Schlafstörungen als Risikofaktor für psychische Erkrankungen Prof. Dr. rer. soc. Dipl. Psych. Dieter Riemann, Sektionsleiter, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, Hauptstr. 5, 79104 Freiburg. Tel.: 0761-270-6919; Fax: 0761-270-6619; Mail: [email protected]; http://www.uniklinik-freiburg.de/psych/live/personen/riemann.html Ein- und Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen, schlechte Schlafqualität und daraus resultierende Beeinträchtigungen der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit tagsüber sind sehr häufige Symptome psychischer Erkrankungen, wie etwa von Psychosen, depressiven Störungen, Angsterkrankungen aber auch von Abhängigkeitserkrankungen. Insbesondere depressive Störungen sind eng mit Schlafbeschwerden im Sinn einer Insomnie vergesellschaftet, denn fast jeder Patient/ in mit einer klinisch relevanten depressiven Störung wird auch über eine Beeinträchtigung seines/ ihres Schlafes klagen. Diese Zusammenhänge sind seit langem bekannt und haben dazu geführt, dass alle gängigen diagnostischen Systeme Schlafbeschwerden als mögliche Symptome aufführen und spielen zudem eine Rolle für die Therapie depressiver Störungen. Die biologisch-psychiatrische Forschung konnte zudem aufzeigen, dass bei Patienten mit Depressionen spezifische Veränderungen des REM-Schlafs und des Tiefschlafs auftreten. Diese Sichtweise, Schlafstörungen als Symptom von Depressionen aufzufassen, wurde nun in den letzten beiden Jahrzehnten um einen zusätzlichen Blickwinkel erweitert: mehrere epidemiologische Untersuchungen konnten nachweisen, dass insomnische Beschwerden dem Auftreten einer Depression lange vorausgehen können und ihnen somit möglicherweise ein prädiktive Wertigkeit für spätere depressive Störungen zukommen könnte. Unsere Arbeitsgruppe hat sich in einer Meta-analyse der Literatur diesen Zusammenhängen gewidmet. Wir konnten 21 epidemiologische Studien identifizieren, die die Vorhersagekraft insomnischer Beschwerden für das Auftreten von Depressionen untersuchten. Zusammenfassend ergab unsere Analyse, dass Menschen, die unter insomnischen Beschwerden leiden in den nächsten 1-5 Jahren ein zweifach erhöhtes Depressionsrisiko haben. Diese Daten stützen die Annahme, dass insomnische Beschweredn nicht nur ein Symptom von Depressionen sind, sondern darüber hinaus einer Depression lange vorher gehen können, somit prädiktiven Charakter haben. Daraus liesse sich auch die Hypothese ableiten, dass evtl. die frühzeitige Behandlung von Schlafstörungen depressive Erkrankungen verhindern kann, was in zukünftigen Studien zu beweisen wäre. Über mögliche zugrunde liegende neurobiologische und psychologische Mechanismen dieses Zusammenhangs kann momentan nur spekuliert werden - evtl. kann der depressionstypische Hypercortisolismus (der auch bei reinen Insomnien nachweisbar ist) hier eine Erklärung liefern, vielleicht wird aber auch die subjektiv erlebte Hilflosiglkeit bei einer chronischen Insomnie depressionfördernd wirksam.