Störung - praxis-dr

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Vortrag
Aus der Sicht des Psychiaters:
Störungen im Kindes-/Jugendalter
Fortbildungstagung für Seminarlehrer/innen der Psychologie am Gymnasium
2004-10-18
in Dillingen a.d. Donau im Oktober 2004
Dr. Roland Albert
Achsen des multiaxialen Klassifikationsschemas
(nach Remschmidt und Schmidt, 1994)
Achse I:
klinische (kinder- und jugend-) psychiatrische Diagnose oder Syndrom
ICD-10 Kapitel F0 – F99
zusätzlich diagnoseergänzende Symptome
Achse II:
Umschriebene Entwicklungsstörungen
ICD-10 Kapitel F80 – F83
Achse III:
Intelligenniveau
ICD-10 erweitert um hohe Intelligenz und Borderline Intelligenz
Achse IV:
Körperliche Symptomatik
ICD-10 Kapitel A – E und G - Y
Achse V:
Aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
AchseVI:
Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung
Da es neben der Hauptdiagnose Symptome gibt, die darin nicht aufgehen, aber dennoch
interventionsbedürftig sind, gibt es im MAS einen Symptomkatalog, der die Hauptdiagnose
ergänzt.
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 01
F8 Entwicklungsstörungen
2004-10-18
F80
F80.0
F80.1
F80.2
F80.3
F80.8
F80.9
umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechers und der Sprache
Artikulationsstörungen
expressive Sprachstörung
rezeptive Sprachstörung
erworbene Aphasie mit Epilepsie (Landau-Kleffner-Syndrom)
sonstige Entwicklungsstörungen des Sprechens u. der Sprache
nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung des Sprechens u. der Sprache
F81
F81.0
F81.1
F81.2
F81.3
F81.8
F81.9
umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Lese- u. Rechtschreibstörung
isolierte Rechtschreibstörung
Rechenstörung
kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten
sonstige Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 02
F8 Entwicklungsstörungen
2004-10-18
F82
umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen
F83
kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen
F84
F84.0
F84.1
F84.2
F84.3
F84.4
F84.5
F84.8
F84.9
tiefgreifende Entwicklungsstörungen
frühkindlicher Autismus
atypischer Autismus
Rett-Syndrom
sonstige desintegrative Störung des Kindesalters
überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien
Asperger Syndrom
sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen
nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung
F88
sonstige Entwicklungsstörungen
F89
nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 03
Intelligenz
Eine gute intellektuelle Begabung stellt einen protektiven Faktor oder einen
den Verlauf psychischer Erkrankungen günstig beeinflussenden Faktor dar.
Intellektuelle Beeinträchtigungen müssen als zusätzliches Risiko angesehen
werden.
Unterscheiden kann man folgende Intelligenzbereiche:
¾sehr hohe Intelligenz:
IQ höher als 129
¾hohe Intelligenz:
IQ 115 – 129
¾Durchschnittliche Intelligenz:
IQ 85 – 114
¾Niedrige Intelligenz:
IQ 70 – 84
¾Leichte intellektuelle Behinderung:
IQ 50 – 69
¾mäßige intellektuelle Behinderung:
IQ 35 – 49
¾Schwere intellektuelle Behinderung:
IQ 20 – 34
¾Schwerste intellektulle Behinderung:
IQ unter 20
Wobei die letzten Angaben eine Pseudopräzision der Messungen in diesem Bereich vorgeben,
wie sie realistischerweise nicht gegeben ist.
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 04
Aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
¾abnorme intrafamiliäre Beziehungen
¾psychische Störung, abweichendes Verhalten oder Behinderung in der Familie
¾inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation
¾abnorme Erziehungsbedingungen
¾abnorme unmittelbare Umgebung
¾akute, belastende Lebensereignisse
¾gesellschaftliche Belastungsfaktoren
¾chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang
mit Schule oder Arbeit
¾belastende Lebensereignisse infolge von Verhaltensstörungen oder
Behinderungen des Kindes
Auf der sechsten Achse wird schließlich das Niveau der psychosozialen Anpassung
gobal eingeschätzt
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 05
Risikofaktoren der Entwicklung
1.
