Der Einfluss von Nikotin auf den Schlaf

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Aus der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Der Einfluss von Nikotin auf den Schlaf
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i. Br.
Vorgelegt 2008
von Zsuzsanna Bárkai
geboren in Szentes / Ungarn
1
Dekan: Prof. Dr. med. Christoph Peters
1. Gutachter: PD Dr. med. Magdolna Hornyak
2. Gutachter: Prof. Dr. med. Stephan Sorichter
Jahr der Promotion: 2008
2
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................................5
I. Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit....................................................................................6
II. Theoretische Grundlagen.............................................................................................................7
2.1 Der Tabakkonsum ......................................................................................................................7
2.1.1 Geschichte des Tabakkonsums ...........................................................................................7
2.1.2 Epidemiologie des Rauchens ..............................................................................................9
2.1.3 Klinische Auswirkungen des Rauchens............................................................................10
2.1.4 Volkswirtschaftliche Folgen .............................................................................................11
2.2 Der Wirkstoff: Nikotin.............................................................................................................12
2.2.1 Zentrale Wirkung von Nikotin..........................................................................................12
2.2.2. Nikotinabhängigkeit.........................................................................................................13
2.2.3 Nikotinentzug....................................................................................................................15
2.3 Der Schlaf ................................................................................................................................15
2.3.1 Schlafstadien .....................................................................................................................15
2.3.2 Schlafprofil beim Gesunden..............................................................................................17
2.3.3 Modelle der Schlaf-Wach-Regulation ..............................................................................17
2.3.4 Schlafstörungen.................................................................................................................18
2.4 Nikotin und Schlaf ...................................................................................................................20
III. Methodik ....................................................................................................................................22
3.1 Datenbanksuche .......................................................................................................................22
3.2 Suchbegriffe .............................................................................................................................22
3.3 Selektion der Artikel ................................................................................................................22
3.4 Ergebnisse der Literaturrecherche ...........................................................................................23
IV. Ergebnisse...................................................................................................................................25
4.1 Untersuchungen an Tieren .......................................................................................................25
4.1.1 Ergebnisse .........................................................................................................................25
4.1.1.1 Einleitung ...................................................................................................................27
4.1.1.2 Akuter Effekt..............................................................................................................27
4.1.1.3 Chronischer Effekt .....................................................................................................29
4.1.1.4 Wirkung auf die PGO-Spikes ....................................................................................30
4.1.1.5 Zusammenfassung......................................................................................................31
4.2 Untersuchungen an Menschen .................................................................................................32
4.2.1 Ergebnisse .........................................................................................................................32
4.2.2 Schlafstörungen bei Nikotinkonsum.................................................................................33
4.2.2.1 Ergebnisse ..................................................................................................................33
4.2.2.2 Fragebogen-Erhebungen ............................................................................................34
4.2.2.3 Polysomnographische Untersuchungen .....................................................................38
4.2.3 Effekt von Nikotinentzug auf den Schlaf..........................................................................41
4.2.3.1 Ergebnisse ..................................................................................................................41
3
4.2.3.2 Fragebogen-Erhebungen ............................................................................................41
4.2.3.3 Polysomnographische Untersuchungen .....................................................................47
4.2.4 Effekt von Nikotinersatztherapien auf den Schlaf Gesunder............................................50
4.2.4.1 Ergebnisse ..................................................................................................................50
4.2.4.2 Nikotinersatztherapie mit Nikotinkaugummi.............................................................51
4.2.4.3 Nikotinersatztherapien mit Nikotinpflaster................................................................53
4.2.5 Die Wirkung von Nikotin bei depressiven Patienten........................................................71
4.2.5.1 Ergebnisse ..................................................................................................................71
4.2.5.2 Fragebogen-Erhebungen und polysomnographische Untersuchungen......................73
4.2.6 Nikotin und Schlafapnoe...................................................................................................79
4.2.6.1 Ergebnisse ..................................................................................................................79
V. Diskussion ....................................................................................................................................84
5.1 Hauptbefunde und klinische Relevanz.....................................................................................84
5.1.1 Nikotinkonsum..................................................................................................................84
5.1.2 Nikotinentzug....................................................................................................................84
5.1.3 Nikotinersatztherapien ......................................................................................................86
5.1.4 Zusammenfassung der Wirkung von Nikotin auf den Schlaf Gesunder...........................89
5.1.5 Depression und Nikotingebrauch......................................................................................90
5.1.6 Schlafapnoe und Nikotingebrauch ....................................................................................93
5.1.7 Prädiktive Faktoren für Schlafstörungen beim Nikotinentzug .........................................93
5.2 Einschränkungen der vorliegenden Arbeit...............................................................................95
VI. Ausblick ......................................................................................................................................96
VII. Literatur....................................................................................................................................98
4
Abkürzungsverzeichnis
Ach
Acethylcholin
AHI
Apnoe/Hypopne-Index
ASDA
American Sleep Disorder Association
BDI
Beck Depression Inventory
CFFT
Critical Flicker Fusion Test
EEG
Elektroenzephalogram
EMG
Elektromyogram
EOG
Elektrookulogram
DSM-IV
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Ausgabe
h
Stunden
i.p.
intraperitoneal (Applikationsweise)
i.v.
intravenös (Applikationsweise)
MCRT
Multiple Choice Reaction Test
Min
Minuten
MSLT
Multiple Sleep Latency Test
nAchR
nikotinerge Acethylcholin-Rezeptoren
NP
Nikotinpflaster
OR
Odds Ratio
POMS
Profile of Mood States
REM
rapid eye movement Schlaf
PSG
Polysomnographie
SE
Schlafeffizienz
s.c.
subkutan (Applikationsweise)
Sek
Sekunden
T
Tag
TST
total sleep time –Gesamtschlafzeit
Wo
Wochen
Zig
Zigaretten
5
I. Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
In der folgenden Arbeit werden die Ergebnisse einer Literaturrecherche im Rahmen einer
deskriptiven Übersicht zu den Wirkungen von Nikotin auf den Schlaf präsentiert.
Zahlreiche Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass das Zigarettenrauchen zu
schweren kardiovaskulären, zerebrovaskulären und respiratorischen Erkrankungen führt. Über diese
Effekte hinaus gibt es zunehmend Hinweise, dass das Zigarettenrauchen die Morbidität auch
dadurch erhöht, dass dabei der Schlaf nachteilig beeinflusst wird.
Schlafstörungen sind von Rauchern häufig beschriebene Symptome hauptsächlich während des
Nikotinentzuges. Schlafstörungen und die resultierende Tagesmüdigkeit stellen eine häufige
Ursache einer erfolglosen Nikotinabstinenz dar.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine systematische Übersicht und kritische Bewertung derjenigen
wissenschaftlichen Untersuchungen zu geben, welche die Auswirkungen des Nikotins und des
Nikotinentzuges auf den Schlaf bzw. die Auswirkungen von Schlafstörungen auf den
Nikotinkonsum untersuchten. Die Grundlage dieser Übersicht bildet eine systematische
Literaturrecherche, die alle derzeit in den ausgewählten Literaturdatenbanken aufgeführten
wissenschaftlichen Arbeiten einbezieht.
6
II. Theoretische Grundlagen
2.1 Der Tabakkonsum
2.1.1 Geschichte des Tabakkonsums
Der Tabak wird aus der gleichnamigen Pflanze „Nicotiana tabacum“ erzeugt. Das Rauchen greift
auf eine lange Tradition bis auf die altamerikanischen Kulturen zurück und hatte eine rituelle
Bedeutung. Darstellungen rauchender Maya-Priester sind schon von 500-600 v.Chr. bekannt. In
Europa fanden erste Berichte über die Tabakpflanze Verbreitung, nachdem 1497 Amerika von
Kolumbus entdeckt wurde. Jean Nicot beschrieb 1560 die Tabakpflanze als Heilpflanze und setzte
sie sogar als Heilmittel ein. Durch die medizinische Anwendung verbreitete sich die Tabakpflanze
europaweit und wurde vor allem wegen ihrer schmerzstillenden und euphorisierenden Wirkung
gebraucht. Deshalb war der legale Verkauf von Tabak bis Ende des 17. Jahrhunderts nur Apotheken
gestattet. Erst durch Soldaten, dann schnell auch in der Zivilbevölkerung wurde der Tabak zum
alltäglichen Genussmittel in Form von Pfeife, Kau- und Schnupftabak gebraucht. In vielen Ländern
wurde das Rauchen aus moralischen oder religiösen Gründen verboten und durch schwerwiegende
Strafen sanktioniert, da es als Genuss- und Rauschmittel galt. Die strengen Rauchverbote konnten
die Verbreitung des Tabakkonsums jedoch nicht einschränken, bis letztendlich der Konsum im 18.
Jahrhundert mit der Einführung der Tabaksteuer legalisiert wurde und dadurch als eine wichtige
wirtschaftliche Einnahmequelle diente.
Während im 16. und 17. Jahrhundert vorwiegend Pfeife geraucht wurde, waren im 18. Jahrhundert
der Schnupftabak und im 19. Jahrhundert die Zigarre die am stärksten konsumierten Tabakwaren.
Anfang des 19. Jahrhunderts war der Kautabak die beliebteste Form des Tabakkonsums in Amerika
und galt als Symbol der modernen amerikanischen Gesellschaft, im Gegensatz zum mit Aufwand
betriebenen Pfeifenrauchen in Europa. Durch die Massenfertigung von Zigaretten Mitte des 19.
Jahrhunderts nahm der Tabakkonsum in Europa exponentiell zu und erlebte den größten
Aufschwung im 20. Jahrhundert.
Entwicklung des Tabakverbrauchs in Deutschland
Der starke Tabakkonsum setzte in Deutschland mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) ein.
Die ersten Rauchverbote wurden in Bayern und Österreich im späten 17. Jahrhundert eingeführt, da
das hohe Abhängigkeitspotential zunehmend erkannt worden ist. Schließlich verbreitete sich das
Tabakrauchen epidemisch mit der industriellen Produktion von Zigaretten. Anfangs blieb das
Rauchen den höher gestellten gesellschaftlichen Schichten vorbehalten, fand jedoch auch rasch
7
Eingang in die übrigen Gesellschaftsschichten durch die aus der Massenfertigung resultierende
Verbilligung.
Innerhalb eines Jahrhunderts erhöhte sich der Absatz von fabrikfertigen Zigaretten in Deutschland
von 6 Milliarden Stück auf 133 Milliarden Stück pro Jahr (Abbildung 1).
Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges nahm der Konsum von Nikotin besonders zu, denn er
diente den Soldaten als Psychopharmakon. Nikotin half bei der Bekämpfung der Müdigkeit und
Hungergefühle und wirkte als Beruhigungsmittel. In dieser Zeit stieg der jährliche Pro-KopfVerbrauch von 570 auf 900 Zigaretten an. Dieser rapide Anstieg wurde durch die schlechte
Verfügbarkeit in den letzten Kriegsjahren gebremst. Weiterhin nahm der Verbrauch durch die bis
1949 aufrechterhaltene Rationierung auf 320 Zigaretten ab. Seit den 50er Jahren entwickelte sich
der Tabakkonsums im geteilten Deutschland unterschiedlich. Während der Zigarettenverbrauch in
der DDR bis in die 70er Jahre auch im Vergleich zu anderen Ländern als moderat galt, zeigte sich
in der neu gegründeten Bundesrepublik ein deutlicher Anstieg bis auf 2042 Zigaretten pro Jahr und
Kopf. Bis zur Wiedervereinigung ist allerdings eine Angleichung zu beobachten, die vor allem auf
einen deutlichen Anstieg des Zigarettenverbrauchs in der DDR zurückzuführen war. Seitdem sind
die jährlichen Verbrauchzahlen leicht rückläufig und lagen in Gesamtdeutschland im Jahr 2003 bei
1607 Stück pro Kopf [Robert Koch Institut, 2006].
Abbildung 1. Zigarettenverbrauch in Deutschland
8
2.1.2 Epidemiologie des Rauchens
Weltweit rauchen etwa 1,1 Milliarden Menschen. Es ist anzunehmen, dass diese Zahl bis 2025 auf
über 1,6 Milliarden steigen wird. Im Gegensatz zum seit einigen Jahrzehnten abnehmenden
Tabakkonsum in westlichen Ländern steigt der Verbrauch in den Entwicklungsländern immer
weiter an [WHO-Kollaboration-Tabakkontrolle, 1999].
Gemäß der Erhebung von Robert Koch Institut (2002/2003) raucht etwa ein Drittel der deutschen
Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 79 Jahren: Männer mit 37,3% häufiger als Frauen mit 28%.
Bei beiden Geschlechtern ist das Rauchen unter den 18- bis 19 Jährigen am weitesten verbreitet
(Männer: 54%; Frauen: 48%). Bis zur Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen lässt sich nur ein
geringer Rückgang der Rauchprävalenz beobachten. Danach sinken die Prävalenzen sukzessive bis
auf 16% bei 70- bis 79-jährigen Männern und 10% bei gleichaltrigen Frauen (Abbildung 2) [Robert
Koch Institut, 2006].
Die Häufigkeit des Rauchens variiert stark nach sozioökonomischem Status und Bildungsstatus.
Während das Rauchen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als Symbol des hohen
sozioökonomischen Status galt, deutet das Rauchen in unserer Zeit eher auf einen niedrigen
sozioökonomischen Status hin. In Deutschland beträgt laut einer 2004 veröffentlichten Studie des
Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg der Raucheranteil unter Männern mit einem
Einkommen von weniger als 730 € im Monat 43%; bei Männern mit einem Einkommen oberhalb
dieser Schwelle liegt der Anteil nur bei 23% [Deutsches Krebsforschungszentrum, 2004].
Die Verbreitung des Rauchens steht ebenso in Verbindung mit dem Bildungsgrad. In der Gruppe
der 18- bis 19 Jährigen rauchen 63% der Personen mit Hauptschulabschluss, 52% derjenigen mit
einem Realschulabschluss und 39% derjenigen mit Abitur [Robert Koch Institut, 2006].
9
Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 2000. Sucht 2000; 47 (Sonderheft 1)
Abbildung 2. Prävalenz des Rauchens in Deutschland
Den Ergebnissen zu Schulbildung und Einkommen entsprechend ergibt sich in der Betrachtung
nach sozialer Schichtzugehörigkeit die höchste Raucherprävalenz in der unteren Sozialschicht mit
37%. Im Vergleich dazu rauchen 33% der Angehörigen der mittleren und 28% der oberen
Sozialschicht.
2.1.3 Klinische Auswirkungen des Rauchens
Den seit den 50-er Jahren veröffentlichten Berichten ist zu entnehmen, dass das Rauchen die
Ursache für mehr als 40 zum Teil schwerwiegende und tödlich verlaufende Krankheiten, darunter
Krebs-, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen ist [WHO 2002, Centers for Disease and
Prevention, 2006]. Besonders die Entstehung von Lungenkrebs wird zum größten Teil dem
Rauchen zugeschrieben. Dabei sind bis zu 90% aller Lungenkrebsfälle in Deutschland bei Männern
mit einer jährlichen Inzidenz von 28.600 und 60% bei Frauen mit jährlich 6.200 Neuerkrankungen
auf
das
aktive
Rauchen
zurückzuführen
[Arbeitsgemeinschaft
Bevölkerungsbezogener
Krebsregister in Deutschland, 2004]. Raucher weisen bei täglichem Zigarettenkonsum ein erhöhtes
Risiko von Lungenkrebs auf: Bei einem täglichen Zigarettenverbrauch von weniger als 15
Zigaretten besteht ein etwa 8-faches, bei 15 bis 24 Zigaretten ein 13-faches und bei einem Konsum
von mehr als 25 Zigaretten pro Tag ein 25-faches Lungenkrebsrisiko [Doll et al. 1994; 1976]. Ein
ursächlicher Zusammenhang mit dem Tabakkonsum besteht ebenso für eine Reihe weiterer
Krebskrankheiten. Dazu zählen die Krebsentstehung im Mund-, Nasen- und Rachenraum, in
10
Kehlkopf, Speiseröhre, Magen, Bauchspeicheldrüse, Leber, Niere und Harnblase sowie bestimmte
Formen der Leukämie und des Gebärmutterhalskrebses [Becker et al., 2001; Newcomb et al., 1992].
Der Tabakkonsum ist zudem ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislaufkrankheiten und periphere
Durchblutungsstörungen [US Department of Health and Human Services, 1997]. Ein weiteres
bedeutendes, auf Tabakkonsum zurückzuführendes Krankheitsbild ist die Entwicklung einer
chronisch obstruktiven Bronchitis [Viegi et al., 2001]. Darüber hinaus ist der Tabakkonsum häufig
mit weiteren gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen assoziiert. Dazu zählen vor allem
übermäßiger Alkoholgenuss, ungesunde Ernährung und unzureichende sportliche Betätigung.
An tabakbedingten Krankheiten versterben in Deutschland pro Jahr etwa 100.000 bis 140.000
Menschen [John et al., 2001; Peto et al., 1992]. Dies kommt einer Rate von 13% aller jährlich
auftretenden Todesfälle in Deutschland gleich (Männer: 22%, Frauen: 3%). Mehr als die Hälfte
aller regelmäßigen Raucher versterben vorzeitig an den Folgen ihres Konsums häufig schon im
mittleren Lebensalter. Raucher erreichen bei täglichem Tabakkonsum nur zu 50 bis 70% das 70.
Lebensjahr und sogar nur zu 8 bis 15% das 85. Lebensjahr, im Vergleich zu 80% bzw. 33% der
Nichtraucher [Doll et al., 1994; Peto et al., 1992].
2.1.4 Volkswirtschaftliche Folgen
Die durch den Zigarettenkonsum verursachte Morbidität und Mortalität zieht enorme
volkswirtschaftliche Folgekosten nach sich, die besonders durch die erhöhte Inanspruchnahme von
Gesundheitsdiensten und durch Produktivitätsausfälle verursacht werden. Schätzungen zufolge ist
die arbeitsbezogene Abwesenheitsrate von Rauchern gegenüber Nichtrauchern um 33 bis 73%
erhöht, darüber hinaus bedingt der Zeitaufwand des Rauchens einen Leistungsverlust von bis zu 8%
an einem Arbeitstag. Für rauchbedingte Gesundheitsleistungen wurden im Jahr 1993 nahezu 17,3
Milliarden Euro ausgegeben. Umgerechnet auf die deutsche Wohnbevölkerung fallen entsprechend
dieser Berechnung pro Kopf und Jahr tabakbedingte Gesundheitskosten in Höhe von rund 210 Euro
an. Betrachtet man nur die Raucher, dann betragen die durchschnittlichen Gesundheitskosten 820
Euro im Jahr [Robert Koch Institut 2006].
Die häufigen aus Aktiv- und Passivrauchen resultierenden Folgeschäden und die daraus
entstehenden hohen Gesundheitskosten motivieren immer mehr Staaten dazu, dem freien
Rauchverhalten Grenzen zu setzen.
wirksam
erwiesen:
deutliche
Folgende Maßnahmen haben sich hierfür als besonders
Tabaksteuererhöhungen,
eine
wirksame
Bekämpfung
des
Zigarettenschmuggels, Tabakwerbeverbote, Abschaffung von Zigarettenautomaten, Durchsetzung
des Nichtraucherschutzes und von rauchfreien Einrichtungen, Maßnahmen zur Produktregulation
11
von Tabakwaren wie z.B. umfassende Verbraucherinformationen, große Warnhinweise auf
Zigarettenpackungen und Verkaufsbeschränkungen mit entsprechenden Kontrollen, bestimmte
massenmediale
Aufklärungskampagnen
sowie
Beratungs-
und
Behandlungsangebote
zur
Tabakentwöhnung.
Das erstmalig in Irland im Jahr 2004 eingeführte gesetzliche Rauchverbot wird von immer mehr
Staaten angestrebt. In Deutschland trat am 1. September 2007 das bundesweite Gesetz zum Schutz
vor den Gefahren des Passivrauchens in Kraft, das das Rauchen in allen öffentlichen
Verkehrsmitteln, den Bahnhöfen und allen Einrichtungen des Bundes verbietet. Darüber hinaus
verabschiedeten die Bundesländer jeweils eigene Gesetze über das Rauchverbot, die in BadenWürttemberg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereits zum 1. August 2007 in Kraft
getreten sind. In den übrigen Bundesländern erfolgt dies ab 1. Januar 2008. Die Nichtrauchergesetze
der Länder unterscheiden sich im Ausmaß der Anwendung des Rauchverbots in Gaststätten,
Landesbehörden, Schulen und Krankenhäusern.
2.2 Der Wirkstoff: Nikotin
Der Wirkstoff der Tabakpflanze, das Nikotin, wurde erstmalig im Jahr 1809 vom Franzosen LouisNicolas Vauquelin in der Tabakpflanze entdeckt und als Alkaloid bestimmt. 1828 wurde Nikotin
vom deutschen Chemiker Reimann und dem Mediziner Posselt in der Heidelberger Universität
isoliert. Gemeinsam verfassten sie die Studie „De Nicotiniana“, über den Wirkstoff von
Tabakblättern. Sie benannten ihn nach Jean Nicot, der 1560 den Tabak erstmals nach Frankreich
brachte.
2.2.1 Zentrale Wirkung von Nikotin
Beim Rauchen werden etwa 30% des in der Zigarette enthaltenen Nikotins freigesetzt, wovon bis zu
95% beim intensiven Inhalieren resorbiert werden. Die Halbwertzeit des Nikotins beträgt 2 bis 4
Stunden. Nikotin wird bis zu 80% hauptsächlich durch die Enzyme Cyp 1A1, Cyp 1A2 und Cyp
1E1 in der Leber zu Kotinin oxydiert und in dieser Form ausgeschieden. Die restlichen 20% werden
durch die Niere unverändert eliminiert. Etwa 25% des inhalierten Nikotins erreichen innerhalb von
7
bis
8
Sekunden
das
Gehirn.
Hier
bewirkt
es
durch
Bindung
an
nikotinergen
Acetylcholinrezeptoren (nAChRs) eine Ausschüttung von Acetylcholin, und dadurch eine
cholinerge Aktivierung. Die ACh-Rezeptoren bestehen aus den Untereinheiten a2 bis a10 und b2
bis b4. Diese Untereinheiten weisen unterschiedliche Bindungsaffinitäten zu Nikotin auf und
dadurch Unterschiede in der ausgelösten Wirkung. Zusätzlich wird das Ausmaß der Hochregulation
bzw.
Abnahme
der
unterschiedlichen
Rezeptoruntereinheiten
unter
länger
anhaltender
12
Nikotinzufuhr ebenfalls beeinflußt. Von den Rezeptoruntereinheiten sind die a7-, a4- und b2Untereinheiten die wichtigsten Vertreter. Die kognitive Wirkung wird durch das a7-Monomer und
die Suchtentstehung sowie der stimmungsaufhellende Effekt durch die a4- und b2-Untereinheiten
vermittelt. Die zentralen nAChRs bewirken nicht nur eine Aktivierung des cholinergischen
Systems, sondern die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter. In Tabelle 1 werden die
wichtigsten vom Nikotin aktivierten Neurotransmitter mitsamt ihren Wirkungen dargestellt.
Lustempfindung
Appetithemmung
Arousal
Appetithemmung
Arousal
Wahrnehmungssteigerung
Gedächtnissteigerung
Stimmungshebung
Appetithemmung
Angst-, Stress-, SchmerzMinderung
Dopamin ↑
Noradrenalin ↑
Acetylcholin ↑
Vasopressin ↑
Serotonin ↑
ß-Endorphin ↑
Tabelle 1. Auswirkungen von Nikotin auf die verschiedenen Neurotransmittersysteme
2.2.2. Nikotinabhängigkeit
Laut WHO (2002) sind Tabakprodukte die einzigen frei verfügbaren Konsumgüter, die bei einem
Großteil ihrer Konsumenten Abhängigkeit, Krankheit oder Tod herbeiführen. Das hohe
Suchtpotenzial wird neben der direkten cholinergen Wirkung vor allem durch die Beeinflussung des
Dopaminsystems hervorgerufen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Sensibilisierung
des zentralen, mesolimbischen Verstärkersystems (Belohnungssystems), der Nucleus accumbens.
Der Nucleus accumbens und das ventrale tegmentale Areal (VTA) sind für die Bildung von positiv
eingefärbten
Gedächtnisinhalten
und
von
Lust
verantwortlich.
Nikotin
erhöht
die
Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens und in den VTA-Neuronen. Durch die Einwirkung auf
diese Strukturen wird sowohl der kurzfristige Belohnungseffekt als auch die schnelle Entstehung
der Nikotinsucht erklärt.
Zahlreiche Untersuchungen bestätigten, dass Nikotin ähnlich wie andere Drogen den
Dopaminspiegel im Nucleus accumbens durch präsynaptische Aktivierung erhöht und so zur
Verstärkung des Rauchverhaltens führt. Beispielsweise zeigten Corrigall et al., (1992) an Ratten,
die zur Selbstzufuhr von Nikotin trainiert wurden, dass die Menge vom selbstzugeführten Nikotin
bei vorheriger Gabe des Nikotinantagonisten Chlorisondamine, deutlich geringer war. So wurde
daraus geschlossen, dass die Nikotinantagonisten den Belohnungseffekt vom Nikotin deutlich
13
mindern. In einer anderen Studie von Corrigall et al., (1994) nahm die selbstgesteuerte
Nikotinzufuhr der Ratten bei Läsion des mesolimbischen Dopaminsystems ebenfalls ab. Weitere
Experimente ergaben zusätzlich, dass die mesolimbischen dopaminergen Neuronen von b2-knockout (b2-Untereinheit des nAChRs) Mäusen bei Nikotingabe nicht stimuliert wurden und dabei
gleichzeitig die selbstgesteuerte Nikotinzufuhr der Mäuse gemindert war [Picciotto et al., 1998;
2001]. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass der Belohnungseffekt der Nikotinzufuhr
hauptsächlich durch Bindung von Nikotin an b2-Untereinhieten der Ach-Rezeptoren hervorgerufen
wird.
Nach der ICD (International Classification of Diseases) und DSM-IV (Diagnostic and Statistic
Manual) wird die Nikotinabhängigkeit durch die gleichen Kriterien definiert. Definitionsgemäß
besteht eine Nikotinabhängigkeit, wenn drei von den aufgezählten Einzelnkriterien über ein Jahr
lang bestehen (Tabelle 2).
ICD10: Tabakabhängigkeit
DSM-IV: Nikotinabhängigkeit
F17.2x
305.10
≥ 3 Kriterien im vergangenem Jahr
≥ 3 Kriterien über 1 Jahr zu irgendeiner Zeit
Tabelle 2. Diagnosekriterien der Tabakabhängigkeit
Einzelkriterien:
•
Wunsch/Zwang hinsichtlich Tabak- bzw. Nikotinkonsum
•
Kontrollverlust hinsichtlich des Konsums
•
Entzugssyndrom bei Absetzen oder Reduktion von Tabak/Nikotin oder Tabak-/Nikotinkonsum,
um Entzug zu vermeiden/zu mildern
•
Toleranz, d.h. Wirkverlust und/oder Tendenz zur Dosiserhöhung
•
Vernachlässigung von Interessen und Aktivitäten zugunsten des Tabak/Nikotinkonsums
•
Anhaltender Tabak-/Nikotinkonsum trotz Kenntnis der schädlichen Wirkung
•
viel Zeit für Nikotinbeschaffung (nur DSM-IV)
14
2.2.3 Nikotinentzug
Die Symptome des Nikotinentzugs sind durch die ZNS-Wirkungen des Nikotins auf verschiedene
Neurotransmitter zu erklären (siehe oben). Klinisch ist das Entzugssyndrom der Tabak- bzw.
Nikotinabhängigkeit durch folgende Symptome gekennzeichnet (DSM-IV):
•
Verlangen nach Tabak
•
Dysphorische Stimmung, Angst
•
Anhedonie
•
Reizbarkeit oder Ruhelosigkeit
•
Insomnie
•
Appetitsteigerung
•
Antriebsverlust
•
Konzentrationsschwierigkeiten
Die Entzugssymptomatik tritt innerhalb von 6 bis 12 Stunden nach dem letzten Konsum auf. Der
Höhepunkt der Symptomatik wird am 1.-3. Tag erreicht. Der Nikotinentzug dauert in der Regel 3-4
Wochen. Einige Symptome, wie das Verlangen nach Tabakkonsum, oder eine Gewichtszunahme,
können noch bis zu 6 Monate nach Beendigung des Rauchens andauern [Hughes et al.,1984].
2.3 Der Schlaf
2.3.1 Schlafstadien
Mit der Entwicklung des Elektroenzephalogramms (EEG) durch Berger im Jahr 1929 wurde es
erstmals ermöglicht, hirnelektrische Impulse aufzuzeichnen und Aussagen über die Aktivität und
Funktionsweise zentralnervöser Strukturen zu gewinnen. Davis et al., (1937) zeichneten zum ersten
Mal ein EEG während des Schlafes auf, welches einen Hinweis auf eine Hirnaktivität im Schlaf
gab. Infolge dieser Entdeckung konnte gezeigt werden, dass der Schlaf kein passiver, dem Koma
oder Tod ähnlicher Zustand ist, wie lange Zeit vermutet wurde, sondern ein Zustand aktiver
zentralnervöser Prozesse.
Aserinsky et Kleitman, (1935) beschrieben, dass sich die Aktivität des Gehirns im Schlaf eindeutig
vom Wachzustand unterscheidet und in zwei funktionelle Zustände unterteilt werden kann. Sie
grenzten dabei den NonREM-Schlaf vom REM (rapid-eye-movement)-Schlaf ab.
15
REM-Schlaf: Im EEG treten Theta-Wellen mit einer Frequenz von 4-8 Hz und Alpha-Wellen auf.
Charakteristisch für den REM-Schlaf sind die schnellen konjugierten Augenbewegungen und der
herabgesetzte Muskeltonus.
Nach dem 1968 eingeführten Klassifikationssystem von Rechtschaffen und Kales wird der
NonREM-Schlaf heute in vier Schlafstadien eingeteilt. Diese lassen sich gut vom Wachzustand
abgrenzen, bei dem sich im EEG eine schnelle Alpha-Aktivität, rasche Augenbewegungen und ein
relativ hoher Muskeltonus zeigten.
NonREM Stadium 1: Die im Wach-EEG vorherrschende Alpha-Aktivität (8-13 Hz) nimmt ab und
Theta-Aktivität mit niedriggespannten Frequenzen (2-7 Hz) tritt auf. Es finden sich Vertex-Wellen
(Amplitude bis 250 μV), langsame, rollende Augenbewegungen und ein abnehmender
Muskeltonus. Mit dem Übergang von Stadium 1 in Stadium 2 beginnt das Einschlafen.
NonREM Stadium 2: Es findet sich ein niedriggespanntes EEG mit verschiedenen Frequenzen.
Definitionsgemäß darf eine langsamwellige Delta-Aktivität (0,5-2 Hz) nur mit einem Anteil bis zu
20% auftreten. Schlafspindeln treten auf mit einer Frequenz von 12-15 Hz und einer Dauer von
mindestens
50
ms.
Weiterhin
treten
K-Komplexe
auf,
die
sich
als
biphasische
Potentialschwankungen mit einer Frequenz von 1-2 Hz und Amplituden von 100-240 μV darstellen.
NonREM Stadium 3: Es findet sich eine Zunahme der hochamplitudigen Delta-Aktivität auf
mindestens 20-50% in diesem Stadium. Die Amplituden weisen eine Mindesthöhe von 75 μV auf.
Vereinzelt finden sich noch Schlafspindeln.
NonREM Stadium 4: Der Anteil der Delta-Aktivität beträgt mehr als 50% im beobachteten
Zeitraum. Schlafspindeln finden sich nur noch selten.
Das Schlafstadium 1 wird als leichter Schlaf, die Stadien 3 und 4 als Tiefschlaf bzw.
langsamwelliger-Schlaf (engl.: slow wave sleep, SWS) bezeichnet. Schlafstadium 2 macht bei
Erwachsenen den Hauptanteil des NonREM-Schlafs aus. Die Wechsel von NREM-Schlaf zu REMSchlaf während der Schlafperiode können als phasische Episoden bezeichnet werden. Diese Phasen
treten während der Nacht alternierend auf.
16
2.3.2 Schlafprofil beim Gesunden
Während des normalen Nachtschlafes werden in der Regel NREM/REM-Zyklen vier bis fünfmal
durchlaufen und dauern jeweils etwa 100 Min an. Die Anteile von NREM- und REM-Schlaf
innerhalb der einzelnen Zyklen verändern sich während der Schlafperiode: zu Beginn der Nacht
herrscht der SWS-Schlaf während der NREM-Periode vor. Die erste NonREM-Periode dauert bei
Erwachsenen 60 bis 90 Min, ehe sich eine kurze REM-Episode anschließt. Im Verlauf der Nacht
finden sich beim Gesunden eine Reduktion des NREM-Schlafes (vor allem des SWS-Schlafs) und
eine Zunahme der REM-Schlaf-Dauer zum Morgen hin. In der Regel findet sich Tiefschlaf nur in
den ersten beiden Zyklen einer Nacht, in späteren NREM-Sequenzen herrscht das Schlafstadium 2
vor.
2.3.3 Modelle der Schlaf-Wach-Regulation
Das Zwei-Prozess-Modell von Borbély
Borbély, (1982) beobachtete, dass mit der Dauer der Wachzeit auch das Schlafbedürfnis zunimmt
und die Schlaftiefe während der Dauer des Schlafs abnimmt. Daraus entwickelte er im Jahr 1982
das Zwei-Prozessmodell, welches sich aus der homöostatischen Komponente (Prozess S) und der
zirkadianen Komponente (Prozess C) zusammensetzt.
Prozess S entspricht der Schlafintensität, die der vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängigen
Schlafbereitschaft im Wachzustand entspricht. In der Arbeit von Borbély wurde dargestellt, dass die
Tiefschlafmenge und die Dauer der Wachzeit sich linear zueinander verhalten. Der Schlaf weist
mehr
Tiefschlafdauer
auf,
je
länger
die
Dauer
der
vorangegangenen
Wachzeit
ist.
Elektrophysiologisch lässt sich Prozess S durch die zunehmende Delta-Aktivität im Schlaf-EEG
nachweisen. Parallel zur zunehmenden Schlafdauer zeigt Prozess S eine abnehmende Tendenz.
Prozess C fungiert als schlafunabhängiger Faktor. Ähnlich einer inneren Uhr stellt Prozess C einen
stabilen zirkadianen Rhythmus für die Schlaf- und Wachphasen im Tagesverlauf dar. Er reguliert
das Einsetzen der Schlaf- und Wachphasen in Abhängigkeit von physiologischen Komponenten,
vor allem von der Körperkerntemperatur. So zeigt sich beispielsweise in den Nacht- und frühen
Morgenstunden bei niedriger Körperkerntemperatur eine hohe Schlafbereitschaft.
Durch das Zusammenwirken beider Prozesse wird der optimale Zeitpunkt für das Einschlafen und
Aufwachen determiniert.
Cholinerg-aminerges Modell der NREM-REM-Schlafregulation
Dieses Modell basiert auf die neuronale Regulation von NREM- und REM-Schlaf und von dem
Stadienwechsel der beiden [Jouvet, 1972]. Den Neurotransmittern Serotonin und Noradrenalin wird
17
eine zentrale Bedeutung für die Induktion und Regulation der Schlafzyklen zugeschrieben. Dabei
spielt Serotonin für die Generierung von NREM-Schlaf und Noradrenalin von REM-Schlaf eine
bedeutende Rolle.
