Früherkennung von Psychosen Eine adoleszentenmedizinische Perspektive Prof. Benno G. Schimmelmann, Bern Früherkennung von Psychosen Die Rationale Psychose-Entstehung Prä-morbid Prodrom Depression und Angst Sozialer Rückzug Leistungsknick DUP EB Psychose-Früherkennung Prä-morbid Prodrom DUP EB Die Psychose Die Psychose erkennen, sobald sie erkennen, bevor sie manifest geworden ist manifest wird Die Dauer der unbehandelten Psychose Prä-morbid Prodrom DUP EB Die Psychose erkennen, sobald sie manifest geworden ist DUP mit Verlauf assoziiert? Sinkende Remissionsrate der Positivsymptomatik mit zunehmender DUP 90 80 77 70 p<,001 % Patienten in Remission nach 18 Monaten je DUP Kategorie 62 60 50 43 40 39 30 20 10 0 < 1 Monat (n=198) 1- 3 Monate (n=152) 3,1-12 Monate (n=182) Schimmelmann et al. (2008) J Psychiatric Research >12 Monate (n=104) DUP ein Epiphänomen? TEILWEISE JA 1-4 DUP erklärt 3-6% Verlaufsvarianz 1,2 Nicht aufgeklärte Varianz des Verlaufs Durch DUP aufgeklärte Varianz des Verlaufs Harrigan et al. (2003) Psychol Med 2 Schimmelmann et al. (2008) J Psychiatr Res 1 3 4 Marshall et al. (2005) Arch Gen Psychiatry Norman et al. (2007) Schizophr Res Kann man die DUP durch Aufklärung reduzieren? JA Reduktion der DUP effektiv? VIELLEICHT DUP Reduktion assoziiert mit… geringerer Rate an Suizidversuchen vor Behandlung 3 weniger Symptomen (positiv/negativ) bei Behandlungsbeginn mit leicht besserem Funktionsniveau nach 5 Jahren4 1 DUP Reduktion nicht assoziiert mit… Veränderungen in Lebensqualität und Positivsymptomatik nach 1-5 Jahren 1,2,3 1 Melle et al. (2004) Arch Gen Psychiatry 4NEU: Larsen et al. 2012 in press 2 Larsen et al. (2006) Schizophr Bull 3 Melle et al. (2005) Acta Psychiatr Scand Früherkennung von Psychosen Die Praxis Warum früh erkennen? Die Psychose erkennen, sobald sie manifest geworden ist Früh erkennen, bessere Therapieadhärenz? Sekundärfolgen der Erkrankung vermindern/verhindern? Schulentwicklung/Ausbildung ↓ Freundeskreis, Partnerschaft ↓ Elternverunsicherung/ -Ärger ↑ Früh erkennen und behandeln besserer Verlauf? Evidenz übersetzt für die Praxis - DUP - Aufklärung ist sinnvoll um die DUP zu verkürzen (vor allem Profis, aber auch die Bevölkerung) Ziel ‚Reduktion DUP‘ sinnvoll, aber nicht auf Kosten der langfristigen Behandlungsqualität psychotischer Patienten Adäquate Behandlung? Antipsychotische Medikation 89 Antipsychotikum in richtiger Akutdosierung 62 Antipsychotikum in richtiger Langzeitdosierung 29 EPS Medikation wenn notwendig 46 Medikation für Depression 46 in % 45 Psychotherapie Medikation für Angststörung 41 23 Arbeitsrehabilitation Familienintervention 10 Assertive Community Treatment (ACT) 10 0 10 20 30 APA. Office of Quality Improvement and Psychiatric Services, 2004 40 50 60 70 80 90 100 Integrierte Versorgung Hamburg Access Studie Hamburg Primäre Jeweils Fragestellung Vernetzung: Sektor UKE Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Sektor Rissen Asklepios Westklinikum Rissen & 8 niedergelassene Psychiater & 8 niedergelassene Psychiater & Assertive Community Treatment Team (ACT) ACCESS Studie Hamburg 40 Behandlungsabbrüche 30 23.2 20 10 6.3 0 UKE ACCESS-Studie (1-Jahr) p<.001 