Abnorme intrafamiliäre Beziehungen
1.0 Mangel an Wärme in der Eltern-Kind Beziehung
1.1 Disharmonie in der Familie zwischen Erwachsenen
1.2 Feindliche Ablehnung oder Sündenbockzuweisung gegenüber dem Kind
1.3 Körperliche Kindesmisshandlung
1.4 Sexueller Missbrauch (innerhalb der Familie)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 06
Risikofaktoren der Entwicklung
2.
Psychische Störung, abweichendes Verhalten oder Behinderung in
der Familie
2.0 Psychische Störung, abweichendes Verhalten eines Elternteils
2.1 Behinderung eines Elternteils
2.2 Behinderung der Geschwister
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 07
Risikofaktoren der Entwicklung
3.
Inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation
4.
Abnorme Erziehungsbedingungen
4.0 Elterliche Überfürsorge
4.1 Unzureichende elterliche Aufsicht und Steuerung
4.2 Erziehung, die eine unzureichende Erfahrung vermittelt
4.3 Unangemessene Anforderungen und Nötigung durch die Eltern
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 08
Risikofaktoren der Entwicklung
5.
Abnorme unmittelbare Umgebung
5.0 Erziehung in einer Institution
5.1 Abweichende Elternsituation
5.2 Isolierte Familie
5.3 Lebensbedingungen mit möglicher psychosozialer Gefährdung
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 09
Risikofaktoren der Entwicklung
6.
Akute, belastende Lebensereignisse
6.0 Verlust einer Liebes- oder engen Beziehung
6.1 Bedrohliche Umstände infolge von Fremdunterbringung
6.2 Negativ veränderte familiäre Beziehungen durch neue Familienmitglieder
6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
6.4 Sexueller Missbrauch (außerhalb der Familie)
6.5 Unmittelbare, beängstigende Erlebnisse
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 10
Risikofaktoren der Entwicklung
7.
Gesellschaftliche Belastungsfaktoren
7.0 Verfolgung der Diskriminierung
7.1 Migration oder soziale Verpflanzung
8.
Chronische Belastungen im Zusammenhang mit Schule und Arbeit
8.0 Abnorme Streitbeziehungen zwischen Schülern, Mitarbeitern
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer, Ausbilder
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule, Arbeitssituation
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 11
Risikofaktoren der Entwicklung
9.
Belastende Lebensereignisse infolge von Verhaltensstörungen oder
Behinderung des Kindes
9.0 Institutionelle Erziehung
9.1 Bedrohliche Umstände infolge Fremdunterbringung
9.2 Abhängige Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
Achse V des ICD-10: Abnorme psychosoziale Umstände
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 12
Globalbeurteilung der psychosozialen
Anpassung
0
1
2
3
4
5
6
7
8
2004-10-18
hervorragende oder gute soziale Anpassung auf allen Gebieten
befriedigende soziale Anpassung mit vorübergehenden oder
geringgradigen Schwierigkeiten in lediglich einem oder zwei
Bereichen
leichte soziale Beeinträchtigung mit leichten Schwierigkeiten
in mindestens einem oder zwei Bereichen
mäßige soziale Beeinträchtigung in mindestens einem oder zwei
Bereichen
deutliche soziale Beeinträchtigung in mindestens einem oder
zwei Bereichen
deutliche und übergreifende soziale Beeinträchtigung in den
meisten Bereichen
tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung
in den meisten Bereichen
braucht beträchtliche Betreuung
Braucht ständige Betreuung (24-Stunden-Versorgung)
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 13
Entwicklungsstörungen
18 %
Isolierte
Rechtschreibstörung
5%
Kombinierte
Schulstörung
40 %
Lese- Und
Rechtschreibstörung
9%
Rechenstörung
5%
Asperger-Syndrom
23 %
Artikulationsstörung
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 14
Verhaltens- und emotionale Störungen
mit Beginn in der Kindheit und Jugend
11%
Emotionale Störung
2%
TicStörung
27 %
Störung des
Sozialverhaltens
12%
Enuresis
4%
Enkopresis
15%
HKS des
Sozialverhaltens
4%
Stottern
12%
Einfache Aktivitäts- u.