McCarley und Hobson, (1975) wiesen einen dualistischen Effekt von noradrenerg-serotonerger und
cholinerger Neurotransmission auf die Schlafregulation nach. Sie lokalisierten den Hirnstamm als
Steuerungszentren für NREM- und REM-Schlaf, wo aminerge und cholinerge Neuronenverbände
für die zyklische Abfolge von NREM- und REM-Perioden verantwortlich sind. Die noradrenergen
Neuronen im Locus coeruleus und serotonergen Neuronen der Raphe-Kerne weisen im
Wachzustand und in der frühen Tiefschlafphase die höchste Aktivität auf und wirken hemmend auf
die cholinergen Neuronen im gigantozellulären Tegmentum. Die cholinergen Neuronen zeigen im
Gegensatz dazu die meiste Aktivität während des REM-Schlafs. Im Verlauf der Tiefschlafphase
nimmt die noradrenerg-serotonerge Hemmung kontinuierlich ab, wodurch es zu einer
Aktivitätszunahme der cholinergen Neurone und Auftreten von REM-Schlaf kommt. Die
zunehmende cholinerge Aktivität bewirkt ein Ansteigen der Aktivitätsmuster in den noradrenergaminergen Neuronen, durch welche der REM-Schlaf immer mehr inhibiert wird und eine NREMPhase erneut auftritt. Somit bewirken die noradrenerg-serotonergen Neuronenverbände die
Inhibition der cholinergen Neuronenverbände und des Auftretens von REM-Schlaf. Durch die
Wechselwirkung der beiden Neuronenverbände verläuft der Schlaf in zyklischen Abfolgen von
NREM- und REM-Perioden.
Das beschriebene Modell geht von einer zu- und abnehmenden Aktivierung der cholinergen und
serotonerg-aminergen Neurotransmission aus, die durch einen allmählichen Übergang ineinander
zum zyklischen Auftreten von REM- und NREM-Phasen führen. Sakai (1988) hat das Modell von
Hobson und McCarley weiter entwickelt und geht von einer On-Off- Interaktion der cholinergen
und aminergen Systeme aus. So erklärt er beispielsweise das Auftreten des REM-Schlafes über die
Inhibiton der aminergen Neuronen (REM-OFF Neuronen) hinaus durch eine Aktivierung
cholinerger Neuronen (REM-ON Neuronen).
2.3.4 Schlafstörungen
Für die Klassifikation und einheitliche Diagnostik der Schlafstörungen dient das DSM-IV-Schema
(4. revidierte Version des Diagnostic and Statistic Manual der amerikanischen psychiatrischen
Fachgesellschaft). Nach diesem Schema werden primäre und sekundäre Schlafstörungen
unterschieden. Nach der Ätiologie werden Schlafstörungen als primär klassifiziert, wenn ihnen
ursächlich keine andere psychische Störung, kein medizinischer Krankheitsfaktor und kein
18
Substanzgebrauch zu Grunde liegen. Primäre Schlafstörungen werden in zwei Gruppen eingeteilt:
1. Dyssomnien und 2. Parasomnien.
Sekundär werden Schlafstörungen angesehen, falls diese als Folge einer psychischen oder
organischen Erkrankung auftreten. Nach DSM-IV werden sekundäre Schlafstörungen auf folgende
Weise klassifiziert: 3. Schlafstörungen in Zusammenhang mit einer anderen psychischen Störung
und 4. andere Schlafstörungen.
1. Als Dyssomnien bezeichnet man primäre Ein- oder Durchschlafstörungen mit ausgeprägter
Müdigkeit, charakterisiert durch Veränderungen in Dauer, Qualität und zeitlicher Abfolge des
Schlafs.
Arten von Dyssomnien:
- Primäre Insomnie
- Primäre Hypersomnie
- Narkolepsie
- Atmungsgebundene Schlafstörung
- Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus
- nicht näher bezeichnete Dyssomnie
DSM IV – Diagnostische Kriterien für primäre Insomnie
A. Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten oder nicht erholsamer Schlaf seit mindestens einem
Monat
B. klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen
wichtigen Funktionsbereichen
C. Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Narkolepsie, einer atmungsgebundenen
Schlafstörung, einer Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus oder einer Parasomnie
auf
D. Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auf
E. Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines
medizinischen Krankheitsfaktors zurück
2. Als Parasomnie werden abnorme Verhalten oder physiologische Ereignisse bezeichnet, die in
Zusammenhang mit dem Schlaf, Schlafstadien oder dem Übergang vom Schlaf zum Wachsein
auftreten.
Arten von Parasomnien:
19
- Schlafstörungen mit Angstträumen
- Pavor nocturnus
- Schlafstörung mit Schlafwandeln
- nicht näher bezeichnete Parasomnien
2.4 Nikotin und Schlaf
Durch das breite Wirkspektrum vom Nikotin auf verschiedene Neurotransmitter ist anzunehmen,
dass der Nikotinkonsum den Schlaf beeinflusst. Einerseits kann dieser Einfluss durch die
Veränderung der EEG-Aktivität im Schlaf als Abbild einer Veränderung der ZNS-Aktivität in vivo
zeitnah untersucht werden. Andererseits wird der langfristige Einfluss von Nikotin auf die
Schlafstörungen als klinisch relevanter Faktor im Verlauf des Nikotinentzugs untersucht. Hierzu
werden Arbeiten zu Tierexperimenten und klinischen Untersuchungen referiert.
In Tierexperimenten wurden die unterschiedlichen Wirkungen von Nikotin auf den Schlaf abhängig
von dem Applikationsweg und der Dosis bei verschiedenen Tierarten untersucht.
In klinischen Studien wurde die Prävalenz von Schlafstörungen bei Rauchern anhand von
subjektiven und polysomnographischen Messungen untersucht. Eine weitere, klinisch relevante
Frage stellt der Einfluss von Schlafstörungen im Nikotinentzug auf die Abstinenz dar.
Schlafstörungen führen zur Verschlechterung der Tagesbefindlichkeit. Dies kann sich in Form von
depressiver Verstimmung, Müdigkeit, Schläfrigkeit oder Motivationsverlust zeigen. Diese
Symptome finden sich auch beim Nikotinentzug. Es ist möglich, dass die Symptome von
Schlafstörungen und vom Nikotinentzug, sich gegenseitig verstärken. Dadurch spielen
Schlafstörungen möglicherweise eine zentrale, bisher unterschätzte Rolle in der Entzugsphase als
prädisponierende Faktoren für einen Rückfall. Weiterhin ist der Zusammenhang zwischen
Depression und Nikotinkonsum vom Interesse. Depression weist als Symptom Schlafstörungen auf,
die durch Nikotin beeinflusst werden können. Ebenso auffallend ist die Ähnlichkeit der
Entzugssymptome von Nikotin und depressiver Symptome. Demzufolge ist es möglich, dass
rauchende Patienten unter Entzug eine Verstärkung der depressiven Symptomatik erleiden und
dadurch eher einem Rückfall ausgesetzt sind.
Zuletzt ist der Zusammenhang von Nikotin und Schlafapnoe zu beachten. Patienten mit
Schlafapnoe weisen eine verschlechterte Schlafqualität z. T. mit Beeinträchtigung der
Tagesaktivität auf. Ob Nikotin zu den Symptomen von Schlafapnoe beiträgt, wird anhand der
Studien ebenfalls herausgearbeitet.
20
Schlafstörungen sind durch die Beeinträchtigung des Tagesbefindens biologische Prädiktoren für
einen Rückfall bei Suchterkrankungen. Patienten, die infolge von Schlafstörungen während der
Entzugphase in ihrer Tagesbefindlichkeit beeinträchtigt sind, sind anfälliger für Stresssituationen
und greifen eher erneut zur Zigarette. Aufgrund des hohen Rückfallrisikos besteht in der Forschung
besonderes Interesse, den Rückfallmechanismus genauer zu verstehen. Bislang liegen Reviews und
eine Metaanalyse vor, die Teilaspekte von diesem Zusammenhang behandelten. Das Review von
Colrain (2004) beschäftigte sich vorwiegend mit dem Einfluss des Nikotinentzugs auf die
subjektiven und objektiven Faktoren des Schlafes. Der Artikel von Salin-Pascual (2005) gibt
einenen Überblick über den Effekt der Nikotinersatztherapie auf den Schlaf. In der Metaanalyse von
Greenland
(1998)
wurde
eine
umfassende
Übersicht
über
die
Nebenwirkungen
von
Nikotinersatztherapien gegeben, u.a. über die Häufigkeit von Schlafstörungen. Diese Arbeit gibt
einen deskriptiv systematischen Überblick und verbindet die Teilaspekte der vorliegenden
präklinischen und klinischen Forschungsergebnisse.
21
III. Methodik
3.1 Datenbanksuche
Die Literaturrecherche wurde in den folgenden fünf Datenbanken durchgeführt:
•
Medline (seit 1966)
•
Embase
•
CINAHL
•
PsycINFO
•
Psyndex
Die Suche der Datenbanken CINAHL, Medline und Psyndex wurde mittels der Suchmaschine Ovid
durchgeführt. Die Datenbank von PsychINFO wurde mittels EBSCO durchsucht. Die
Datenbanksuche erfolgte im Oktober 2006. Demnach wurden alle bis Oktober 2006 publizierten
Arbeiten für die Literaturarbeit erfasst.
3.2 Suchbegriffe
Für die Erfassung der meisten relevanten Artikel wurde die Datenbanksuche mit den folgenden
Schlüsselwörter durchgeführt:
•
sleep, sleep disturbance
•
smoking, smoking cessation
•
nicotine, nicotine withdrawal
•
tobacco, tobacco withdrawal
3.3 Selektion der Artikel
Um aus den zahlreichen Resultaten der Datenbanksuche die geeigneten Studien zu finden, erfolgte
die Selektion in zwei Schritten. Im ersten Schritt wurden die mehrfach vorkommenden Artikel
innerhalb der Datenbanken identifiziert und entfernt. Anschließend wurden die Artikel anhand der
Titel beurteilt. Nur auf Englisch oder Deutsch vorliegende Artikel wurden in die Arbeit
eingeschlossen. Studien, die anhand der Titel in der Thematik eindeutig abwichen, wurden
ausgeschlossen. In nicht-wissentschaftlichen Zeitschriften publizierte Studien wurden ebenfalls
ausgeschlossen.
Im Rahmen der zweiten Selektion erfolgte die Beurteilung der Artikel durch die Abstracts.
Ein wichtiges Kriterium für das Auswählen der Studien war, dass die Studien sich vorrangig mit
dem Thema der Wirkung von Nikotin auf den Schlaf beschäftigten. Studien, welche diesen
22
Zusammenhang nur marginal erwähnten, wurden in die Arbeit nicht eingeschlossen. Nur
Originalstudien wurden in die Arbeit aufgenommen. Bei der Selektion der präklinischen Studien
wurden nur solche in die Übersicht eingeschlossen, in denen Nikotin an Tieren appliziert und die
Folge der Nikotinapplikation im Schlaf-EEG oder in der Änderung der Schlafregulation untersucht
wurde. Studien, die zur Untersuchung der Bindungsaffinität von Nikotinagonisten oder
Nikotinantagonisten an Acetylcholin-Rezeptoren verwendeten, wurden nicht eingeschlossen.
3.4 Ergebnisse der Literaturrecherche
Nach der ersten Suche wurden in Medline 409, in PsychINFO 203 und in Embase 991 Artikel
gefunden.
Im ersten Schritt erfolgte die erste Selektion durch Beurteilung der Artikel anhand der Titel. So
blieben von Medline 109, von Psychinfo 48 und von Embase 23 Artikel übrig. Nach der
Zweitselektion blieben 50 Artikel übrig, welche für das Hauptthema der Arbeit verwendet wurden:
8 präklinische Studien, 40 klinische Studien, 2 Reviews und eine Metaanalyse.
Medline
PsychINFO
Erstsuche
409
203
Erstselektion
109
48
Zweitselektion
30
12
Tabelle 3. Ergebnisse der Literaturrecherche
Embase
991
23
9
N=
1603
180
51
Die Güte der Recherche wurde anhand der vorliegenden Reviews [Colrain et al., (2004); SalinPascual et al., (2005)] und einer Metanalyse [Greenland et al., (1998)] geprüft. Durch die Prüfung
der Recherche fiel es auf, dass es einen Mangel an Studien gab, welche die Nebenwirkungen von
Nikotinpflastertherpien, darunter Schlafstörungen, prüften. Die mangelhafte Erfassung dieser
Studien ist durch zwei Gründe zu erklären. Zum einen wurde die Literaturrecherche nicht mit dem
Begriff „Insomnia“ durchgeführt, was in dem Kontext häufig verwendet war. Zum anderen wurden
Schlafstörungen als Nebenwirkungen nicht in den Abstracts referiert, wodurch diese Studien
vorzeitig selektiert worden sind. Aus diesen Gründen wurden zu diesem Thema vier Artikel im
Nachhinein in die Arbeit einbezogen: Imperial Cancer Research Fund General Practise Research
Group, (1993); Gourlay et al., (1995); Hurt et al., (1995); Jorenby et al., (1996).
Weiterhin wurden die Literaturaturangaben der Originalstudien berücksichtigt. Demnach wurden
alle relevanten Studien in der Recherche weitgehend erfasst. Eine PSG-Studie, von welcher nur ein
Abstract vorlag, wurde nachträglich bestellt: Kales et al., (1970). Zusätzlich wurde eine nach der
23
Literaturecherche veröffentlichte Studie, Zhang et al., (2007) wegen der hohen Relevanz in die
Arbeit einbezogen.
Insgesamt werden in der Übersichtsarbeit 57 Studien referiert.
24
IV. Ergebnisse
4.1 Untersuchungen an Tieren
4.1.1 Ergebnisse
In der Literaturrecherche wurden 8 Artikel gefunden, welche die Wirkungen von Nikotin auf den
Schlaf bei Tieren untersuchten (Tabelle 4). In sechs Untersuchungen wurde an lebenden Tieren der
Einfluss von auf unterschiedlichen Weisen und in unterschiedlicher Dosis appliziertem Nikotin in
den traditionellen EEG-Ableitungen erfasst. Ein Artikel, (Lena et al., 2004), verwendete KnockOut-Mäuse und Wild-Typ-Mäuse, um die an dem Schlaf beteiligten Nikotinrezeptoren zu
spezifizieren. Zwei weitere Artikel befassten sich damit, die genauere Wirkung von Nikotin auf die
an der Schlafregulation beteiligten Neuronen in vitro zu identifizieren. Bei diesen Untersuchungen
wurden Gehirnschnitte von Ratten verwendet.
Tierexperimentelle
Studien
Publikation
Fragestellung
der Studie
Einfluss von
Nikotin auf den
Schlaf
Untersuchte
Tiere
Katzen
n=9
Methodik
Ergebnis
EEG: Stereotaktisch implantierte
Elektroden;
Bei schlafenden Tieren i.v. Gabe in
die Jugularvene von: Kochsalzlösung
- 0.005-0.01mg/kg/KG Nikotin
- Nikotingabe nach MecamylaminVorbehandlung
Messung: 25 Min
Jewett et al.,
1966
Effekt von
stimulierenden
und sedierenden
Substanzen auf
den Schlaf
Katzen
Nikotin:
50µg/kg n=1
100µg/kg n=2
200µg/kg n=1
EEG: implantierte Elektroden
EMG: Elektroden in
Nackenmuskulatur
Subkutane Gabe von Nikotin
Bitartrat (NB)
Kontroll-Messung: 24h vorher
VelazquezMoctezuma
et al., 1990
Wirkung auf
den Schlaf von
in die Formatio
reticularis
injiziertem
Nikotin
Katzen
n=7
EEG: implantierte Elektroden;
Gabe von 9x Ringer-Lösung und 9x
Nikotin (9.2µg) bilateral in den Pons
durch implantierten Kanülen
Messung: 3 h
Vazquez et
al., 1996
Effekt von
Nikotin auf
Schlaf und PGO
Spikes
Katzen
n=10
EEG, EOG: implantierte Elektroden
EMG: Elektroden in die
Nackenmuskulatur
PGO-Spikes Aktivität: Elektroden in
Corpus Geniculatum laterale
-Nikotin-Patch (NP) Gabe 2h vor
Schlaf:
17,5mg; 35mg; 52,5mg an jede
Kochsalz: Kein Effekt auf EEG und
Verhalten
Nikotin:
1-3 min: Zunahme der kortikalen
EEG-Aktivität, Aufwachen
-5 min: Rückfall in tieferen SWS,
als vor Nikotingabe
-15-25 min: Zunahme von REMAktivität
Mecamylamin-Vorbehandlung:
keine Wirkung von Nikotin
N.B. 50µg/kg: erhöhter REMAnteil, Abnahme der Wachzeit
N.B.100µg/kg: erhöhter REMAnteil, Abnahme der Wachsamkeit
N.B. 200µg/kg: Abnahme von
REM-Anteil, Zunahme der
Wachzeit, Abnahme der
Gesamtschlafzeit, Tremors
Alle: erhöhter Muskeltonus
Ringer-Lösung: Baseline
Nikotin:
-Zunahme von REM
-Abnahme der Wachzeit
-Abnahme von SWS 1
-reduzierte REM-Latenz
-keine Änderung in SWSII
35mg; 52,5mg NP:
-Abnahme von Gesamt-REM
17,5mg NP:
- Keine Änderung von GesamtREM
-Zunahme von Dauer der REMPeriode
-Abnahme der REM-Frequenz
Domino et
al., 1965
25
Katze (mind. 4 Tage Intevall zw.
Den Dosen)
Messung: Baseline, Nikotin-Nacht,
Folgenacht ohne Nikotin, jeweils für
8h
Salin-Pascual
et al., 1999
Änderung des
Schlafes nach
akuter und
chronischer
Gabe von
Nikotin
Ratten
Baseline :
Kochsalz n=7
Akute Gabe:
Nikotin
0,1mg/kg n=5
0.25 mg/kg n=8
0.5 mg/kg n=6
1 mg/kg n=8
Chronische
Gabe
Nikotin
0.1 mg/kg n=5
0.5 mg/kg n=5
Mecamylamine
0.5 mg/ kg n=8
1mg/kg n=8
GuzmanMarin et.,
2001
Effekt von
Nikotin auf
Feuerungsrate
der
serotonergen
Neuronen in
den dorsalen
Raphe-Kernen
(DRN) während
REM
Effekt von
Nikotin auf die
Neuronen in
den dorsalen
Raphe-Kernen
und auf die
laterodorsalen
(LDT)
pedunculoponti
nen (PPT)
Neuronen
Rolle von beta2
Untereinheit des
nAchRezeptors
in der
Schlafregulatio
n und
Schlaffragmenti
erung
Ratten
n=6
Mihailescu et
al., 2001
Lena et al.,
2004
EEG: implantierte Elektroden
EMG: Elektroden in die
Nackenmuskulatur
Akute Gabe von Nikotin:
subkutan 10 Min vor Schlaf,
Messung: für 4 h
Chronische Gabe von Nikotin:
subkutan
Adaptationsnacht, Baseline-Nacht, 4
Nächte mit Nikotin, Folgenacht ohne
Nikotin
Mecamylamin:
1. intraperitoneale (i.p.) Gabe,
Adaptationsnacht, Baseline, Nacht
mit Mecamylamin, Folgenacht
2. 0,5mg/kg Mecamylamin i.p, 30
min später 1 mg/kg Nikotin
subkutan
EEG,EMG
Registrierung der Aktivität der DRN
Besimmung der serotonerge Neuronen (PSN)
S.c. Nikotine Bitartrat 0,1mg/kg
-Abnahme der REM-Latenz
-Verschwinden von PGO Spikes
Alle NPs: Zunhame der
Gesamtwachzeit
Post-Patch: erneut PGO Spikes,
reduzierte Dichte der PGO-Spikes
Akute Gabe von Nikotin:
0.5 mg und 1 mg:
-Reduktion von REM
-Reduktion von SWS
-Zunahme von Wachzeit
-Zunahme von REM-Latenz
0.1 mg: keine akute Wirkung
Chronische Gabe:
0.1 mg:
-Zunahme der REM-Zeit
-Abnahme der Wachzeit und SWS
0.5 mg:
-Abnahme der REM-Zeit
-Zunahme der Wachzeit
-Abnahme von SWS.
Mecamylamine:
1.: keine Änderung
2.: kein Effekt von Nikotin
Nikotin:
-Zunhame der Feuerungsrate
während REM und in Übergang von
NREM zu REM
-Keine Änderung der Feuerungsrate
während Wachzeit und NREM
-Verlängerte REM-Periode
-kein Effekt auf REM-Frequenz
Hirnschnitte von
Ratten
Identifikation der DRN,
laterodorsalen und
pedunculopontinen Neuronen in
Schnitten von Mittelhirn
Lokale Injektion von NikotinLösung (2mM) in die DRNs
Messung derer Feuerungsrate und
Serotonin-Ausschüttung
Nikotin:
-Zunahme der SerotoninAusschüttung von 30 DRNs
-Abnahme der Feuerungsrate der
LDT und PPT Neuronen
Mäuse
n=14 Wild-Typ
n=18 beta2AchR-Knockout
EEG: epidural implantierte
Elektroden
EMG: Elektroden in die
Nackenmuskulatur
EKG
Ohne Nikotin: Baseline
i.p. Gabe von Nikotin Bitartrat 1-2
mg/kg
Messung: 48 h
Ohne Nikotin:
Knock-Out Mäuse (im Vergleich zu
Wild-Typ): längere REM-Phase,
weniger Microarousal in NREM,
gleichviel kurzes Aufwachen (bis
15s), stabilere REM- und NREMPhasen
Nach Nikotin:
Wild-Typ:
-1. h: Zunahme der Wachsamkeit,
Abnahme von NREM und REM
-2. h: “rebound” Abnahme der
Wachzeit, Zunahme von NREM
-3. and 4. h: Kein Effekt
Knock-Out Mäuse:
-1., ,2. h Keine Änderung in der
Wachzeit und der Schlafphasen
Tabelle 4. Tierexperimentelle Studien
26
4.1.1.1 Einleitung
Über die Wirkung von Nikotin auf cholinerge Mechanismen, welche im Ablauf von Schlaf-WachRhythmus beteiligt sind, ist wenig bekannt. Zum einen findet sich eine große Anzahl von
cholinergen Zellen in den pedinculopontinen Kern und laterodorsalem Tegmentum, welche als Teil
des retikulären aufsteigenden Systems durch subkortikale Strukturen zur kortikalen Aktivierung
führt. Zum anderen finden sich cholinerge Neurone im basalen Vorderhirn, welche duch Projektion
auf den Nucleus basalis zur thalamokortikalen Aktivierung führen. In das retikuläre System
injizierte Cholinomimmetika, wie Carbachol, führen zu einer deutlichen Zunahme der EEGAktivierung, wobei diese von Antagonisten, wie Atropin, reduziert wird (Baghdoyan et al., 1984).
Das aufsteigende retikuläre System ist hauptsächlich für die Generierung von REM-Schlaf
verantwortlich. Der REM-Schlaf setzt sich aus den tonischen und phasischen Komponenten
zusammen. Während die tonische Komponente während des ganzen REM-Schlafes zu beobachten
ist und mit einem Verlust des Muskeltonus und kortikaler EEG-Aktivierung einhergeht, tritt die
phasische Komponente nur sporadisch auf. Während der phasischen Periode treten einerseits
monophasische Wellen im Pons, Nucleus laterale geniculatum und in der okzipitalen Kortex (PGOWellen) und anderseits für den REM-Schlaf typische schnelle Augenbewegungen auf (Shiromani et
al., 1987). Auf welche Weise Nikotin in diese Abläufe eingreift, wird anhand der folgenden
tierexperimentellen Untersungungen ausgeführt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Nikotin den
Schlaf nicht ausschließlich durch das cholinerge System, sondern
möglicherweise durch
präsynaptische Aktivierung von aminergen und serotonergen Systemen beeinflusst.
4.1.1.2 Akuter Effekt
Domino und Mitarbeiter (1965) führten die ersten experimentellen Untersuchungen zur Wirkung
von Nikotin auf den Schlaf durch. Für die EEG-Ableitungen wurden bei 15 Katzen stereotaktisch
Elektroden in den somatosensorischen Kortex, in Hippocampus, Amygdala, Hypothalamus und in
die mittlere Formation reticularis implantiert. Das 5 bzw. 25 Min vor der Substanzapplikation
abgeleitete Schlaf-EEG diente als Baseline. Das Nikotin bzw. Placebo (Kochsalzlösung) wurde in
die Jugularvene injiziert. Die EEG-Ableitungen wurden 5 Min und 25 Min nach der
Substanzapplikation ausgewertet. 1,5 ml Kochsalzlösung führte zu keiner EEG-Änderung (n=15).
Nikotin (0,01mg/kg/KG; n=9) unmittelbar nach der Injektion bewirkte das kurzfristige Erwecken
der Katzen aus dem Tiefschlaf heraus, woraufhin der langsamwellige Schlaf wieder einsetzte. Nach
15-20 Min war im EEG eine signifikante Erhöhung des REM-Schlafes zu beobachten.
Bei vorheriger Mecamylin-Gabe, welches ein zentraler Nikotinantagonist ist, war diese Wirkung
von Nikotin aufgehoben. Diese Untersuchung wurde bei Katzen, deren Hirnstamm durchtrennt
27
worden ist, wiederholt. Im EEG erschienen bei Nikotingabe jedoch die gleichen Änderungen.
Dadurch konnte gezeigt werden, dass Nikotin den Schlaf durch eine direkte zentralnervöse
Wirkung, nicht durch die Bindung an peripheren Rezeptoren und dadurch ausgelösten indirekten
ZNS-Wirkungen beeinflusst.
Die Schwäche der Studie ist, dass die polysomnographische Messungen nur 25 Min lang
durchgeführt wurden. Demnach konnte die weitere Änderung der Schlafstadien nicht verfolgt
werden.
Bei Jewett et al., (1966) wurde Nikotin in unterschiedlichen Dosen subkutan appliziert. Hier wurde
das Schlaf-EEG bei Katzen über 5 Stunden aufgezeichnet, wobei die Katzen jede 30 Min geweckt
worden sind, um zusätzlich die Änderungen im Verhalten und in der Aktivität der Katzen zu prüfen.
Die Kontroll-Messungen wurden an den gleichen Katzen am vorigen Tag durchgeführt. Einer Katze
wurde 50 µg/kg/KG, 2 Katzen wurden 100 µg/kg/KG und einer Katze 200 µg/kg/KG NikotinBitartrat appliziert. Niedrige Dosen (50 und 100µg/kg/KG) von Nikotin erhöhten den REM-Schlaf
und verminderten die Zahl der Wachperioden. Die Gabe von 200 µg/kg/KG Nikotin führte zu einer
signifikanten Unterdrückung des REM-Schlafes und zur Steigerung der Wachsamkeit. Die
Gesamtschlafzeit war bei der hohen Dosis ebenfalls vermindert auf Kosten von tieferen
Schlafstadien und REM-Schlaf.
In dieser Studie war zwar die Anzahl der Katzen, denen Nikotin appliziert wurde, sehr gering.
Weiterhin führt möglicherweise das Aufwecken der Katzen jede 30 Minuten zu einer Störung des
Schlafablaufs, wodurch der Effekt von Nikotin nicht eindeutig zu entnehmen ist.
In der Studie von Velazquez-Moctezuma et al., (1989) wurde Nikotin bei 7 Katzen in die mediale
pontine Formation reticularis injiziert. Es wurde neunmal 0,1 µl Kochsalzlösung als Kontrolle und
neunmal 0,9 µg nikotinhaltige Lösung zugeführt. Drei Min nach der Mikroinfusion wurde das EEG
drei Stunden lang aufgezeichnet. Nikotin führte zu einer Verkürzung des Wachstadiums und
NREM-1-Schlafs mit einer konsekutiven Erhöhung der Dauer des REM-Schlafes. Die Latenzzeit
der ersten REM-Periode war ebenfalls verkürzt.
Um den cholinergen Einfluss von Nikotin auf den Schlaf besser zu beurteilen, wurde den Katzen
ein muscarinerger Agonist gegeben, was auch zur Erhöhung von REM-Schlaf Dauer führte. Die
Erhöhung von REM-Schlaf durch Nikotin alleine war etwas geringer, als die durch Nikotin und
muscarinergen Agonist.
Es wurden keine methodischen Schwächen an der Studie festgestellt.
28
Salin-Pascual et al., (1999) untersuchte den akuten und chronischen Effekt von subkutan
appliziertem Nikotin an Wistar Ratten. Die EEG-Messung erfolgte 4 Stunden lang 10 Min nach der
Substanzzufuhr. Als Baseline dienten die EEG-Messungen nach Gabe von Kochsalzlösung. Die
höheren Dosen (0,5 und 1 mg/kg) zeigten den folgenden akuten Effekt auf den Schlaf:
Verminderung der Dauer und Anzahl der REM-Schlaf Perioden, Verlängerung der Latenzzeit des
REM-Schlafes, Reduktion des NREM-Schlafes. Die niedrige Dosis von Nikotin (0,1 mg/kg) zeigte
keinen akuten Effekt auf den Schlaf.
4.1.1.3 Chronischer Effekt
In der gleichen Arbeit von Salin-Pascual et al., (1999) wurde auch der chronische Einfluss vom
Nikotin auf den Schlaf untersucht. Die chronische Gabe einer höheren Dosis (0,5 mg/kg, n=5) von
Nikotin über 4 Tage reduzierte die Gesamtschlafzeit, den NREM- und den REM-Schlaf und erhöhte
die Wachzeit. Am fünften Tag, nach Absetzen der Nikotinzufuhr, war beim REM-Schlaf als
Rebound-Effekt eine Erhöhung vom REM-Anteil im Vergleich zu Baseline zu beobachten. Die
niedrigere, 0,1 mg/kg Dosis von Nikotin führte ab der dritten Gabe interessanterweise zur
Reduktion der Wachphasen und des NREM-Schlafes und zur Erhöhung des REM-Schlafes. Diese
hielt auch in der Folgenacht an. Die Erhöhung des REM-Schlafes war in der ersten und zweiten
Stunde nach Nikotingabe am stärksten ausgeprägt, in der dritten und vierten Stunde war diese nicht
mehr signifikant.
Die Studie ist methodisch hochwertig.
Zum weiteren Verständnis der Wirkung von Nikotin diente die Untersuchung von Lena und
Mitarbeiter (2004) an Knockout Mäusen. Hier wurde der Schlaf der Mäuse, bei denen das Gen für
die beta-2 Untereinheit der Acethylcholin-Rezeptoren ausgeschaltet wurde, untersucht. Die
Messungen wurden nach 48 Stunden Adaptation weitere 48 Stunden lang durchgeführt. Nikotin in
1-2 mg/kg Dosis wurde intraperitonal zugeführt. Bei den beta-2 Knockout-Mäusen war der Schlaf
schon ohne Nikotinzufuhr verändert: sie zeigten verlängerte REM-Phasen und weniger MicroArousal während der NREM-Periode im Vergleich zu den Wild-Typ-Mäusen. Bei Nikotinzufuhr
zeigten die beta-2 Knock-out Mäuse keine Änderung im EEG. Die Wild-Typ-Mäusen im Gegensatz
zeigten eine Erhöhung der Gesamt-Wachzeit und Verkürzung der NREM- und REM-Perioden in
der ersten Stunde nach Nikotinapplikation. In der zweiten Stunde war eine Reduktion der Wachheit
und konsekutive Erhöhung der Gesamt-NREM-Zeit zu beobachten. Ab der dritten Stunde gab es
keine signifikante Änderung in der Schlaf-EEG. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die
29
Wirkung von Nikotin auf den Schlaf hauptsächlich durch die beta-2 Untereinheit der AchRezeptoren vermittelt wird.
In der Untersuchung von Vazquez et al., (1996) wurden 10 Katzen Nikotinpflaster in verschiedenen
Dosen zugeführt. Die Messungen starteten 3 Stunden nach der Nikotinpflaster-Applikation und
dauerten acht Stunden lang. Am folgenden Tag wurden die Messungen ohne Nikotinpflaster
wiederholt, um einen möglichen Rebound-Effekt auf den Schlaf zu erfassen. Die höheren Dosen
(35 mg, 52,5 mg) führten zur Abnahme der Gesamt-REM-Dauer und zu einer dosisabhängigen
Erhöhung der Wachzeit. Der SWS war nicht verändert. 17,5 mg Nikotin erhöhte die mittlere Dauer
der REM-Perioden, aber verminderte ihre Frequenz. Am folgenden Tag war die Dauer der
einzelnen REM-Perioden mit der ansteigenden Dosis linear erhöht, die Gesamt-REM-Zeit jedoch
war nicht verändert. Zu der Studie ist zu bemerken, dass die verwendeten Dosen im Vergleich zu
den vorigen Studien hoch waren. Bei den Tieren traten starke Nebenwirkungen auf, was die
Schlafparameter v.a. durch Erhöhung der Wachzeit verzehren kann.
4.1.1.4 Wirkung auf die PGO-Spikes
In der gleichen Untersuchung wurden durch in die Kerne des Geniculatum laterale implantierte
Elektroden zusätzlich die PGO-Wellen (Pons-Geniculatum-Orbito-Wellen) gemessen. Diese sind
charakteristisch für den REM-Schlaf und sind typischerweise 10-20 Sekunden vor dem Eintritt der
charakteristischen EEG-Desynchronisation des REM-Schlafes registrierbar. Bei Nikotin-Gabe
waren die PGO-Wellen supprimiert, bei den hohen Dosen sogar komplett eliminiert.
Die PGO-Spikes und damit der REM-Schlaf werden durch cholinergen Projektionen aus den
pedunculopontinen (PPT) und laterodorsalen Neuronen (LDT) generiert. Anhand der oben
geschilderten Befunde ist es anzunehmen, dass in der Unterdrückung der PGO-Spikes durch
Nikotin neben der direkten cholinergischen Wirkung auch andere Mechanismen beteiligt sind, wie
möglicherweise eine direkte cholinergische Aktivierung der PPT- und
LDT-Neuronen durch
Nikotin.
Die Suppression von PGO-Spikes wurde auch in der Studie von Guzman-Marin et al., (2001)
untersucht. Seine Untersuchung basierte auf der Beobachtung, dass die PGO-Spikes normalerweise
bei einem niedrigen Serotonin-Spiegel erscheinen. In früheren Arbeiten wurde beschrieben, dass die
serotonergen Neuronen die LDT- und PPT-Neuronen inhibieren. So wurde vermutet, dass die
Suppression der PGO-Wellen durch die inhibitorische Wirkung der dorsalen Raphe-Kernen auf die
LDT- und PPT-Neuronen gewährleistet ist.
30
In dieser Untersuchung führte subkutan appliziertes Nikotin (0,1 mg/kg) bei Ratten zu einer
erhöhten Feuerungsrate der serotonergen Neuronen der dorsalen Raphe-Kernen, wo auch
charakteristischerweise die PGO-Spikes auftreten, in der NREM-REM Wechselphase und während
der REM-Phase. Gleichzeitig zeigte sich eine Verlängerung der Dauer der REM-Periode. Die
Frequenz der REM-Phasen war unverändert. Dieses Ergebnis erscheint paradox und die Erhöhung
der Dauer der REM-Perioden lässt sich möglicherweise durch eine direkte Stimulation der LDTund PPT-Neuronen erklären.
Der Effekt von Nikotin auf die serotonergen Neuronen wurde von Mihailescu et al., (2001)
ebenfalls untersucht. Hier wurde an Gehirnschnitten von Ratten die Feuerungsrate der serotonergen
Neuronen der dorsalen Raphe-Kernen, der LDT- und PPT-Neuronen gemessen. Zwei mM
Nikotinlösung wurde in die dorsalen Raphe-Kernen injiziert. So bewirkte Nikotin eine Erhöhung
der Feuerungsrate der serotonergen Neuronen in den dorsalen Raphe-Kernen und eine signifikante
Abnahme der Feuerungsrate der PPT- und LDT-Neuronen. Dieses Ergebnis bestätigt auch die
Annahme, dass die Inhibierung der PGO-Spikes bei Nikotingabe durch eine serotonerge Hemmung
der PPT und LDT Neuronen entsteht. Es ist also anzunehmen, dass die oben beschriebene
Unterdrückung der PGO-Spikes bei Nikotinapplikation durch die dorsalen serotonergen RapheKerne vermittelt ist.
