Nitrolingual 0,2 mg-Kapseln Zulassungsnummer: 15.909 Zulassungsinhaber: Sanova Pharma, Wien. Hersteller: Pohl-Boskamp, Hohenlockstedt, Deutschland. Zusammensetzung 1 Kapsel enthält 0,2 mg Nitroglycerin. Eigenschaften und Wirksamkeit Die vorrangige Wirkung des Nitroglycerins beruht auf einer Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur. Die postkapillaren Kapazitätsgefäße und die großen Arterien – insbesondere die noch reagiblen Teile von Koronararterien – sind hierbei stärker betroffen als die Widerstandsgefäße. Die Vasodilatation in der systemischen Strombahn führt zur Zunahme der venösen Kapazität (“pooling”), der Rückstrom zum Herzen wird vermindert, Ventrikelvolumina und Füllungsdrucke sinken (“preload”-Senkung). Verkleinerter Ventrikelradius und verminderte systolische Wandspannung senken den myokardialen Energie- bzw. Sauerstoffbedarf. Die Abnahme der kardialen Füllungsdrucke begünstigt die Perfusion ischämiegefährdeter subendokardialer Wandschichten, regionale Wandbewegung und Schlagvolumen können verbessert werden. Die Dilatation der großen herznahen Arterien führt zu einer Abnahme sowohl des systemischen (“afterload”-Senkung) als auch des pulmonalen Auswurfswiderstandes. Nitroglycerin bewirkt eine Relaxation der Bronchialmuskulatur, der ableitenden Harnwege, der Muskulatur der Gallenblase, des Gallenganges sowie des Ösophagus, des Dünnund Dickdarmes einschließlich der Sphinkteren. Pharmakokinetik Nitroglycerin wird sofort über die Mundschleimhaut absorbiert und gelangt dann unter Umgehung der Leber unmittelbar an den primären Wirkort. Nitroglycerin unterliegt einem extensiven hepatischen First-pass-Metabolismus sowie einer Spontanhydrolyse im Blut, außerdem erfolgt eine hohe Erythrozytenbindung sowie eine Anreicherung in der Gefäßwand. Die Abbauprodukte haben keine bedeutende Wirkung. Die Mono- und Dinitrate werden glukuronidiert und im Urin bzw. via Galle ausgeschieden. Weniger als 1% wird unverändert ausgeschieden. Anwendungsgebiete Zur Behandlung des akuten Angina-pectoris-Anfalles; zur Prophylaxe unmittelbar vor körperlicher Belastung oder anderen Situationen, die erfahrungsgemäß Angina-pectorisAnfälle auslösen können; Asthma cardiale. Außerdem wird Nitrolingual empfohlen bei: spastischen Erkrankungen des Verdauungstraktes wie z.B. Kardiospasmen, Spasmen bei Pankreatitis, spastische Gallenwegskoliken. Art der Anwendung Die Kapseln zerbeißen (nicht schlucken!) und den Kapselinhalt in der Mundhöhle einwirken lassen. Nachdem die Kapsel einige Zeit ausgelutscht wurde, können die Reste der Gelatinehülle hinuntergeschluckt oder ausgespuckt werden. Bei verminderter Kaufähigkeit die Kapsel z.B. mit einer Stecknadel anstechen und den Inhalt in die Mundhöhle spritzen. Dosierung Bei Anfällen 1 Kapsel zerbeißen (bis zu 3 Kapseln in kurzen Abständen anwenden). Gegenanzeigen Nitroglycerin darf nicht angewendet werden bei: – Überempfindlichkeit gegenüber organischen Nitraten und Nitriten; – akutem Kreislaufversagen (Schock, Kreislaufkollaps); – ausgeprägter Hypotonie (systolischer Blutdruck 90 mmHg); – bei kardiogenem Schock, sofern nicht durch intraaortale Gegenpulsation oder positiv inotrope Pharmaka ein ausreichend hoher linksventrikulärer, enddiastolischer Druck gewährleistet ist; – Linksherzinsuffizienz mit niedrigen Füllungsdrucken; – obstruktiver Herzinsuffizienz, z.B. bei Aorten- oder Mitralstenosen oder konstriktiver Pericarditis; – Patienten, die gleichzeitig an Mißbildungen der kleinen Atemwege, z.B. Alveolarhypoxie, leiden, da es zu einer Mehrdurchblutung unterversorgter Regionen zuungunsten