Aufmerksamkeitsstörung
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
13%
Nur Aufmerksamkeit
gestört
Dr. Roland Albert
Folie 15
Brief von Phillipp Jakob Hoffmann
an seinen Sohn Heinrich (Seite 1)
50 Jahre nach Rousseau hält ein Vater seinen Sohn zum Lernen in den Ferien an.
(Ein ziemlich schwieriges Unterfangen!):
„Da der Heinrich – wie eine leider nun mehr 14-tägige Erfahrung gelehrt hat – in ungeregelter Tätigkeit
und leichtsinniger Vergesslichkeit fortlebt, überhaupt nicht im Stande ist, seine Betriebsamkeit nach
eigenem freien Willen auf eine vernünftige und zweckmäßige Weise zu regeln und im Verfolg dieser
Regellosigkeit die Schande für seine Eltern, der größte Nachteil für ihn selbst zu gegenwärtigen ist, so
will ich ihm hiermit nochmals die Pflicht ans Herz legen und ihn auffordern: zur Ordnung, zum geregelten
Fleiß, zur vernünftigen Einteilung seiner Zeit zurückzukehren, damit er ein nützliches Mitglied der
bürgerlichen Gesellschaft werde, und seine Eltern wenigstens zu der Erwartung berechtigt sind, dass er
nicht untergehe in der Flut des alltäglichen gemeinen Lebens.
Quelle:
BUNDESVERBAND ELTERNINITIATIVEN
Zur Förderung Hyperaktiver Kinder e. V. (Ausgabe 2/97)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 16
Brief von Phillipp Jakob Hoffmann
an seinen Sohn Heinrich (Seite 2)
In der Besorgnis, dass auch diese Ermahnung nichts helfen wird, und in dem festen Willen,
wenigstens die bevorstehende letzte Ferienwoche nicht in tagdiebischen Schlendrian zugebracht zu
sehen: befehlige ich folgende Einteilung der Zeit.
1.20 Minuten Zeit zum Waschen und Anziehen
2.Bis zum Kaffee, Klavierübung.
3.Von 8.00 bis 10.00 Uhr, Zeichnen.
4.Von 10.00 Uhr bis zum Mittagessen, Repetition der lateinischen und griechischen
Grammatik.
5.Von 2.00 Uhr bis 4.00 Uhr, Klavierübung.
6.Von 4.00 bis 7.00 Repetition der deutschen , französischen und englischen Grammatik.
7.Von 7.00 bis 9.00 Uhr, Algebra
Die Unterrichtsstunden beim Herrn Pfarrer, sodann im Französisch und der Musik sind die einzigen
Ausnahmen“
Diesen Brief schreibt Phlilipp Jakob Hoffmann an seinen Sohn Heinrich etwa im Jahre 1820. Der
Sohn Heinrich ist der spätere Verfasser des Struwelpeters.
Quelle:
BUNDESVERBAND ELTERNINITIATIVEN
Zur Förderung Hyperaktiver Kinder e. V. (Ausgabe 2/97)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 17
Andere Bezeichnungen für das
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS)
Hyperkinetisches Syndrom (HKS)
Aufmerksamkeits-Defizit-HyperaktivitätsStörung (ADS, ADHS)
Aufmerksamkeitsstörung mit und ohne Hyperaktivität
Attention Deficit (Hyperactivity)
Disorder (ADHD)
Minimal Cerebral Dysfunction (MCD)
Psychoorganisches Syndrom (POS)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 18
Hyperkinetische Störungen
Charakteristische Merkmale sind:
1.
2.
3.
Früher Beginn
Die Kombination von überaktivem, wenig modulierten Verhalten
mit deutlicher Unaufmerksamkeit und Mangel an Ausdauer bei
Aufgabenstellungen
Situationsunabhängige und zeitstabile Verhaltenscharakteristika
Die Kardinalsymptome sind beeinträchtigte Aufmerksamkeit und ÜberAktivität. Für die Diagnose sind beide notwendig.
