Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Trauma-Einteilung und Risikograde für die Ausbildung einer PTBS MAERCKER, 1998 Psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Belastungsstörungen Dipl.-Psych. Matthias Heidt Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Notfallpsychologe (BDP) Psychotherapeutische Praxis, Pirmasenser Straße 23b, 66994 Dahn, Tel: 0 63 91 / 40 90 4 80 Multifaktorielles Erklärungsmodell Posttraumatische psychische Prozesse Intrusion Hyperarousal Vermeidung/Erstarrung Folgen • Störungsbilder : – PTBS – Angststörungen – Depressionen u. a. versus • Restabilisierung • pers. Reifung Risikofaktoren • Alter zum Zeitpunkt der Traumatisierung • frühere belastende Erfahrungen • frühere psychische Störungen • sozialökonomische Schicht 11.09.2014 Dipl.-Psych. Matthias Heidt PT bei KJP mit Traumafolgestörungen Sexuelle Übergriffe (z. B. Vergewaltigung) Kriminelle bzw. körperliche Gewalt Ziviles Gewalterleben (z. B. Banküberfall) Langandauernde Naturkatastrophen mit Folgen (z. B. Erdbeben, Überschwemmungen) Technische Katastrophen (z. B. Giftgasexplosion) Wiederholter sexueller und körperlicher Missbrauch in der Kindheit bzw. im Erwachsenenalter Kriegserleben, Kriegsgefangenschaft Geiselhaft Mehrfache Folter, politische Inhaftierung (z. B. KZ) 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 2 F 43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen Schutzfaktoren • Kohärenzsinn • soziale Unterstützung • Bewältigungsprozesse Ereignisfaktoren • Traumaschwere • Unerwartetheit • Kontrollierbarkeit Schwere Verkehrsunfälle Berufsbedingte Traumen (z. B. Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst) Kurzdauernde Katastrophen (z. B. Wirbelsturm, Brand) F 43.0 Akute Belastungsreaktion F 43.00 F 43.01 F 43.02 leicht mittelgradig schwer F 43.1 F 43.2 Posttraumatische Belastungsstörung Anpassungsstörungen F 43.20 F 43.21 F 43.22 F 43.23 F 43.24 F 43.25 mit kurzer depressiver Reaktion mit längerer depressiver Reaktion mit Angst und depressiver Reaktion gemischt mit Beeinträchtigung anderer Gefühle mit vorwiegend Störung des Sozialverhaltens mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten mit sonstigen spezifischen deutlichen Symptomen F 43.28 3 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 4 1 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Diagnostik I Nicht alles ist PTBS ! (nach EHLERS, Anke: Posttraumatische Belastungsstörung – 1999) Differentialdiagnosen 1. Akute Belastungsstörung IBS-A-KJ (Interwiews zu Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen – ab 7 J. - Akutbogen) Anpassungsstörung (F43.2) Trauerreaktionen Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (F62.0) Akute Belastungsreaktion / -störung (F43.0) Andere Angststörungen / Depressionen Andere intrusive Kognitionen und Wahrnehmungsstörungen 2. Traumasymptome / Screening PEDS-ES (Pediatric Emotional Distress Scale – Early Screener – 2 bis 6 J.) C-DES / PTSI (Skala für dissoziative Erlebnisse von Kindern / Posttraumatic Symptom Inventory – ab 8 J. / Jungen und Mädchenbogen) CROPS (Traumascreeningskala für Kinder und Jugendliche – ab 7 J.) PROPS (Traumascreeningskala für Kinder und Jugendliche – Elternbogen) 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 5 Diagnostik II 3. Posttraumatische Belastungsstörung IBS-P-KJ (Interwiews zu Belastungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen – ab 7 J. - Posttraumabogen) 4. Dissoziative Symptome / Screening C-DES / PTSI (Skala für dissoziative Erlebnisse von Kindern / Posttraumatic Symptom Inventory – ab 8 J. / Jungen und Mädchenbogen) CDC Version 3 (Checkliste für dissoziative Erfahrungen von Kindern) A-DES II / A-DES 8 (Skala für dissoziative Erfahrungen von Jugendlichen – Lang- und Kurzform – 10 bis 21 J.) Viele weitere Test- und Diagnoseverfahren im Rahmen unterschiedlicher Traumafolgestörungen 11.09.2014 Dipl.