Lambert & Schimmelmann et al. J Clin Psychiatry, 2010 RISSEN ACCESS-Studie (1-Jahr) Risiko-Status Prä-morbid Prodrom Die Psychose erkennen, bevor sie manifest wird DUP EB Risikokriterien für die Entwicklung einer Psychose Risikokriterien Ultra-high risk (UR) Kriterien A. kurze intermittierende psychotische Symptomen (BLIPS) B. attenuierte Positivsymptome (APS) C. genetisches Risiko und Leistungsknick (RISK) Basissymptomkriterien (1) Kognitiv-Perzeptive Basissymptome (COPER) (2) Hochrisiko-Kriterium Kognitive Störungen (COGDIS) Risikokriterien Hilfesuchende Patienten mit Risikosyndrom haben im 2-3 Jahres-Follow-up:2 Übergang in Psychose ca. 30% Persistenz Risikosymptome ca. 30% Remission der Risikosymptome ca. 30% 1Salokangas 2Dylan RKR et al. (2012) Schizophr Res 138:192-197 GG & Cannon TD (2011) Rev Bras Psiquitaria 33 (supp II) Früherkennung von Psychosen Die Praxis Warum früh erkennen? Die Psychose erkennen, bevor sie manifest wird Risikosymptomatik behandeln unabhängig vom Psychoserisiko Psychose-Ausbruch verzögern oder im Schweregrad abschwächen Psychose-Verlauf verbessern durch frühzeitige Behandlung Psychose-Inzidenz verringern Praxis der Früherkennung Versorgungsstruktur Ein spezialisiertes inter-departementelles Angebot macht Sinn Niedrigschwellig für Patienten Serviceorientiert für Zuweiser Aufklärung (Flyer, Webpage, Veranstaltungen) Für Profis Für potentielle Patienten restriktiv! Praxis der Früherkennung Patientenprozesse Abklärung aufwendig aber gut akzeptiert Klare Patientenprozesse bzgl. Info über Ergebnis und Therapie sind wichtig: Kommunikation über Symptome immer, über Psychose-Risiko vorsichtig Fokus auf Monitoring und Therapieempfehlungen Praxis der Früherkennung Therapieoptionen Akute Stressreduktion, Psychoedukation und Monitoring Psychotherapie (komorbide Störungen; Stress↓, Bewältigung↑; Beziehungen, soziale Kompetenz, Kognition) Spezifische Psychotherapie (CBT für attenuierte Positivsymptome) Psychopharmakotherapie (syndrom-orientiert Antidepressiva, Antipsychotika) Früherkennung von Psychosen Sinn und Unsinn von Screenings in der adoleszenten Bevölkerung Bedarf für epidemiologische Daten zu Risikokriterien Risikokriterien in GPS Häufig Selten Nicht spezifisch für Psychoseübergang Klinisch nicht bedeutsam Revision der Kriterien Spezifisch für Psychoseübergang Klinisch bedeutsam Ermutigung Hilfesuche und Behandlung Berner At Risk Studie (BEARS) • • • • Repräsentative telefonische Erhebung Alter: 16-40 Jahre "Computer Assisted Telephone Interview" (CATI) Erhebung At Risk Kriterien, DSM-IV Diagnosen, Hilfesuche, Funktionsniveau, Lebensqualität • Instrumente: SIPS & SPI-A • Übereinstimmung von Telefon- und Life-Interviews gut • Daten von 1’341 Personen liegen vor (68% der Eligibility Fraktion) 1Schultze-Lutter F, Michel C, Ruhrmann S, Schimmelmann BG (in preparation) BEARS-Ergebnisse: Attenuated Psychosis Syndrome 159 (12.9%) berichteten APS-Symptome 47(7.2%) mind. 1x/Woche im letzten Monat (A&B Kriterium) 16(1.3%) Beginn / Verschlechterung im letzten Jahr (C Kriterium) 6(0.5%) erfüllen A,B&C Kriterium Keiner suchte wg. APS Hilfe (D-Kriterium) Aber 41.5% fühlten sich leicht/stark beeinträchtigt 