Beeinträchtigte Aufmerksamkeit und Überaktivität sollen nebeneinander
Vorhanden sein; darüber hinaus sollen sie in mehr als einer Situation in
Erscheinung treten (z.B. zu Hause, in der Klasse und in der Klinik).
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 19
Entwicklungspsychopathologische Verläufe
der hyperkinetischen Störungen
Kind
Jugendlicher/
Erwachsener
Psychische
Gesundheit
HKS
HKS
Dissozialität
Dissozialität
Alkoholismus
Drogenmißbrauch
Andere psychiatrische
Störungen
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 20
Verlauf hyperkinetischer Störungen
(Mannheimer Studie, n=340)
8 Jahre
13 Jahre
Emotionale
Störungen N=1
18 Jahre
Emotionale
Störungen N=1
1
1
1
5
Dissoziale
Störungen N=5
4
Dissoziale
Störungen N=8
1
3
Hyperkinetische
Störungen N=20
Ohne psychische
Störung N=1
2004-10-18
4
10
1
Hyperkinetische
Störungen N=5
1
2
Ohne psychische
Störung N=10
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
1
7
Ohne psychische
Störung N=12
Dr. Roland Albert
Folie 21
ADHS - Symptome und Entwicklung Grundschulalter
Betroffen: ca. 3 – 5 % aller Kinder
¾Schulleistungsstörungen
¾Hausaufgabendrama
¾Ablenkung im Unterricht (Klassenkasper/ Störenfried)
¾Teilleistungsschwächen
¾Ablehnung durch Gleichaltrige
¾Umschulungen
¾Klassenwiederholungen
¾Emotionale Auffälligkeiten
¾Oppositionellaggressives Verhalten (30-50 %)
¾motorische Unruhe
¾Impulsivität
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 22
ADHS - Symptome und Entwicklung Jugendalter
Mindestens 30 – 60 % sind noch erheblich gestört
¾Geringes Bildungsniveau
¾Verzögerter Berufsabschluss
¾Starke Aufmerksamkeitsstörung
¾Aggressivdissoziales Verhalten
¾Alkohol- und Drogenmissbrauch
¾Emotionale Auffälligkeiten
¾Leicht beeinflussbar
¾Stimmungslabilität
¾Neigung zur Jugendkriminalität
¾Erhöhtes Unfallrisiko
¾Risikobereitschaft
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 23
ADHS - Symptome und Entwicklung Erwachsenenalter
Mindestens 30% (bis 80%) sind bleibend gestört
2004-10-18
¾geringer Beschäftigungsstatus (mit sozialen Folgen:
z. B. Kriminalität)
¾Aufmerksamkeitsstörung
¾Organisationsdefizit („Chaot“)
¾Sozialisationsstörungen (20 – 45%)
¾Alkohol- und Drogenabhängigkeit
¾Antisoziale Persönlichkeit (25%)
¾Starke Impulsivität
¾Hohes Aktivitätsniveau
¾Probleme im Beruf
¾Arbeitsplatzverlust
¾Polizeikonflikte
¾erhöhtes Unfallrisiko
Dr. Roland Albert
¾Sensationsbereitschaft
Folie 24
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Häufige mit der Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung verbundene zusätzliche Probleme
2004-10-18
80 – 90%
(u.a.: ca. 60%
25 – 35%
20 – 30 %
Lernprobleme
Leseschwäche
Klassenwiederholer
ausgeprägte Teilleistungsschwäche)
ca. 60%
ca. 40%
(davon 15-20%
oppositionelles/aggressives Verhalten
dissoziales Verhalten
Drogenabhängigkeit)
20 - 30%
15 – 30%
Angststörungen
depressive Störungen mit Selbstwertproblemen
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 25
Der Teufelskreis des hyperkinetischen Kindes
Familie
Enttäuschung
nervliche Belastung
Versagensgefühle
HKS Kind
Aufmerksamkeitsstörungen
Hyperaktivität
mangelnde Impulskontrolle
schlechte Schulleistungen
Sozialisationsstörungen
Außenseiter
Sündenbock
Störenfried
Versager
Schuldgefühle
Tadel, Restriktionen
Umwelt (Kiga/Schule)
Tadel Restriktionen
Misserfolgserwartung
mang. Selbstwertgefühl
depressiver Rückzug
Aggressivität
Mißerfolgsorientierung
Drohender Schulverweis
Misserfolgserwartung
2004-10-18
sekundäre Neurotisierung
psychosomatische Störungen
Ablehnung
depressive Syndrome
Dissozialität
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 26
Differentialdiagnose
¾tiefgreifende Entwicklungsstörungen
¾Störungen des Sozialverhaltens
¾Anfallskrankheiten
¾Anpassungsreaktionen auf außerordentlich belastende
familiäre Verhältnisse oder schulische Überforderung
¾emotionale Störungen wie Angststörung, agitierte Depression
¾affektive Störungen
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 27
Ätiopathogenese
¾hirnorganische Faktoren