Der Einfluss von Nikotin auf die serotonergen Neuronen ist von besonderem Interesse, denn
dadurch kann möglicherweise der stimmungsaufhellende Effekt und eine Verbesserung der
Schlafstörungen bei depressiven Patienten unter Gebrauch von Nikotin erklärt werden. Dieser
Zusammenhang wird im späteren Kapitel anhand klinischer Studien näher erläutert.
4.1.1.5 Zusammenfassung
Zur Übersicht über die Änderung der Schlafstadien nach Nikotinapplikation dient Tabelle 4. Die
Studien, in denen Nikotin systemisch (s.c., i.v., i.p., transdermal) appliziert wurde, zeigen, dass
Nikotin in höheren Dosen eine aktivierende Wirkung ausübt, indem es die Wachzeiten auf Kosten
von NREM- und REM-Schlaf erhöht.
Niedrige Dosen bewirkten einen gegenteiligen Effekt: eine Reduktion der Wachzeit und der
leichten Schlafstadien und Erhöhung der Dauer der REM-Zeit. Die Erhöhung des REM-Schlafes ist
auch nach chronischer Gabe aufgetreten (Tabelle 5).
31
Nikotin
Akuter Effekt
Chronischer Effekt
↑
↓
↓
↑↓
Wachzeit
NREM 1-2
NREM 3-4
REM
Akuter Entzug
↓↑
↓
↓
↑↓
↓−
─
↓−
↑↑
Tabelle 5. Zusammenfassung der tierexperimentellen Studien
(Anmerkung: Wo in der Tabelle zwei Pfeile vorhanden sind, wurde ein dosisabhängiger Unterschied der Wirkung von
Nikotin festgestellt. Der erste Pfeil weist auf den Effekt der niedrigeren Dosis, der zweite Pfeil auf der höheren Dosis
hin.)
4.2 Untersuchungen an Menschen
4.2.1 Ergebnisse
Zu der Frage des Einflusses von Nikotin auf den Schlaf bei Menschen wurden 46 Publikationen
gefunden. Für einen besseren Überblick wird hier eine inhaltliche und methodische Einteilung der
Studien vorgenommen (Tabelle 6).
- Inhaltliche Einteilung
Die Änderung des Schlafes unter Einwirkung von Nikotin wurde in den Artikeln zu verschiedenen
Zeitpunkten des Rauchverhaltens analysiert: während des Nikotinkonsums, während des
Nikotinentzugs und unter Nikotinersatztherapien.
In 6 Studien wurde der Einfluss von Nikotin auf den Schlaf bei depressiven Patienten untersucht.
Weitere 6 Artikel befassten sich mit dem Einfluss von Nikotin auf den Schlaf bei Patienten mit
Apnoe-Hypopnoe-Syndrom.
- Methodische Einteilung
In den Artikeln wurde die Änderung des Schlafes entweder durch subjektive Messungen, d. h.
durch Fragebögen-Erhebungen, oder durch polysomnographische Messungen evaluiert.
Methodik
Nikotinkonsum
Nikotinentzug
Nikotinpflaster
Nikotinkaugummi
Depression
Schlafapnoe
FragebogenErhebungen
6
6
6
2
─
─
Polysomnographie
3
3
8
─
6
6
Tabelle 6. Ergebnis der Datenbankrecherche zu Studien mit Untersuchungen an Menschen
32
Im Folgenden werden erstens die Publikationen über die Veränderung des Schlafes beim
Nikotinkonsum referriert und zweitens diejenigen Studien, welche den Schlaf beim Nikotinentzug
untersuchten. Anschließend wird der Einfluss der Nikotinersatztherapien auf den Schlaf anhand der
vorliegenden Studien behandelt. Schließlich wird auf die klinische Auswirkung von Nikotin bei
Patienten mit Depression und Schlafapnoe eingegangen.
4.2.2 Schlafstörungen bei Nikotinkonsum
4.2.2.1 Ergebnisse
Der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Rauchen wurde in 9 Artikeln untersucht
(Tabelle 7). In 6 Studien wurde die Schlafqualität zwischen Rauchern und Nichtrauchern mittels
Fragebögen verglichen. In 3 Studien wurden polysomnographische Messungen verwendet.
Angesichts der hohen Prävalenz der Schlafstörungen und des Nikotinkonsums ist, die geringe
Anzahl der Studien überraschend, die sich mit dieser Thematik befassen.
Nikotinkonsum
Fragebogen-Erhebungen
Publikation
Wetter et
al., 1994
Fragestellung der
Studie
Zusammenhang von
Rauchen und
Schlafstörungen
Probanden
Methodik
Ergebnis
n=3516
Nicht-Raucher:
m=754; w=893
Longitudinale KohortenStudie
Raucher (m, w):
-Einschlafschwierigkeit,
-Starke morgendliche Müdigkeit
Ehemalige Raucher:
m=555, w=458
Raucher:
m=339, w=452
fehlende Angaben von
Dropouts
Phillips et
al., 1995
Rauchen und
Schlafstörungen
n=484 (m=167,
w= 317)
Raucher: n=115
Nichtraucher: n=369
Alter: <18J: n=99;
>18J n=385
Patten et al.,
2000
Prädiktoren für
Schlafstörungen
N=7960 Jugendliche
(12-18 Jahre)
Rieder et
al., 2001
Nocturnal SleepDisturbing Nicotine
Craving (NSDNC):
Symptom der
N (gesamt)=69 starke
Raucher , davon
n=14 Raucher mit
NSDNC -
Fragbögen nach DSM IIIR zu Insomnie,
Hypersomnie, Parasomnie
Bewertung der Stärke der
Symptomatik nach Anzahl
der aufgetretenen
Symptome/ Mo.:
sehr häufig: >16 x
häufig: 5-15 x
nicht häufig: 2-4 x
selten: 1 od. <1 x
Briefumfrage
Multivariate Analyse
Fragen: nach Stanford
Sleep Questionnaire and
Assessment of
Wakefulness, + bzgl.
Lebensführung und
Gesundheit
Longitudinale KohortenStudie
Telefonische Umfrage
Dauer: 4 Jahre
Pilot-Studie
Fragebogen bzgl. NSDNC
bei n=14
Raucher (m):
-nicht-erholsamer Schlaf
-Alpträume
Raucher (w):
-nicht-erholsamer Schlaf
-Tagesmüdigkeit
-Einschlafen während Tätigkeiten
Kein Unterschied zw. Ehemaligenund Nicht-Raucher
Raucher:
-häufiger Einschlafstörungen
-häufiger Durchschlafstörungen
-erhöhte Tagesmüdigkeit
-Depressive Symptome
-mehr Kaffeekonsum
-kleine Unfälle
Prädiktoren für Schlafstörungen:
-Depressive Symptome
-Nikotinabusus
-weibliches Geschlecht
-asiatische Rasse
Häufigkeit von NSDNC: täglich
n=4, einige Male /Wo. n=5; einige
Male/Mo. n=5
-Schlafstörungen n=11
33
starken
Nikotinabhängigkeit
eingeschlossen in die
Studie
Riedel et
al., 2004
Rauchen und
Schlafstörungen in
Anbetracht von
weiteren
Einflußfaktoren
n=769 (m=379,
w=390)
Raucherprävalenz:
21%
(davon 38% <15
Zig/Tag; 62%
>15Zig/Tag)
Randomisierte prospektive
Studie
Fragebogen für 2 Wochen
jeden Morgen
Schlaftagebuch, Beck
Depression Inventory
(BDI), State Trait Anxiety
Inventory (STAI),
Evaluation von Lebensstil,
Gesundheitszustand,
Insomnie
Kaneita et
al.,
2005
Zusammenhang von
Zigaretten- und
Alkoholkonsum und
Schlafstörungen bei
Schwangeren
n=16.000 schwangere
japanische Frauen
Raucherprävalenz
während SS: 9.9%,
vor SS: 25,7%
Umfrage
Fragebogen:
1. Trinkverhalten, 2.
Rauchverhalten, 3.
Schlafqualität, 4.
persönliche Daten
-Abstinenzversuch: n=9,
-Schlafstörungen bei
Abstinenzversuch: n=9
Leichte Raucher:
-Kürzere Gesamtschlafzeit
-geminderte Bettzeit
-höchste Prävalenz von Insomnie
Starke Raucher:
-Gesamtschlafzeit und Bettzeit
wie bei Nicht-Raucher
-nur bei Frauen erhöhte Prävalenz
für Insomnie
Starke und Leichte Raucher:
-jüngere Population
-höhere Score in BDE
-höhere Score in STAI
-mehr Alkoholkonsum
Starke Raucher (n=13):
-höchste Prävalenz für
Schlafstörung, Einschlaf-,
Durchschlafstörung
-frühes morgendliches Erwachen
-reduzierter Gesamtschlaf
-Tagesmüdigkeit, RLS
Tabelle 7. Tabellarische Darstellung der Fragebogen-Erhebungen zur Schlafqualität bei Rauchern
4.2.2.2 Fragebogen-Erhebungen
Die longitudinale Kohorten-Studie von Wetter et al., (1994) untersuchte die Häufigkeit von
schlafbezogenen Beschwerden unter Rauchern und Nichtrauchern. Von den 3516 Teilnehmern der
Studie waren 1647 Nichtraucher (754 Männer, 893 Frauen), 1013 ehemalige Raucher (555 Männer,
458 Frauen) und 791 Raucher (339 Männer, 452 Frauen). In der Studie stimmt die Angabe der
Gesamtteilnehmeranzahl mit den in die einzelnen Kategorien gelisteten Teilnehmeranzahlen nicht
überein. Gleichzeitig liegt keine Angabe vor, die betreffende Abweichungen bzw. Dropouts
erläutert. Die Fragebögen beinhalteten Fragen zu Symptomen von Insomnie, Hypersomnie und
Parasomnie entsprechend der DSM-III-R Klassifikation. Die Häufigkeit der Symptome wurde auf
folgende Weise definiert:
„sehr häufig“: Symptome an >16 Tagen/Nächte im Monat
„häufig“:
Symptome an 5-15 Tagen/Nächte im Monat
„nicht häufig“: Symptome an 2-4 Tagen/Nächten im Monat
„selten“:
Symptome an 1 oder weniger Tagen/Nächte im Monat.
Rauchende Männer gaben verhältnismäßig oft nicht-häufige (OR: 1,44), häufige (OR: 1,56) und
sehr häufige (OR: 2,32) Einschlafstörungen an. Ähnliche Ergebnisse konnten auch bei rauchenden
Frauen festgestellt werden mit häufigen (OR: 1,78) bzw. sehr häufigen Einschlafstörungen (OR:
1,88). Einen weiteren signifikanten Unterschied zu den Nichtrauchern wies die Häufigkeit der
Angaben über nicht-erholsamen Schlaf auf. Bei den restlichen Insomniesymptomen, wie
34
nächtliches und frühmorgendliches Aufwachen, wurde zwischen Rauchern und Nicht-Rauchern
kein Unterschied festgestellt.
Das Rauchen konnte auch mit Symptomen der Hypersomnie assoziiert werden. Rauchende Frauen
litten häufiger (OR: 2,61) an exzessiver Tagesschläfrigkeit. Raucher, sowohl Männer wie Frauen,
gaben Beschwerden beim Aufwachen an (OR: >2). Rauchende Frauen zeigten ebenfalls eine
Tendenz zum Einschlafen während alltäglicher Tätigkeiten, wie Fernsehen oder Lesen. Ein weiteres
interessantes Resultat der Studie war die hohe Anzahl der berichteten Parasomnie-Beschwerden.
Rauchende Männer zeigten eine 11,8-mal höheres Auftreten von störenden Träumen oder
Alpträumen.
Zwischen ehemaligen Rauchern und Nicht-Rauchern wurde kein signifikanter Unterschied bei der
Häufigkeit von Schlafstörungen gefunden.
Die Studie zeigt, dass Raucher ein ca. zweimal höheres Risiko aufweisen, Schlafstörungen zu
haben, wobei von den Symptomen die Einschlafschwierigkeit, der nicht-erholsame Schlaf, die
exzessive Tagesschläfrigkeit, die starke morgendliche Müdigkeit und die störenden Träume
dominieren.
Diese epidemiologische Studie bietet wegen der hohen Teilnehmerzahl eine aussagekräftige
Übersicht. Auf einige Schwächen der Studie ist jedoch hinzuweisen: In der Studie liegen keine
Angaben über das Ausmaß des Nikotinkonsums vor. Dadurch ist ein dosisabhängiger
Zusammenhang in der Ausprägung der Schlafstörungen nicht gegeben. Weiterhin liegen keine
Angaben vor, wie lange der Nikotinkonsum bei den ehemaligen Rauchern zurückliegt. Dadurch ist
es möglich, dass die damals vorliegenden Schlafstörungen sich mit der Zeit normalisierten und
dadurch in der Studie nicht erfasst werden. Zu der Studienpopulation zu bemerken ist, dass die
Teilnehmer in dieser Studie bis zu 98% zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr waren. Dadurch
wurde das Auftreten von Schlafstörungen bei jüngeren Erwachsenen, wo auch die
Raucherprävalenz am höchsten ist, nicht erfasst. Wichtige Einflussfaktoren, wie depressive
Symptome, Alkohol- und Kaffeekonsum, welche auch einen deutlichen Einfluss auf den Schlaf und
auf die Tagesbefindlichkeit haben, wurden in der Studie nicht berücksichtigt.
Die Studie von Phillips und Kollegen (1995) zeigt ähnliche Ergebnisse. Hier wurde die
Schlafqualität und Lebensführung von 108 Rauchern und 376 Nicht-Rauchern mittels BriefUmfrage verglichen. Von den 484 Teilnehmer waren 99 Jugendliche (Alter: 14-18 Jahre) und 385
Erwachsene (Alter. 20-84 Jahre). Bei den Jugendlichen betrug die Raucherprävalenz 38% und bei
Erwachsenen 20%. In dieser Studie berichteten Raucher häufiger über Einschlafschwierigkeiten,
Durchschlafstörungen und Tagesmüdigkeit. Weiterhin zeigte die multivariate Analyse eine positive
35
Korrelation zwischen wöchentlichem Zigarettenverbrauch und Kaffeekonsum (p<0,001) und
zwischen wöchentlichem Zigarettenverbrauch und depressiver Symptomatik (p<0,001). Um zu
evaluieren, ob das Rauchen den Schlaf allein beeinflusst oder die Beeinträchtigung der
Schlafqualität von mehreren Kofaktoren, wie depressive Symptome und Kaffeekonsum, abhängt,
wurde eine Multiple Regressionsanalyse durchgeführt. Hier erwies sich das Rauchen mit
Durchschlafstörungen und Tagesmüdigkeit assoziiert (p<0,05). Die Einschlafstörungen hingen
jedoch nicht mit dem Rauchverhalten zusammen.
Ein Mangel der Studie ist, dass ein Drogenkonsum der Teilnehmer nicht ausgeschlossen wurde.
Dies wäre zum einen wegen des verbreiteten Drogenkonsums unter Jugendlichen, zum anderen
wegen des Einflusses der Drogen auf die Schlafqualität sinnvoll gewesen.
Die longitudinale Kohorten-Studie von Patten und Mitarbeiter (2000) hatte zum Ziel, mögliche
prädiktive Faktoren für Schlafstörungen zu identifizieren. Hier wurden 7960 Jugendliche
telefonisch nach Symptomen von Schlafstörungen und nach persönlichen Merkmalen im Jahre 1989
und erneut in 1993 befragt. Bei Baseline gaben 4866 der Befragten keine Schlafstörungen an. Von
diesen Probanden berichteten 4 Jahre später schon 28% über gelegentliche Schlafstörungen und
zusätzlich bei weiteren 9% waren die Schlafstörungen schwer ausgeprägt. Von 3094 Jugendlichen,
die bei Baseline Schlafstörungen angaben, bestanden bei 52% 4 Jahre später stets die Beschwerden
und 21% litten an schweren Schlafstörungen. Die Multiple Regressionsanalyse ergab, dass die
Entwicklung der Schlafstörungen mit dem Rauchen, depressiven Symptomen, dem weiblichen
Geschlecht und der asiatischen Rasse zusammenhingen. Reguläre Raucher (OR:2,1) und
Gelegentheits-Raucher (OR:1,56) wiesen ein höheres Risko auf, Schlafstörungen zu entwickeln, als
Nicht-Raucher.
In dieser Studie erfolgte die Evaluation der Schlafstörungen nicht nach einer standardisierten
Methode. Die Häufigkeit des Auftretens von Schlafstörungen wurde nicht im Voraus definiert.
Die Pilot-Studie von Rieder et al., (2001) hatte zum Ziel, ein weiteres Symptom des Nikotinentzugs
bei starken Rauchern zu identifizieren und seine Häufigkeit zu betimmen. Dieses Symptom wurde
als Nocturnal Sleep-Disturbing Nicotine Craving bezeichnet und beschreibt das nächtliche
Aufwachen infolge der Nikotinsucht. Dazu wurden 69 starke Raucher (>20 Zigaretten am Tag)
bezüglich ihrer Schlafqualität befragt. Von den 69 starken Rauchern gaben 14 (20%) an, dass sie
gelegentlich in der Nacht aufwachen und erst wieder einschlafen können, wenn sie eine Zigarette
rauchten. Diese 20% wurden in die weitere Befragung einbezogen. Bei 4 Personen kam dieses
Ereignis jede Nacht vor, bei 5 einige Male in der Woche, bei den weiteren 5 einige Male im Monat.
36
Weiterhin gaben 11 Teilnehmer an, dass sie bei einem Abstinenzversuch auch an starken
Schlafstörungen litten. Eine überraschende Feststellung dieser Untersuchung ist, dass nur 2 der 14
Befragten ihre Schlafbeschwerden mit dem Rauchen assoziierten.
Diese Studie untersuchte die Schlafstörungen bei starken Rauchern, bei denen die Symptome so
stark ausgeprägt waren, dass sie erst nach erneutem Nikotinkonsum wieder einschlafen konnten. Da
die Fragestellung der Studie sehr spezifisch ist, ist dementsprechend der Kreis der Betroffenen sehr
klein. Unklar ist, inwieweit das Resultat dieser Studie auf mäßige bis schwache Raucher übertragen
werden kann, bei denen die Schlafstörungen in geringerem Grade ausgeprägt sein dürften.
Die Studie von Rieder et al., (2001) liefert nur Angaben über das nächtlichen Craving bei sehr
starken Rauchern. Wegen der kleinen Teilnehmerzahl ist die Relevanz dieses Symptoms nicht
einzuschätzen.
Die Studie von Riedel et al., (2004) untersuchte in einer randomisiert ausgewählten Population von
769 Teilnehmern den Zusammenhang von Schlafstörungen und Rauchen. In dieser Studie wurden
zusätzlich weitere Einflußfaktoren, wie vorliegende Krankheiten, Alkoholkonsum, Geschlecht und
Rassenzugehörigkeit zusätzlich berücksichtigt. Im Rahmen der Erhebung füllten die Teilnehmer
über 2 Wochen täglich ein Schlaftagebuch, Beck Depression Inventory, State Trait Anxiety
Inventory (STAI) aus. Sowie Angaben über den täglichen Nikotin- und Alkoholkonsum und
Insomnie-Symptome wurden erfasst.
Raucher machten 21% der Teilnehmer aus. Leichte (<15 Zig/Tag) und starke (>15 Zig/Tag)
Raucher waren jünger, als Nicht-Raucher und wiesen höhere Punktzahlen in der Beck Depression
Inventory und State Trait Anxiety Inventory auf. Zusätzlich war der Alkoholkonsum ebenfalls bei
Rauchern höher. Nach Auswertung des Schlaftagebuchs zeigte sich bei leichten Rauchern eine
verminderte Gesamtschlafzeit und im Bett verbrachte Zeit, obwohl weitere Parameter wie die
Einschlatenz, die Wachzeit nach Einschlafen und die Anzahl von Aufwachen nicht verändert war.
Interessanterweise konnte zwischen starken Rauchern und Nicht-Rauchern in den oben genannten
Schlafparametern kein Unterschied festgestellt werden. Für Insomnie-Beschwerden zeigte sich das
leichte Rauchen prädisponierend, wobei bei starken Rauchern nur Frauen häufiger InsomnieSymptome angaben. Der Unterschied zwischen rauchenden Männern und Nicht-Rauchern ergab
sich nach der Regressionsanalyse nicht signifikant.
Der Vorteil dieser Studie den anderen gegenüber war, dass hier die subjektive Schlafqualität in
einer randomisierter Population prospektiv mittels eines Schlaftagebuches erfasst wurde. Ein
methodischer Mangel der Studie ist, dass die zusätzlichen Angaben der Insomnie-Beschwerden hier
deskriptiv, nicht mittels eines standardisierten Fragebogens ermittelt worden sind. Dies könnte
37
möglicherweise auch die Abweichung der Insomnie-Beschwerden zwischen leichten und starken
Rauchern erklären.
In der Studie von Kaneita et al., (2005) wurden schwangere Frauen bezüglich ihrer Schlafqualität,
ihres Alkohol- und Zigarettenkonsums befragt. Hier zeigte sich, dass starke Raucherinnen (>20
Zigaretten am Tag) eine zweifach höhere Prävalenz für alle erfragten Symptome von
Schlafstörungen aufwiesen. Allerdings machten starke Raucher nur 1% der gesamten
Teilnehmerzahl (n=16 000) aus.
4.2.2.3 Polysomnographische Untersuchungen
Drei Studien wurden bislang publiziert, in welchen die Schlafmuster von Rauchern und NichtRauchern mittels polysomnographischer Messungen verglichen wurden. In der Studie von Zhang et
al., (2007) wurde neben der traditionellen PSG-Messung eine Spektral-Analyse der Schlaf-EEG
durchgeführt (Tabelle 8).
Nikotinkonsum
Polysomnographische
Untersuchungen
Publikation
Probanden
Methodik
Ergebnis
Soldatos et
al., 1980
Fragestellung der
Studie
Rauchen und
Schlafstörungen
n=100 (n=50
Raucher, n=50 NichtRaucher)
PSG:
Raucher:
-Längere Wachzeit
-Längere Einschlaflatenz
-verminderte Gesamtschlafzeit
MMPI:
-vermehrter Kaffeekonsum bei
Raucher
-kein Unterschied in Alkohol- und
Drogenkonsum
Zhang et al.,
2006
Rauchen und
Schlafarchitektur
n=6400
n=2916 (45,6%)
Nicht-Raucher
n=2705 (42,3%)
ehemalige Raucher
n=779 (12,2%)
Raucher
Randomisierte Studie
Dauer: 4 Nächte (1.
Adaptation, 2., 3. und 4.
PSG-Untersuchung)
Messung: PSG
(EEG,EOG,EMG)
Fragebögen: MMPI
(Minnesota Multiphasic
Personality Inventory),
Sleep History
Questionnaire
Daten von einer
multizentrischen
longitudinalen Studie
Zhang et al.,
2007
Spektral-Analyse der
nächtlichen EEG von
Raucher und
Nichtraucher
n=80
n=40 Raucher (>20
Zig/Tag)
n=49 Nichtraucher
Messung: Home-PSG
Fragebögen
Randomisierte Studie,
matched nach Alter,
Geschlecht, BMI, AHI,
Halsumfang,
Ausschluss
psychiatrischer
Erkrankungen
Home-PSG
EEG-Spektral-Analyse
-Schlafstörungen
Dauer: 1 Nacht
Home-PSG:
Raucher:
-verlängerte Einchlaflatenz
-weniger Gesamtschlaf
-mehr NREM1
-weniger NREM 3-4
-niedrigere Schlafeffizienz
Kein Unterschied zw. Ehemalige
und Nicht-Raucher
Raucher:
-häufiger unerholsamer Schlaf
-kein Unterschied in Schlafstadien
im Vgl. zu Nichtraucher
-mehr alpha-Frequenz
-weniger delta-Frequenz
-im Verlauf des Schlafes Abnahme
des Unterschiedes zu Nichtraucher
Tabelle 8. Tabellarische Darstellung der PSG-Studien bei Rauchern
38
In der Studie von Soldatos et al., (1980) wurden polysomnographische Messungen an vier
aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Der erste Tag diente zur Baseline-Messung. Die
Probanden, 50 Raucher und 50 Nicht-Raucher, wurden nach Geschlecht und Alter randomisiert.
Zusätzlich zu den PSG-Untersuchungen füllten die Probanden Fragebögen (Minnesota Multiphasic
Personality Inventory, Sleep History Questionnaire) aus.
In der Studie verbrachten Raucher während der Nacht mehr Zeit in Wachem (92,7 Min) als NichtRaucher (73,9 Min.). Dieser Unterschied resultierte hauptsächlich aus einer längeren
Einschlaflatenz, 43,7 Min bei Rauchern vs. 29,8 Min bei Nicht-Rauchern. Beide Ergebnisse waren
signifikant: p<0,05. Es wurde kein Unterschied in der Dauer der Schlafstadien gefunden. Durch die
Analyse der Fragebögen stellte sich heraus, dass Raucher in der Regel vermehrt Kaffee
konsumieren. Es konnte jedoch kein positives Korrelat zwischen vermehrtem Kaffeekonsum und
häufigerem Auftreten von Schlafstörungen festgestellt werden.
In der Studie von Zhang und Mitarbeiter (2006), in der das Schlafprofil von 779 Rauchern, 2916
Nicht-Rauchern und 2705 ehemaligen Rauchern mittels Home-Polysomnographie verglichen
wurde, zeigten Raucher eine längere Einschlaflatenz (p<0,0001), eine leichte Verlängerung der
REM-Schlaf-Latenz und eine verminderte Gesamtschlafzeit. Bei Rauchern waren die Schlafstadien
zugunsten von den Schlafphasen NREM-1- und NREM-2-Schlaf bei gleichzeitiger Abnahme der
Tiefschlafdauer NREM-3- und NREM-4-Schlaf verschoben. Der Anteil des REM-Schlafes war bei
Rauchern nicht verändert. Die Schlafeffizienz war bei Rauchern verglichen mit Nicht-Rauchern
oder ehemaligen Rauchern niedriger. Diese Ergebnisse waren auch nach multivariabler Analyse für
Alter, Geschlecht, Apnoe/Hypopnoe-Index und Alkoholkonsum stets signifikant.
In einer weiteren Studie von Zhang und Kollegen (2007) wurde zur Objektivierung von
Schlafstörungen bei Rauchern eine Spektralanalyse der nächtlichen EEG angefertigt. Zur
Untersuchung des Nikotineinflusses wurden 40 Raucher und 40 Nichtraucher nach Alter,
Geschlecht,
BMI,
Apnoe/Hypopne-Index
randomisiert
und
gematched.
Vorbestehende
psychiatrische Erkrankungen, die den Schlaf beeinflussen könnten, wurden ausgeschlossen.
Unerholsamer Schlaf wurde von Rauchern häufiger (22,5%) berichtet als von Nicht-Rauchern (5%).
Durch die traditionelle Auswertung der Schlaf-EEG nach Rechtschaffen und Kales konnte kein
Unterschied der Schlafstadien zwischen Rauchern und Nicht-Rauchern festgestellt werden. In der
Spektral-Analyse zeigte sich jedoch eine deutliche Zunahme der alpha-Frequenz und Abnahme der
delta-Frequenz. Dieser Unterschied war am meisten am Anfang der Schlafperiode ausgeprägt. Im
Verlauf der Nacht zeigte sich eine kontinuierliche Normalisierung beider Frequenzen. Weiterhin
39
wurde in einer multivariablen Analyse gezeigt, dass die Abnahme von alpha-Frequenz und
Zunahme der delta-Frequenz mit dem berichteten unerholsamen Schlaf assoziiert ist.
.
Alle polysomnographischen Studien waren qualitativ hochwertig. Die Studie von Zhang et al., 2006
ist wegen der großen Probandenzahl und des breiten Ausschlusses von Einflussfaktoren
hervorzuheben. In der Studie von Soldatos waren die Teilnehmer nach Alter und Geschlecht
randomisiert. Zusätzlich waren die PSG-Messungen hier über 3 Tage im Schlaflabor durchgeführt,
im Gegensatz zu den beiden Studien, in denen über 1 Nacht Home-PSG verwendet wurde. Bei
Soldatos et al., 1980 konnte nach der Rechtschaffen-Kales Definition kein Unterschied in Arousals
festgestellt werden. In Zhang et al., 2006 wurden die Arousal nach ASDA definiert, die Ergebnisse
waren jedoch nicht in der statistischen Auswertung aufgeführt.
In den Studien von Soldatos und Zhang (2007) konnte keine Veränderung der Schlafstadien
nachgewiesen werden. Dies resultiert möglicherweise aus der relativ kleinen Teilnehmerzahl. Eine
andere Erklärung könnte das Ergebnis der Studie von Zhang et al., 2007 liefern: dass mögliche
Änderungen im Schlaf im traditionellen Schlaf-EEG nicht erfasst werden können.
Die Fragebogen-Erhebungen zeigten insgesamt, dass bei Rauchern häufiger Schlafstörungen
auftreten.
Die
am
häufigsten
aufgetretenen
Symptome
waren
Einschlafstörungen
und
Tagesmüdigkeit. Tabelle 9 zeigt zusammenfassend die Ergebnisse der PSG-Studien. Diese
Symptome waren durch die polysomnographischen Studien von Soldatos et al., 1980 und Zhang et
al., 2006 objektivierbar. Beide wiesen eine verlängerte Einschlaflatenz nach. In den Studien von
Zhang war zusätzlich die Verschiebung von tiefen Schlafstadien in Richtung leichter Schlafstadien
beschrieben (2006), sowie in der Spektral-Analyse das vermehrte Auftreten von alpha-Frequenzen
und die Abnahme von delta-Frequenzen (2007). Durch diese Befunde kann die beeinträchtigte
subjektive Schlafqualität, als auch die vermehrte Tagesschläfrigkeit erklärt werden.
40
Nikotinkonsum
Wachzeit
Einschlaflatenz
TST
NREM 2
NREM 3-4
REM
REM-Schlaf-Latenz
SE
Arousal
Raucher
↑
↑
↓
↑
↓
−
↑
↓
−
Tabelle 9. Zusammenfassung der PSG-Studien bei Rauchern
(↑: Zunahme, ↓: Abnahme; −: keine Änderung beschrieben worden)
4.2.3 Effekt von Nikotinentzug auf den Schlaf
4.2.3.1 Ergebnisse
Zum Thema Schlafstörung während des Nikotinentzugs wurden insgesamt 9 Artikel gefunden. In 6
wurde die Änderung der Schlafqualität mittels Fragebögen evaluiert (Tabelle 10a). In den weiteren
3 Studien wurden PSG-Messungen durchgeführt (Tabelle 10b).
4.2.3.2 Fragebogen-Erhebungen
In den früheren Untersuchungen war es von besonderer Bedeutung, die Entzugsymptome zu
identifizieren und sie in standardisierten Fragebögen zusammenzufassen. Diese Bemühungen
führten zur Vereinheitlichung der Erfassung der Entzugsymptome, welche für eine bessere
Beurteilung des Ausmaßes der individuellen Entzugsymptomatik und der Wirksamkeit der
verschiedenen Therapieformen notwendig war.
41
Nikotinentzug
Fragebogen-Erhebungen
Publikation
Hatsukami et
al., 1984
Fragstellung der
Studie
Nikotinentzug
Probanden
Methodik
Ergebnis
n=27 Raucher
(n=20
ExperimentGruppe; n=7
Kontroll-Gruppe)
Randomisierte + matched
Studie
Exp.-Gruppe:1-3. Tag: Rauchen
(Baseline), 4-7. Tag: Abstinenz
Kontroll-Gruppe: Rauchen
während der Studie
Obj.Parameter: Vitalparameter,
Kalorie-Aufnahme,
psychomotorsche Aktivität
Fragebögen: Schiffman-Jarvik
Tobacco Withdrawal
Questionnaire, POMS; Stanford
Sleep Questionnaire
Prospektive nicht randomisierte
Studie
Dauer: 1.Tag Baseline, 20 Tage
Abstinenz
Messung: Tagebuch inkl. 8
Entzugssymptome
(Schlaflosigkeit, Schläfrigkeit)
Im Entzug:
Stanford Sleep Questionnaire :
-Zunahme der Häufigkeit und
der Dauer von nächtlichen
Aufwachen
Vitalparameter:
-Abnahme der Herzfrequenz
-Zunahme der Appetit und
Kalorienzufuhr
POMS:
-depressive Stimmung,
Verwirrtheit
2 dropout aus der
ExperimentGruppe
Cummings et
al., 1985
Nikotinentzug über 3
Wochen
n=33 (m=9,
w=24)
n=17 >20
Zig/Tag
n=16 <20
Zig/Tag
Hatsukami et
al., 1985
Abhängigkeit der
Entzugssymptome von
Nikotin- und
Kotininspiegel im Blut
n=20 Raucher
(m=11, w=9)
Hatsukami et
al., 1988
Entzugssymptome unter
partieller und
kompletter
Nikotinabstinenz
N (gesamt)=32
Shiffman et
al., 1995
Entzugsymptome bei
Gelegentheits-, und
Dauer-Raucher
n=51
n=26
GelegentheitsRaucher (<5 Zig/
4x/Wo)
n=25 DauerRaucher (20-40
Zig/T)
Nicht-kontrollierte klinische
Studie
Dauer: 3 T. Rauchen, 4 T.
Abstinenz
Messung: Nikotin-, und
Kotininspiegel im Blut vor und
nach Zigarettenkonsum
-Bestimmung von HWZ von
Nikotin 15, 30 und 60 Min. nach
Rauchen
Randomisierte Studie
n=11: komplette Abstinenz
n=11: 50% Reduktion der Zig.
n=10: Wechsel zu Nikotinreduzierten Zig. (0.4 mg Nikotin /
Zig))
Dauer: 1. T. Adapatation, 2. und
3. T Baseline, 4.-8.T Exp)
Messung: Puls, Gewicht, POMS,
Stanford Sleep Questionaire,
Withdrawal Checklist (inkl.
Insomnie)
Randomisierte Studie
Dauer: 2 Perioden (1
Wo.Abstand)
1.Periode, Rauchen: 2 T, 3 Nächte
2.Periode, Abstinenz: 2 T, 3
Nächte
Messung: 5x/Tag WAC (handhold computer for Withdrawal
DSM-III
+Schlafstörung +Finger-TappingTest)
Schläfrigkeit:
-Zunahme bei starken Rauchern
–häufiger bei starken Rauchern
als bei leichten Rauchern Abnehmender Trend im
zeitlichem Verlauf
Schlaflosigkeit:
-Zunahme im Vergleich zu
Baseline
-Keine abnehmende Tendenz in
zeitlichem Verlauf
Im Entzug:
-Kurze HWZ von Nikotin: mehr
Aufwachen / Nacht
-Höhere Nikotinexposition:
häufigeres Aufwachen / Nacht
Komplette Abstinenz:
-Zunahme von Aufwachen /
Nacht
-Abnahme der Herzfrequenz
-Gewichtzunahme
-Entzugssymptome ausgeprägter
als bei partieller Abstinenz
-Zunahme der Irritabilität in
POMS
Entzug:
Dauer-Raucher:
-mehr Aufwachen
-geminderte Schlafqualität,
-Abnahme der Vigilanz
-Stimmungsstörung
-Verlangen nach Rauchen
-Verlängerte Reaktionszeit
42
Grove et
al., 2006
Effekt von Sport auf
subjektive Schlafqualität
bei Nikotinentzug
N (gesamt)=27
(w)
5 Drop-outs
Sport-Gruppe:
n=12
KontrollGruppe: n=10
Randomisierte Studie
Dauer: 11 Wo.:1. Wo.Adaptation, 2.6. Wo. Sportliche Vorbereitung, 6.