-Psych. Matthias Heidt PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 7 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 6 Mögliche Symptome einer Traumatisierung bei Kindern Regression und Verleugnung Falschinterpretationen, ein verändertes Selbstbild, magische Gedanken Wut, Aggression, Selbstverletzung Schuldgefühle und Scham Ängste, Panik und Phobien Intrusionen, Flashbacks, Überflutung, Albträume Zwangshandlungen Physische Symptome und Krankheiten 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 8 2 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Faktoren, die Kindern die Verarbeitung eines Traumas erschweren Hatte das Kind Angst um sein Leben? Dauerte das Trauma lange an bzw. wiederholte es sich öfters? Wurde das Trauma von einem Menschen, womöglich von einer nahe stehenden Person, verursacht? Hatte es bereits vorher soziale Schwierigkeiten, Verhaltensstörungen, ADHS oder ein sehr geringes Selbstbewusstsein? Reagieren andere Familienangehörige auf das Trauma mit Depression, Hoffnungslosigkeit, Aggression oder anderen Störungen? Sind die vom Trauma ausgelösten Verluste unwiederbringlich (sind Menschen gestorben, die gewohnte Umgebung zerstört, Gesundheit bleibend beeinträchtigt)? War das Kind dem Trauma hilflos ausgeliefert, alleine, nicht in der Lage, irgendetwas zur Verbesserung der Situation zu tun? Je jünger das Kind, desto wahrscheinlicher wirkt sich ein Trauma auf den Affekt (die Stimmung, z. B. Trauer oder Niedergeschlagenheit), auf Lebensfunktionen (z. B. Schlafstörungen, geringer Appetit) und auf das Sozialverhalten (z. B. Aggressivität oder Rückzug) aus. Typisch sind auch Bauch- und Kopfschmerzen, Ängste (vor der Dunkelheit) sowie bei älteren Kindern selbstverletzendes Verhalten (Drogenmissbrauch, Verletzungen) und Desinteresse an der Zukunft. 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 9 Phasen der Traumaverarbeitung 2. Wiederherstellung des Vertrauens (Vertrauen in andere Menschen und in die Welt, pos. Selbstbild, Selbstachtung, Selbstwirksamkeit) 3. Integration des Traumas (Akzeptanz des Geschehenen, Trauer um das Verlorene, Verknüpfung Vergangenes und Aktuelles) 4. Wiedereintritt ins Leben Begleitend Eltern- bzw. Bezugspersonenarbeit (Bewusstsein hinsichtlich des Geschehenen, Festigung der Beziehungen, Zuversicht, dass Probleme zu meistern sind) Dipl.-Psych. Matthias Heidt 10 Anfrage, Kontakt, Vermittlung, Termin Anamnese und Diagnostik Entscheidung zur Therapie, Therapieziele Psychoedukation Distanzierung und Stabilisierung Konfrontation, Exposition Traumaintegration Aufbau von positiven Perspektiven und von Notfallkompetenzen (primäre Bedürfnisse, Essen, Unversehrtheit, Wärme, vertraute Umgebung,…) PT bei KJP mit Traumafolgestörungen PT bei KJP mit Traumafolgestörungen Der traumatherapeutische Ablauf 1. Wiederherstellung der Sicherheit 11.09.2014 11.09.2014 11 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 12 3 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Fördern des Kohärenzerlebens Ziele kognitiver Verhaltenstherapie Vermittlung von Fakten und Informationen Dysfunktionale Überzeugungen erkennen und verändern Hilfe und Begleitung beim Erleben und Zulassen von Gefühlen Exposition gegenüber traumabezogenen Stimuli mit dem Ziel die Reizschwelle zu heben Interpretation und Sinngebung Wiederanknüpfung an frühere Stärken Stärkung des Selbstbewusstseins 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 13 Techniken der Distanzierung und Externalisierung Dipl.-Psych. Matthias Heidt PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 3 Komponenten des Kohärenzerlebens 1. Verstehbarkeit (comprehensibility) 2. Subjektiver Handlungsspielraum (manageability) 3. Sinnhaftigkeit (meaningfulness) 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 14 Techniken der Stabilisierung Sicherer innerer Ort 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – Methode Screen-Technik Zeichnen des Problems Tresor-, Schatzkisten-, Rucksack-Übung Teebeutel-Trick Achtsamkeitsübung (z. B. Reise durch den Körper) 11.09.2014 Mit Kohärenzerleben ist die Art und Weise gemeint, in der eine Person das eigene Erleben und Handeln als innerlich zusammenhängend (kohärent) erlebt. (nach ANTONOVSKY) 15 Dies ist nur bei äußerer Sicherheit möglich Der Ort kann imaginiert, gemalt, gespielt werden Freude-Tagebuch führen Weiterdenken (vom Negativen zum Positiven) „Helferwesen“ nutzen Schutzbilder oder Traumfänger herstellen und installieren Schatzkiste mit Dingen oder Symbolen für positive Verknüpfungen füllen „Gepäck“ ablegen Baumübung (Imagination mit Baum verschmelzen) 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 