- prä-, peri-, postnatale Risikofaktoren
- entzündliche, toxische (o.a. Alkohol, Nikotin),
traumatische Noxen
¾zerebrale frontale Dysfunktion
¾neurophysiologische bzw. biochemische Funktionsstörungen
(Dopamin-, Serotonin-, Noradrenalin-, MonoaminooxydaseStoffwechsel)
¾genetische Faktoren
(Knabenwenigkeit, familiäre Belastung mit HKS)
¾Nahrungsmittelallergene (umstritten)
Schokolade und Kakaoprodukte, Zucker, Kuhmilch, Käse,
Farbstoffe, Konservierungsmittel
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 28
ADHS - Ursachen Störungen im Hirnstoffwechsel
Überträgerstoffe werden zu rasch und zu
intensiv abgebaut
Informations – Übertragungen sind gestört
oder erfolgen nicht
Aufmerksamkeitsschwäche
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Impulsivität
Überaktivität
Dr. Roland Albert
Folie 29
Störung der dopaminergen Neurotranmission
bei ADHS
Bild gebende Verfahren zeigen
eine erhöhte Aktivität des DopaminTransporters (DAT) Molekularbiologische Untersuchungen
weisen auf genetische Veränderungen
der Dopamin-Rezeptoren und der
Dopamin-metabobolisierenden
Enzyme (COMT) hin.
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 30
Wahrscheinliches Wirkungsprinzip
von Methylphenidat
a: akuter Effekt
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
b: chronischer Effekt
Dr. Roland Albert
Folie 31
Hyperkinetische Störungen / ADHD
Neurobiologische Faktoren und pathophysiologisches Erklärungsmodell
n. G.H. Moll, A. Rothenberger, M. Döpfner, G. Lehmkul
Genetische Disposition
Morphometrie
- Volumenminderung corticaler u. subcorticaler Strukturen
Funktionelle
Hypofrontalität
SPECT, PET
- Verminderung von Blutfluss und Glucoseutilistion
Neurochemie
- Verminderte dopaminerge Aktivität
Hirnschädigung
Neurophysiologie - Zentralnervöses Underarousal (P 300)
Mangelnde Hemmung von Impulsen
Unzureichende exekutive Funktionen
- Analyse und Planung von Handlungssequenzen
- Nonverbales Arbeitsgedächtnis
- Selbstregulation von Affekt, Motivation, Aufmerksamkeit
- Kognitives Flexibilität
Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität, Impulsivität
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 32
Therapie und Verlauf
¾Verhaltenstherapie unter Einbeziehung von Trainingsprogrammen
¾Medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien als Mittel der Wahl
evt. Auch Antidepressiva und Neuroleptika
¾Eltern- und Lehrerberatung (Aufklärung über Wesen und mögliche
Ursachen des HKS, Entlastung und Stützung statt Schuldzuweisung etc.)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 33
ADHS - Indikation zur Behandlung mit Psychostimulanzien -
¾Diagnose HKS/ADHS o. ADS gesichert
¾Entwicklungsbeeinträchtigung u./o. Leidensdruck
¾Ausbleiben des Erfolgs anderer Therapie
¾Fehlen der Möglichkeit anderer Therapie
¾Krisenhafte Zuspitzung der Situation des Kindes
u./o. der Familie
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 34
Störungen des Sozialverhaltens gemäß ICD-10
2004-10-18
F 91.0
auf den familären Rahmen beschränkte Störungen des Sozialverhaltens
F 91.1
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
F 91.2
Störungen des Sozialverhaltens bei vorhandener sozialen Bindung
F 91.3
Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellen, aufsässigem Verhalten
F 91.8
Sonstige Störungen des Sozialverhaltens
F 91.9
nicht näher bezeichnete Störungen des Sozialverhaltens
F 92.0
Störungen des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
F 92.8
Sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
F 92.9
nicht näher bezeichnete, kombinierte Störung des Sozialverhaltens und
der Emotionen
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 35
Häufigkeit antisozialen Verhaltens
Typen der antisozialen Entwicklung nach Moffitt (1993)
80
70
60
50
40
Auf die Adoleszenz
beschränkte Antisozialität
30
20
Lebenslang persistente
Antisozialität
10
5
2004-10-18
10
15
20
25
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
30
35
40
45
Alter
Dr. Roland Albert
Folie 36
Was ist über typisch Täter bekann?