Wo. akuter Nikotinentzug
7.-11. Wo. Abstinenz
Sport: 30-50 Min./Tag
Fragebogen (3 Fragen zur
Schlafqualität)
Entzug:
Kontroll-Gruppe:
-Einschlafstörungen: Zunahme
ab der 7. Wo., Normalisierung
bei 10 Wo.
-Durchschlafstörungen:
Zunahme ab 7.Wo.,
Normalisierung bei
Wo.11
Sport-Gruppe: weniger
Einschlafstörungen in der 7. Wo.
Tabelle 10a. Tabellarische Darstellung der Studien zu Fragebogen-Erhebungen beim Nikotinentzug
In der häufig zitierten Studie von Shiffman und Jarvik, (1976) wurde das Auftreten der allgemeinen
Entzugsymptome über eine Periode von 12 Tagen der Abstinenz in klinischer Umgebung ermittelt.
Die 35 Teilnehmer der Studie berichteten viermal täglich mittels Fragebögen über psychologische
und physiologische Symptome, über ihr Verlangen nach Tabakkonsum und über ihren Antrieb.
Einer partiellen Nikotin-Abstinenz wurden 24 Teilnehmer und einer kompletten Abstinenz 11
Teilnehmer unterzogen. Das interessante Ergebnis der Studie war, dass bis auf den Antrieb alle
Entzugsymptome im Verlauf der ersten Woche der Abstinenz zwar eine fallende Tendenz zeigten,
sie stiegen jedoch in der zweiten Woche wieder an. Weiterhin zeigten die Teilnehmer mit
kompletter Abstinenz eine kontinuierliche Abnahme des Symptoms „Verlangen nach Rauchen“ im
Verlauf, diese Tendenz blieb bei der Gruppe mit partieller Abstinenz konstant. Dadurch ist
anzunehmen, dass die partielle Abstinenz ein größeres Rückfallrisiko aufweist, als das abrupte
Absetzten des Rauchens. Es wurde kein Unterschied in der Ausprägung der Symptomatik zwischen
starken Rauchern (>20 Zigaretten / Tag) und leichten Rauchern (<20 Zigaretten / Tag) gefunden.
Diese Studie geht zwar nicht spezifisch auf Schlafstörungen während des Entzugs ein, dient jedoch
als Grundlage (u.a. mit dem daraus entwickelten Fragebogen) für die weiteren Studien.
Auf die Feststellung bei Shiffman und Jarvik hin, dass die Entzugsymptome in der zweiten Woche
nach beginnendem Abfall erneut ansteigen, nahmen sich Cummings et al. (1985) vor, die zeitliche
Abfolge der Symptome über eine längere Periode zu verfolgen. In dieser Studie wurden die
Entzugsymptome - darunter Schläfrigkeit und Schlaflosigkeit - bei 33 Teilnehmern über 21 Tage
erfragt. Die Tendenz-Analyse zeigte eine Abnahme der Schläfrigkeit im Verlauf über den
angegeben Zeitraum, wobei starke Raucher häufiger als leichte Raucher über dieses Symptom
berichteten. Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant. Weitere erfragte Symptome, wie
Übelkeit, Husten, Engegefühl in der Brust, Irritabilität und Craving zeigten über die 3 Wochen
ebenfalls eine abnehmende Tendenz. Für die Schlaflosigkeit war die Tendenz zwar im Verlauf
absteigend, jedoch ohne Signifikanz. Wenn die Schlaflosigkeit in der Entzugsphase kontinuierlich
43
besteht, ist es möglich, dass dieses Symptom einem Rückfall mehr beiträgt, als Entzugssymptome,
welche in kürzerer Zeit abklingen.
Ein deutlicher methodischer Mangel dieser Studie war, dass die Ergebnisse nur von den
Teilnehmern eingeschlossen wurden, die über die drei Wochen abstinent blieben. Von den
anfänglich 170 Teilnehmern waren 75 rückfällig und von 62 wurden die Fragebögen nicht
eingereicht. Dadurch fehlen die Angaben von den früh rückfälligen Patienten, bei denen die
Entzugssymptome möglicherweise besonders ausgeprägt waren.
Die Studie von Hatsukami et al., (1984) hatte zum Ziel, die Entzugssymptome in einer prospektiven
Kontroll-Studie genau zu identifizieren. In kontrollierter Umgebung wurden 27 Raucher nach 3
Tagen unter Nikotinkonsum für weitere 4 Tage in eine Abstinenzgruppe (n=20) oder in die
Kontrollgruppe, in welcher die Probanden weiterhin rauchten (n=7), zugeteilt. Die Messungen
beinhalteten Erhebung von Blutdruck, Atemfrequenz, Herzfrequenz und Temperatur. Weiterhin
wurden die Kalorienzufuhr und die psychomotorische Aktivität dokumentiert.
Die subjektiven Messungen setzten sich aus folgenden Fragebögen zusammen: Schiffman-Jarvik
Tobacco Withdrawal Questionnaire, Profile of Mood States, Standford Sleep Questionnaire Scale.
Die Standford Sleep Questionnaire beinhaltet Fragen bezüglich der Einschlaflatenz, der Häufigkeit
nächtlichen Aufwachens, der Dauer des nächtlichen Wachseins, der Schlafdauer und der
Schlafqualität. Hier zeigten zwei Parameter eine signifikante Erhöhung während der Entzugsphase.
Von der Abstinenzgruppe wurde eine erhöhte Anzahl nächtlichen Aufwachens und eine verlängerte
Dauer des nächtlichen Wachseins berichtet. Die Probanden wiesen während des Entzuges
depressive Verstimmung und Verwirrung/confusion auf. Ebenso wurde eine Abnahme der
Konzentrationsfähigkeit beobachtet. Die weiteren Erhebungen zeigten eine signifikant erhöhte
Kalorienaufnahme und Steigerung der Herzfrequenz während des Nikotinentzugs.
Außer der kleinen Teilnehmerzahl weist die Studie keine methodischen Mängel auf.
In einer weiteren Untersuchung von Hatsukami et al., (1985) wurde analysiert, ob die Ausprägung
der Entzugssymptome vom Nikotin- und Kotininspiegel im Blut, von der Halbwertszeit des
Nikotins oder von der Höhe der täglichen Nikotinexposition abhängig ist. Das für diese Arbeit
interessante Ergebnis war, dass die kürzere Nikotinhalbwertszeit mit einer Erhöhung der Anzahl des
nächtlichen Erwachens einherging. Weiterhin berichteten Probanden mit höherer Nikotinexposition
öfters über nächtliches Aufwachen. Zusätzlich wurde eine signifikante Korrelation zwischen dem
Verlangen nach Nikotin und der Höhe des Nikotin- und Kotininspiegels im Blut gefunden:
Probanden mit höherem Nikotin- und Kotininspiegel wiesen ein stärkeres Verlangen nach Nikotin
44
auf. Dieses Ergebnis deutet an, dass einige Entzugssymptome vom Nikotinspiegel abhängen.
Überraschend war die Feststellung, dass zwischen der Nikotinexposition und Entzugssymptomatik
erfasst mit der Shiffman-Jarvik Withdrawal Scale keine Korrelation gefunden werden konnte.
Wobei zu diesem Ergebnis zu bemerken ist, dass die Menge von inhaliertem Nikotin in der Studie
nicht genau bestimmt wurde. Das Ergebnis legt jedoch die Folgerung nahe, dass ähnliche
Nikotinexposition bei den einzelnen Probanden zu unterschiedlich hohem Nikotinspiegel im Blut
führt. Der Nikotinspiegel ist demnach nicht nur von dem Ausmaß der Nikotinexposition, sondern
auch von der Absorption und vom individuellen Nikotinmetabolismus abhängig. Diese Studie zeigt,
dass die Ausprägung der Entzugssymptome mehr vom Nikotinspiegel im Blut als von der
Nikotinexposition gemessen an der Anzahl der gerauchten Zigaretten abhängt. Folglich Raucher mit
höherem Nikotinspiegel und demzufolge eher starke Raucher an gehäufter Entzugsymptomatik
leiden. Die Studie weist keine methodischen Mängel auf.
Hatsukami et al., (1988) verglichen den Entzugseffekt von komplettem und partiellem
Nikotinentzug. Zweiunddreißig Raucher wurden nach drei Tagen Rauchen in drei Gruppen
randomisiert: 11 Probanden in die Gruppe mit kompletter Abstinenz, 11 Probanden mit 50%
Reduktion des Zigarettenkonsums und 10 Probanden in die Gruppe, in der Zigaretten mit 0,4 mg
Nikotingehalt geraucht wurden. In den folgenden fünf Tagen wurden neben der vegetativen
Symptomatik (Herzfrequenz, Schwitzen, Gewichtszunahme) die Entzugssymptome mittels des
Profile of Mood States und Stanford Sleep Questionnaire erfasst. Die Gruppe mit kompletter
Abstinenz zeigte in den folgenden Parameter eine erhöhte Entzugssymptomatik im Vergleich zu
den anderen beiden Gruppen: erhöhte Herzfrequenz (p<0,01), Gewichtzunahme (p<0,05), erhöhte
Anzahl von nächtlichen Aufwachens (p<0,01), erhöhte Aggressivität (p<0,05). Unter den Gruppen
wurde kein Unterschied in der Stimmungslage und Tagesbefindlichkeit festgestellt. Insgesamt
waren die von den Probanden selbst angegebene sowie die von den Beobachtern bewertete
Entzugsymptomatik bei der Gruppe mit kompletter Nikotinabstinenz am stärksten ausgeprägt. Die
Studie weist keine erkennbaren Mängel auf.
In der Studie von Shiffman et al., 1995 wurde der Entzugseffekt von Nikotin zwischen 25 DauerRaucher und 26 Gelegenheits-Raucher verglichen. Die Symptome wurden in 2 Perioden mit einer
Woche Abstand über 2 Tage und 3 Nächte während Rauchen und Nikotinentzug erfasst. Die
Symptome wurden fünfmal täglich mittels eines tragbaren Computers erfasst. Sie beinhaltete: die
Entzugssymptome nach DSM-III, Schlafstörungen, der Grad der Vigilanz mit Finger-Tapping-Test
und Logik-Test, weiterhin der Zeitpunkt von Schlafengehen und Erwachen.
45
Dauer-Raucher wiesen unter Nikotinkonsum eine kürzere Gesamt-Schlaf-Dauer als GelegenheitsRaucher auf. Während des Nikotinentzugs zeigte sich eine erhöhte Anzahl von nächtlichem
Aufwachen (p<0,01) und eine Abnahme der subjektiven Schlafqualität (p<0,05) bei DauerRauchern. Der Gesamt-Schlaf war stets verkürzt. Bei Gelegentheits-Rauchern war unter Abstinenz
keine signifikante Änderung beim Schlafen zu beobachten. Weiterhin traten die folgende
Symptome während akutem Entzug bei Dauer-Rauchern auf: Verlangen nach Nikotin (p<0,001),
Stimmungsstörungen (p<0,001), Abnahme der Aufmerksamkeit (p<0,01), Verlängerung der
Reaktionszeit bei Finger-Tapping-Test und bei Lösung der logischen Aufgabe (p=0,01). Bei der
anderen Gruppe war keine signifikante Entzugssymptomatik zu beobachten. Die Studie wurde
randomisiert und qualitativ hochwertig durchgeführt.
Die Studie von Grove et al., (2006) untersuchte die Auswirkung von sportlicher Betätigung auf die
Insomnie-Beschwerden bei Nikotinentzug. 22 Frauen wurden in eine Sport-Gruppe oder in eine
Kontroll-Gruppe randomisiert. In der Vorbereitungsphase von der 1. bis 6. Woche durften alle
Teilnehmer rauchen. Die Sport-Gruppe fing in dieser Phase mit einem 30-50-minütigen
Trainingsprogram 3 Mal in der Woche an. Ab der 7. Woche war das Rauchen für 5 Wochen
untersagt. Die Schlafqualität wurde mittels eines Fragebogens bezüglich der Einschlafschwierigkeit,
Durchschlafschwierigkeit und Tagesschläfrigkeit evaluiert. Die Probanden, die im Rahmen der
Studie Sport trieben, berichteten vor und während der Entzugsperiode über weniger
Einschlafschwierigkeiten als die Kontroll-Gruppe, wobei dieser Unterschied in der akuten
Entzugsphase, also in der 8. Woche, am meisten ausgeprägt war.
Die Studien hatten insgesamt zwar relativ kleine Probandenzahlen, waren jedoch qualitativ
hochwertig.
In
den
Studien
wurden
relevante
Einflussfaktoren,
wie
Depression,
Medikamenteneinnahme oder Vorerkrankungen bei den Teilnehmern ausgeschlossen. Eine
Kontrolle der Nikotinabstinenz wurde in jeder Studie mittels CO-Messung konsequent
durchgeführt.
46
4.2.3.3 Polysomnographische Untersuchungen
Nikotinentzug
Polysomnographische
Untersuchungen
Publikation
Probanden
Methodik
Ergebnis
Kales et al.,
1970
Fragestellung der
Studie
Schlaf während akutem
Entzug
n=7 starke Raucher
(2-3 Pack/T.)
In der Abstinenz:
-Erhöhter REM-Anteil
-Zunahme der Traumintensität
Soldatos et
al., 1980
Schlafstörungen beim
Nikotinentzug
n=8 Raucher (m)
Nicht-kontrollierte Studie
Rauchen (Baseline): 1.-4. T.
Entzug: 5.-9. T, n=2: 9.-11 T.
Messung: PSG
Nicht-kontrollierte Studie
PSG:
Tag 1-4: Rauchen (Baseline)
Ab Tag 5-9: akuter Entzug
Tag 9-16: subakuter Entzug bei
n=4; PSG am Tag 15 und 16
Prosise et al.,
1994
Auswirkung von
Nikotinentzug auf den
Schlaf und
Tagesschläfrigkeit
n= 18 (m=10, w=
8)
>20 Zig/day
2 drop out
Nicht-kontrollierte Studie
Dauer: 1. Wo: Baseline
(Rauchen) PSG:
Adaptationsnacht, in 1.,.2., 3.
Nacht
2.Wo.: Entzug, PSG in 4.,.5.,6.
Nacht
Messung: PSG mit ApnoeRegistration (AHI)
Multiple Sleep Latency Test
(MSLT) um 10, 14, 16 und 22
Uhr für 20 Min.
Fragebögen: Memory and
Search Task, Sleep Loss
assessment, POMS, SmokeCheck um 9, 11, 15 und 21 Uhr
Tag 5-7:
-45%Abnahme von
Gesamtwachzeit im Schlaf
-Verkürzung der
Einschlaflatenz
-Zunahme der REM-Dauer
Tag 8-9:
-33%Abnahme von
Gesamtwachzeit im Schlaf,
-Abnahme der Einschlaflatenz
-Abnahme der Wachzeit
Tag 15-16:
-Abnahme von Gesamtwachzeit
PSG im Entzug:
-Zunahme von relativen
Arousals
-Zunahme von Stadienwechsel
-Zunahme der Anzahl von
Aufwachen
-keine Änderung in TST und
der Schlafstadien
AHI: keine Änderung
MSLT: Abnahme der
Latenzzeit zur NREM1
POMS: gesteigerte Reizbarkeit,
Ängstlichkeit und Verlangen
nach Zigaretten
Tabelle 10b. Tabellarische Darstellung der PSG-Studien beim Nikotinentzug
In einer Untersuchung von Kales et al., (1970) wurde bei 7 starken Rauchern (2-3 Packung
Zigaretten/Tag)
die
Änderung
der
Schlafqualität
unter
akutem
Nikotinentzug
mittels
Polysomnographie erfasst. Die Probanden verbrachten nach 4 Nächte, während sie weiterrauchten,
und anschließend 5 Nächte unter akutem Entzug im Schlaflabor. Weiterhin 2 Probanden führten die
Untersuchung bis zur 12. Nacht fort. In der akuten Entzugsphase zeigte sich eine mäßige Erhöhung
der REM-Schlaf-Dauer. Weiterhin ging die Zunahme von REM-Anteil mit erhöhter Traumintensität
einher. Dieses Phänomen war bei jedem Probanden zu beobachten: 6 Teilnehmer berichteten über
außergewöhnlichen und störenden Träumen, 1 Teilnehmer gab besonders angenehme Träume in der
Entzugsphase an.
47
Von dieser Studie wurde nur ein Abstract veröffentlicht. In dem Abstract fehlt eine Beschreibung
der weiteren Schlafstadien.
In der oben vorgestellten Studie von Soldatos et al., (1980), in der Raucher verglichen mit NichtRauchern eine signifikant erhöhte Einschlaflatenz aufwiesen, wurde eine anschließende
Schlafuntersuchung bei 8 rauchenden Männer während akutem Nikotinentzug vorgenommen. In
den ersten 3 Tagen rauchten die Probanden ihre gewohnte Menge an Zigaretten. Ab dem fünften
Tag hörten sie mit dem Rauchen auf. Sie berichteten über ihr tägliches Befinden und Aktivitäten. In
5 Nächten während der Abstinenz wurde der Schlaf aufgezeichnet. Es zeigte sich eine Abnahme der
Gesamtwachzeit (p<0,01) in den ersten drei Nächten der Abstinenz von 75,9 Min zu 42 Min und
eine Reduktion der Einschlaflatenz von 51,7 Min auf 18,1 Min (p<0,01). Zusätzlich zeigte sich
eine leichte Erhöhung der Dauer des REM-Schlafes von 90,5 auf 100,2 Min, der Gesamtanteil von
REM-Schlaf war jedoch nicht signifikant verändert. Am vierten und fünften Abstinenztag war die
Gesamtwachzeit immer noch von 75,9 Min zu 51 Min. (p<0,05) vermindert.
Bei vier Probanden wurde die Beobachtungszeit im Entzug auf 12 Tage verlängert. Die
polysomnographischen Untersuchungen wurden am Tag 11 und 12 der Abstinenz wiederholt. Eine
weitere, jedoch nicht signifikante Abnahme der Gesamtwachzeit wurde festgestellt.
Während der Abstinenz ergab sich keine signifikante Änderung der Schlafstadien. Die im akuten
Entzug aufgetretene Erhöhung der REM-Schlaf-Dauer war im Verlauf nicht mehr zu registrieren.
Insgesamt zeigte sich eine Besserung des Schlafprofils während des akuten Nikotinentzuges im
Sinne einer Abnahme der Gesamtwachzeit. Dieser Befund spiegelt nicht die durch Fragebögen
ermittelten vermehrten Schlafstörungen während des Nikotinentzugs wieder.
Die Studie ist wegen der geringen Probandenzahl in der Entzugsphase limitiert.
In der Studie von Prosise et al., (1994) wurde der Schlaf von 16 Probanden in der ersten Woche
während Rauchen und in der folgenden Woche während des Nikotinentzugs aufgezeichnet. Die
PSG-Untersuchungen wurden an den ersten 3 Tagen der Baseline-Woche (Rauchen) und in den
ersten drei Tagen der Abstinenzwoche durchgeführt. Um die die Tagesschläfrigkeit während des
Rauchens und des Entzugs zu vergleichen, wurde der Multiple Sleep Latency Test (MSLT)
verwendet. In diesem Test wurde die Einschlafbereitschaft tagsüber ermittelt, indem die Latenzzeit
bis zum Auftreten von Stadium 1, Stadium 2 oder REM-Schlaf in einem Beobachtungszeitraum
von 20 Min mittels EEG registriert wurde. Weiterhin wurden die Entzugssymptome, die Vigilanz
und der Antrieb der Teilnehmer mittels Smokecheck, Wilkinson Vigilance Test, Memory and
Search Test (MAST) und Profile of Mood States (POMS) getestet.
48
In der PSG zeigte sich während des Nikotinentzugs keine Änderung der Gesamtschlafzeit und der
einzelnen Schlafstadien. Es fand sich jedoch eine Erhöhung (p<0,03) in der Anzahl der relativen
Arousals, welches als Aufwachen vom Schlaf, EEG-Wechsel in Stadium 1 oder Bewegung definiert
worden war. Weiterhin wurde eine Zunahme der Anzahl nächtlichen Aufwachens (p<0,02) und ein
vermehrter Schlafstadienwechsel (p<0,03) ebenfalls festgestellt.
Der MSLT zeigte eine Abnahme der Latenzzeit bis zum Auftreten der ersten NREM-1-Periode im
Durchschnitt um 3 Min mit einer Signifikanz von p<0,02. Im POMS gaben die Probanden während
des Nikotinentzuges ein vermehrtes Gefühl von innerlicher Anspannung (p<0,02) an. Die
Reizbarkeit (p<0,006) und das Verlangen nach Zigaretten (p<0,04) waren bei den Probanden in der
zweiten Woche ebenfalls gesteigert. Der MAST (Memory and Search Test) konnte jedoch keine
signifikante psychomotorische Änderung während des Entzugs nachweisen.
Diese Studie konnte also eine vermehrte Schlaffragmentierung unter akutem Nikotinentzug in der
PSG erfassen, welche mit einer erhöhten Tagesschläfrigkeit einherging.
Die Untersuchungen zeigten unterschiedliche Ergebnisse. Relativ Arousals und Stadienwechsel, die
bei Prosise et al., (1994) vermehrt beschrieben wurden, waren in den beiden älteren Studien nach
Rechtschaffen-Kales Scores nicht evaluiert.
Aus den Fragebogen-Erhebungen ist ersichtlich, dass Schlafstörungen hauptsächlich im akuten
Nikotinentzug auftreten. Von den ermittelten Symptomen dominierten das nächtliche Aufwachen,
und bei Frauen die Einschlafstörungen (Grove et al., 2006). Möglicherweise resultiert die häufig
berichtete Tagesmüdigkeit aus der verschlechterten Schlafqualität. Interessanterweise zeigte jedoch
die PSG-Untersuchung bei Soldatos et al., (1980) eine deutliche Abnahme der Einschlaflatenz
während des akuten Entzugs. Wodurch man eigentlich eine bessere subjektive Schlafqualität
erwarten würde. Bei Prosise et al., (1994) konnte keine Abnahme der Einschlaflatenz festgestellt
werden. Die vermehrt registrierte relative Arousals und Schlafstadienwechsel können jedoch
Zeichen für die verschlechterte subjektive Schlafqualität sein.
49
Nikotinentzug
Akuter Entzug
Subakuter Entzug
↓
↓
−
−
−
↑
↑
↑
↓
↓
−
−
−
−
−
−
Wachzeit
Einschlaflatenz
TST
NREM 2
NREM 3-4
REM
Arousal
Stadienwechsel
Tabelle 11. Tabellarische Zusammenfassung der PSG-Studien beim Nikotinentzug
(↑: Zunahme; ↓: Abnhame; −: keine Änderung wurde beschrieben)
4.2.4 Effekt von Nikotinersatztherapien auf den Schlaf Gesunder
Aus den oben vorgestellten Studien ist ersichtlich, dass Nikotinentzug die Schlafqualität
verschlechtert. Es ist anzunehmen, dass Schlafstörungen v.a. durch die beeinträchtigte
Tagesaktivität während des Nikotientzugs dem Rückfall wesentlich beitragen.
Zahlreiche Studien nahmen sich zum Ziel, die Wirksamkeit von Nikotinersatztherapien in der
Entzugsperiode zu untersuchen. Insgesamt sind diese Therapieformen bei der Linderung der
Entzugsymptome als effektiv angesehen. Sie weisen jedoch selbst einige Nebenwirkungen auf.
Nikotinersatztherapien unterschieden sich in der Applikationsweise, der Dosis und in der
Wirkungsdauer. Dementsprechend sind auch das Ausmaß der Effektivität und die Ausprägung der
Nebenwirkungen verschieden bei den einzelnen Therapieformen. Zu den häufigsten beschriebenen
Nebenwirkungen der Nikotinpflastertherapien zählen auch Schlafstörungen, weswegen hier näher
auf diesen Zusammenhang eingegangen wird.
4.2.4.1 Ergebnisse
Die zwei Hauptformen der Ersatztherapien sind nikotinhaltige Pflaster und Kaugummi. Auf den
Effekt von Nikotinkaugummis auf den Schlaf wurde in 2 Studien (Tabelle 12) und von
Nikotinpflastern in 14 Studien (Tabelle 13a, Tabelle 13b) eingegangen.
50
4.2.4.2 Nikotinersatztherapie mit Nikotinkaugummi
Nikotinkaugummi
Fragebogen-Erhebungen
Publikation
Hughes et
al.,1984
Gross et
al.,1989
Fragestellung der
Studie
Effekt von
Nikotinersatztherapie auf
die
Entzugssymptome
Probanden
Methodik
Ergebnisse
n=100
(m=54,
w=45)
Raucher
>10 Zig/T
1 drop-out
Placebo: Zunahme der InsomnieBeschwerden (p<0,05)
Effekt von
Nikotinersatz auf
Entzugssymptome
über 10 Wochen
lang
n=87
Raucher
>10 Zig/T
47 drop-out
Doppel-blind randomisierte Studie
Placebo-, vs. 2 mg
Nikotinkaugummi (>10 Stück/Tag)
Keine Hospitalisierung
Tag 1: Baseline
Tag 2: Messung des NikotinSpiegels und Herzfrequenz-Anstieg
2 Min nach Rauchen
Ab Tag 3 Entzug für 1 Wo mit
Placebo vs. Nikotinkaugummi
Messung: Tag 3, 4, 6 mit
POMS, Entzugssymptome nach
DSM-III, subj. Schlaf,
CO-Kontrolle
Doppel-blind randomisierte Studie
Placebo vs. 2mg Nikotinkaugummi
(5-15 Stück/T)
2 Wo vor Abstinenzbeginn: Baseline
10 Wo. Lang: Entzug
Messung: 1x/Wo. DSM-III-R
veg.Symptome, Insomnie, COKontrolle
Nikotinkaugummi: Ähnliche
Insomnie-Beschwerden wie bei
Placebo
Weniger Einschlafstörungen, als
während Rauchen
Nikotinkaugummi: minimale
Besserung der Insomnie-Beschwerden
(p<0,10) im Vergleich zu Placebo
Hohe drop-out Rate durch fehlender
Abstinenz
Mehr drop-out:
-in Placebo-Gruppe
-stärkere Raucher
-stärkere Withdrawal Score in der 1.
Wo. –Insomnie nicht getrennt gelistet-
Tabelle 12. Tabellarische Darstellung der Studien zu Nikotinersatztherapien mit Nikotinkaugummi
Die randomisierte Studie von Hughes et al., (1984) untersuchte an 100 Probanden die Wirkung von
2 mg Nikotin-Kaugummi vs. Placebo. Die Teilnehmer waren starke Raucher und rauchten im
Durchschnitt 1-1,5 Packung am Tag über 15 Jahren. Am ersten Tag des Experiments wurde bei den
Probanden die Stärke der Abhängigkeit mittels Tomkins Addiction Scale und Tolarence
Questionnaire (Fagerstrom, 1978) ermittelt. Am zweiten Tag wurde die Toleranz-Index
(Herzfrequenz-Anstieg/Nikotinspigel-Anstieg 2 Min nach Rauchen einer Zigarette) bestimmt.
Anschließend erfolgte die doppel-blinde Randominisierung der Teilnehmer in die Placebo- oder
Nikotin-Gruppe und die Verteilung der entsprechenden Nikotinkaugummis. Ab dem Morgen des
dritten Tages war das Rauchen für eine Woche untersagt. An dem dritten, vierten und sechsten Tag
der Abstinenz füllten die Probanden im Rahmen eines ambulanten Besuches Fragebögen aus. Die
Entzugssymptome wurden nach den Kriterien von DSM-III und von POMS erfragt. Die InsomnieSymptome wurden nach Angaben über die Einschlaflatenz, die Anzahl von Aufwachen in der
Nacht, die Dauer des Wachseins während der Nacht und über die Gesamtschlafzeit erhoben. Das
Rauchen wurde mittels der exspiratorischen CO-Messung kontrolliert.
51
In beiden Gruppen wurden über 10 Kaugummis am Tag konsumiert. Bei der Placebo-Gruppe traten
die folgenden Entzugssymptome vermehrt auf: Verlangen nach Rauchen, Reizbarkeit,
Konzentrationsschwierigkeit, Ruhelosigkeit, Ungeduld, Hunger und Insomnie. Bei jedem Parameter
war die Erhöhung bezogen auf die Baseline-Werte bei Rauchen signifikant: p<0,05. Bei der
Nikotinkaugummi-Gruppe traten Insomnie-Beschwerden und das Hungergefühl in den gleichen
Maßen ausgeprägt wie in der Placebo-Gruppe auf. Die anderen vorher erwähnten Entzugssymptome
wurden mit Nikotinkaugummi signifikant gelindert. So konnte in dieser Studie kein Effekt von
Nikotinkaugummis auf Schlafstörungen unter Nikotinentzug festgestellt werden.
In der Untersuchung von Gross (1989) wurde die akute und langfristige Wirkung von 2 mg
nikotinhaltigen Kaugummis auf die Entzugssymptome beobachtet. Das Einschlusskriterium der
Probanden war das Rauchen über 10 Zigaretten am Tag. Zwei Wochen lang vor Abstinenzbeginn
wurden die Probanden (n=87) durch Aufklärung auf das Experiment vorbereitet. In dieser Phase
war das Ziel, eine Reduktion des Nikotinkonsums auf 5 Zigaretten am Tag zu erreichen. Weiterhin
wurden die Baseline-Messungen durchgeführt. Drei Tage vor Abstinenzbeginn wurden die
Probanden (n=84) in Placebo- und Nikotin-Gruppe doppel-blind randomisiert. Anschließend
begann die Entzugsphase für 10 Wochen mit 5-15 Stück Placebo- vs. Nikotinkaugummis am Tag.
Nur die Ergebnisse von 40 Teilnehmern konnten in die statistische Analyse einbezogen werden. Die
Probanden berichteten über die Entzugssymptome einmal in der Woche mittels Fragebögen (15Item Smoking Withdrawal Questionnaire, DSM-III-R). Das Rauchen während der Studie wurde mit
CO-Messungen kontrolliert.
In der Placebo-Gruppe war in der ersten Woche des Entzugs eine Zunahme der InsomnieBeschwerden im Vergleich zu Baseline zu beobachten. Das Nikotinkaugummi brachte gegenüber
Placebo nur eine minimale Verbesserung der Insomnie-Beschwerden (p<0,1). In der 10. Woche war
kein Unterschied in der Häufigkeit von Schlafstörungen zwischen den beiden Gruppen festgestellt
worden. In der Studie ist die Anzahl der Drop-Outs sehr hoch (n=44). Von diesen wurden 87%
wegen fehlender Abstinenz ausgeschlossen. Aus der Drop-Out-Analyse geht hervor, dass aus der
Placebo-Gruppe mehr rückfällig wurden, als aus der Nikotin-Gruppe. Diejenige die anfänglich der
Nikotin-Gruppe zugeteilt wurden und aus der Studie ausfielen, rauchten bei Baseline signifikant
mehr als die in der Studie Verbliebenen der Nikotin-Gruppe. In der Placebo-Gruppe war dieser
Unterschied nicht vorhanden. Weiterhin hatten die Drop-Outs in der ersten Entzugswoche
signifikant mehr Entzugssymptome als diejenigen, die in der Nikotin-Gruppe bis zum Ende der
Studie abstinent blieben. In dieser Auswertung der Entzugssymptome unter den Drop-Outs waren
52
die Symptome nicht einzeln statistisch analysiert. Deswegen ist es ungewiss, ob Schlafstörungen für
den Rückfall relevant waren.
Weiterhin wurde bei Hatsukami et al., 1985 bei höherer Nikotinexposition ein vermehrtes
Aufwachen beschrieben. Es ist möglich, dass in dieser Studie wegen der Reduktion der
Zigarettenmenge auf 5 Zig/Tag schon vor Entzug die akute Schlafstörungen nicht genau erfasst
wurden.
4.2.4.3 Nikotinersatztherapien mit Nikotinpflaster
Zur Entzugstherapie werden am häufigsten Nikotinpflaster eingesetzt. In mehreren Studien werden
die Schlafstörungen als Nebenwirkung der Nikotinersatztherapie beschrieben. Es ist jedoch
schwierig zu differenzieren, ob die Schlafstörungen der Nikotinzufuhr oder dem Entzugseffekt
zuzuschreiben sind. Zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Wirkungen und Nebenwirkungen
der Nikotinersatztherapien dosisabhängig sind.
Es wurden 6 Studien gefunden, welche die Wirkung von Nikotinpflaster auf den Schlaf
thematisierten (Tabelle 9). In 8 Studien wurden diesbezüglich polysomnographische Messungen
verwendet (Tabelle 13a, Tabelle 13b).
Fragebogen-Erhebungen
Nikotinpflaster
Fragebogen-Erhebungen
Publikation
Imperial
Cancer
Research
Fund General
Practise
Research
Group
1993
Hurt et al.,
1994
Fragestellung der
Studie
Wirkung und
Nebenwirkung
von
Nikotinpflaster bei
Rauchern
Nikotinentzug mit
Nikotinpflaster
und mit ärztlicher
Beratung
Probanden
Methodik
Ergebnisse
N=1686
Doppel-blind
placebokontrollierte
Randomisierte Studie
Dauer: 12 Wo:
4 Wo: 21 mg NP, 4 Wo 14
mg NP, 4 Wo 7 mg NP +
Buch oder Broschüre über
Nikotinentzug
Evaluation der
Nebenwirkungen und
Entzugssymptome
Kotinin-Spiegel
Doppel-blind
placebokontrollierte
Randomisierte Studie
Dauer: 8 Wochen
22 mg NP oder Placebo
Baseline-Messung: NikotinKotinin-Spiegel, Beck
Depression Inventory,
Hughes-Hatsukami
Withdrawal Scale,
Fragerstrom-Test,
Alkoholkonsum
1.Wo Entzugssymptome:
-Craving 36,3%: Placebo (41,6%)>NP
(31,1%)
-NP weniger Angaben als Placebo: über
Irritabilität, Launigkeit, Spannung,
Konzentrationsschwäche
N=966:
vorzeitiger
Abbruch
der
Pflasterappl
ikation
N=240
44 dropout
1.Wo Nebenwirkungen von Patch:
-NP: Schlafstörungen (20,4%)
-Placebo Schlafstörungen (7,5%)
Nebenwirkung (gesamt):
NP: 87,5%
Placebo: 68,3%
Davon:
Schlafstörungen: 7,5% mit NP; 4,2% mit
Placebo
-Kopfschmerzen
-Erbrechen
-Gastrointestinale Störungen
Outcome:
53
-Wöchentliche Konsultation,
Co-Messung, WithdrawalScale
Gourlay et
al., 1995
Jorenby et al.,
1996
Gourlay et
al., 1999
Wirkung und
Nebenwirkung
von
Nikotinpflastern
bei rückfälligen
Rauchern
N=629 die
nach
vorigem
Abstinenzve
rsuch mit
NP
rückfällig
wurden
Entzugssymptome
und
Nebenwirkung
von
Nikotinpflastern
N=211
Prädiktoren für
Rückfallund
zeitliches
Auftreten von
Nebenwirkungen
bei
NikotinpflasterTherapie
n=1392
Raucher
(>15 Zig/d)
41 Dropouts
Doppel-blind
placebokontrollierte
Randomisierte Studie
NP: n=316
Placebo: n=314
Dauer: 12 Wo:
4 Wo: 21 mg NP, 4 Wo 14
mg NP, 4 Wo 7 mg
Untersuchung am 4.,8.,12.
und Nachuntersuchung am
26. Wo.
Evaluation der
Nebenwirkungen, COMessung
Doppel-blind
placebokontrollierte
randomisierte Studie
Dauer: 5 Wo.
