar, die mit den Vorstellungen RüeggStürms wenig gemein haben. Zwar ist der Ansatz meines Erachtens anstrebenswert, jedoch muss auch für solche Unternehmungen mit hohen ethischen Ansprüchen beachtet werden, dass die ernsthafte Einbeziehung aller genannten Kategorien einen Kostenaufwand erfordert, den viele Unternehmen nicht zu stemmen in der Lage sind (und den andere womöglich nicht aufbringen wollen). • Der zuletzt genannte Punkt steht in Verbindung mit der recht weiten Interpretation des Begriffes der Anspruchsgruppen (Stakeholders) (Neue Züricher Zeitung 2003). Die Bedürfnisse all jener Gruppen in die Unternehmensführung mit einzubeziehen, kann als anstrebenswert, jedoch wenig realistisch betrachtet werden. In aller Regel dürfte die Befriedigung dieses Anspruches bereits an der Frage scheitern, was die tatsächlichen Interessen der jeweiligen Gruppen sind. • Für den Bereich des Bildungsmanagements lässt sich feststellen, dass heute eine Großzahl der Bildungseinrichtungen versucht, bewusst gutes Management für ihre Einrichtung zu erzielen (Decker 2000: 7). Doch die Umsetzung scheitert nicht nur an vereinzelter Ablehnung von ungewohnt technisch oder wirtschaftlich anmutenden Methoden, etwa im Qualitätsmanagement, sondern auch an der nicht immer einfachen Übertragung von Konzepten, die für die freie Wirtschaft entwickelt wurden. o So unterliegt etwa die Finanzierung von Bildungseinrichtungen oftmals sehr anderen Bedingungen als die Finanzen eines Unternehmens. Die deutliche Unterfinanzierung des Bildungswesens wird zum Beispiel in Deutschland regelmäßig beklagt, zudem ist die Zahlungsbereitschaft für Bildungsangebote in vielen gesellschaftlichen Gruppen recht gering. Dies steht in Konflikt mit dem Anspruch einer gut gebildete Gesellschaft. Die im NSGMM nicht wirklich thematisierte Frage der Finanzierung der 4 Managementaktivitäten lässt sich implizit als Annahme deuten, dass Mittel hierfür zur Verfügung stehen. In vielen Bildungseinrichtungen kann hiervon jedoch nicht zwangsläufig ausgegangen werden. So lässt beispielsweise sogar die Bezahlung vieler Kursleiter auf Honorarbasis sehr zu wünschen übrig. o Im Zusammenhang mit einer Zertifizierung des Qualitätsmanagements (z.B. nach EFQM) setzen sich viele Bildungseinrichtungen zum ersten mal konkret mit der Analyse ihrer Prozesse oder Entwicklungsmöglichkeiten auseinander. Dies aus einer wirtschaftlichen Perspektive zu tun, stellt oft eine Herausforderung für die meist pädagogisch oder gesellschaftswissenschaftlich geschulten Mitarbeiter dar und erfordert diesbezüglich Flexibilität und die Bereitschaft zum Umdenken. Jedoch birgt sie auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung und Unterstützung gegen Stillstand. • Einige Aspekte des NSGMM können für Bildungseinrichtungen möglicherweise sogar eher zugänglich sein, als für Wirtschaftsunternehmen. o So ist die Verbindung zum Kunden und die Möglichkeit des Austausches im Rahmen von Bildungsveranstaltungen viel eher vorhanden, als wenn ein Kunde im Laden oder gar online einen Gebrauchsgegenstand kauft. o Auch der Kontakt zu staatlichen Institutionen ist oft eine Selbstverständlichkeit, weil Bildungseinrichtungen staatlichen oder kommunalen Institutionen oft unterstehen oder von ihnen mit finanziert werden. o Aufgrund des gesellschaftlichen Auftrages über den manche Bildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen) verfügen, wird die Umweltsphäre Gesellschaft unweigerlich eine bedeutenden Rolle im Management dieser Einrichtungen führen. Er sollte auch einen positiven Einfluss auf die ernsthafte Einbeziehung von Ethik und Moral in die Unternehmensphilosophie haben. Literatur: • Brauchlin, Emil (2006): Die Anfänge des St. Galler Management-Modells. Management Institut St. Gallen. Online abrufbar unter: http://www.sgmi.ch/download/htm/2295/de/Die-Anfaenge-des-St-Galler-ManagementModells.pdf , 7.1.2013. • Decker, Franz (2000): Bildungsmanagement. Lernprozesse erfolgreich gestalten, betriebswirtschaftlich führen und finanzieren. Würzburg: Lexika. • Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen (IfB) (2012): Leistungsauftrag. Über uns. Online abrufbar unter: http://www.ifb.unisg.ch/de/Institut/Ueber+uns.aspx , 7.1.2013. • Neue Zürcher Zeitung (2003): 07.06.2003, Nr. 130, S. 85. Online abrufbar unter: http://www.sgbs.ch/sgbs/down_doc/Neues%20SG-Modell.pdf , 8.1.2013. • Rüegg-Stürm, Johannes (2002): Das neue St. Galler Management-Modell. Grundkategorien einer integrierten Management-Lehre. Der HSG-Ansatz. Bern: Haupt. • Trummer, Mattäus (2008): St. Galler Management-Modell. Umweltsystemwissenschaften, USW-Magazin. Online abrufbar unter: http://www.umweltsystemwissenschaften.at/usw-magazin/systemwissenschaften/157-st-gallermanagement-modell, 7.1.2013. • Ulrich, Hans; Krieg, Walter K. (1972): Das St. Galler Managementmodell. Bern: Haupt. 5