16 4 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Abbau von Aggression Verarbeitung des Traumas Das Wutgefühl aussprechen oder niederschreiben Aktiv werden: die Hecke schneiden, Schnee schippen, Holz hacken, Laub harken, Sport, joggen, Teppich klopfen, … Ein Bild malen Mit einem Tennisschläger auf Kissen Schlagen, Boxsack nutzen Dafür vorgesehene Dinge kaputt machen (Wegwerfgläser im Eimer zertrümmern, Zeitungspapier zerfetzen) Gefühle zulassen Miteinander reden Rituale Kreative Bewältigungsmechanismen fördern Entspannung Spielen Caritativer Ansatz Konkrete Hilfen Selbstwertgefühl aufbauen und Stärken entwickeln 17 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 11.09.2014 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 18 Kreative Bewältigungsformen … Beispiele für adaptive Rituale … eine Verarbeitung nicht mit Worten sondern mit Taten ! Trauerritual z. B. Kerze aufstellen Schmerzen Und Verluste aufschreiben Regelmäßig Tagebuch schreiben 11.09.2014 Dipl.-Psych. Matthias Heidt Ein Fotoalbum anlegen Kreuz, Stein, Blumenstrauß am Unfallort Eine Gedenkstätte einrichten Jahrestage begehen Schreiben (Tagebuch, Gedichte, Brief (muß nicht abgeschickt werden)) Malen Sich mit anderen Betroffenen treffen Bilder, wenn das Kind möchte, erklären lassen Musik Nach Gefühlen und Musiktexten fragen Für guten Zweck engagieren PT bei KJP mit Traumafolgestörungen Projekte Ein Gedicht (Gedichte) schreiben Theaterstück, Videofilm, Zimmer neu einrichten, Collage, … 19 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 20 5 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Kreative Zugänge zu verschiedenen Jenseitsvorstellungen Entspannung Aus: educare – Krisenkompass (2010) ☯ Schlaf ☯ Ernährung ☯ Lachen ☯ Sport ☯ Pläne schmieden ☯ Konzentrationsübungen ☯ Entspannungsmethoden Trauertisch Persönlicher Abschiedsbrief Gemeinsames Abschiedsplakat oder gemeinsame Erinnerungscollage Erinnerungskiste Hoffnungsschiffchen Die Wut dem Feuer übergeben ☯ Atemübungen ☯ Autogenes Training, Yoga ☯ Progressive Muskelentspannung Lichterpyramide oder Erinnerungsbaum Luftballons fliegen lassen Erinnerungskerze gestalten ☯ Geschichten zur Entspannung Todesanzeige verfassen 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 21 22 Jedem Kind tut es gut, Verantwortung zu haben und zu helfen ! ☺ Kinder brauchen „spielerische Freiheit“ ☺ Inszenierungen / Nachspielen traumatischer Das Kind kann z. B.: Erlebnisse sind erlaubt ☺ Kasperlefiguren, Puppen oder Stofftiere sind für das kreative Spiel eine Hilfe ☺ Das Kind sollte Regisseur seines Spiels sein und eigenständig Lösungen finden ☺ Spielen eignet sich für den Gefühlsausdruck ☺ Durch das Spiel können ängstigende Situationen vorab „erprobt“ werden Dipl.-Psych. Matthias Heidt PT bei KJP mit Traumafolgestörungen Der caritative Einsatz des Kindes Spielen 11.09.2014 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 23 Verantwortung für ein Haustier übernehmen, Pflanzen / Blumen pflegen, Brieffreundschaften pflegen, Eine Patenschaft für etwas oder jemanden übernehmen, Einer karitativen Gruppe beitreten, Streitschlichter in der Schule werden, Taschengeld, Spielsachen, Kleidung spenden, Sich ggf. politisch engagieren … 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 24 6 Psychotherapie bei K & J mit Traumafolgestörungen 13. September 2014 Aufbau des Selbstwertgefühls Loben, loben, loben Das „Normale“ bemerken Routine und Rituale vermitteln Sicherheit und Geborgenheit Dem Kind vermitteln, dass es geliebt wird Positiver Körperkontakt Dem Kind Verantwortung übertragen Hilfe dosieren – Bevormundung, Überbehütung und Unselbständigkeit vermeiden Grenzsetzung gegenüber anderen trainieren (z. B. Selbstverteidigung) Erfolgserlebnisse ermöglichen Auf Stärken und Erfolge hinweisen Aus der Opferrolle aussteigen (Nicht „Opfer“ sondern „Überlebender“) PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 11.09.2014 25 Selbstsicheres Verhalten kann das Kind lernen ֠ NEIN oder STOPP sagen ֠ Weglaufen ֠ Laute Stimme ֠ „Sie“-Anrede ֠ Unhöflich sein ֠ Hilfe holen ֠ schnell und lösungsorientiert denken 11.09.2014 PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 26 Noch Fragen ??? 11.09.2014 Dipl.-Psych. Matthias Heidt PT bei KJP mit Traumafolgestörungen 27 7