N=105 21 mg NP
N=106 2-3 mg Placebo
+ Gruppentherapie
2-3x/Wo
Baseline während Rauchen
Minnesota Nicotine
Withdrawal Scale täglich,
CO-Messung, Kotininspiegel
Kohorten-Studie
Dauer: Ab Abstinenzbeginn
21 mg NP für 4 Wo.,
14 mg NP von 5-8. Wo.,
7 mg NP von 9-12.Wo.,
ab der 13. Wo. Kein NP
Pflaster über 24 St
Messung: Persönliche
Konsultation bei Baseline, in
Woche 1, 4, 8, 12, 26
Kotinin-Spiegel, COMessung
Fredrickson
et al., 1995
Tabelle
Wirkung von
hochdosiertem
Nikotinpflaster bei
Schwerraucher
13a.
n=40
Raucher
(>20 Zig/d)
2 drop out
Tabellarische
offene, ambulante Studie
Dauer: 8 Wo.
1-5. Wo: 44 mg/d NP (n=38)
5-9. Wo: 22 mg/d NP (n=36)
Pflaster über 24 St
Messung: HughesHatsumaki Withdrawal
Questionnaire, Eigenbericht
in Tagebücher,
Kotininspiegel im Blut
CO-Messung
Darstellung
der
Studien
8.Wo: n=56 mit NP und n=24 mit Placebo
abstinent
-Niedriger Kotinin-Spiegel bei Baselinebesseres Outcome in der Nikotin-Gruppe
Nebenwirkungen (gesamt):
NP: n=179
Placebo: n=143
Davon:
-Schlafstörungen: 24.0% mit NP; 13.3% mit
Placebo
-Hautirritation: 24,6% mit NP und 18,9% mit
Placebo
Nebenwirkungen:
-Schlafstörungen: 11.4% NP, 14.2% Placebo
-Insomie, Alpträume: 6%, kein Unterschied
zw. NP und Placebo
Entzugssymptome:
Zunahme in der ersten Woche bei beiden
Gruppen
gestörter Schlaf: Zunahme von Baseline aus in
beiden Gruppen, keine Normalisierung über
die 4 Wo.
Effekt von NP:
-keine Reduktion der Schlafstörungen im Vgl.
zu Placebo
Schlafstörungen: n (gesamt)=668 (48,1%)
21mg NP: 96.7%
14mg NP: 3.1%
7mg NP: 0.1%
Davon Albträume: n (gesamt)=414 (29.1%)
21mg NP: 96.4%
14mg NP: 3.1%
7mg NP: 0.5%
Andere Schlafstörungen als Alpräume
n(gesamt)=447 (32.1%):
21mg NP: 97.3%
14mg NP: 2.7%
7mg NP: 0%
Prädiktoren: weibliches Geschlecht, starke
Nikotinabhängigkeit, kein zusätzliches
Rauchen in der ersten 4 Wochen
44 mg NP: 32,5% der Teilnehmer mit
Schlafstörungen: Ein- und
Durchschlafstörungen, 25% ungewöhnliche
Träume
22 mg NP: bei 7,5% Schlafstörungen, 1
Person mit ungewöhnlichem Traum
-Pos. Korrelation zw. Höhe des
Kotininspiegels und Schlafstörungen
zu.Fragebogen-Erhebungen
bei
Nikotinpflastertherapie
54
Imperial Cancer Research Fund General Practise Research Group, 1993 untersuchte in einer
placebo-kontrollierten randomisierten Studie die Nebenwirkungen und Entzugssymptome beim
Nikotinpflaster an Rauchern (n=1686). Die Probanden in der Nikotin-Gruppe erhielten 4 Wochen
lang ein 21 mg nikotinhaltiges Pflaster, für weitere 4 Wochen ein 14 mg Nikotinpflaster und
anschließend ein 7 mg Nikotinpflaster. Die Kontrollen erfolgten in der 1., 4., 8., und 12. Woche in
einer Hausarztpraxis, wo der Compliance, die Entzugssymptome und Nebenwirkungen erfragt
wurden. Von 966 der Gesamtteilnehmer (57,3%) wurde die Anwendung der Pflaster vor dem Ende
der 12. Woche abgebrochen. Aus dieser Gruppe gaben 80,5% keinen besonderen Grund für den
Abbruch an. Nebenwirkungen als Grund für den Studienabbruch gaben nur 15,4% an. Nach der
ersten Woche waren 30,5% der Teilnehmer abstinent. Bei den Rauchenden nahm die Anzahl der
gerauchten Zigaretten im Durchschnitt von 24,2 Zig/Tag auf 7 Zig/Tag ab. In der 1. Woche gaben
die Teilnehmer der Nikotingruppe signifikant weniger Entzugssymptome für Craving, Irritabilität,
Launigkeit, Spannung und Konzentrationsschwierigkeit an, als die der Placebo-Gruppe.
Schlafstörungen wurden neben Hautreaktionen als die häufigste Nebenwirkungen beschrieben:
20,4% der Nikotin-Gruppe und 7,5% der Placebo-Gruppe. Trotzdem führten die Schlafstörungen
selten zum Abbruch der Pflasteranwendung. Als häufigste Schlafstörungen wurden das erhöhte
Wachen nach dem Einschlafen und ein intensives Träumen angegeben. Nach der 12. Wochen waren
14,4% der Nikotin-Gruppe und 8,6% der Placebo-Gruppe abstinent.
Eine Kritik an der Studie ist, dass die Probanden während der Studie rauchen durften. Es liegt
gleichzeitig keine Differenzierung der Entzugssymptome und Nebenwirkungen zwischen
rauchenden und nicht-rauchenden Probanden vor. Zusätzlich zu bemerken ist, dass Schlafstörungen
nicht unter den Entzugssymptome gelistet waren.
In der Studie von Gourlay et al., (1995) wurde die Wirksamkeit und die Verträglichkeit bei
Rauchern (n=629) untersucht, die bereits einmal einen Abstinenzversuch mit Nikotinpflaster ohne
Erfolg durchmachten. Vier Wochen lang erhielten 315 Teilnehmer Nikotinpflaster mit 21 mg
Nikotin und 314 Teilnehmer 2,7 mg Placebo-Pflaster. Für die folgenden 4 Wochen bekamen
152/315 Teilnehmer ein 14 mg Nikotinpflaster und 124/314 Teilnehmer weiterhin 1,8 mg PlaceboPflaster. Anschließend erhielten nur noch 113/315 Teilnehmer ein 7 mg Nikotinpflaster und 58/314
Probanden 0,9 mg Placebo-Pflaster. Die Pflaster wurden 24 Stunden lang getragen, wobei die bei
Insomnie-Beschwerden entfernt werden durften. Die starke Reduktion der Teilnehmeranzahl war
im Verlauf hauptsächlich wegen Incompliance. Die Evaluation der Abstinenz und Nebenwirkungen
erfolgte in der 4., 8. und 12. Woche in einer persönlichen Konsultation und durch exspiratorische
CO-Messung. Eine Nachuntersuchung wurde in der 26. Woche nach Studienbeginn durchgeführt.
55
Während der Pflasterapplikation traten in der Nikotingruppe bei 179 Teilnehmern und in der
Placebo-Gruppe bei 143 Teilnehmern Nebenwirkungen auf. In dieser Gruppe waren die starken
Nebenwirkungen bei 7 Teilnehmern in der Nikotin-Gruppe und 5 Probanden in der Placebo-Gruppe
der Grund für Abbruch der Studie. Bei den Nebenwirkungen wurde von 43/179 (24%) Probanden
mit Nikotinpflaster und von 19/143 (13,3%) Probanden mit Placebo-Pflaster über Schlafstörungen
berichtet. Dieser Unterschied war signifikant. P=0,015. Bei den weiteren Nebenwirkungen zeigte
sich kein Unterschied der beiden Gruppen. In der 12. Woche waren nur n=21 der Nikotin-Gruppe
(6,7%) und n=6 der Placebo-Gruppe (1,9%) abstinent vom Rauchen. Dieser Unterschied war
signifikant: p=0,003.
Eine Einschränkung der Studie, dass hier die Entzugsymptome nicht evaluiert wurden. Dadurch ist
unklar, inwiefern Schlafstörungen als Nebenwirkung der Nikotinpflaster anzusehen sind.
Die Studie von Hurt et al., (1995) wurde an Rauchern (n=240) durchgeführt, die das Rauchen
aufgeben wollten. Die Probanden erhielten doppel-blind randomisierte Pflaster mit 22 mg Nikotin
(n=120) oder Placebo-Pflaster (n=120) für 8 Wochen. Zusätzlich erhielten alle Probanden eine
professionelle Beratung. Bei Baseline wurde u.a. der Nikotin- und Kotinin-Spiegel im Blut
bestimmt. Weiterhin wurden die folgende Tests durchgeführt: Fagerstrom Tolerance Questionnaire,
Fagerstrom Test für Nikotinabhängigkeit, Beck Depression Inventory (BDI), Self-Administered
Alcoholism Screening Test (SAAST) und ein tägliches Tagebuch über die Anzahl der gerauchten
Zigaretten und Entzugssymptome nach Hughes-Hatsukami Withdrawal Questionnaire. Die
Kontrolle in der Entzugsphase wurde wöchentlich und persönlich durch das speziell ausgebildete
Personal durchgeführt. Hier wurden neben der Beratung auch der exspiratorische CO-Spiegel
gemessen und die Tagebücher über Rauchen und Entzugssymptome gesammelt. Nach dem 6., 9.
und 12. Monat wurden Kontrolluntersuchungen durchgeführt.
In den ersten Wochen sind 44 Probanden ausgefallen (Nikotin-Gruppe n=19; Placebo-Gruppe
n=25), von denen 10 die Nebenwirkung der Pflaster als Grund angaben: Hautreaktion (n=6
Nikotingruppe); anderen Nebenwirkungen (n=1 Nikotingruppe; n=3 Placebo).
In der 8. Woche lag die Abstinenzrate bei 46,7% in der Nikotin-Gruppe und 20% in der PlaceboGruppe. Bei der Kontrolle nach einem Jahr waren 27,5% der Nikotin-Gruppe und 11,7% der
Placebo-Gruppe abstinent. Probanden in der Nikotin-Gruppe mit niedrigem Nikotin- und KotininSpiegel bei Baseline gaben das Rauchen bis zur 8. Woche häufiger auf als Probanden mit hohem
Baseline-Spiegel.
Die
Nikotin-Gruppe
berichtete
in
der
ersten
Woche
von
weniger
Entzugssymptomen als die Placebo-Gruppe (p<0,05). Schlafstörungen wurden von 7,5% der
56
Teilnehmer der Nikotin-Gruppe und 4,3% der Placebo-Gruppe berichtet. Dieser Unterschied war
nicht signifikant.
Als Kritik der Methodik der letzten drei Studien ist zu bemerken, dass das Rauchen während der
Studien nicht als Ausschlusskriterium galt. Die Studien zeigen, dass die Abstinenzrate bei der
Placebo-Gruppe insgesamt niedriger war. Demnach wurde in der Placebo-Gruppe häufiger
geraucht. Gleichzeitig traten Schlafstörungen häufiger in der Nikotin-Gruppe auf. Es ist möglich,
dass dies daraus resultiert, dass die Probanden in der Nikotin-Gruppe weniger rauchten und die
Entzugssymptome sich dadurch verstärkten. Eine Abgrenzung von Schlafstörungen als
Entzugssymptom oder Nebenwirkung der Nikotinpflaster ist anhand dieser Studien nicht genau
möglich.
Die Arbeit von Jorenby et al., (1996) analysierte den Einfluss von Nikotinpflastern auf die
Entzugsymptome. Die Probanden (n=211) wurden in Nikotin-Gruppen mit 22 mg Nikotinpflaster
und in Placebo-Gruppe mit 2-3 mg nikotinhaltigem Pflaster eingeteilt. Beide Probanden erhielten
eine intensive Gruppen-Therapie 2-3 mal in der Woche vor und während der Studie. Von 41
Teilnehmern wurde die 5-wöchige Studie vorzeitig abgebrochen, nur von 6 wegen Nebenwirkungen
der Pflastertherapie. Gestörter Schlaf, als Nebenwirkung der Pflastertherapie wurde von 11.4% der
Nikotin-Gruppe und von 14.2% der Placebo-Gruppe angegeben. Zusätzlich berichteten 6% der
beiden Gruppen über Einschlafstörungen und ungewöhnliche Träume. Die Entzugssymptome
wurden bei Baseline und während des Entzugs täglich mittels Minnesota Nicotine Withdrawal Scale
ermittelt. Die Kontrolle der Abstinenz wurde mit CO-Messung und Kotinin-Bestimmung im
Speichel wöchentlich durchgeführt.
In die Analyse der Entzugssymptome wurden die Daten nur von den nicht-rauchenden Probanden
(Placebo: n=78; Nikotin-Gruppe: n=91) einbezogen, um den verzehrenden Effekt von zusätzlichem
Rauchen auszuschließen. Gestörter Schlaf wurde in der Entzugsphase im Vergleich zu Baseline von
beiden Gruppen häufiger berichtet. Im Gegensatz zu anderen Entzugssymptomen normalisierte sich
der Schlaf nicht über die 5 Wochen und die Häufigkeit von Schlafstörungen in der 5. Woche lag
immer noch signifikant über Baseline (p<0,0001). Das Nikotin-Pflaster linderte einige
Entzugssymptome, wie Irritabilität und Missstimmung über die ganze Dauer der Studie. Der Effekt
der Nikotinpflaster auf Konzentrationsschwäche als Entzugsymptom war nur in der ersten Woche
der Therapie ausgeprägt. Einige Entzugssymptome wie der gestörte Schlaf, Depression und Unruhe
wurden von dem Nikotinpflaster nicht reduziert.
Die Studie ist besonders wegen dem Ausschluss von Rauchern aus den Ergebnissen von Interesse.
57
Die Kohorten-Studie von Gourlay et al., (1999) erfasste 1392 rauchenden Teilnehmer, die den
Wunsch zum Aufhören mit dem Rauchen äußerten. Die Probanden rauchten im Durchschnitt 32 ±
12 Zigaretten am Tag und hatten einen Fragerström Score von 6,8 ± 1,8. Die Probanden erhielten
nach Abstinenzbeginn für 4 Wochen 24-h Nikotinpflastern mit 21 mg Nikotingehalt, anschließend
24-h Nikotinpflaster mit 14 mg Nikotingehalt von der 5. bis zur 9. Woche und zuletzt 24-h
Nikotinpflaster mit 7 mg Nikotingehalt bis Ende der 12. Woche. Ab der 13. Woche wurde kein
Nikotinpflaster appliziert. Die Nebenwirkungen wurden in der Woche 1, 4, 8, 12 und 26 in
persönlicher Konsultation erfragt, eine standartisierte Methode lag jedoch nicht vor. Zusätzliches
Rauchen wurde mit CO-Messungen kontrolliert, führte jedoch nicht zum Ausschluss aus der Studie.
Die konsequente Benutzung der Pflaster wurde mit Bestimmung des Kotinin-Spiegels überprüft.
Weiterhin durften die Probanden die Nikotinpflaster für die Nacht entfernen, falls Schlafstörungen
auftraten. Von den 1392 Teilnehmern berichteten 669 (49%) über Schlafstörungen mit der größten
Häufigkeit am ersten Tag der Abstinenz. Von diesen 669 Probanden entfernten 232 (34,7%), das
Pflaster vor dem Schlafengehen im weiteren Verlauf der Studie. Bei den 669 Probanden traten die
Schlafstörungen bis zu 96,7% mit dem 21 mg nikotinhaltigem Pflaster während der ersten 4
Wochen, 3,1% unter dem 14 mg Nikotinpflaster und bis zu 0,1% unter dem 7 mg Nikotinpflaster
auf. In der gleichen Studie wurden die prädiktiven Faktoren für die Nebenwirkungen ebenfalls
analysiert. Am häufigsten traten sie bei Frauen, bei stark Abhängigen und bei den Probanden, die
während der ersten 4 Wochen der Pflastertherapie nicht zusätzlich rauchten, auf. Bei Probanden, die
zwischen dem 4.und 14. Tag der Nikotinpflastertherapie auch geraucht haben, traten weniger
Schlafstörungen (28%) auf als bei Probanden, die nicht geraucht haben (39%): dieser Unterschied
war signifikant (p<0,001). Die Ergebnisse der Studie, dass Patienten am häufigsten über
Schlafstörungen am ersten Tag des Entzugs berichteten und die Inzidenz der Schlafstörungen bei
stets rauchenden Probanden signifikant niedriger war als bei komplett-abstinenten Teilnehmern,
werden von den Autoren so gedeutet, dass die Schlafstörungen eher dem Nikotinentzug als der
Nebenwirkung des Nikotinpflasters zuzuschreiben sind. Dieser Schluß ist jedoch bedenklich. Zum
einen dadurch, dass die Probanden über Nacht die Pflaster entfernen durften und die
Schlafstörungen als Nebenwirkung so nicht während der ganzen Periode erfasst werden konnten.
Anderseits es ist unklar, ob die Abnahme der Schlafstörungen durch die Länge der Abstinenz oder
durch die niedrigere Pflaster-Dosis bedingt war. Ein weiterer Mangel der Studie ist, dass die
Teilnehmer, die weiter rauchten, nicht ausgeschlossen wurden. Es liegen jedoch keine Angaben vor,
wie viel sie rauchten bzw. rauchen durften.
In der Studie liegen keine genauen Angaben zur Erfragung der Entzugssymptome vor.
58
In der Studie von Fredrickson et al., (1995) wurden 4 Wochen lang Nikotinpflaster mit 44 mg und 4
Wochen lang mit 22 mg Nikotin bei 40 starken Rauchern (>20 Zig/T) appliziert, um die
Verträglichkeit der hohen Dosis der Nikotinpflaster zu prüfen. Die Pflaster wurden über 24 Stunden
getragen. Die Teilnehmer erhielten ein Tagebuch zum täglichen Berichten über die
Nebenwirkungen und Symptome unter der Pflastertherapie. Das Tagebuch beinhaltete auch das
Hughes-Hatsukami Questionnaire. Vor Beginn der Pflasteranwendung bei gewöhnlichem
Nikotinkonsum wurde der durchschnittliche Kotininspiegel der Probanden bestimmt und diente als
Baseline für spätere Messungen während der Ersatztherapie. Den Teilnehmern wurde zwar am
Anfang
der
Studie
die
Abstinenz
angeraten,
das
Weiterrauchen
war
jedoch
kein
Ausschlusskriterium. Ob die Probanden rauchten, wurde mit exspiratorischen CO-Messungen
ermittelt.
In den ersten 4 Wochen gaben 13 Patienten (32,5%) Schlafstörungen an. Die Schlafbeschwerden
zeigten eine positive Korrelation mit der Höhe des Kotininspiegels im Blut. Teilnehmer mit einem
Kotinin-Spiegel von 147% - bezogen auf die Baseline-Messungen ohne Nikotinpflaster während
Rauchen als 100%- wiesen in der 4. Woche unter der Ersatztherapie Schlafstörungen auf. Im
Gegensatz dazu gaben Probanden mit einem Kotinin-Spiegel von 110% in der 4. Woche keine
Schlafstörungen an. Mit dem 22 mg Nikotinpflaster gaben nur 3 Patienten (7,5%) Schlafstörungen
an. Ebenfalls häufiger traten gestörte oder ungewöhnliche Träume unter der hohen Nikotindosis
auf: bei 9 Probanden (25%) während der ersten vier Wochen mit 44 mg und nur bei einem
Probanden mit 22 mg Nikotindosis. Die Studie zeigte, dass das Auftreten von Schlafstörungen eng
mit der Höhe des Kotinin-Spiegels zusammenhängt.
Da die Probanden jedoch während der Ersatztherapie rauchen durften, ist die Häufigkeit der
Entzugssymptome möglicherweise verzerrt. Weiterhin war es möglich, dass die akuten
Entzugssymptome bei der niedrigeren Dosis in der 5.-8. Woche schon abgeklungen sein konnten,
was auch der Grund für die weniger berichteten Schlafstörungen sein könnte.
Die Studie wurde nicht kontrolliert durchgeführt. So liegt kein Vergleich vor, ob unter hoher
Nikotindosis im Vergleich zu Placebo häufiger Schlafstörungen auftreten.
Polysomnographische Untersuchungen
In 2 Studien wurde die Wirkung des Nikotinpflasters an Nicht-Rauchern und in 6 Untersuchungen
an Rauchern untersucht. Es ist wichtig, diese Studien getrennt zu behandeln, da Nikotinpflaster
möglicherweise einen anderen Effekt auf den Schlaf von Nicht-Rauchern ausübt, als bei Rauchern,
deren Schlaf in der Entzugsphase, wie oben gezeigt, verändert ist.
59
Teil 1. Wirkung von Nikotinpflaster bei Nicht-Rauchern
Nikotinpflaster
Polysomnographische
Untersuchungen
Publikation
Gillin et al.,
1994
Fragestellung
Dosisabhängiger
Effekt von
Nikotinpflaster
auf das
morgendliche
Aufwachen und
REM-Schlaf bei
Nicht-Raucher
Probanden
n=12 NichtRaucher
Methodik
Doppel-blind randomisierte
Crossover-Studie
Placebo vs. 7mg vs. 14mg NP
/Tag
Dauer: 4x Hospitalisation für 2
Tage
I. 1.Adaptation, 2.Baseline
II. 1.Placebo, 2.Follow-up
III. 1.7mgNP, 2.Follow-up
IV. 1.14mg NP, 2.Follow-up
Messung: PSG,, HAM-D, TraumReport
Davila et al.,
1994
Akuter Effekt
von
Nikotinpflaster
auf Schlaf,
Schnarchen und
Schlafapnoe
n=20 NichtRaucher
(m=10, w=10)
mit
Schnarchen
Randomisierte doppel-blind
Crossover-Studie
Placebo vs. 11mg NP für 24h
1.Adaptationsnacht
2 weitere Nächte mit Placebo und
NP
Messung: Nikotinspiegel im Blut,
PSG; Pulsoxymetrie; oral-nasaler
Luftfluss, Lautstärke,
Schnarchen-Index
Ergebnisse
Adaptations-, Baseline-, Placebonacht:
Keine Abweichungen in PSG
7 mg und 14 mg NP:
-Redukion von REM-Dauer und REM%,
-Zunahme von NREM 2% an TST
-Keine Änderung von TST
- frühere Aufwachzeit
7 mg und 14 mg Follow-up:
-Abnahme der REM-Latenz und NREM
2
-Zunahme von REM-Dauer und REM%,
-Normalisierung von Aufwachzeit
-Reduktion von REM-Dichte
Keine Änderung in HAM-D und TraumReport
Unter NP:
- Reduktion von TST
- Zunahme der Einschlaflatenz
- Abnahme der Schlafeffizienz
- Abnahme von REM%
- Kein Effekt auf NREM 1,2,3,4, und auf
Aufwachen
Ergebnisse zu Schlafapnoe: siehe bei
Tabelle Schlafapnoe
Tabelle 13b (Teil 1). Tabellarische Darstellung zu PSG-Studien mit Nikotinpflasteranwendung bei
Nicht-Rauchern
Gillin et al., (1994) untersuchten den akuten Effekt von Nikotinpflastern auf den Schlaf an 12
gesunden Nichtrauchern in einer randomisierten Placebo-kontrollierten Studie mit Cross-overdesign. Die Untersuchung bestand aus 4 Abschnitten von jeweils 2 Tagen. Im ersten Abschnitt
fanden die Adaptationsnacht und Baseline-Messungen statt. Anschließend folgte dreimal ein
zweitägiger Aufenthalt im Schlaflabor, wo alle Teilnehmer am ersten Tag entweder Placebo, 7 mg
Nikotinpflaster
oder
14
mg
Nikotinpflaster
doppel-blind
appliziert
erhielten.
Die
polysomnographischen Ableitungen wurden an dem Tag der Applikation des jeweiligen Pflasters
und in der drauffolgenden Nacht durchgeführt, um die Folgeeffekte beurteilen zu können.
Zusätzlich wurde die Profile of Mood Scale (POMS) und Traumevaluation durchgeführt. Zwischen
den einzelnen Aufenthalten wurde ein Mindestabstand von 4 Tagen eingehalten, um eine
längerfristige Wirkung von Nikotin auszuschließen.
Der Schlaf unter Placebo unterschied sich nicht von Baseline. Das Nikotinpflaster bewirkte
abhängig von der Dosis eine signifikante Reduktion des REM-Schlafes (p<0,05 bei 7mg; p<0,025
bei 14 mg). Der prozentuale Anteil von REM war unter 14 mg Nikotinpflaster ebenfalls verringert
60
(p<0,05). Gleichzeitig nahm der prozentuale Anteil von NREM-2-Schlaf der Gesamtschlafzeit
(p<0,025 bei 7 mg; p<0,01 bei 14 mg) zu. Weiterhin wachten die Teilnehmer mit Nikotin früher auf
(p<0,05 bei 7 mg; p<0,025 bei 14 mg) als mit Placebo und bei den Baseline-Messungen. In den
Recovery-Nights traten deutlich andere Änderungen im Schlaf auf; so waren die REM-Latenzzeit
und der prozentualer Anteil von NREM-2-Stadium signifikant vermindert. Bei dem REM-Schlaf
waren leichte Rebound-Effekte zu beobachten, ebenso Zunahme der REM-Dauer und des
prozentuale Anteils von REM, die jedoch statistisch nicht signifikant waren. Das Ende der
Schlafzeit normalisierte sich in den Folgenächten. Weitere Änderungen der Schlafphasen waren in
den Folgenächten nicht zu beobachten.
Die zusätzlichen Erhebungen zum Auftreten depressiver Symptome oder Änderungen im
Traumverhalten ergaben keine Unterschiede in den verschiedenen Untersuchungsbedingungen.
In der Studie war die Schlaflatenz, Gesamtschlafzeit oder Schlafkontinuität unter Nikotinzufuhr
nicht geändert. Dafür ist möglicherweise der Zeitpunkt der Applikation (2h vor Bettzeit)
verantwortlich. Der maximale Plasmaspiegel nach Pflaster-Applikation wird erst nach 8-10 Stunden
erreicht, dadurch wurden möglicherweise Änderungen der Schlafparameter, wie Einschlaflatenz
oder Tiefschlaf, die in der ersten Nachthälfte auftreten, nicht ausreichend erfasst. Die Abnahme des
REM-Schlafes resultiert möglicherweise daraus, dass der REM-Schlaf überwiegend in der zweiten
Nachthälfte auftritt.
Die Studie von Davila et al., 1994 untersuchte den Effekt von Nikotinpflaster bei nicht-rauchenden
Probanden (n=20), die an chronischem Schnarchen litten. Die placebo-kontrollierte doppel-blinde
Studie beinhaltete eine Adaptationsnacht und zwei Nächte mit Placebo- bzw. 11 mg
Nikotinpflastern in crossover Design. Die Reihenfolge der Applikation der Pflaster war doppelblind randomisiert. Die Pflaster wurden 4 Stunden vor Bettzeit appliziert. Das Nikotinpflaster führte
bei den Probanden zur Abnahme des Gesamtschlafes um 33 Min (p<0,01), zur Zunahme der
Einschlaflatenz von 6,7 auf 18,1 Min (p<0,01) und insgesamt zur Reduktion der Schlafeffizienz
(p<0,01). Die NREM-Stadien blieben unverändert. Der prozentualer Anteil von REM-Schlaf an
Gesamtschlaf war unter Nikotin reduziert von 18,8% auf 15,1% (p<0,01). Änderung in der Anzahl
von Arousals wurde in dieser Studie auch nicht festgestellt.
Methodischer Mangel der Studie ist, dass bei Probanden mit Placebo in der 2. Nacht ReboundEffekte nach Nikotin (s. vorherige Studie) die Ergebnisse möglicherweise beeinflusst haben.
Die Ergebnisse zu Schlafapnoen werden in einem späteren Kapitel präsentiert.
61
Teil 2. Wirkung von Nikotinpflaster bei Rauchern
Bei der Evalution der Nebenwirkungen der Nikotinersatztherapien wurde häufig über
Schlafstörungen berichtet. Um die subjektiven Angaben zu verifizieren und die Veränderungen des
Schlafes genauer zu erfassen, sind polysomnographische Untersuchungen notwendig.
Nikotinpflaster
Polysomnographische
Untersuchungen
Publikation
Wetter et al.,
1995
Fragestellung
der Studie
Effekt von
Nikotin-Entzug
und
Ersatztherapien
auf den Schlaf
Probanden
Methodik
Ergebnisse
n=43 Raucher
(>20 Zig/T)
2 drop out
Doppel-blind randomsierte
Studie
I. n=17: Entzug +Placebo
II. n=17: Entzug +22 mgNP
III. n=9: weiter rauchen
Pflaster über 24 St
Baseline: 2 Nächte vor Entzug
Exp: 3 Nächte
PSG:
Entzug+Placebo:
-Zunahme von Arousals
-Kein Effekt auf Schlafstadien
Entzug+NP:
-Abnahme von Arousals
- lineare Abnahme von NREM 2% im Verlauf
des Entzugs
-weniger NREM 2%
-mehr NREM 3 und 4%
Schlaftagebuch:
Entzug+Placebo:
-Zunahme der Einschlaflatenz
Entzug+NP:
-Zunahme der Wachzeit
Beide:
-Kein Effekt auf Schlafdauer
-häufigeres Aufwachen in der 1.,3. und 5.
Nacht
-erhöhte Tagesschläfrigkeit
Schlaf:
-2. Wo: verkürzte Bettzeit, keineÄnderung der
Schlafeffizienz im Vgl. zu Baseline
-10.Wo: bessere SE bei 11 mg, schlechtere SE
bei 22 mg
-11.Wo: Besserung der SE bei 22 mg
Tagesaktivität: 2-10.Wo
- Abnahme der Tagesaktivität
-Kein Dosisunterschied
Inaktivitätsindex:
-1.Tag der 1.Wo: Zunahme
-5.Tag der 1.Wo: Abnahme
-10-11.Wo: Zunahme
Subjektive Schlafqualität:
-bessere Schlafqualität bei hoher NP-Dosis
Messung: PSG,
Schlaftagebuch, POMS,
Questionnaire of Smoking
Urges, CO-Kontrolle
Wolter et al.,
1996
Effekt von 24-h
NP auf Schlaf
und
Tagesaktivität
während
Nikotinentzug
n=71 Raucher
(leicht: 10-15
Zig/T n= 23;
mittel: 16-30
Zig/T n=24;
schwer: >30
Zig/T n=24)
Wetter et al.,
1999
Geschlechtsunte
r-schiede in der
Wirkung,- und
Nebenwirkung
von
Nikotinpflaster
im akuten
n=34 Raucher
>20 Zig/T
(m=17, w=17)
n=17 placebo
n=17 NP
Doppel-blind randomisierte
Studie
Randomisierung: 6 Probanden
von jeder Schweregrad-Gruppe
in Placebo, 11mg, 22mg oder
44mg NP über 24 St; (bei den
leichten Rauchern fehlte ein
Proband)
Dauer:
1. Wo. Baseline (Amb),
2. Wo. (Hosp),
3-10. Wo. (Amb),
11. Wo ohne NP (Amb)
In 3., 6., 12. Mo. follow up
Nach der 2. Wo Probanden
mit Placebo bekamen 11 mg
oder 22 mg NP
Nach der 6. Wo Probanden mit
44 mg NP bekamen 22 mg NP
Messung: HandgelenkActigraph, Schlaftagebuch,
CO-Kontrolle, Kotinin-Spiegel
Doppel-blind randomisierte
klinische Studie
Placebo vs. 22 mg NP über 24
St
Dauer: 2 Wo
Messung:
Adaptation. 7 T. vor Entzug,
PSG:
Arousal
Männer: 1. T. Zunahme, dann abnehmende
Tendenz
-bei NP weniger Arousal
Frauen: -Zunahme von Arousal bis 3. T., dann
abnehmend bei beider Pflaster
62
Entzug
Page et al.,
2006
Aubin et al.,
2006
Staner et al.,
2006
Effekt von
Nikotinpflaster
auf den Schlaf
und das
Träumen im
akuten Entzug
Vergleich der
Wirkungen von
24h- und 16hwirksamen
Nikotinpflaster
im akuten
Entzug
Effekt von 24hvs 16h-NP auf
den Schlaf im
akuten Entzug
n=15 Raucher
(m=9, w=6)
>10 und <10
Zig/T
n=23 Raucher
3 drop out
(m=11, w=9)
20-35 Zig/Tag
n=23 Raucher
3 drop out
(m=11, w=9)
20-35 Zig/day
Baseline 5 T. vor Entzug,
Exp: 1. 3. und 5. Tag nach
Abstinenzbeginn
Messung: PSG Schlaftagebuch,
POMS, Appetit, Craving,
Kotinin-Spiegel, CO-Messung
Wachzeit:
Männer:- abnehmende Tendenz von 1.T. an
(Placebo und NP)
Frauen: abnehmend mit Placebo
-zunehmend bei NP
Schlafeffizienz:
Männer: -Besserung bei beider Pflaster
Frauen: -Besserung mit Placebo
-Verschlechterung mit NP
Randomisierte
placebokontrollierte
Crossover-Studie
Placebo vs. NP 14mg/d (falls
Tabakkonsum <10 Zig/d) oder
21mg/d (falls Tabakkonsum
>10 Zig/d) im Entzug
Nikotinapplikation: 2 St vor
PSG
Dauer: 2 x 1Nacht mit Abstand
von 1 Wo.
Rauchen 2 Stunden vor PSG
Messung: PSG , Traum-Report
durch 6x/Nacht Wecken der
Patienten
Randomisierte offene
Crossover-Studie
15mg über 16 St, vs. 21mg NP
über 24 St
Dauer: 2 Aufenthalte im
Entzug 1.Aufenthalt:
Adaptationsnacht ohne PSG
Tag 1: PSG Baseline-Messung
ohne NP
Tag 2: NP um 8 Uhr morgens,
PSG von 0-7 Uhr
2.Aufenthalt: gleiches
Protokoll mit anderem Pflaster
Messung: Karolinska Sleep
Diary (morgens),
Questionnaire of Smoking
urges (morgens),POMS, CFFT,
MCRT
Randomisierte offene
Crossover-Studie
15mg/16h vs. 21mg/24h NP
PSG:
NP:
-erhöhte Wachzeit
-mehr Micro-Arousals
-Abnahme von REM
-TST, NREM1,2,3,4 unverändert
-REM-Latenzzeit unverändert
Methodik siehe bei Aubin
Erhebung: PSG
Traum-Report:
-während REM intensivere Träume
21mg/24h-NP:
-Verbesserung in CFFT-Test
-Reduktion der Reaktionzeit in MCRT
15mg/16h-NP:
-Verschlechterung des CFFT-Test
-Reduktion der Reaktionzeit in MCRT
Beide:
-Reduktion des Verlangens nach Rauchen
morgens (24h->16h-NP)
-Karolinska Sleep Diary: Kein Unterschied
-Schlaftagebuch: kein sign. Unterschied
PSG:
-21mg/24h-NP: Zunahme von SWS
-15mg/16h-NP: Abnahme von SWS
PSG:
21mg/24h-NP:
-Zunahme von NREM
-Zunahme von SWS
-Zunahme von REM-Dichte
-Abnahme der Micro-Arousal
15mg/16h-NP:
-Zunahme von Microarousal
-Zunahme von REM
-Abnahme von SWS
Beide:
-Zunahme der Einschlaflatenz
- Abnahme der TST
- Abnahme der Schlafeffizienz
Tabelle 13b. (Teil 2) Tabellarische Darstellung zu PSG-Studien bei Nikotinpflastertherapie bei
Rauchern
(Abkürzungen: CFFT: Critical Flicker Fusion Test; MCRT: Multiple Choice Reaction Test; POMS: Profile of Mood
State)
63
In der Studie von Wolter et al., (1996) wurden Nikotinpflaster in verschiedenen Dosen an 71
Raucher appliziert. Die Messungen wurden tagsüber und nachts mittels eines HandgelenkActigraphs (wrist actigraphy) über 9 Wochen durchgeführt. Zusätzlich wurden täglich
Schlaftagebücher zur Erhebung der subjektiven Schafqualität von den Probanden ausgefüllt. Die
Baseline-Messung wurde mittels des Handgelenk-Actigraphs unter gewohntem Nikotinkonsum eine
Woche lang ambulant durchgeführt. Darauf folgte ein einwöchiger Aufenthalt in kontrollierter
Umgebung, in der gleichzeitig die Abstinenzphase begann. Darauf folgten 7 ambulante Wochen, in
denen die Probanden den Actigraphen während der Zeit mit Nikotinpflaster und in der
drauffolgenden Woche ohne Nikotinpflaster kontinuierlich trugen. In dem 3., 6. und 12. Monat nach
Absetzen der Nikotinpflaster wurden Kontroll-Messungen jeweils für eine Woche mit dem
Handgelenk-Actigraphen durchgeführt. Zusätzlich wurden der Raucherstatus, sowie die
expiratorische CO-Konzentration geprüft. Zu Beginn der Studie wurden die Probanden (n=71) nach
der Anzahl der gerauchten Zigaretten in 3 Gruppen eingeteilt: 24 starke Raucher (>30 Zig/d), 24
mittel-starke (16-30 Zig/d) und 23 leichte Raucher (10-15 Zig/d). In jeder Gruppe erhielten jeweils
6 Probanden in der 2. Woche Placebo, 11 mg, 22 mg oder 44 mg Nikotinpflaster. Alle Pflaster
wurden über 24 Stunden getragen. Nach der ersten Woche der Abstinenz erhielten die Probanden in
der Placebogruppe auch 11 oder 22 mg Nikotinpflaster für die restlichen 7 Wochen. Bei den
Teilnehmern, die anfänglich das 44 mg Pflaster erhielten, wurde die Dosis nach 4 Wochen auf 22
mg reduziert. Die Probanden durften neben der Pflastertherapie rauchen.