(Olweus)
- Durchschnittliche Intelligenz
- Noten, leicht unterdurchschnittlich
- 2-3 Freunde (nicht isoliert)
- sind kräftiger als der Durchschnitt
- verfügen über ein langfristiges Training aggressiver Selbstbehauptung
- auffällig hoher Anteil wurde von den Müttern abgelehnt
- Eltern billigen gewalttätiges Verhalten
- Sie sind den Opfern körperlich überlegen.
- In der Tatsituation stehen sie nicht unter Stress, erleben auch keine
Frustration vor dem Geschehen.
- Nur 20 % waren selbst Mobbingopfer.
- Es gibt Täter, die Freude dabei erleben, andere zu quälen.
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 37
Merkmale hochaggressiver Kinder
Massive Angespanntheit/Unruhe
Verzerrte Selbst- und Fremdwahrnehmung
Unangemessene Selbstbehauptung
Mängel im Sozialverhalten (Kooperation, Hilfsverhalten)
Mangel an Selbstkontrolle
(Schwierigkeiten bei der Handlungsverzögerung
Mangel an positivem Einfühlungsvermögen (Empathie)
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 38
Breitbandförderungsprogramme zur Entwicklung
sozialer Kompetenzen:
Es geht in der Arbeit mit aggressiven Jugendlichen darum, ihnen mehr soziale
Fähigkeiten zu vermitteln, die sich nach Goldstein in 6 Gruppen unterteilen lassen:
1.
Grundlegende soziale Fähigkeiten (z.B. zuhören, eine Frage stellen, „Danke“ sagen, loben)
2. Komplexe soziale Fähigkeiten (z.B. nach dem Warum fragen, um Hilfe bitten, sich beteiligen,
sich entschuldigen)
3. Fähigkeiten im Umgang mit Gefühlen (z.b. seine Gefühle ausdrücken, die Gefühle anderer verstehen
mit Angst umgehen, sich selbst belohnen)
4. Verhaltensalternativen zur Aggression (z.B. um Erlaubnis fragen, etwas mit anderen teilen, anderen
helfen, verhandeln, Selbstkontrolle aufbringen, sich für seine Rechte einsetzen, „nein“ sagen,
auf Hänseln reagieren)
5. Fähigkeiten im Umgang mit Stress (z.B. nach einer Wettbewerbsituation miteinander sprechen, ein
Angebot abschlagen, auf Überredung reagieren, mit Gruppendruck umgehen können)
6. Vertiefen dieser Fähigkeiten (z.B. mit Langeweile umgehen können, sich ein Ziel setzen,
Informationen zusammenstellen, Probleme nach Wichtigkeit ordnen).