6(0.5%) mit A/B/C Kriterium fühlen sich leicht-stark beeinträchtig, aber Keiner erfüllt alle Kritierien für das Attenuated Psychosis Syndrome Konsequenzen Risikokriterien in GPS Häufig Selten Nicht spezifisch für Psychoseübergang Klinisch nicht bedeutsam Revision der Kriterien Spezifisch für Psychoseübergang Klinisch bedeutsam Ermutigung Hilfesuche und Behandlung Danke für Ihre Aufmerksamkeit Gründe für Behandlungsverzögerung Gründe für eine Behandlungsverzögerung aus Sicht der Mütter (N=52) n (%) Patient lehnt Vorstellung/ Behandlung ab 20 (38,5) Diagnostische Probleme des Allgemeinmediziners/ 13 (25,0) „Erstansprechpartners“ Warteliste vor Ersttermin 10 (19,2) Allgemeinmediziner/Erstansprechpartner beachtet 7 (13,5) Elternaussagen nicht ausreichend Kein Zugang zum Hilfesystem De Haan et al. (2004) Eur Psychiatry 2 (3,8) Übersichtsarbeiten zum Thema Übersichtsarbeiten: Schimmelmann BG, Walger P, Schultze-Lutter F. The significance of at-risk symptoms for psychosis in children and adolescents. Canadian Journal of Psychiatry. 2013 58(1):32-40. Schultze-Lutter F, Resch F, Koch E, Schimmelmann BG. [Early detection of psychosis in children and adolescents - have developmental particularities been sufficiently considered?]. Zeitschrift für Kinder Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 2011 39(5):301-11. Editorials: Schimmelmann BG, Schultze-Lutter F. Early detection and intervention of psychosis in children and adolescents: urgent need for studies. European Child and Adolescent Psychiatry. 2012 21(5):239-41. Schimmelmann BG. [Early detection of psychoses- weighing risks and benefits in children and adolescents]. Zeitschrift für Kinder Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 2011 39(5):297-9. Testversion des SPI-CY KJ Ultra High Risk Definition BLIPS: Transiente psychotische Symptome über weniger als 7 Tage mit spontaner Remission: Halluzinationen Wahn und/oder Formale Denkstörungen APS: Mindestens ein attenuiertes psychotisches Symptom Beziehungsideen Eigentümliche Vorstellungen oder magisches Denken Ungewöhnliche Wahrnehmungserlebnisse Eigenartige Denk- und Sprechweise Paranoide Ideen und/oder „Trait und state risk factors“: Unspezifische Symptome über mindestens 1 Monat (z.B. Angst, Depressivität) Reduktion des Funktionsniveaus (GAF ≥ 30 Punkte im letzten Jahr) Erstgradiger Angehöriger mit einer psychotischen Störung Schizotype Symptome Basissymptom Kriterien (SPI-A) a1. Mindestens eines (COPER): Gedankeninterferenz Zwangähnliches Perseverieren bestimmter Bewusstseinsinhalte Gedankendrängen, Gedankenjagen Gedankenblockierung Störung der rezeptiven Sprache Störung der Diskriminierung von Vorstellungen und Wahrnehmungen Eigenbeziehungstendenz (“Subjektzentrismus”) Derealisation Optische Wahrnehmungsstörungen Akustische Wahrnehmungsstörungen Mindestens zwei (COGDIS): Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit zu spalten Gedankeninterferenz Gedankendrängen, Gedankenjagen Gedankenblockierung Störung der rezeptiven Sprache Störung der expressiven Sprache Eigenbeziehungstendenz (“Subjektzentrismus”) Störung der Symbolerfassung Fesselung der Aufmerksamkeit durch Wahrnehmungsdetails