In der ersten Woche der Pflastertherapie zeigte sich eine signifikante Verkürzung der Bettzeit
(p<0,001). In der Schlafeffizienz (Anzahl der Handgelenk-Bewegungen/Bettzeit) zeigte sich jedoch
in der ersten Woche mit Nikotinpflastern keine Differenz zu Baseline. Weiterhin konnte durch die
Actigraphie im Verlauf der Studie kein Dosisunterschied in der Auswirkung von Nikotin auf den
Schlaf festgestellt werden. Die Fragebögen-Erhebungen ergaben jedoch eine Besserung der
subjektiven Schlafqualität bei den höheren Nikotindosen im Vergleich zu Baseline. In der letzten
Nikotinwoche zeigte sich für das 22 mg Nikotinpflaster im Vergleich zum 11 mg Nikotinpflaster
eine Zunahme der Anzahl der nächtlichen Handgelenkbewegungen (p<0,006) und dadurch eine
schlechtere Schlafeffizienz (p<0,001). Die Länge der Bettzeit war zwischen den beiden Gruppen
nicht unterschiedlich, die Probanden mit 11 mg Nikotinpflaster hatten jedoch mehr
Gesamtschlafzeit. Nach Absetzen des 22 mg Pflasters zeigte sich eine tendenzielle Verlängerung
der Schlafdauer und Besserung der Schlafeffizienz, jedoch ohne Signifikanz.
Bei den Messungen der Tagesaktivität wurde in der ersten Woche der Pflastertherapie bei jeder
Gruppe eine signifikante Abnahme der Handgelenksaktivität (Anzahl der Handgelenksbewegung
pro Minute) festgestellt (p<0,001). Diese hielt über die gesamte Dauer der Studie an, in der
64
Kontrolle nach 6 Monaten waren die Werte jedoch beim Baseline-Niveau. Der tägliche
Inaktivitätsindex wurde aus der Prozentzahl von der Zeit kalkuliert, in der die Probanden tagsüber
wenig Bewegung zeigten, weil sie vermutlich liegen oder Mittagsschlaf hielten. Am ersten Tag der
Abstinenz war der Index signifikant höher (p<0,013), am fünften Tag jedoch signifikant weniger
(p<0,009) als bei Baseline. In der letzten Woche mit und in der ersten Woche ohne Nikotinpflastern
zeigte der Inaktivitätsindex erneut höhere Werte als bei Baseline (p<0,021). Bei der Kontrolle in 6
Monaten war keine Abweichung von Baseline festzustellen. Weiterhin wurde eine positive
Korrelation von der Höhe des Kotininspiegels und der Handgelenksaktivität gefunden: Bei höherem
Kotininspiegel wiesen die Probanden mehr Handgelenksaktivität über die gesamte Dauer der
Pflastertherapie auf.
Die Schwäche dieser Studie ist, dass die Messungen mit dem Handgelenk-Actigraphen
durchgeführt wurden. Die Handgelenk-Actigraphie kann nur eingeschränkte Auskunft über den
Schlaf geben. Durch die registrierte Anzahl der Bewegungen während der Nacht kann nur ein
Rückschluss auf die Schlafqualität gemacht werden, aber keine exakte Information über den Ablauf
und die eventuelle Änderung der Schlafstadien. Weiterhin werden Arousals, welche eine Änderung
nur im EEG bewirken und ohne Bewegung einhergehen, hier nicht erfasst. So konnte in der Studie
das genaue Ausmaß von Schlafstörungen nicht erfasst werden.
Die folgende Studie von Wetter und Mitarbeiter (1995) verglich die Schlafqualität während des
Nikotinentzugs mit Placebo- oder Nikotinpflastern. Insgesamt 43 Raucher (>20 Zig/T) wurden in
drei Gruppen blind randomisiert. Die Probanden der ersten zwei Gruppen hörten mit dem Rauchen
während der Studie auf. Gruppe 1 (n=17) erhielt Placebo-Pflaster, Gruppe 2 (n=17) Nikotinpflaster
mit 22 mg Nikotingehalt. Neun Probanden, die der Gruppe 3 zugeteilt wurden, durften während der
Studie weiterrauchen. Die polysomnographischen Ableitungen fanden für den Baseline-Wert
während des Rauchens und nach Abstinenzbeginn am ersten, dritten und fünften Tag statt. Von den
Probanden wurden die Fragebögen – POMS, Questionnaire of Smokings Urges – zweimal täglich
(10 Uhr und 21 Uhr) ausgefüllt und wurde zusätzlich ein Schlaftagebuch morgens geführt. Die
Pflaster wurden jeden Morgen neu appliziert und für 24 Stunden belassen. Zusätzliches Rauchen
wurde mit exspiratorischer CO-Messung erfasst.
Mit aktivem Nikotinpflaster zeigte sich eine lineare Abnahme im Verlauf der Abstinenz zwischen
Auftreten von nächtlichen Arousals (p<0,01). Weiterhin wurde eine lineare Abnahme des
prozentualen Anteils von NREM-2 (p<0,05) bei gleichzeitiger Zunahme der Tiefschlafstadien
NREM 3-4 im Verlauf des Entzugs festgestellt (p<0,06). Insgesamt zeigte sich am fünften Tag eine
65
signifikante Abnahme der Schlaffragmentierung mit Nikotinpflaster (p<0,05) sowie vermehrter
NREM-3- (p<0,05) und NREM-4-Schlaf (p<0,05) im Vergleich zu Baseline.
Unter Placebo nahm im Entzug die Anzahl von Arousals zu (p<0,05). Die Schlafstadien waren
unter Placebo nicht signifikant verändert. Insgesamt war eine vermehrte Schlaffragmentierung unter
Placebo, also unter Nikotinentzug zu beobachten. Der REM-Schlaf, die Gesamtschlafzeit und die
Gesamtwachzeit waren bei beider Gruppe nicht signifikant verändert.
Bei den subjektiven Messungen wurde von beiden Gruppen im Gegensatz zu den
polysomnographischen Ergebnissen über Zunahme von nächtlichem Aufwachen während des
Nikotinentzugs berichtet (p<0,01). Sowohl in der Placebo- als auch in der Nikotin-Gruppe lagen
die Werte am ersten, dritten und fünften Tag signifikant über der Baseline. Weiterhin berichtete die
Placebo-Gruppe über eine Verlängerung der Einschlafzeit (p<0,05), dies war jedoch auf die
Baseline bezogen nicht signifikant. Zusätzlich gaben die Teilnehmer in der Nikotinpflaster-Gruppe
vermehrte Wachzeit während der Nacht an (p<0,01). Insgesamt zeigte sich eine Abnahme der
subjektiven Schlafqualität bei beiden Gruppen. Diese Abnahme bei der Nikotin-Gruppe war schon
am ersten Tag signifikant (p<0,01), wobei die Werte in der Placebo-Gruppe erst am fünften Tag
eine
Signifikanz
erreichten
(p<0,001).
Die
Probanden
gaben
ebenfalls
zunehmende
Tagesschläfrigkeit während der 5 Tage an. Diese war jedoch bei beider Gruppe nur grenzwertig
signifikant.
Zusammenfassend wurde in der Studie unter Nikotinpflastertherapie eine deutliche Besserung der
objektiven Schlafqualität festgestellt, die sich jedoch nicht mit der subjektiven Einschätzung der
Probanden deckte. Die Studie wurde methodisch einwandfrei durchgeführt.
Die Studie von Page (2006) hatte zum Ziel, den Effekt von transdermalem Nikotin auf den Schlaf
und auf das Träumen zu evaluieren. Jeder Teilnehmer (n=15) erhielt in doppel-blind randomisierter
Weise in einer Nacht Placebo- und in der anderen Nacht aktiven Nikotinpflaster, 14 mg oder 21 mg
abhängig vom Ausmaß des gewohnten Konsums. Probanden, die weniger als 10 Zigaretten
rauchten, erhielten den 14 mg Nikotinpflaster und die, die mehr als 10 Zigaretten rauchten,
bekamen einen 22 mg Nikotinpflaster. Zwischen den 2 experimentellen Nächten im Schlaflabor war
ein Mindestabstand von einer Woche eingehalten. Die Probanden hörten 2 Stunden vor der
Pflasterapplikation mit dem Rauchen auf. Die Pflaster wurden abends direkt vor der PSG-Messung
appliziert. Die Evaluation der Intensität der Träume passierte durch Erweckens der Probanden
sechsmal während der Nacht, dreimal während des REM-Schlafes und dreimal
während des
NREM-2-Stadiums.
66
Unter Nikotinapplikation war im Vergleich zu Placebo eine Zunahme der nächtlichen Wachzeit
(p<0,005) und eine Zunahme von Micro-Arousals (p<0,05) zu beobachten. In der Schlafarchitektur
zeigte sich unter Nikotinpflasterapplikation eine Reduktion des REM-Anteils im Gesamtschlaf
(p<0,05). In den weiteren Schlafstadien traten bei Nikotingabe keine signifikanten Änderungen auf.
Ebenso blieb die REM-Latenzzeit unverändert. Darüber hinaus wurden unter Nikotingabe
signifikant mehr und intensiveren Träume während des REM-Schlafes berichtet als unter Placebo.
Während des NREM-2-Schlafes war die Traumintensität bei beiden Konditionen unverändert.
Als Kritik an der Studie festzuhalten ist, dass die Probanden bis zu 2 Stunden vor den PSGMessungen rauchen durften. Dadurch war der akute Entzugseffekt nicht ausgeprägt. Außerdem
wurde durch die Nikotinapplikation direkt vor dem Schlafengehen der maximale Nikotinspiegel im
Blut nicht erreicht.
In den Erhebungen über die Wirksamkeit der Nikotinersatztherapien wurde angenommen, dass
Frauen auf Nikotinersatztherapien weniger ansprechen als Männer. Diese Annahme basiert auf der
Hypothese, dass bei Männern die physische, pharmakologische Belohnung durch das Rauchen
überwiege, bei Frauen hingegen durch das Rauchen eher eine psychische und soziale Abhängigkeit
entstehe [Perkins et al., 1996]. Bei Patten et al., (2000) wurde das weibliche Geschlecht als ein
prädiktiver Faktor für die Inzidenz von Schlafstörungen festgestellt.
Um diese Frage zu klären untersuchten Wetter und Mitarbeiter (1999) die Geschlechtsunterschiede
während der Nikotinpflastertherapie in der Entzugsphase. In der randomisierten doppel-blinden
Studie erhielten die 34 rauchenden Teilnehmer (>20 Zig/T) (17 Frauen, 17 Männer) Placebo- oder
22 mg Nikotinpflaster. Die Pflaster wurden morgens appliziert und nach 24 Stunden gewechselt.
Die Baseline-Messungen wurden am 7. und 5. Tag vor Abstinenzbeginn durchgeführt. Darauf
folgten die Messungen bei Pflasterapplikation am 1., 3. und 5. Tag der Abstinenz. Zusätzlich füllten
die Probanden morgens und abends ein Tagebuch über die subjektive Schlafqualität und ihr
Tagesbefinden aus. In der Studie wurden eine Kotinin-Spiegel-Bestimmung und CO-Messung
durchgeführt.
Um die Unterschiede in der Schlafqualität mit Nikotinpflastern und Placebo bei Männern und
Frauen und während des Rauchens und im akuten Entzug zu erfassen, wurden die Ergebnisse in
einer Drei-Weg-Interaktion analysiert. Neben der traditionellen Auswertung der PSG-Messungen
wurden folgende Parameter gesondert betrachtet: 1. Anzahl von nächtlichen Aufwachen, 2.
Gesamtwachzeit nach Einschlafen und 3. Schlafeffizienz.
1. Bei Männern mit Nikotinpflastern zeigte sich eine linear abnehmende Tendenz über die Zeit der
Abstinenz in der Anzahl von nächtlichen Aufwachen (p<0,01). Diese war am dritten und fünften
67
Tag der Abstinenz unterhalb der Baseline-Werte. Mit Placebo zeigte sich bei Männern eine
Zunahme der Anzahl des nächtlichen Aufwachens, der Anstieg war jedoch nicht signifikant. Bei
Frauen zeigte sich weder mit Placebo noch mit Nikotinpflaster eine lineare Tendenz im Verlauf,
sondern war bei beider Gruppe am dritten Abstinenztag eine signifikante Zunahme der nächtlichen
Aufwachen zu sehen (p<0,05). Bei Baseline wurde in der Anzahl von Aufwachen in der Nacht kein
Unterschied zwischen beider Geschlechter festgestellt, in der Abstinenzphase war jedoch der
Geschlechtsunterschied signifikant (p<0,05).
2. Bei Männern zeigte sich in beiden Gruppen eine lineare Abnahme der Gesamtwachzeit nach
Einschlafen ab dem ersten Abstinenztag (p<0,05). Frauen mit Placebo verbrachten am ersten Tag
der Abstinenz nach Einschlafen signifikant mehr Zeit im Wachzustand (p<0,001), welche jedoch im
Verlauf eine leichte Abnahme zeigte (p<0,06). Im Gegensatz dazu verbrachten Frauen mit
Nikotinpflaster in der ersten Nacht weniger Zeit im Wachen nach Einschlafen als mit Placebo. Ab
der zweiten Nacht zeigte sich jedoch eine ansteigende Tendenz für die Wachzeit. Bei diesem
Parameter war der Geschlechtsunterschied statistisch signifikant (p<0,01).
3. Bei Männer wurde sowohl mit Placebo als auch mit Nikotinpflaster eine Zunahme der
Schlafeffizienz zu sehen. Bei Frauen lag die Schlafeffizienz mit Placebopflaster am ersten und
dritten Tag signifikant unterhalb von Baseline (p<0,001), zeigte jedoch ab dem dritten Tag eine
zunehmende Tendenz (p<0,05). Im Gegensatz dazu war bei den Probandinnen mit Nikotinpflaster
keine Besserung der Schlafeffizienz über die 5 Tage gesehen. In der Wirkung von Nikotinpflaster
auf die Schlafeffizienz wurde auch ein signifikanter Geschlechtsunterschied zugunsten der Männer
festgestellt (p<0,05).
In den subjektiven Messungen – Schlaftagebuch, POMS, Craving, Hunger – traten bei beider
Gruppe Entzugssymptome auf. In der Ausprägung der Symptome konnte jedoch kein Unterschied
zwischen Männer und Frauen festgestellt werden. In der Analyse wurde keine Differenz in dem
prozentualen Anteil der Schlafstadien, weder zwischen den Pflastern noch zwischen den
Geschlechtern, festgestellt.
Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, dass Nikotinpflaster im Vergleich zu Placebo bei
Frauen zur Verschlechterung der objektiven Schlafparameter beim akuten Nikotinentzug führt.
Die Polysomnographie-Studie von Aubin et al., (2006) wurde an 20 starken Rauchern (20-35
Zig./Tag) (9 Frauen, 11 Männer) durchgeführt. Die Probanden hatten einen Fragerström-Score von
7,7 ± 0,88. In der Studie wurde der Effekt auf den Schlaf und auf die Tagesaktivität des 24hPflasters mit 21 mg Nikotin und 16h-Pflasters mit 15 mg Nikotin verglichen. Die Studie wurde in
zwei Zyklen mit 4 Tagen Abstand durchgeführt. Die Probanden durften während der 4 Tage
68
rauchen, jedoch nicht während der Untersuchungsphase. Die Pflaster wurden in randomisierter
Reihenfolge im crossover-Design appliziert. Die Messungen beinhalteten neben der PSGUntersuchung einen psychometrischen – Critical Flicker Fusion Test (CFFT) – und einen
psychomotorischen Test – Multiple Choice Reaction Test (MCRT) –, weiterhin das Karolinska
Sleep Diary und POMS. Nach der Adaptationsnacht diente die erste Nacht des klinischen
Aufenthalts (Tag 0) zur Bestimmung des PSG-Baselines. Darauf folgend um 7 Uhr morgens wurde
das morgendliche Verlangen nach Rauchen ohne Pflaster erfragt. Um 8 Uhr erhielten die Probanden
die ersten Pflaster, welche für 24 Stunden oder 16 Stunden belassen wurden. Die Bestimmung von
Baseline für die psychometrischen Messungen erfolgte am ersten Tag unmittelbar nach der
Pflasterapplikation. Die experimentelle PSG-Messung wurde am Tag 1 von 0 Uhr bis 7 Uhr
durchgeführt. Am Tag 2 erhielten die Probanden das zweite Nikotinpflaster und im Laufe des Tages
wurden die psychometrischen und psychomotorischen Tests wiederholt. Der Test wurde 4 Tage
später mit der anderen Nikotindosis in dem gleichen Ablauf wiederholt.
Beide Dosen reduzierten das morgendliche Craving, wobei dieser Effekt bei dem 24hNikotinpflaster signifikant höher (p<0,007) war als beim 16h-Nikotinpflaster. Nach dem 24hPflaster waren die POMS-Scores ebenfalls signifikant niedriger (p=0,001) als nach dem 16hPflaster. Die psychometrischen Tests zeigten teilweise abweichende Ergebnisse bei den
unterschiedlichen Dosen: Das 16h-Nikotinpflaster führte zur Verschlechterung im CFFT-Test, bei
dem 24h-Nikotinpflaster war jedoch eine signifikante Besserung (p=0,004) im CFFT-Test zu
beobachten. Bei beiden Tests war die durch MCRT-Test ermittelte Reaktionszeit (p<0,05) verkürzt.
In der Ermittlung der subjektiven Schlafqualität durch das Karolinska Sleep Diary zeigte sich keine
signifikante Besserung des Schlafes unter der Nikotinpflaster-Applikation.
Die polysomnographischen Ergebnisse zeigen bei beiden Dosen im Vergleich zu Baseline eine
Verlängerung der Einschlafzeit, unabhängig von der applizierten Dosis. Im Schlafprofil war der
Anteil der Tiefschlafphasen beim 24h-Nikotinpflaster dem 16h-Pflaster gegenüber um 20 Min
verlängert (p>0,05). Weitere Änderungen der Schlafstadien wurden nicht angegeben.
Die ausführlichen polysomnographischen Ergebnisse der vorhergehenden Studie von Aubin et al.
wurden von Staner (2006) publiziert. Wie oben erwähnt, war die Einschlaflatenz bei beiden
Dosierungen verlängert und die Gesamtschlafzeit verkürzt. Die Micro-Arousals waren beim 24hNikotinpflaster im Vergleich zum 16h-Nikotinpflaster signifikant vermindert (p=0,016). Probanden
mit dem 24h-Nikotinpflaster verbrachten um 3,5% mehr Zeit des Gesamtschlafes in NREM-Stadien
als mit dem 16h-Pflaster (p=0,044). Von den NREM-Stadien waren hauptsächlich die
69
Tiefschlafphasen verlängert. Weiterhin zeigte die REM-Dichte im Vergleich zu dem anderen
Pflaster eine signifikante Zunahme mit dem 24h-Nikotinpflaster (p=0,009). Das Schlafprofil im
ersten Drittel der Nacht wies einen Unterschied bei den verschiedenen Dosen auf: das 16hNikotinpflaster erhöhte hier den REM-Schlaf und reduzierte die SWS-Dauer; das 24hNikotinpflaster hatte keinen Einfluss auf REM, erhöhte aber den SWS.
In der EEG-Spektralanalyse wurde ebenfalls ein Unterschied zwischen Nikotinpflastern und
Baseline festgestellt: mit dem16h-Pflaster war die beta-Aktivität während des REM-Schlafes
gemindert, beim 24h-Pflaster jedoch erhöht.
Insgesamt zeigten die Studien von Aubin und Staner (2006), dass das 24h-Nikotinpflaster mit 21
mg Nikotin im akuten Entzug die Microarousals stärker reduziert, den Tiefschlaf verlängert, das
morgendliche Craving eher vermindert und die psychometrischen Funktionen deutlicher verbessert
als das 16h-Nikotinpflaster mit 15 mg Nikotin. Somit folgerten die Autoren, dass das höher dosierte
24h-Nikotinpflaster dem niedrig dosierten 16h-Nikotinpflaster in der Wirksamkeit überlegen ist.
Eine Schwäche der Studie liegt darin, dass die Applikation der zwei Dosen Nikotin nicht blind
durchgeführt worden ist, wodurch die subjektive Beurteilung v.a. des morgendlichen
Nikotinverlangens verzerrt sein kann. Weiterhin wurde keine exspiratorische CO-Kontrolle
durchgeführt, wodurch ein zusätzliches Rauchen nicht ausgeschlossen wurde.
Zusanmmenfassung
Zur besseren Übersicht der Ergebnisse dient Tabelle 14. Die Studien zeigen teilweise
widersprüchliche Ergebnisse, welche möglicherweise aus der eingeschränkten Methodik (wie bei
den einzelnen Studien angesprochen) resultieren. Zwei Studien, Wetter et al., (1995) sowie Aubin
und Staner al., (2006), wurden methodisch hochwertig durchgeführt und zeigen ähnliche
Ergebnisse. Demnach werden beim 21-22 mg Nikotinpflaster über 24 Stunden die Anzahl von
nächtlichen Arousals reduziert und die Tiefschlafphasen verlängert und dadurch die objektive
Schlafqualität verbessert.
70
Nikotinpflaster
Akuter Entzug mit
Nikotinpflaster
↑
↑
↓
↓
↑
↓↑
↓↑
↑
↑↓
Wachzeit
Einschlaflatenz
TST
NREM 2
NREM 3-4
REM
Arousal
REM-Dichte
Microarousal
Tabelle 14. Tabellarische Zusammenfassung von PSG-Änderungen bei Anwendung von
Nikotinpflaster beim Nikotinentzug
(↑↓: abweichende Ergebnisse bei verschiedenen Studien, ↑: eine Zunahme wurde beschrieben, ↓: eine Abnahme wurde
beschrieben) Bemerkung: Die Ergebnisse sind auf den akuten Entzug mit Placebo bezogen.)
4.2.5 Die Wirkung von Nikotin bei depressiven Patienten
Der Zusammenhang von Depression und Rauchen ist aus verschieden Gründen interessant. Zum
einen sind Schlafstörungen von depressiven Patienten häufig berichtete Symptome. Zum anderen
könnte Nikotin bei depressiven Patienten durch seinen stimmungsaufhellenden Effekt
möglicherweise als therapeutische Substanz wirksam sein. Weiterhin wurde der Einfluss von
Nikotin auf das serotonergen System in den tierexperimentellen Studien beschrieben.
4.2.5.1 Ergebnisse
Zu diesem Thema liegen 6 Artikel vor (Tabelle 15). Alle Studien verwendeten zur Evaluation der
Schlafqualität auch polysomnographische Verfahren
Depression
Polysomnographische
Messungen
Publikation
SalinPascual et al,
1995
Fragestellung der
Studie
Effekt von
Nikotinpflaster auf
Stimmung und
Schlaf von nichtrauchenden
depressiven
Patienten
Probanden
Methodik
Ergebnisse
n=16 NichtRaucher
n=8
Depressive
(HAM-D>18)
n=8 Gesunde
Doppel-blind kontrollierte
Crossover Studie
Randomisierung: 17.5mg/24hNP vs. Placebo
Depressive mit NP:
-Zunahme von Gesamt-REM
-Zunahme der Länge der REM-Perioden
Gesunde mit NP:
-Zunahme der Wachzeit
-Reduktion von TST
-Verkürzung der REM-Latenz (auch in
Follow-up-Nacht)
-Abnahme von Gesamt-REM
Dauer: 2 Wochen
1.Wo: ´1 Adapatations-, 2.
Baseline-, 3. Placebo-, 4.
Follow-up-Nacht
71
SalinPascual et
al., 1998
Effekt von Nikotin
auf Stimmung und
Schlaf bei
depressiven
Patienten
n=12
Nichtraucher
n=6
Depressive
(HAMD>18)
n=6 Gesunde
2. Wo. Gleiches Prozedere mit
dem anderen Pflaster
Messungen: PSG:
HAM-D
Nicht-placebokontrollierte
Vergleichsstudie
17.5mg/24h NP
Appl.: um 21h, PSG 23h-7h
Dauer: 1. Adaptations-, 2.
Baseline-, 3.4.5.6. Nikotin-, 7.
Entzugs-Nacht
Messung: PSG:, HAM-D
SalinPascual et
al., 1999
Wetter et al.,
2000
Haro et al.,
2004
Zusammenhang
von REMLatenzzeit und
Stimmungsbesseru
ng unter
Nikotingabe bei
Depressiven
n=15 NichtRaucher
depressive
Patienten
(HAMD>18)
Symptome von
Nikotinentzug bei
Frauen mit oder
ohne frühere
Depression
n=14
rauchende
Frauen
n=7 mit Depr.
n=7 ohne
Depr.
Kontrollierte Studie
Ablauf:
- vor Abstinenzbeginn PSG:
am 10. und 5. Nacht
- nach Abstinenzbeginn PSG:
am 3. 5. und 10. Tag
1 drop-out
Messungen: PSG, Morgensund Abends-Tagebuch,
Stanford Sleepiness Scale
n=24 NichtRaucher
depressive
Patienten
(HAMD>18)
Doppel-blind randomisierte
Studie
n=12 erhielten 17,5mg NP
n=12 erhielten 20mg/day
Fluoxetine
Appl:
5x/Wo. für 6 Monate
3x/Wo. im 7. Monat
1x/Wo. im 8. Monat
placebo von 9.-14. Monat
Langzeiteffekt von
Nikotin und
Fluoxetin bei
depressiven
Patienten
Nicht-placebokontrollierte
klinische Studie
17,5 mg NP
Ablauf: 0. Adaptations-, 1.
Baseline-, 2. Nikotin-Nacht
Messung: PSG, HAM-D
Messung: PSG: 1x/Mo. , (vor
Studienbeginn
Adaptationsnacht), HAM-D
Kontroll bei Baseline: PSG von
35 gesunden Probanden
HAM-D :
-Besserung der Stimmung
Depressive mit NP:
-sign. Zunahme von Gesamt-REM in
allen Nächten außer 4. auch in der 7.
Nacht
-keine Änderung in anderen
Schlafstadien
Gesunde mit NP:
-Zunahme von REM
-Abnahme von NREM 2 von der 4. bis 7.
Nacht
-Abnahme von NREM 3 von der 3. bis 5.
Nacht
HAM-D bei Depressiven:
-Reduktion von Insomnie
-Besserung der Stimmung
-gesteigerte Energie
PSG mit Nikotinpflaster:
-Zunahme von Gesamt-REM
-Abnahme von NREM 2
-Abnahme von REM-Latenzzeit (nicht
sign.)
HAMD mit Nikotinpflaster: bei n=10
Besserung der Stimmung – bei diesen
Pat. auch Zunahme von REM
Bei 8 von 10 Patienten: REM-Latenzzeit
<60 Min. bei Baseline
PSG:
Beide bei Entzug:
- Zunahme von Arousal bis Tag 3. dann
Abnahme
-Abnahme von TST
-Zunahme von Wachzeit bis Tag 3
-NREM 1: Zunahme von…. bis Tag 3
-NREM 2: keine Änderung
-NREM 3-4: Zunahme bis Tag 10
Depressive bei Entzug:
- Zunahme von REM% Tag 5-10
Gesunde beim Entzug:
-Verlängerung der REM-Latenz
Subjektiv:
-Zunahme der Einschlaflatenz, -Zunahme
der Wachzeit
-Abnahme von Erholsamkeit
PSG von Depressiven:
Baseline im Vgl. zu Gesunden:
-TST ↓, Wachzeit ↑, Schlafeffizienz ↓,
Einschlaflatenz ↑, NREM 1,3, 4 ↓
Gesamt-REM ↑, REM-Latenz ↓
NP:
1.Mo: Wachzeit ↓, NREM 1 ↓, NREM 34 ↑, REM-Latenz ↑
2.-6. Mo: wie in 1. Mo. + TST ↑,
Schlafeffizienz ↑
7.-8. Mo: wie in 1+ 2.-6. Mo.
9. Mo. (Absetzen): wie bisher +
Abnahme der REM-Dauer
9.-14. Mo.: REM-Dauer gemindert,
REM-Latenz erhöht
HAM-D: Reduktion
72
Haro et al.,
2004
Effekt von
Nikotinpflaster bei
depressiven
Patienten über 24
Monaten
n=14 NichtRaucher
depressive
Patienten
(HAM-D)
Single-blind Studie
5x/Wo. für 6 Monate
3x/Wo. im 7. Monat
1x/Wo. im 8. Monat
Placebo von 9.-24. Monat
Messung: PSG: 1x/Mo. +
Adaptationsnacht, HAM-D
PSG, Kontroll bei Baseline:
PSG von 35 gesunden
Probanden
Baseline und Ergebnisse bis 9. Mo.:
siehe oben bei Haro
Absetzperiode:
10.-18. Mo.: Reduktion von REM-Schlaf
18.Mo.: REM-Schlaf Rückkehr zu
Baseline
HAM-D: Reduktion von 1.-24. Mo.
Tabelle 15. Tabellarische Darstellung der Studien zu Wirkung von Nikotin bei depressiven
Probanden
4.2.5.2 Fragebogen-Erhebungen und polysomnographische Untersuchungen
Salin-Pascual et al., (1995) untersuchte erstmalig die Wirkung von Nikotin auf den Schlaf und auf
die Stimmungslage von ansonsten unbehandelten depressiven Patienten. Der Effekt von Placebound Nikotinpflaster (17,5 mg) wurde zwischen 8 schwer depressiven Patienten und an 8 gesunden
Teilnehmern in einer randomisierten doppelblinden Placebo-kontrollierten crossover-Studie
verglichen. Alle Teilnehmer waren Nicht-Raucher. Die Untersuchung beinhaltete in der ersten
Woche eine Adaptationsnacht, eine Nacht zur Baseline-Messung, eine Nacht für die Messung unter
Placebo oder Nikotinpflaster von 17,5 mg Nikotin und letztlich die vierte Nacht zur Erfassung der
Folgewirkungen. Dieses Prozedere wurde in der zweiten Woche nach dem gleichen Ablauf mit dem
anderen Pflaster wiederholt. Die Pflaster wurden 2 Stunden vor der Bettzeit angebracht und 24
Stunden später entfernt. In den vier Nächten wurden PSG-Messungen durchgeführt und zur
Erfassung der Stimmung während der Studie wurde die Hamilton Rating Scale for Depression
(HAM-D) verwendet.
Bei depressiven Patienten zeigte sich eine signifikante Zunahme von Gesamt-REM-Schlaf von
84,1±31,5 Min bei Baseline auf 109±35,9 Min mit Nikotinpflaster. Die Dauer der einzelnen REMPerioden war ebenfalls unter dem Nikotinpflaster verlängert von 17,8±3,7 bei Baseline auf 22,6±6,8
Min. Die anderen Schlafparameter blieben unbeeinflusst. Im Gegensatz dazu war der GesamtREM-Schlaf bei gesunden Probanden unter Nikotinpflasterapplikation deutlich verkürzt: von
105,6±14,9 Min bei Baseline auf 72,2±35,5 Min. Weiterhin wiesen die gesunden Probanden eine
Abnahme der Gesamtschlafzeit (p<0,04) und signifikant mehr Wachzeit (p<0,03) auf. Es zeigte sich
eine Abnahme der Dauer des NREM-1-Stadiums (p<0,0001). Die REM-Latenzzeit war in der
Nikotin-Nacht und in der Folgenacht ebenfalls verkürzt (p<0,0005).
In der HAM-D zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Stimmung bei depressiven Patienten
unter dem Nikotinpflaster (p<0,003). Dieser stimmungsaufhellende Effekt hielt ca. 8 Stunden lang
an. Derselbe Effekt war bei gesunden Teilnehmern auch zu beobachten (p<0,01).
73
Das Placebo-Pflaster führte in beiden Gruppen zu keiner Änderung des Schlafprofils oder der
HAMD-Scores.
In der Studie wurden die Pflaster 2 Stunden vor dem Schlafengehen angebracht. Es ist fraglich,
inwiefern der Einfluss von Nikotin auf die Schlafstadien der ersten Nachthälfte schon entfaltet war.
In einer weiteren Studie von Salin-Pascual und Drucker-Colín, (1998) wurde die längerfristige
Wirkung von Nikotinpflastern (17,5 mg) an 6 schwer-depressiven und 6 gesunden nicht-rauchenden
Teilnehmern getestet. Die medikamentöse Behandlung der depressiven Patienten wurde 2 Wochen
vor der Studie abgesetzt. Die Probanden verbrachten nach der Adaptations- und Baseline-Nacht
weitere 4 Nächte unter Nikotinapplikation und die drauffolgende Nacht ohne Nikotin im
Schlaflabor. Das Nikotinpflaster wurde 2 Stunden vor der Bettzeit appliziert und nach 24 Stunden
gewechselt. Bei beiden Gruppen war eine Zunahme von REM-Schlaf zu beobachten. Bei den
gesunden Probanden begann diese Zunahme in der zweiten Nikotinnacht (p<0,00002) und erreichte
den Höhepunkt während der Absetznacht, 102,4% über Baseline. Bei den depressiven Probanden
war die Erhöhung von REM-Schlaf, die zweite Nacht ausgenommen, über die ganze Periode zu
sehen. Die größte Zunahme von REM-Schlaf war in der vierten Nikotinnacht (p<0,007). Die
Erhöhung des REM-Schlafes war bei gesunden Probanden depressiver Probanden gegenüber
signifikant größer (p<0,04). Bei den gesunden Probanden waren die weiteren Schlafstadien auf die
folgende Weise geändert: Abnahme von NREM-2-Schlaf (p<0,02) und NREM-3-Schlaf (p<0,03).
Bei depressiven Probanden waren die anderen Schlafstadien nicht signifikant geändert.
Das subjektive Befinden der depressiven Teilnehmer besserte sich unter Nikotinapplikation
signifikant. In HAM-D zeigten die folgende Symptome eine Abnahme: Besserung der Stimmung
mit p<0,0004, Abnahme der Insomniebeschwerden mit p<0,001 und gesteigerte Energie mit
p<0,0014 Signifikanz. Bei 4 der 6 Probanden dieser Gruppe ergab sich eine Abnahme von HAM-D
Score über 50%. Weiterhin war auffällig, dass diejenigen Patienten, bei denen der Anstieg von
REM-Schlaf am größten (>50% über Baseline) war, auch die höchste Abnahme in HAM-D zeigten.