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 39
Kategorie der abnormen Situationen
- Mangel an Wärme in der Eltern-Kind-Beziehung
- Feindliche Ablehnung, Sündenbockzuweisung gegenüber dem Kind
- Körperliche Kindesmisshandlung
- Unzureichende elterliche Aufsicht und Steuerung
- Erziehung, die eine unzureichende Erfahrung vermittelt
- Feindliche Ablehnung oder Sündenbockzuweisung durch Lehrer oder
Ausbilder
- Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Häufigkeit
47 %
27 %
9%
39 %
21 %
18 %
13 %
Dr. Roland Albert
Folie 40
Verlauf und Fortschreiten der Störungen des Sozialverhaltens
mit Beginn der frühen Kindheit
(Quelle: Lahey und Loeber 1994 und Loeber, Green, Lahey, Christ und Frick 1992)
oppositionelles Verhalten
„Aussetzer“, „Koller“
widersetzt sich Erwachsenen
Non-compliance
Stimmungsschwankungen
Eigensinn
argumentiert mit Erwachsenen
stellt andere bloß
boshaft, gehässig
ärgerlich
3
4
5
6
frühe Störungen des
Sozialverhaltens
lügt
körperliche Auseinandersetzungen
schikanieren, tyrannisieren
„bullying“
Brandstiften
Fluchen
Tiere quälen
Regeln überschreiten
7
8
9
schwere Störungen des
Sozialverhaltens
Grausamkeiten
Stehlen
Weglaufen von zu hause
Schule schwänzen
Einbruch, Diebstahl
Raub, Vergewaltigung
10
11
12
Alter
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 41
Diagnose nach der internationalen Klassifikation
Psychischer Störungen IC D 10
Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
2004-10-18
F 81.0
Lese- und Rechtschreibstörung
F 81.1
isolierte Rechtschreibstörung
F 81.2
Rechenstörung
F 81.3
kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten
F 81.8
andere Störungen schulischer Fertigkeiten
F 81.9
nicht näher bezeichnete Störungen schulischer Fertigkeiten
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 42
Die Symptomatik der Lesestörung
- Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen
- Verlangsamtes Lesetempo
- Startschwierigkeiten beim Vorlesen, zögerndes und stockendes lesen,
Verlieren der Zeile im Text, nicht sinnentsprechende Betonung
- Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 43
Zusätzlich zeigen sich oft Schwächen im
Leseverständnis
- Unzureichende Fähigkeit, das Gelesene wiederzugeben und aus dem
Gelesenen Schlüsse zu ziehen.
- Bei Befragung Wiedergabe des allgemeinen Wissens von Hintergrundinformationen anstelle der Information aus dem gelesenen Text.
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 44
Die Symptomatik der Rechtschreibstörung
- Reversionen: Verdrehungen von Buchstaben im Wort (b/d, p/q, u/n)
- Reihenfolgefehler: Umstellungen von Buchstaben im Wort (Tor/Rot)
- Auslassungen von Buchstaben (ihn/in)
- Einfügungen von falschen Buchstaben
- Regelfehler (Fehler in der Groß- u. Kleinschreibung)
- Dehnungsfehler: wahr/war; ihn/in, seid/seit)
- Wahrnehmungsfehler: Verwechslung von d/t, g/k
- „lautliches“ Schreiben (wahr/war)
- Wortverstümmelungen (Mase anstatt Maschine, glet statt gelegt)
- Fehlerinkonstanz: permanentes fehlerhaftes Schreiben desselben Wortes
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 45
Symtomatik der Dyskalkulie
- Zählen: in Schritten vorwärts und rückwärts zählen können, Zehnerübergänge,
Hunderterübergänge
- Mengenerfassung: Eine kleine Menge visuell erfassen ohne zu zählen
- Verdrehen von Zahlen: 39 = 93
- Was sind Einer, Zehner und Hunderter
- Verwechseln der Symbole für die Rechenoperationen
- Mengenkonstanz
- Formkonstanz
- Probleme: was ist gleich? weniger? mehr?
- Das Kind rechnet mechanisch nach dem Schema, das es sich eingeprägt hat.
Es kann aber passieren, dass das heute Erlernte morgen vollständig weg ist.
- Selbst im Zahlenbereich bis 20 werden die Aufgaben zählend gelöst.
Das Kind erkennt die Zusammenhänge nicht: Tauschaufgaben zum Beispiel
oder 2+4 = 6; 12 + 4 = 16
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 46
Kinder- und Jugendpsychiatrie
2004-10-18
Vortrag „Aus der Sicht des Psychiaters: Störungen im
Kindes-/Jugendalter“
Dr. Roland Albert
Folie 47
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