Die REM-Latenzzeit war bei diesen depressiven Probanden bei Baseline signifikant kürzer (52,8 ±
8,2 Min) im Vergleich zu gesunden Probanden (108,5 ± 42,8 Min). Die REM-Latenzzeit zeigte bei
Nikotinapplikation keine Änderung.
Eine mögliche Erklärung für die gegensätzliche Änderungen des REM-Schlafes bei Gesunden in
den lezten beiden Studien ist, dass das Nikotinpflaster in der zweiten Studie über 4 Tage appliziert
wurde. Hier zeigte der REM-Schlaf erst ab der 2. Nacht eine signifikante Zunahme. Dadurch ist es
möglich, dass Nikotin durch den kontinuierlichen Nikotinspiegel zu einer Sensibilisierung der
Prozesse führt, die zur Generierung des REM-Schlafes verantwortlich sind. In der ersten Studie war
74
möglicherweise die Applikationszeit von einem Tag zu kurz, um eine Sensibilisierung, also eine
Zunahme zu bewirken. Zusätzlich führte die akute Gabe in der ersten Studie auch zu einer
generellen Abnahme der Gesamtschlafzeit durch die Zunahme der Wachzeit, was auch zu einer
REM-Reduktion beitragen kann.
Die anschließende Studie von Salin-Pascual und Galicia-Polo, (1999) analysierte den
Zusammenhang von Schlafvariabeln und Änderung der Stimmung unter Nikotinapplikation bei
unbehandelten depressiven Patienten. Die 15 Patienten waren alle Nicht-Raucher. Nach einer
Adaptationsnacht wurde in der zweiten Nacht die Baseline-Messung und in der dritten Nacht mit
Nikotinpflastern (17,5 mg) die experimentelle PSG-Messung durchgeführt.
In dieser Studie wurde ebenfalls eine signifikante Zunahme von REM-Schlaf-Dauer von 82,5 ±
21,7 Min auf 122,9 ± 32,3 Min gefunden und zusätzlich eine Abnahme von NREM-2-Schlaf. Die
REM-Latenzzeit zeigte nach Nikotingabe keine signifikante Änderung. Bei 10 Patienten war eine
signifikante Abnahme in HAM-D zu beobachten (p<0,01), welche bei all diesen Patienten auch mit
einer Zunahme von REM über das eigene Baseline-Level einherging. Bei 8 von diesen 10
Probanden war die REM-Latenzzeit unter 60 Min bei Baseline, im Gegensatz zu den 5 Probanden,
die keine verbesserte Stimmung unter Nikotinzufuhr zeigten und bei Baseline eine REM-Latenzzeit
über 60 Min zeigten.
Zwei von den 15 Teilnehmern erfuhren bei gleichzeitiger Erhöhung der REM-Zeit unter Nikotin
keine Besserung der Stimmung.
Die Studie von Wetter und Mitarbeiter, (2000) untersuchten die Änderung des Schlafes während
des Nikotinentzugs bei rauchenden Frauen, die früher bereits an einer depressiven Episode litten.
Von den 14 Teilnehmerinnen erlitten 7 schon einmal eine depressive Phase, 7 berichteten über
keine Depression in der Vergangenheit. Die polysomnographischen Untersuchungen wurden 10 und
5 Tage vor akutem Entzug und am 3., 5. und 10. Tag des Entzugs durchgeführt. Zusätzlich füllten
die Teilnehmer morgens und abends Fragebögen aus. Die morgendlichen Fragebögen beinhalteten
Fragen bezüglich der subjektiven Schlafqualität und die Stanford Sleepiness Scale. Abends wurden
die Entzugssymptome anhand der Wincosin Smoking Withdrawal Scale evaluiert.
Während des Nikotinentzugs zeigte sich bei beiden Gruppen eine von Baseline aus signifikant
zunehmende Schlaffragmentierung: Zunahme von Arousals (p<0,05) und Zunahme der
Schlafstadienwechsel (p<0,01) bis zum dritten Tag der Abstinenz mit einem anschließenden
kontinuierlichen Abfall. Die Wachzeit nach dem Einschlafen nahm während des Entzugs signifikant
zu und war am dritten Tag am längsten (p<0,05). Dementsprechend nahm die Gesamtschlafzeit von
75
5,5 Stunden bei Baseline auf 4,5 Stunden am zehnten Tag der Abstinenz ab (p<0,01). Während des
Nikotinentzugs war für den NREM-1-Schlaf nach einer initialen Zunahme bis zum 3. Tag eine
lineare Abnahme charakteristisch (p<0,001). Weiterhin zeigte sich eine Zunahme der
Tiefschlafstadien NREM-3 und NREM-4 ab dem dritten Tag der Abstinenz (p<0,01). In keiner
diesen Parametern zeigte sich eine signifikante Differenz zwischen beiden Gruppen.
Bei Probanden mit früherer Depression war eine mäßige, jedoch nicht-signifikante Zunahme im
REM-Schlaf zu beobachten. Diese Änderung trat bei der anderen Gruppe nicht auf. Der
Unterschied der beiden Gruppen war auch nicht signifikant. Die REM-Latenzzeit bei Frauen ohne
Depression nahm zwischen dem 3. und 5. Tag der Abstinenz zu (p<0,05), diese war in der anderen
Gruppe unverändert (p=0,97). Diese Abweichung zeigte in der statistischen Analyse eine
Signifikanz (p<0,05).
Die Angaben der Teilnehmer über ihre Schlafqualität wiesen auf einen deutlichen Entzugseffekt hin
sowohl mit Zunahme der Einschlaflatenz (p<0,05) und Wachzeit nach dem Einschlafen (p<0,05),
als auch mit einer Abnahme der Schlafqualität (p<0,01) und der Erholsamkeit des Schlafes
(p<0,01). Alle diese Parameter zeigten die größten Veränderungen bis zum 3. Tag des Entzugs und
besserten sich erst im weiteren Verlauf. Die einzige Änderung, bei der ein signifikanter Unterschied
zwischen den beiden Gruppen festgestellt wurde, war die Häufigkeit des Aufwachens während der
Nacht. Diese war bei Frauen mit früherer Depression signifikant erhöht (p<0,01).
Alle weiteren erfragten Entzugssymptome wiesen in der Entzugsphase eine Zunahme jedoch ohne
Unterschied zwischen den beiden Gruppen auf.
In der Vergleichsstudie von Haro und Drucker-Colin, (2004) wurde der langfristige Effekt von
Nikotin und Fluoxetin auf die depressive Symptomatik und auf den Schlaf über 14 Monate
hindurch verfolgt. Zwei unabhängige Gruppen von 12 schwer-depressiven ansonsten unbehandelten
Patienten erhielten blind 6 Monate lang 5 mal in der Woche transdermale Nikotinpflaster (17,5 mg)
oder orales Fluoxetin (20 mg). Die Dosen wurden im 7. Monat auf dreimalige und im 8. Monat auf
einmalige Gabe in der Woche reduziert. Vom 9. bis zur 14. Woche erhielten die Teilnehmer einmal
in der Woche eine nikotin- und fluoxetin-substituierende Placebo-Pille. Die polysomnographischen
Untersuchungen und die Erhebung der depressiven Symptomatik mit Hilfe der Hamilton Rating
Scale for Depression mit 21 Fragen (HAM-D-21) wurden bei Baseline und drauffolgend einmal im
Monat durchgeführt. Zum Vergleich der Ausgangswerte der Schlafparameter zwischen Depressiven
und Gesunden wurden Ergebnisse der PSG-Messungen von weiteren 35 gesunden Probanden in die
Studie einbezogen.
76
Bei Baseline zeigte sich bei depressiven Patienten eine verkürzte Gesamtschlafzeit (p<0,01), welche
hauptsächlich aus einer verlängerten Einschlaflatenzzeit (p<0,001) resultierte. Bezüglich der
Schlafstadien waren die folgende Änderungen zu beobachten: verminderte Schlafeffizienz, kürzere
Dauer der Schlafstadien NREM-1, -3, und-4, längere REM-Schlaf-Dauer und kürzere REMLatenzzeit bei depressiven Patienten..
Unter Nikotintherapie zeigte sich im ersten Monat eine signifikante Abnahme der Wachzeit nach
dem Einschlafen (p<0,01). Die Dauer von NREM-1-Schlaf nahm ab (p<0,01) und von NREM-3und NREM-4-Schlaf nahm zu (p<0,01). Die REM-Latenzzeit verlängerte sich ebenfalls (p<0,01).
Ab dem 2. bis zum 6. Monat hielt diese Änderung der Schlafstadien weiterhin an. Bei dem
Gesamtschlaf war eine progrediente Zunahme zu beobachten, indem die Wachzeit weiterhin
abnahm (p<0,001). Dies ging mit einer Besserung der Schlafeffizienz einher. In dem 7. und 8.
Monat hielten der verlängerte Gesamtschlaf und die verbesserte Schlafeffizienz trotz Reduktion der
Nikotindosis an. Ab dem 9. Monat nach Absetzen von Nikotin dauerten die positive Änderungen
der Schlafparameter an: geminderter NREM-1-Schlaf und Wachzeit und erhöhter NREM-3 und 4Schlaf. Zusätzlich blieb die Gesamtschlafzeit ab dem 9. Monat bis zum Ende der Studie verlängert.
Von dem 1. Monat an wurde eine kontinuierliche Zunahme der REM-Latenzzeit festgestellt. Diese
erreichte ihr Maximum im 6. Monat und hielt über die ganze Studie weiterhin an. Unter Nikotin
erreichte die REM-Latenzzeit im 6. Monat beinahe die gleichen Werte wie bei Gesunden. Ab dem
ersten Monat traten weniger EEG-Arousals unter Nikotin.
Unter Nikotinapplikation und während des anschließenden Entzugs erfuhren die Probanden eine
signifikante kontinuierliche Abnahme um 52, 8% in Hamilton Rating Scale of Depression.
Fluoxetin führte zu von Nikotin verschiedenen Änderungen des Schlafes: Zunahme der REMLatenzzeit, der Wachzeit, der Arousals und des NREM-1-Schlafes, Reduktion des Gesamtschlafes
und des REM-Schlafes und kein Effekt auf die Tiefschlafphasen. Unter Fluoxetin war ebenfalls eine
deutliche Abnahme der HAMD-Scores zu beobachten.
In einer anderen Arbeit von Haro und Drucker-Colin (2004) wurde der gleiche Studienprotokoll wie
oben beschrieben mit Nikotinpflaster an 14 depressiven Patienten durchgeführt, die Absetzperiode
wurde jedoch auf 24 Monaten verlängert, um den langfristigen Effekt von Nikotin bzw. Absetzen
von Nikotin weiterhin zu verfolgen.
In der langen Absetzperiode hielten der verlängerte Gesamt-Schlaf und erhöhte Schlafeffizienz an.
Die Wachzeit und der NREM-1-Schlaf blieben vermindert und der NREM-3- und 4-Schlaf waren
stets verlängert. Der REM-Schlaf zeigte jedoch nach der initialen Abnahme und damit
77
Normalisierung unter dem Nikotinpflaster, im 24. Monat einen erneuten Anstieg und damit einen
Rückkehr zu Ausgangswerten wie bei depressiven Patienten bei Baseline gemessen. Weiterhin zu
bemerken, dass die REM-Latenzzeit, welche bei Depressiven bei Baseline signifikant (p<0,001)
verkürzt war und beim 5. Monat sich beinahe normalisierte, keine Änderung während des
Nikotinentzugs zeigte. Mit der Verkürzung der REM-Latenz ging hier auch eine signifikante
Abnahme der HAM-D-Score hinein, welche bis zum 24. Monat anhielt. Bei 78,6% der Teilnehmer
war diese Besserung der HAM-D-Scores 50% über das Baseline-Niveau.
Zusammenfassung
In den Studien von Salin-Pascual führte Nikotin nach akuter Gabe bei nicht-rauchenden
Depressiven zu einer Erhöhung des REM-Schlafes. Diese Erhöhung ging mit einer Verbesserung
der depressiven Symptome einher. Die depressiven Patienten zeigten in diesen Studien eine
geringere REM-Dauer bei Baseline gegenüber den Gesunden. Die REM-Latenzzeit war bei den
depressiven Patienten deutlich verkürzt, eine Verlängerung war nach akuter Gabe nicht zu
beobachten. Im Gegensatz dazu zeigten sich in der Studie von Haro bei Baseline eine Erhöhung des
REM-Schlafes und eine starke Verkürzung der REM-Latenzzeit bei depressiven gegenüber
gesunden Probanden. Nach chronischer Nikotingabe verlängerte sich die REM-Latenzzeit
allmählich bis zu Werten Gesunder. Die REM-Dauer zeigte nach anfänglicher Zunahme eine
kontinuierliche Abnahme bis zu Normalwerten Gesunder. Bei Haro korrelierte die Besserung der
Stimmung mit der Zunahme der REM-Latenzzeit. Es ist bemerkenswert, dass die chronische
Nikotingabe zur Normalisierung der objektiven Schlafqualität Depressiver führte im Gegensatz zu
Fluoxetin.
Die verlängerte REM-Latenzzeit ist ein charakteristischer Schlafparameter depressiver Patienten. Es
wurde postuliert, dass diese auf eine Hypersensitivität des cholinergen Systems zurückzuführen ist
[Vélazquez-Moctezuma et al., (1995); Gillin et al., (1994)]. Es ist möglich, dass die chronische
Nikotingabe zur Abnahme der cholinergen Rezeptoren führt, wodurch die Überaktivität des
cholinergen Systems gedämpft wird und die REM-Latenzzeit sich dadurch normalisiert (Haro et al.,
2004).
Anhand der vorliegenden Ergebnisse, wäre es von besonderem Interesse, den Effekt von Nikotin
bei Depressiven weitergehend als mögliche Therapieoption zu analysieren. Eine weitere
Ausführung dieser Thematik würde jedoch den Rahmen dieser Übersichtsarbeit überschreiten.
78
4.2.6 Nikotin und Schlafapnoe
Das Apnoe-Hypopnoe-Syndrom ist durch das Aussetzen der Atmung während des Schlafes und
damit Abnahme der Sauerstoffversorgung charakterisiert. Mögliche Ursachen dafür sind der
Hypotonus der osopharyngealen Muskulatur im Schlaf, die bei bestimmter Veranlagung (z. B.
männliches Geschlecht, Übergewicht) zur intermittierenden Verlegung der oberen Atemwege und
zur kurzzeitigen Hypoxie führt. Unter diesem hypoxischem Zustand wiederum kommt es zu
häufigen Arousals und Schlafstadienwechsel. Diese Art der Schlaffragmentierung verursacht neben
anderen vegetativen Symptomen exzessive Tagesschläfrigkeit. In den folgenden Studien wurde der
Zusammenhang von Nikotin und Apnoe-Schlafapnoe-Syndrom untersucht.
4.2.6.1 Ergebnisse
In 6 Studien wurde der Zusammenhang von Nikotin und Schlafapnoen untersucht (Tabelle 16). In 4
davon wurde das Auftreten von Schlafapnoen nach Nikotinapplikation gemessen. In weiteren 2
wurde der ursächliche Zusammenhang von Nikotin für Schlafapnoen analysiert.
Schlafapnoe
Publikation
Gothe et al.,
1985
Davila et al.,
1994
Fragestellung der
Studie
Nikotin:
Therapieoption für
obstruktives
Schlafapnoe (OSA)
Akuter Effekt von
Nikotinpflaster auf
Schlaf, Schnarchen
und Schlafapnoe
Probanden
Methode
Ergebnisse
n=8 Männer
mit OSA
(n=3 NichtRaucher, n=2
GelegenheitsRaucher, n=3
Raucher)
Nicht-placebokontrollierte
Studie
Nikotin:
-Reduktion der Gesamtapnoen
- Zentral-Apnoe: Zunhame in n=4 und
Abnahme in n=4
-reduzierte Schlaf-Apnoe-Zeit
-1.h: keine OSA bei n=6
-2.h: keine OSA bei n=5
n=20 NichtRaucher
(m=10, w=10)
mit Schnarchen
2mg Nik.Kaugummi ab 15 h
stündlich +
4mg Nikotinkaugummi
30Min. vor ins Bettgehen
Kontroll-Messung 1 Wo.
Vorher
Messungen: PSG,
Plethysmogramm, nasaloraler Luftfluss, Oxymetrie,
pCO2
Doppel-blind randomisierte
crossover Studie
Placebo vs. 11mg NP für
24h
1.Adaptationsnacht
2. NP vs. Placebo
3. NP vs. Placebo
Messung:
Nikotinkonzentration,
PSG,Pulsoxymetrie; oralnasaler Luftfluss,
Schnarchen-Index
Kein Effekt auf O2- und CO2-Sättigung
Keine Änderung der Schlafstadien
PSG: siehe bei Nikotinpflaster
Apnoen:
-keine Änderung der zentralen oder
obstruktiven Apnoen oder Hyponoen
Schnarchen:
-Keine Reduktion der Frequenz
-Reduktion der Lautstärke um 1,1 dB
79
Hein et al.,
1995
Zevin et al.,
2003
Nikotin zur Therapie
der obstuktiven
Schlafapnoe
n=8 Raucher
mit OSA
Effekt auf OSA von
Nikotinzahnpaste
n=10 NichtRaucher mit
OSA (AHI zw.
15-55/h)
Nicht-placebokontrollierte
Studie
NP 35mg
Kontroll- und Nikotin Nacht
Applikation um 21 Uhr
Messung: PSG, O2Sättigung
Doppel-blind randomisierte
Crossover-Studie
2mg vs.4,3 mg Nikotinzahnpaste (NZ)
1.Nacht: Baseline 2.Nacht:
NZ, 3.Nacht: andere NZ
Messungen: PSG, AHI, O2Sättigung, Eppworth
Sleepiness Scale,
Schlafqualität
Wetter et al.,
1994
Kashyap.,
2001
Rauchen als
Prädiktor für gestörte
Atmung im Schlaf
Höhere Prävalenz
von OSA bei
Raucher
Apnoen bei NP:
-keine Änderung in AHI, zentrale
Apnoen, Apnoedauer
-OSA: Abnahme der Frequenz (n.s.)
-Zunahme der mittleren O2-Sättigung
NZ 2mg, 4,3mg:
PSG:
-verlängerte Einschlaflatenz
-Zunahme von NREM1
OSA:
-keine Änderung in AHI
- abnehmender Trend in AHI bei n=4
-Kein Effekt auf O2-Sättigung
Tagesschläfrigkeit: keine sign.
Änderung
n(gesamt)=811
Nicht-Raucher
n=340
Ehemalige
Raucher n=323
Raucher n=158
Daten von einer
longitudinalen KohortenStudie
Messungen: PSG, oralnasaler Luftfluss,
Oxymetrie,
Plethysmogramm
Regressionsanalyse
OR für AHI 5-10:
Ehemalige R.: OR: 1,14
Raucher: OR: 2,09
N(gesamt)=214
n=108 mit
OSA (AHI
>10/h)
n=106 ohne
OSA
Fall-Kontroll Studie
Gesammelte PSG Daten der
Patienten.
Fragebögen bzgl. Rauch-,
Trinkverhalten.
Regressionsanalyse
Prävalenz mit OSA: 35% Raucher
Prävalenz ohne OSA: 18% Raucher.
OR für OSA:
OR für AHI >15:
Ehemalige R.: OR: 1,86
Raucher: OR: 4,44
Raucher: OR: 2,5
Tabelle 16. Tabellarische Darstellung der Studien zum Zusammenhang von Nikotin und
Schlafapnoe
(Abkürzungen: NZ: Nikotinzahnpaste; OSA: obstruktive Schlafapnoe, AHI: Apnoe-Hypopnoe-Index, OR: Odds Ratio)
In der Studie von Gothe et al., (1985) wurde an 8 Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe
Nikotinkaugummi appliziert und anschließend die Anzahl von Schlafapnoen gemessen. Unter den
Teilnehmern waren 3 Raucher, 2 ehemalige Raucher und 3 Nichtraucher. Die Teilnehmer erhielten
ab 15 Uhr jede Stunde ein Kaugummi mit 2 mg Nikotin und 30 Min vor dem Schlafengehen eins
mit 4 mg Nikotin. Die Untersuchung beinhaltete eine Kontroll- und eine Nikotinnacht. In der
Datenanalyse wurden die ersten 2 Stunden vom Schlaf ausgewertet. Die Schlafapnoen wurden
neben der PSG mittels Plethysmographie, Messung des oral-nasalen Luftflusses, Oxymeter und
pO2-Messung erfasst.
Die Anzahl der zentralen Apnoen zeigte bei 4 Probanden einen Anstieg und bei 4 Probanden eine
Abnahme. Im Gegensatz dazu wurden bei 6 Probanden in der ersten Stunde keine obstruktiven
Apnoen gemessen, dies hielt bei 5 Probanden auch in der zweiten Stunde an. Insgesamt zeigte sich
eine signifikante Abnahme der Apnoe-Zeit von 58,0 ± 5,9 bei Kontrollnacht zu 37, 1 ± 8,5 in der
80
ersten Stunde und zu 40,1 ± 9,5 in der zweiten Stunde (p<0,05). Es wurde jedoch keine Änderung
der O2- und CO2-Sättigung gemessen. Die Schlafparameter waren in den ersten 2 Stunden im
Vergleich zur Kontrollnacht nicht verändert.
Insgesamt zeigte sich eine signifikante Abnahme der Apnoe-Zeit, dies setzte sich aus einer
Abnahme der obstruktiven und gemischten Apnoen zusammen, wobei die zentralen Apnoen
unbeeinflusst blieben.
An dieser Studie ist kritisch zu bemerken, dass der Teilnehmeranzahl sehr klein war. Weiterhin
wurde der Raucherstatus in der Auswertung nicht berücksichtigt.
In einer doppel-blinden placebo-kontrollierten Studie untersuchten Davila et al., (1994) den Effekt
von Nikotinpflastern auf das Schnarchen und Apnoen. Die 20 Probanden, die an chronischem
Schnarchen litten erhielten nach der Adaptationsnacht Placebo- und Nikotinpflaster (11 mg) in den
folgenden zwei Nächten in randomisierter Reihenfolge. Neben PSG wurde der nasale und orale
Luftfluss gemessen. Die thorakoabdominelle Bewegung wurde mittels Plethysmogramm erfasst,
das Schnarchen durch Audio-Aufnahme.
Bei Baseline unter den Männern waren signifikant mehr Apnoen und Hypopnoen während des
Gesamtschlafs (p<0,05) zu beobachten als bei Frauen. Dieser Trend zu vermehrten Schlafapnoen
trat bei Männern auch unter Nikotin auf. In Hinblick auf die Häufigkeit des Schnarchens zeigte sich
kein Unterschied zwischen Männern und Frauen. Die Frequenz von Schnarchen war den BaselineWerten gleich, es zeigte sich jedoch mit dem Nikotinpflaster eine Abnahme der Lautstärke des
Schnarchens um 1,1 dB (p<0,01).
Eine Kritik an der Studie ist, dass die Nikotin- und Placebo-Nacht aufeinanderfolgend durchgeführt
worden sind, deswegen konnte das Nikotin aus der ersten Nacht durch einen Entzugseffekt die
Placebo-Nacht möglicherweise beeinflussen.
Hein et al., (1995) untersuchten die Wirkung von Nikotinpflastern auf die Änderung der
Schlafapnoen. Die rauchenden Teilnehmer (n=8) wiesen einen Apnoe-, Hypopnoeindex über 10 pro
Stunde im Schlaf auf. Die polygraphischen Messungen wurden vom Rauchen abstinent in zwei
Nächten durchgeführt: die erste Nacht diente zur Baseline-Messung, in der zweiten Nacht wurde
um 21 Uhr ein Nikotinpflaster mit 35 mg Nikotin appliziert.
In der Untersuchung wurde eine geringe, jedoch signifikante Zunahme der mittleren O2-Sättigung
gefunden. Es wurde weiterhin eine geringe, aber nicht signifikante Abnahme des Apnoe-HypopnoeIndex gezeigt. Diese resultierte zum größten Teil aus der Abnahme der obstruktiven Apnoen.
Der Teilnehmerzahl war in dieser Studie ebenfalls gering.
81
In der doppel-blind randomisierten Studie von Zevin et al., (2003) wurde Nikotin 10 Probanden mit
obstruktiver Schlafapnoe in Form von Zahnpaste zugeführt. Nach Baseline-Messung erhielten die
Probanden in den folgenden zwei Nächten einmal Zahnpaste mit 2 mg Nikotin und einmal 4,3 mg
Nikotin in randomisierter Reihenfolge.
Nach Nikotinzufuhr war die Schlaflatenz verlängert und der NREM-1-Schlaf erhöht. Die weiteren
Schlafstadien mitsamt Gesamtschlaf blieben unbeeinflusst. Der Apnoe-Hypopnoe-Index änderte
sich in den ersten 4 Stunden trotz der höchsten Nikotinkonzentration im Speichel nicht. Der Effekt
auf die Tagesschläfrigkeit wurde mittels der Eppworth Sleepiness Scale erfasst. Bei 2 mg Nikotin
waren die Testergebnisse dem Baseline gleich. Bei 4,3 mg war eine abnehmende Tendenz der
Tagesschläfrigkeit zu beobachten, jedoch erreichte diese keine statistische Signifikanz.
Wetter et al., (1994) untersuchte den Zusammenhang zwischen Rauchen und gestörter Atmung im
Schlaf. Für die Studie wurden polysomnographische Daten aus einer longitudinalen KohortenStudie rekrutiert. Von den Teilnehmern waren 340 Nicht-Raucher, 323 ehemalige Raucher und 158
Raucher. Nach logitischen Regressionsanalyse wiesen aktuelle Raucher die größte Chance (OR:
4,44) auf, ein ausgeprägtes Apnoe-Hypopne-Syndrom (AHI >15) zu entwickeln. Für weitere
Symptome, wie Schnarchen und mäßige Apnoen (AHI: 5-10) erwiesen ebenfalls die Raucher das
größte Risiko. Nach Einbeziehen weiterer Risikofaktoren wie Kaffeekonsum, BMI etc. in die
Regressionsanalyse zeigten ehemalige Raucher kein erhöhtes Risiko für gestörte Atmung im Schlaf.
Starke Raucher (40 Zig./Tag) zeigten ein erhebliches Risiko für mäßige Apnoen (OR: 6,74), und
starke Apnoen-Hypopnoen im Schlaf (OR: 40,47).
In der Studie von Kashyap et al., (2001) konnte der Zusammenhang von Rauchen für die
Entwicklung für Schlafapnoe bestätigt werden. Hier wurde ebenfalls durch logistische
Regressionsanalyse das Risiko von Rauchern und Nichtrauchern berechnet, obstruktive Schlafapnoe
zu entwickeln. Dafür wurden 106 gesunde Probanden (AHI <5) und 108 Probanden mit
obstruktiver Schlafapnoe (AHI >5) in einer randomisierten Studie verglichen. Die Prävalenz von
Rauchern unter den Probanden mit obstruktiver Schlafapnoe betrug 35%, bei der anderen Gruppe
18%. Dieser Unterschied war signifikant (p=0,0049). In der Regressionsanalyse zeigte sich dadurch
für Raucher ein 2,5 mal höheres Risiko, in ihrem Leben Schlafapnoe zu entwickeln. Bei ehemaligen
Rauchern war das Risiko für Schlafapnoe gegenüber Nichtrauchern nicht erhöht.
In der Studie wurden weitere Risikofaktoren, wie BMI, Alter und Alkoholkonsum berücksichtigt.
82
Zusammenfassung
Es liegen wenige Studien vor, die den Einfluss von Nikotin auf Schlafapnoen untersuchten. Nur in
einer Studie, Gothe et al., (1985) konnte eine Abnahme der Apnoen nach Gabe von
Nikotinkaugummis nachgewiesen werden. Es ist möglich, dass bei Gothe durch die mehrmalige
Gabe ein höherer Nikotinspiegel erreicht wurde als bei den anderen Studien, in denen Nikotin vor
dem Schlafengehen appliziert wurde. Dagegen spricht jedoch die Studie von Hein et al., (1995), in
der die hohe Dosis des 35 mg Nikotinpflasters die Schlafapnoen nicht signifikant reduzieren konnte.
Eine andere Erklärung wäre, dass Nikotin nach oraler Applikation die Schlundmuskulatur direkt
beeinflusst. Darauf würde auch das Ergebnis bei Gothe et al., (1985) hindeuten, dass hauptsächlich
die Anzahl der obstruktiven Apnoen reduziert wurde. Es ist jedoch unklar, warum bei Zevin et al.,
(2003) nach Nikotinzahnpaste dieser Effekt nicht auftrat. Um eine eine repräsentative Aussage
treffen zu können, sind weitere Studien mit größerer Teilnehmeranzahl nötig.
In zwei Studien, Wetter et al., (1994); Kashyap et al., (2001) konnte ein höheres Risiko von
Rauchern für Schlafapnoe nachgewiesen werden.
83
V. Diskussion
5.1 Hauptbefunde und klinische Relevanz
5.1.1 Nikotinkonsum
Es konnte gezeigt werden, dass in der Schlafqualität von Rauchern und Nicht-Rauchern
Unterschiede
bestehen.
In
den
subjektiven
Berichten
dominieren
hauptsächlich
die
Insomniesymptome, wie das Gefühl von nicht-erholsamem Schlaf und die daraus resultierenden
Folgen, wie erhöhte Tagesschläfrigkeit [Wetter et al., 1994; Phillips et al., 1995]. Weiterhin konnte
durch longitudinale Studien bewiesen werden, dass unter Nikotinkonsumenten nicht nur eine höhere
Prävalenz von Insomnie besteht, sondern dass Rauchen auch für die Entwicklung von gestörtem
Schlafverhalten ein wesentlicher Prädiktor ist [Wetter et al., 1994; Patten et al., 2000]. Zudem ist es
zu bemerken, dass Rauchen oft eine eher ungesunde Lebensführung nach sich zieht, wie häufigerer
Alkohol- und Kaffeekonsum. Dieses Verhalten beeinträchtigt den Schlaf zusätzlich.
Polysomnographische Untersuchungen konnten die Beeinträchtigung der subjektiven Schlafqualität
von Rauchern objektivieren. In der Arbeit von Soldatos et al., (1980) wurde gezeigt, dass Raucher
weniger Gesamtschlafzeit und eine längere Einschlaflatenz haben. Die Studie von Soldatos et al.
(1980) wurde an 100 Probanden in kontrollierter Umgebung randomisiert durchgeführt und ist
deswegen methodisch hochwertig. In der Studie von Zhang et al., (2006) wurde bei Rauchern
mittels Home-Polysomnographie eine Verschiebung der Tiefschlafstadien in Richtung leichterer
Schlafphasen gezeigt. Die Einschlaflatenz war auch hier signifikant verlängert. Weiterhin weist der
Befund, dass sich der Schlaf zwischen ehemaligen Rauchern und Nicht-Rauchern nicht unterschied,
darauf hin, dass der Schlaf sich nach Absetzen des Nikotinkonsums normalisiert. Diese Studie ist
wegen der hohen Teilnehmerzahl (n=6400) besonders repräsentativ. Zu bemerken ist, dass keine
der polysomnographischen Studien die Schlaffragmentierung durch Arousals thematisierte, welche
für eine Beeinträchtigung der subjektiven Schlafqualität verantwortlich ist. Eine weitere Studie von
Zhang et al., (2007) zeigte in der Spektralanalyse der PSG von Rauchern eine Zunahme der AlphaFrequenzen und Abnahme der Delta-Frequenzen. Dieser Befund, die verlängerte Einschlaflatenz
und die Abnahme der Tiefschlafphasen, spricht für die subjektiv beschriebenen Schlafstörungen.
Dementsprechend erklären die PSG-Studien das subjektive Empfinden der Probanden.
5.1.2 Nikotinentzug
Dass Schlafstörungen während der Entzugsperiode ein wichtiges Symptom darstellen, lässt sich
schon dadurch vermuten, dass Insomnie als neues Entzugssymptom in der DSM IV-Klassifikation
84
(1996) zusätzlich einbezogen wurde. Die für die Evaluation der subjektiven Entzugssymptomatik
dargestellten Studien von Hatsukami et al., Cummings et al. und Shiffman et al. zeigen eindeutig,
dass Schlafstörungen als prominente Symptome des Nikotinentzugs gelten. In den Studien wurde
sehr häufig über eine verlängerte Wachzeit während der Nacht v.a. wegen öfteren Aufwachens und
verlängerter Einschlafzeit berichtet. Es wurde gezeigt, dass die Ausprägung der Symptomatik in
linearem Zusammenhang mit der Stärke der Nikotinsucht steht [Cummings et al., 1985]. Eine
wichtige Feststellung war, dass Schlafstörungen im Gegensatz zu anderen Entzugssymptomen über
Wochen anhalten. Dies wurde von Cummings über 3 Wochen und bei Jorenby et al., (1996) über 5
Wochen der Entzugsphase beschrieben. Die langanhaltenden Schlafstörungen tragen bei zur
Entzugssymptomatik,
indem
sie
auch
zur
Tagesmüdigkeit
und
zur
Abnahme
der
Konzentrationsfähigkeit führen. Inwiefern jedoch Schlafstörungen zu einem frühen Rückfall führen,
geht aus den Studien nicht genau hervor. Es liegen keine Analysen zur Rückfallsrate bei Probanden
mit Insomnie- und ohne Insomnie-Beschwerden in der Entzugsphase vor. Es ist fraglich, inwiefern
die einzelnen Symptome aus dem Symptomkomplex des Nikotinentzugs alleinig zu betrachten sind.
Shiffman et al., (1995) zeigten mittels psychomotorischen Tests, dass Dauer-Raucher bessere
Ergebnisse erzielen als nur Gelegenheits-Raucher. Dies ist durch die zentralnervös stimulierende
Wirkung von Nikotin zu erklären. Während des Entzugs kommt es zu einem relativen Mangel
dieses positiven Stimulus, also zu einer Abnahme der psychotropen Aktivierung.
Zur weiteren Bestimmung des Ausmaßes der Schlafstörungen und ihrer Rolle in der Entzugsphase
sind die polysomnographische Studien maßgebend.
In den polysomnographischen Studien während des Nikotinentzugs wurde bei Kales et al., (1970)
eine signifikante Erhöhung von REM-Schlaf gefunden. Der vermehrte REM-Schlaf ging mit
gesteigerter Traumintensität einher. Leider werden die weiteren Schlafparameter in der Studie nicht
erwähnt. Subjektive Angaben zur Schlafqualität fehlen ebenfalls, um den Schluss zu ziehen, dass
die gesteigerte REM-Aktivität möglicherweise subjektiv als gestörter Schlaf von den Probanden
empfunden wurde. Soldatos et al. (1980) berichtet ebenfalls über eine geringe, nicht signifikante
Zunahme des REM-Anteils am Gesamtschlaf in der subakuten Entzugsphase sowie über eine
Abnahme der Einschlaflatenz. Die Auswertung der PSG-Ergebnisse erfolgte nach der
Rechtschaffen-Kales Skala. Demnach wird ein Arousal als EEG-Änderung über eine Dauer ab 15
Sekunden definiert. Nach dieser Definition gab es keine Änderungen in der Anzahl von Arousals.
Bei Prosise et al., (1994) wurden keine Änderungen der Schlafstadien in der akuten Entzugsphase
festgestellt. Es zeigte sich eine signifikante Zunahme der relativen Arousals und ein gesteigerter
Schlafstadienwechsel. In dieser Studie wurden relative Arousals als EEG-Wechsel vom Schlaf ins
Wachen, in Alpha-Frequenz oder Bewegung ohne Rücksicht auf die Dauer definiert. Gleichzeitig
85
waren die Arousals, als EEG-Wechsel in Alpha-Frequenz ab 5 Sekunden definiert, im Entzug nicht
verändert. In der gleichen Studie wurde die gesteigerte Einschlafbereitschaft im MSLT-Test erfasst,
welche auf eine erhöhte Tagesschläfrigkeit hinweist.
Die Teilnehmeranzahl dieser Studien war gering. Die Studien zeigen keine homogenen Ergebnisse.
Bei Soldatos deutet die Abnahme der Einschlaflatenz auf eine Besserung der objektiven
Schlafqualität hin. Es ist fraglich, inwiefern die bei Prosise et al., (1994) beschriebene PSGÄnderungen allein für die erhöhte Tagesschläfrigkeit verantwortlich sind. Vermehrte Arousals beim
akuten Entzug wurden in den Vergleichsstudien von Wetter et al., (1995), (1999) in der PlaceboGruppe und in der Studie von Staner et al., (2006) bei den Baseline-Messsungen beschrieben und
bieten dadurch einen objektiven Beweis für die subjektiv angegebene Schlafstörungen.
5.1.3 Nikotinersatztherapien
Im Hinblick auf die Nikotinersatztherapien ist das Ziel der Arbeit zu evaluieren, ob der
Nikotinersatz in der Entzugsphase die Schlafstörungen der Patienten lindert oder die Schlafqualität
durch die nächtliche Nikotinzufuhr sogar zusätzlich beeinträchtigt.
Bei den Nikotinersatztherapien konnte das nikotinhaltige Kaugummi die subjektiven InsomnieBeschwerden nicht suffizient lindern [Hughes et al., 1984; Gross et al.,1989]. Deswegen wird hier
auf diese Applikationsform nicht näher eingegangen.
Es ist wichtig, sich die Ergebnisse der zwei Studien, in denen Nikotinpflaster an Nicht-Rauchern
appliziert wurden, vor Augen zu halten [Gillin et al., 1994; Davila et al., 1994]. Beide beschreiben
eine signifikante Abnahme der REM-Zeit. Bei Gillin et al. (1994) zeigte sich zusätzlich eine erhöhte
NREM-2 und ein früheres Aufwachen am Morgen. Bei Davila et al., (1994) waren die weiteren
Schlafstadien unverändert. Der Gesamtschlaf nahm jedoch durch Verlängerung der Einschlaflatenz
signifikant ab. Bei Gillin et al., wurde in der Folgenacht nach der akuten Nikotinzufuhr ein
Rebound-Effekt festgestellt: eine Zunahme von REM-Dauer und REM-Prozent im Vergleich zu
Baseline und weiterhin eine Normalisierung der Schlafdauer. Der Befund, dass die Schlafstadien
nach akuter Nikotingabe in der Folgenacht kompensatorisch eine Änderung in die umgekehrte
Richtung zeigten, lässt vermuten, dass die Schlafstadien sich nach chronischem Nikotinkonsum in
der Entzugsphase auch allmählich normalisieren.
Untersuchungen, die die Nebenwirkung von Nikotinpflastern mit Placebo verglichen, zeigen
abweichende Ergebnisse. In der Studie von Imperial Cancer Research Fund General Practise
Research Group, (1993) gaben 20,4% der Nikotin-Gruppe und 7,5% der Placebo-Gruppe
86
Schlafstörungen als Nebenwirkung der Pflastertherapie an. In der Studie von Gourlay et al., (1995)
wurde von 24% der Probanden mit Nikotinpflaster und von 13,3% Probanden mit Placebo-Pflaster
über Schlafstörungen als Nebenwirkung berichtet. Zu diesen Studien ist zu bemerken, dass das
Rauchen nicht als Ausschlusskriterium galt. Zusätzlich wurden die Entzugssymptome nicht
ausreichend evaluiert. Bei Hurt et al., (1995) wurden ebenfalls die Wirkung und Nebenwirkung von
Nikotinpflastern im Vergleich zu Placebo evaluiert. Hier traten Schlafstörungen bei 7,5% der
Teilnehmer der Nikotin-Gruppe und bei 4,3% der Placebo-Gruppe als Nebenwirkung auf. In dieser
Studie wurden die Entzugssymptome erfragt. Eine detailierte Angabe über die einzelnen Symptome
wurde in der Studie jedoch nicht gelistet. Dadurch ist ungewiss, ob Insomnie dabei berücksichtigt
war. Woraus dieser deutliche Unterschied resultiert, ist fraglich. Zum einen ist es möglich, dass bei
Hurt et al. die Schlafstörungen als Entzugssymptome erfasst wurden, nicht aber als Nebenwirkung
vom Nikotinpflaster. Zum anderen wurde in den ersten beiden gelisteten Studien die Nikotindosis
nach 4 Wochen reduziert, wodurch möglicherweise stärkere Nebenwirkungen und dadurch
Schlafstörungen auftraten. Eine getrennte Analyse für das zeitliche Auftreten der Schlafstörungen
wurde in keiner der Studien durchgeführt.
Im Gegensatz zu diesen Studien wurde von Jorenby et al., (1996) eine Vergleichsstudie
durchgeführt, in der die Probanden in der Entzugsphase nicht geraucht haben. Hier berichteten
11.4% der Nikotin-Gruppe und 14.2% der Placebo-Gruppe über Schlafstörungen als Nebenwirkung
der Pflastertherapie. Schlafstörungen als Entzugssymptom wurde über die gesamte Dauer der Studie
vermehrt berichtet. Das Nikotinpflaster konnte die Insomnie-Beschwerden nicht signifikant lindern.
Die Studie ist hochwertig, da das Rauchen als verzerrender Faktor der Entzugssymptome
ausgeschlossen wurde. Hier traten Schlafstörungen häufiger in der Placebo-Gruppe auf. Dies spricht
dafür, dass Schlafstörungen eher als Entzugseffekt zu erachten sind und nicht als Nebenwirkung. Es
ist möglich, dass in den vorigen Studien das Nikotinpflaster mit dem zusätzlichen Rauchen und
damit einhergehendem erhöhten Nikotinspiegel für die Schlafstörungen verantwortlich war.
In der Studie von Gourlay et al, (1999) traten unter Nikotinentzug mit Nikotinersatztherapien in
48,1% der Fälle Schlafstörungen auf. Diese wurden in ca. 96,7% der Fälle bei der höchsten Dosis
(21 mg) berichtet. Allerdings wurde die höchste Dosis in den ersten 4 Wochen der Abstinenz
appliziert, in denen auch die Schlafstörungen als Folge des Nikotinentzugs am stärksten ausgeprägt
sind [Cummings et al., 1985]. Dafür spricht auch, dass die meisten Probanden am ersten Entzugstag
über Insomniesymptome berichteten. Weiterhin zeigten die Probanden, die in der Entzugsperiode
zusätzlich rauchten, signifikant weniger Schlafstörungen. Dieser Befund weist darauf hin, dass die
Schlafstörungen eher dem akuten Nikotinentzug als der Nebenwirkung von Nikotinpflastern
87
zuzuschreiben sind. Mit dieser Annahme ist vereinbar das Ergebnis der Studie von Fredrickson et
al. (1995), in der Patienten in der Abstinenzphase von der 5. bis 9. Woche mit ähnlicher Dosis (22
mg) nur mit einer Häufigkeit von 7,6% Schlafstörungen angaben. Bei der doppelten Dosis (44 mg)
waren die Insomnie-Beschwerden stark ausgeprägt; allerdings wurde diese Dosis wiederum in den
ersten 4 Wochen der Abstinenz appliziert. Weiterhin lag der durch die 44 mg Nikotinpflaster
erzeugte Kotinin-Spiegel deutlich oberhalb des Baseline-Kotinin-Spiegels, welcher den Schlaf
durch die gesteigerte Aktivierung während der Nacht zusätzlich deutlich beeinträchtigt.
In der polysomnographischen Studie von Wetter et al., (1995) wurde bei Rauchern eine Abnahme
der Schlaffragmentierung und dadurch auch eine bessere objektive Schlafqualität bei akutem
Entzug mit Nikotinpflaster (22 mg) als mit Placebopflaster festgestellt. In diesem Fall wirkte das
Pflaster wie ein „Ersatz“, welcher das fehlende Nikotin substituierte. Der Schlaf mit Nikotinpflaster
normalisierte sich progredient im Verlauf der Studie. Am 3. Tag der Abstinenz zeigte sich eine
Erhöhung der Tiefschlafphasen sogar über die Baseline-Werte vor dem Entzug während des
gewöhnlichen Rauchens. Ein bemerkenswerter Befund der Studie ist, dass die Probanden eine
Verschlechterung der subjektiven Schlafqualität angaben. Dies deutet auf eine Diskrepanz zwischen
der subjektiven und objektiven Beurteilung des Schlafes hin. Die Angaben der Probanden über den
Schlaf sind möglicherweise durch das subjektive Befinden während des Entzugs deutlich
beeinflusst und korrelieren wenig mit den objektiven Messungen. Andersrum trug die verbesserte
objektive Schlafqualität wenig zur Linderung der Entzugssymptome bei. Deswegen ist zu fragen,
inwiefern die objektive Schlafqualität die Entzugssymptomatik überhaupt beeinflusst [Wetter et al.,
1995].
Eine andere Studie [Aubin et Staner, 2006] zeigte bei ähnlicher Dosis (21 mg) auch die Abnahme
der Micro-Arousals, die deutliche Zunahme der Tiefschlafphasen sowie die Zunahme der REMDichte. Die Anzahl der REM-Dichte war hauptsächlich im ersten Drittel der Nacht erhöht. Das
Ergebnis, dass unter Nikotinpflaster mit 15 mg Nikotindosis der prozentuale Anteil von
Tiefschlafphasen abnahm, ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass diese Dosis die durch
Nikotinentzug induzierten Änderungen der Schlafphasen nicht ausreichend kompensieren konnte.
Darüber hinaus führten beide Nikotindosen zu einer Verlängerung der Einschlaflatenz, jedoch zu
einer Abnahme der Gesamtwachzeit im Vergleich zu der Entzugsnacht ohne Pflastertherapie.
Leider wurde in dieser Studie nur eine Entzugsnacht mit Nikotinpflaster beschrieben, somit ist die
längerfristige Änderung des Schlafes unter Pflastertherapie nicht zu beurteilen. Wetter et al., (1999)
lieferten ähnliche Ergebnisse. Hier führten Nikotinpflaster im Vergleich zu Placebopflastern bei
Männern auch zu einer Abnahme der Anzahl von Arousals. Die Schlafstadien waren nicht
88
verändert. Die aufgeführten Studien waren alle doppel-blind randomisiert, die Studien von Wetter et
al. auch placebokontrolliert.
Im Gegensatz dazu zeigten sich bei Page et al., (2006) andere Ergebnisse. Am ersten Abstinenztag
mit Nikotinpflaster zeigten sich in der PSG erhöhte Wachzeiten und eine Erhöhung der
Microarousals und eine Abnahme von REM-Schlaf im Vergleich zu Placebo. Hier wurde das
Nikotinpflaster allerdings unmittelbar vor dem Schlafengehen appliziert. Dadurch war der Effekt
des Nikotinpflasters möglicherweise vermindert entfaltet. Zusätzlich wurden zwei verschiedene
Dosen von Nikotinpflaster, 14 mg und 21 mg, abhängig von dem gewohnten Nikotinkonsum
appliziert. Die Probanden, welche die 14 mg Nikotinpflaster erhielten, rauchten weniger als 10
Zigaretten pro Tag – bei den vorigen zwei Studien waren alle Teilnehmer starke Raucher (20-35
Zig./Tag). So ist es möglich, dass die Dosis der Nikotinpflaster für diese Probanden relativ hoch
war und es demzufolge zu vermehrter Schlaffragmentierung kam. Die Studie enthält allerdings
keine genauen Angaben, wie viele Probanden welches Pflaster erhielten. So fehlt auch die getrennte
Auswertung der polysomnographischen Ergebnisse der beiden Nikotinpflaster. Weiterhin wurden
die Probanden in der Studie zwecks Traum-Evaluation in den REM-Phasen sechsmal in der Nacht
geweckt, welches auch zu einem möglichen Missverhältnis der Schlafstadien führt.
In dem Review von Colrain et al., (2004) wurde ebenfalls der Einfluss von Nikotinentzug auf die
subjektive und objektive Schlafqualität thematisiert. In dem Review wurde angenommen, dass die
Nikotinersatztherapien zur vermehrten Schlaffragmentierung führen, woraus zusätzlich eine
vermehrte Schläfrigkeit und Dysphorie am Tag und eine erhöhte Gefahr zum Rückfall resultiert.
Zur Unterstützung dieser Annahme dienten die Studien von Gillin et al. (1994) und Davila et al.,
(1994), bei welchen das Nikotinpflaster an Nicht-Rauchern erprobt wurde.
5.1.4 Zusammenfassung der Wirkung von Nikotin auf den Schlaf Gesunder
Die tierexperimentellen Untersuchungen zeigten, dass Nikotin in höherer Dosis appliziert die
Einschlafzeit verlängert und zur Abnahme der Tiefschlafphasen und des REM-Schlafs führt.
Nikotin führte bei gesunden Nicht-Rauchern zur ähnlichen Veränderung des Schlafes: Zunahme der
Schlafphasen NREM-1 und NREM-2 und Abnahme von REM-Schlaf [Gillin et al., 1994] bzw.
verlängerte Einschlaflatenz und Abnahme von REM-Schlaf [Davila et al., 1994].
Bei Rauchern wurde im Vergleich zu Nicht-Rauchern eine verlängerte Einschlaflatenz und
Abnahme des Gesamtschlafzeit festgestellt [Soldatos et al., 1980], außerdem eine Zunahme von
NREM-1- und NREM-2-Schlaf sowie Abnahme von NREM-3- und NREM-4-Schlaf [Zhang et al.,
2006].
89
In der Entzugsphase zeigte sich bei Rauchern eine Abnahme der Einschlaflatenz und der
Gesamtwachzeit [Soldatos et al., 1980] und vermehrte Arousals, Zunahme von nächtlichen
Aufwachen und ein gehäufter Schlafstadienwechsel [Prosise et al., 1994]. Eine Zunahme von REMSchlaf wurde beim akuten Entzug beschrieben [Kales et al., 1970]. Eine weitere Studie beschrieb in
der Entzugsphase mit Placebo eine Zunahme von Arousals und Zunahme von NREM-2-Schlaf
[Wetter et al., 1995]. Eine Zunahme von Microarousals wurde in der ersten Nacht des Entzugs
ebenfalls gefunden [Aubin et Staner, 2006].
Während der Entzugsphase mit Nikotinpflaster bei Männern kam es zur Reduktion der Arousals
und Zunahme der Tiefschlafphasen [Wetter et al, 1995; 1999]. Die Reduktion der Microarousals bei
21 mg Nikotinpflaster wurde ebenfalls beschrieben [Staner et al., 2006]. Nur eine Studie berichtete
im Gegensatz zu den anderen von der Zunahme der Arousals während Pflastertherapie [Page et al.,
2006].
Aus den vorgestellten Studien geht hervor, dass Nikotinpflaster unter Nikotinentzug – also in
therapeutischer Anwendung – dem gestörten Schlaf entgegenwirkt, indem es zur Verbesserung der
objektiven Schlafqualität führt, sprich Abnahme der Arousals und Verlängerung der
Tiefschlafphasen. Dadurch ist davon auszugehen, dass die unter Nikotinentzug berichteten
vermehrten Schlafstörungen eher dem Entzugseffekt von Nikotin als einer Nebenwirkung von
Nikotinpflastern zuzuschreiben ist. Weiterhin wird aus der Recherche deutlich, dass eine deutliche
Diskrepanz zwischen der subjektiven und objektiven Schlafqualität besteht. Während des
Nikotinentzugs wurden subjektiv sowohl mit und ohne Nikotinpflaster über vermehrten
Schlafstörungen berichtet. Polysomnographische Untersuchungen zeigen jedoch einen positiven
Effekt der Ersatztherapien auf den Schlaf. Die subjektiv empfundenen Schlafstörungen unter
Nikotinersatztherapie resultieren möglicherweise stärker aus dem Entzugsymptom, wie Craving, als
aus einer objektivierbaren Beeinträchtigung des Schlafes. Weiterhin spricht die Feststellung, dass
subjektive Schlafstörungen mit Nikotinpflaster selten zum Abbruch der Therapie führten, eher
dafür, dass Nikotinersatztherapien eine empfehlenswerte Therapieoption während des Entzugs
darstellen.
5.1.5 Depression und Nikotingebrauch
Durch die Einflussnahme von Nikotin auf den Schlaf, ist die Fragestellung, welche Wirkung
Nikotin auf den gestörten Schlaf depressiver Patienten ausübt, von besonderem Interesse.
Depressive Patienten weisen eine Veränderung der Schlafstruktur auf. Dies zeichnet sich
hauptsächlich durch eine verkürzte REM-Latenz und durch vermehrten REM-Anteil am
Gesamtschlaf aus. Dies konnte in den Baseline-Messungen von Haro et al., (2004) auch
90
polysomnographisch festgestellt werden. Depressive zeigten gesunden Kontroll-Probanden
gegenüber neben den erwähnten Änderungen des REM-Schlafes einen verkürzten Gesamtschlaf,
verlängerte Einschlaflatenz und geminderte Tiefschlafphasen. Die Änderungen des REM-Schlafes
gelten jedoch hauptsächlich als symptomatische Marker von Depression. In der akuten
Entzugsperiode bei gesunden Rauchern zeigte sich eine Zunahme von REM-Schlaf. Dies entsteht
möglicherweise durch die Kompensation der chronischen Suppression des REM-Schlafes während
des Rauchens. Deswegen ist anzunehmen, dass Nikotinzufuhr bei depressiven Patienten zu einer
Verringerung des erhöhten REM-Schlafes führen und dadurch einen positiven Effekt erzielen
könnte.
Salin-Pascual et al. untersuchten die Wirkung von Nikotinpflastern in den aufgeführten 3 Studien an
nicht-rauchenden depressiven Probanden. In den Studien wurde das Nikotinpflaster nur für einige
Tage appliziert. Das einzige auffällige Ergebnis aller Studien in der PSG war die Zunahme der
Gesamt-REM-Zeit. Weiterhin zeigte sich für die Evaluation der depressiven Symptome in HAM-D
eine hochsignifikante Besserung der Stimmung nach Nikotinzufuhr.
Für die Interpretation dieser Ergebnisse müssen die tierexperimentellen Untersuchungen, welche
die Regulation des REM-Schlafes thematisierten, einbezogen werden. In den Untersuchungen
wurde festgestellt, dass Nikotin die serotonergen Neuronen der dorsalen Raphe-Kerne stimulierte.
Diese Stimulation führte wiederum durch Hemmung der pedunculopontinen (PPT) und
laterodorsalen Neuronen (LDT), welche für REM-Onset verantwortlich sind, zur Suppression der
PGO-Spikes [Guzman-Marin et al., 2001; Mihailescu et al., 2001]. Allerdings zeigte sich in der
Studie von Guzman-Marin trotz supprimierter PGO-Spikes eine Verlängerung der REM-Perioden.
Deswegen wurde vermutet, dass Nikotin die REM-Onset-Neuronen auch direkt stimuliert und diese
nicht ausschließlich durch den dargestellten serotinergen Mechanismus beeinflusst. Dieser
Vermutung wurde jedoch in der Studie nicht näher nachgegangen. Als relevanter Faktor in der
Pathogenese von Depression ist der Mangel an Serotonin anerkannt. Deswegen ist davon
auszugehen, dass die dorsalen Raphe-Kerne durch den relativen Mangel an Serotonin den REMSchlaf nicht ausreichend supprimieren. Dadurch wäre die deutliche Erhöhung von REM und
verkürzter REM-Latenzzeit bei depressiven Patienten zu erklären. Demnach sollte Nikotin zu einer
Erhöhung der Serotonin-Ausschüttung in den dorsalen Raphe-Kernen und zu einer konsekutiven
Minderung des REM-Schlafes führen. Salin-Pascual stellte jedoch nach akuter Gabe von Nikotin
eine Erhöhung der REM-Dauer fest. Dies ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass Nikotin
durch kurzfristige Applikation keine signifikante Wirkung auf die serotonergen Neuronen ausübt
und die weitere Zunahme des REM-Anteils im Schlaf einer direkten cholinergen Stimulation der
REM-Onset-Neuronen zukommt. Die signifikante Verbesserung der Stimmung wird von den
91
Autoren eher durch die psychotrope Wirkung von Nikotin als die Konsequenz der veränderten
Schlafparameter und die Einflussnahme auf das serotonerge System erklärt. Es lagen jedoch keine
weiteren Studien vor, die diesen Ansatz weiter verfolgten.
In den Studien wurde weiterhin festgestellt, dass die Patienten mit einer kürzeren REM-Latenz
unter Nikotinzufuhr eine höhergradige Besserung der depressiven Symptomatik erfuhren. Dieser
Befund kann so interpretiert werden, dass diese Patienten ebenfalls eine verminderte SerotoninKonzentration aufweisen, so dass die cholinerge, auch präsynaptische Wirkung von Nikotin auf
andere Neuronen überwiegt. Im Hinblick auf den bislang bekannten Pathomechanismus der
Depression und den Wirkungsmechanismus von Nikotin bleibt fraglich, inwiefern die durch akute
Nikotingabe ausgelöste weitere Zunahme von REM als Ursache der positiven Wirkung auf die
Stimmung depressiver Patienten anzusehen ist.
Haro et al., (2004) verfolgte im Gegensatz dazu den chronischen Effekt von Nikotinpflastern auf
den Schlaf und auf die Stimmung bei depressiven Patienten über 2 Jahre hinweg. Interessanterweise
zeigten sich in der Untersuchung andere Ergebnisse als bei Salin-Pascual et al. In der PSG-Messung
fand sich nach einem Monat eine Besserung der objektiven Schlafqualität: Abnahme der
Wachzeiten, Abnahme der Einschlaflatenz, Zunahme der Tiefschlafphasen und eine geringe
Verlängerung der REM-Latenzzeit. Zu diesem Zeitpunkt war die Dauer des REM-Schlafs nicht
signifikant verändert. Bis zum 8. bis 9. Monat waren die erwähnten Änderungen des Schlafes
progredient. Zusätzlich zeigte sich eine beinahe Normalisierung der REM-Dauer. Mit dieser
deutlichen Abnahme von REM korrelierte auch die größte Abnahme in den HAM-D-Scores, als
Ausdruck für eine deutliche Besserung der depressiven Symptomatik. Durch die chronische
Stimulation der dorsalen Raphe-Kerne durch Nikotin ist es möglich, dass es zu einem allmählichen
Anstieg der Serotonin-Konzentration kam. Darauf weisen die Reduktion von REM-Schlaf,
Abnahme der REM-Latenzzeit, die Zunahme von NREM-Schlaf sowie die Besserung depressiver
Symptome hin. In der Entzugsphase zwischen dem 10. und 18. Monat blieb der REM-Schlaf stets
verkürzt. Die geminderte HAMD-Score war ebenso beständig. Bei der Kontrolle im 18. Monat
zeigte sich eine erneute Zunahme von REM, welche beinahe den Ausgangswert erreichte. Diese
Änderung von REM ging nicht mit einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik einher.
Nikotin konnte also zu einer signifikanten Verbesserung der depressiven Symptomatik führen.
Diese bestand neben einer beinahe Normalisierung der Schlafarchitektur aus einer signifikanten
Verbesserung der gesamten HAM-D Score. Deswegen bietet sich Nikotin als möglicherweise
wirksames Therapeutikum von Depression an.
92
Die Diskrepanz der beiden Studien ergibt sich aus dem Unterschied der Nikotinwirkung nach akuter
und chronischer Gabe. Die Verträglichkeit von chronischer Anwendung wäre zusätzlich zu prüfen.
In der Studie von Haro wurden jedoch keine Nebenwirkungen beschrieben.
Interessanterweise stellten Wetter et al., (2000) fest, dass Frauen, die bereits eine depressive Phase
erlitten, in der Nikotinentzugsphase eine signifikante Verlängerung der REM-Latenzzeit erfuhren
im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die keine depressiven Phasen in der Vergangenheit hatte. Alle
anderen sowohl objektiven als auch subjektiven Entzugssymptome waren zwischen den beiden
Gruppe weitgehend ähnlich. Anhand dieser Studie wurde eine erhöhte Vulnerabilität für Depression
während der Nikotinentzugsphase nicht nachgewiesen. Dieser Befund spricht auch für eine
cholinerge Überaktivität Depressiver.
5.1.6 Schlafapnoe und Nikotingebrauch
Gothe et al., (1985) fanden nach Anwendung von Nikotinkaugummis an Patienten mit obstruktiver
Schlafapnoe eine Besserung der Apnoe-Symptomatik. Die Schlafapnoe-Dauer nahm in den ersten 2
Stunden ab. Bei 6 der 8 Teilnehmer traten in der ersten Schlafstunde keine obstruktiven Apnoen
auf, bei weiteren 5 fehlten diese auch in der zweiten Stunde. Dieser positive Effekt von Nikotin
konnte in weiteren Studien nicht erneut nachgewiesen werden. Davila et al., (1994) und Hein et al.,
(1995) fanden nach der Applikation von Nikotinpflastern keine Änderung in der Apnoe-HypopnoeIndex. Zevin et al., (2003) konnten nach Anwendung von nikotinhaltiger Zahnpasta auch keine
Änderung in der Anzahl von Apnoen in den ersten 4 Stunden des Schlafes feststellen.
Wetter et al., (1994) stellten in einer longitudinalen Kohorten-Studie fest, dass bei Rauchern ein
höheres Risiko für obstruktive Schlafapnoen besteht. Dabei sind besonders starke Raucher
gefährdet. Bei ihnen beträgt die Chance für Schlafapnoen OR: 4,44. In der Fall-Kontroll-Studie von
Kashyap et al., (2001) konnten ähnliche Ergebnisse ermittelt werden. Hier betrug Odds Ratio 2,5
für Schlafapnoen unter Rauchern.
5.1.7 Prädiktive Faktoren für Schlafstörungen beim Nikotinentzug
Anhand der vorliegenden Literaturecherche können bestimmte Untergruppen indentifiziert werden,
welche in der Entzugsphase vermehrt Schlafstörungen aufweisen und dadurch eher einem Rückfall
ausgesetzt sind. In der Kohorten-Studie von Patten et al., (2000) wurde demonstriert, dass die drei
Kriterien Rauchen, weibliches Geschlecht und depressive Symptomatik unter Adolescenten
prädiktiv für die Entwicklung von Schlafstörungen in späterem Alter sind. Wetter et al., (1994)
gaben an, dass Raucher häufiger an Schlafstörungen leiden als Nicht-Raucher. Bei rauchenden
93
Frauen dominierte das Symptom von exzessiver Tagesschläfrigkeit, bei Männern das Auftreten von
störenden Träumen. In der Studie von Gourlay et al., (1999) wurde gezeigt, dass bei Frauen unter
Nikotinpflastertherapie häufiger Schlafstörungen auftreten.
Weiterhin treten bei Rauchern mit starker Nikotinabhängigkeit auch mehr Entzugssymptome auf
[Hatsukami et al., 1985; Shiffman et al., 1995]. Wetter et al., (1999) untersuchten, ob in der
Wirksamkeit von Nikotinersatztherapien ein Geschlechtsunterschied besteht. Hier zeigte sich bei
Männern mit Nikotinpflastern eine abnehmende Tendenz nächtlichen Aufwachens. Männer mit
Nikotinpflaster wiesen am 3. und 5. Tag signifikant weniger Arousals als die Placebo-Gruppe auf.
Bei Frauen wurde keine abnehmende Tendenz im nächtlichen Aufwachen mit Nikotinpflaster
gefunden. Probandinnen mit Placebo- und Nikotinpflaster wiesen am 3. Tag der Abstinenz die
größte Anzahl an nächtlichem Aufwachen auf. Während die Wachzeit bei Frauen mit Placebo im
Verlauf abnahm, zeigte sich bei Frauen mit Nikotinpflaster ein signifikanter Anstieg während des
Entzugs. Frauen mit Placebo wiesen ebenfalls eine erhöhte Schlafeffizienz am 5. Abstinenztag auf,
im Gegensatz zu Frauen mit aktivem Pflaster, bei denen die Schlafeffizienz unverändert blieb.
Diese Ergebnisse zeigen also, dass die Nikotinpflastertherapie bei Frauen die Entzugssymptome
weniger lindert und Placebo zu schnellerer Besserung der objektiven Schlafqualität führt.
Die Studie von Haro et al., (2004), in welcher Nikotinpflaster nach langfristiger Gabe bei
depressiven Patienten eine wesentliche Besserung sowohl der objektiven Schlafqualität als auch der
depressiven Symptome bewirkte, könnte einen Hinweis darauf geben, dass bei rauchenden
Depressiven in der Entzugsphase dieser positive Effekt von Nikotin entfällt und dadurch stärkere
Entzugssymptome
auftreten.
Diese
verstärkten
Entzugssymptome
können
auch
die
Grundsymptomatik triggern sowie zum Rückfall zum Rauchen beitragen. Die Entzugsperiode von
Nikotin wurde bei depressiven Patienten in keiner Studie beschrieben
Zusammenfassend konnten durch die vorliegenden Studien das weibliche Geschlecht, die starke
Nikotinabhängigkeit und die depressive Symptomatik als prädiktive Faktoren für Schlafstörungen
in der Entzugsperiode festgestellt werden. Weiterhin führten Nikotinersatztherapien zur
Verschlechterung der objektiven und subjektiven Schlafqualität bei Frauen. Dadurch sind diese
Raucher möglicherweise während des Entzugs eher einem Rückfall ausgesetzt.
Subjektive Schlafstörungen aus dem Symptomkomplex abzugrenzen, ist äußerst schwierig. Die
PSG-Studien zeigen eine Beeinträchtigung des Schlafes im Entzug. Dadurch sind Schlafstörungen
als Prädiktor für einen Rückfall anzusehen. Die Besserung der objektiven Schlafparameter unter
Nikotinersatztherapie und das bessere Outcome bei Probanden mit Nikotinpflaster im Vergleich mit
Placebo indizieren, dass Schlafstörungen in der Entzugsphase eine wesentliche Rolle spielen. In der
94
Studie von Grove et al., (2006) wurde eine Minderung der Insomnie-Beschwerden nach sportlicher
Betätigung in der Entzugsphase festgestellt. Dies ging jedoch nicht mit einem verminderten
Zigarettenkonsum einher. Die Rückfallrate wurde ebenfalls nicht ermittelt. Dadurch bedarf die
Frage, ob eine primäre Behandlung der Insomnie-Beschwerden zur Abstinenzrate führt, einer
eingehenderen Evaluation.
5.2 Einschränkungen der vorliegenden Arbeit
Durch die Überprüfung der Recherche anhand der Literaturangaben der Originalarbeiten und durch
Hinzunahme fehlender Artikel ist davon auszugehen, dass diese Arbeit die Thematik weitgehend
abdeckt. Zu dem Thema von Nikotin und Schlaf lagen zahlreiche Studien vor. Deswegen wurde die
Selektion der Studien nach engen Auswahlkriterien durchgeführt. Nur die Studien die den
Zusammenhang von Nikotin und Schlaf konkret thematisierten, wurden in die Arbeit einbezogen.
Dadurch fehlen möglicherweise Arbeiten, in denen der Zusammenhang marginal beschrieben
wurde. Studien, die den Wirkungsmechanismen von Nikotin-Agonisten und Antagonisten auf den
Schlaf thematisierten, wurden in die Arbeit nicht eingeschlossen. Ein Grund dafür ist, dass andere
Substanzen möglicherweise den Schlaf z.B. durch andere Bindungsaffinität an Rezeptoren
anderweitig beeinflussen könnten. Die Evalution dieser Studien könnte noch weitere Aspekte
einschließen, wodurch der Wirkmechnismus von Nikotin besser zu verstehen wäre.
Ein Themengebiet, welches in der Arbeit nicht abgedeckt werden konnte, ist der Einfluss des
Rauchens auf Kleinkinder und Säuglinge. Der Zusammenhang von Rauchen und Sudden Infant
Death Syndrom wurde in einigen Studien thematisiert. Eine Ausführung dieser Thematik hätte den
Rahmen dieser Arbeit jedoch überschritten.
Da das Hauptaugenmerk der Arbeit auf der deskriptiven und kritischen Behandlung der
vorliegenden Studien lag, wurde keine statistische Datenanalyse gegeben.
95
VI. Ausblick
Um die genaue Wirkung von Nikotin auf den Schlaf zu verstehen, wäre es nötig, die Unterschiede
der Schlafarchitektur zwischen Rauchern und Nicht-Rauchern weiterhin zu untersuchen. Obwohl
einige Studien die Tages-EEG von Rauchern untersuchten, liegen überraschenderweise nur 2
polysomnographischen Studien zum Vergleich des Schlafes zwischen Rauchern und NichtRauchern vor. Diese geben wegen der in der Diskussion erwähnten begrenzten Methodik nur einen
begrenzten Aufschluss über die zyklischen Abläufe der Schlafstadien während der Nacht.
Möglicherweise wäre eine Spektralanalyse des nächtlichen EEGs nötig, die subtileren
Veränderungen des Schlaf-EEGs und damit der Gehirnaktivität exakter zu erfassen. Diese würde
zum besseren Verständnis des chronischen Effekts des Rauchens auf den Schlaf führen. Weiterhin
wurde in jeder tierexperimentellen Untersuchung nach Nikotingabe ein Effekt auf den REM-Schlaf
beschrieben, dieser Effekt wurde jedoch nicht bei Rauchern gefunden.
Darüber hinaus ist die bei Haro et al., (2004) beschriebene deutlich positive Wirkung von Nikotin
auf die depressive Symptomatik ein sehr interessanter Befund. Es ist anzunehmen, dass viele
Depressive das Rauchen als eine Art „Selbstheilungsversuch“ zur Stimmungsaufhellung einsetzen.
Die Untersuchung der antidepressiven Wirkung von Nikotin hinsichtlich Effektstärke, Dauer und
Rezidiv-Prävention hätte grosse klinische Relevanz. Bei diesen Patienten würde man statt einer
Zigarette eher ein Pflaster anwenden wegen der kanzerogenen Nebenwirkungen der Zigarette. Im
Weiteren sollte in PSG-Untersuchungen bei Depressiven (und auch bei anderen PSGUntersuchungen) immer erfragt werden, ob die Probanden rauchen, da starkes Rauchen die PSG
beeinflussen kann. Es wurden im Rahmen dieser Literaturrecherche keine Kohorten-Studien
gefunden, welche ermittelt hätten, dass Menschen mit depressiven Symptomen häufiger rauchen
würden. Dies wäre anhand des beschriebenen Ergebnisses vorstellbar. Da die Studie von Haro et al.
die einzige Studie ist, welche den langfristigen Effekt bei nicht-rauchenden depressiven Probanden
untersuchte, wäre es interessant, dieses Ergebnis erweitert zu evaluieren. Ebenfalls sind weitere
Untersuchungen zu der therapeutischen Anwendung und zur Verträglichkeit von Nikotin oder
Nikotinagonisten zur Behandlung der Depression nötig. Weiterhin wurde keine Studie gefunden,
welche Entzugssymptome und Outcome bei depressiven Patienten nach einem Nikotin-Entzug
untersuchten.
Zur genauen Evaluation der Schlafstörung als Prädiktor einer Nikotinabstinenz wäre es nötig,
Probanden mit Insomnie- und ohne Insomnie-Beschwerden in ihrem Outcome zu vergleichen. Eine
detaillierte Erfragung der subjektiven Schlafstörungen mit Schlaftagebuch und standardisierten
96
Fragebögen ist dabei als ein wichtiges Kriterium für die methodische Durchführung der Arbeiten zu
berücksichtigen.
97
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