besser belüfteter Lungenabschnitte kommen kann. Bei akutem Myokardinfarkt mit niedrigen Füllungsdrucken sollte Nitroglycerin nur mit Vorsicht angewendet werden. Die Gabe von Nitroglycerin bei akutem Myokardinfarkt sollte unter ärztlicher Kontrolle erfolgen, eine Blutdrucksenkung unter 90 mmHg (systolisch) vermieden werden. Eine besonders sorgfältige Überwachung ist erforderlich bei: – orthostatischen Kreislaufregulationsstörungen, – Erkrankungen, die mit erhöhtem intrakraniellen Druck einhergehen. Wegen erheblicher Verstärkung des blutdrucksenkenden Effektes mit daraus resultierenden schwerwiegenden Nebenwirkungen (z.B. Synkope, Myokardinfarkt) darf zu einer bestehenden Therapie mit Stickstoffmonoxid-Donatoren (z.B. Nitrolingual) nicht zusätzlich Sildenafil (Viagra) gegeben werden. Schwangerschaft und Stillperiode Tierexperimentelle Untersuchungen haben keinen Hinweis auf Fruchtschädigung durch Nitroglycerin ergeben. Dennoch sollte Nitroglycerin in der Schwangerschaft und Stillperiode nur bei strenger Indikationsstellung unter ärztlicher Überwachung angewendet werden. Nebenwirkungen Mit vasodilatatorisch bedingtem Kopfschmerz ist – besonders in der Anfangszeit der Behandlung – häufig zu rechnen. Gesichtsröte, Benommenheit, orthostatische Hypotension und Reflextachykardie sowie Erscheinungen von seiten des Magen-Darm-Traktes (Übelkeit, Erbrechen) werden gelegentlich dokumentiert. Seltener treten Kollapszustände, gelegentlich mit bradykarden Herzrhythmusstörungen, auf. In seltenen Fällen mit einem starken Blutdruckabfall kann eine Verstärkung der Angina-pectoris-Symptomatik auftreten. Wechselwirkungen Die gleichzeitige Gabe anderer Vasodilatatoren, von Antihypertensiva, Calciumantagonisten, Neuroleptika, trizyklischen Antidepressiva sowie Alkohol kann die blutdrucksenkende Wirkung von Nitroglycerin verstärken. Bei gleichzeitiger Gabe von organischen Nitraten (z.B. Nitrolingual) und Sildenafil (Viagra) kommt es zu einer Verstärkung des blutdrucksenkenden Effektes. Daher ist die gleichzeitige Gabe von Stickstoffmonoxid-Donatoren wie z.B. der Wirkstoff in Nitrolingual und Viagra kontraindiziert (siehe Gegenanzeigen). Sollte ein Patient der unter SildenafilMedikation steht, ein schnell wirksames Nitrat benötigen (z.B. im akuten Angina pectoris-Anfall), muß dieser umgehend hospitalisiert werden. Nitroglycerin kann bei gleichzeitiger Anwendung von Dihydroergotamin zum Anstieg des DHE-Spiegels führen und damit dessen Wirkung verstärken. Bei gleichzeitiger Anwendung von Heparin und Nitroglycerin kommt es zu einer Wirkungsabschwächung von Heparin. Eine Wirkungsabschwächung von Nitroglycerin durch gleichzeitige Anwendung nichtsteroidaler Antirheumatika ist nicht auszuschließen. Gewöhnungseffekte Eine Wirkungsabschwächung (Toleranz) kann im Laufe einer Behandlung mit organischen Nitraten auftreten. Die Toleranz wird durch eine kurze Behandlungspause wieder aufgehoben. Besondere Warnhinweise zur sicheren Anwendung Bei Patienten, die Fahrzeuge lenken oder Maschinen bedienen, ist auf die Einhaltung aller anfallverhütenden Therapiemaßnahmen besonders zu achten. Jedoch ist eine verminderte Reaktionsfähigkeit nach der Anwendung organischer Nitrate zufolge von Neben- oder Wechselwirkungen möglich. Durch gleichzeitigen Alkoholgenuß kann eine etwa bestehende Kollapsneigung erheblich verstärkt werden. Bei sehr häufigem Gebrauch kann ein abruptes Absetzen die Anfallsbereitschaft erhöhen, daher soll in diesen Fällen die Dosis schrittweise vermindert werden. Auftretende Hypotonie ist in seltenen Fällen von einer Bradykardie begleitet (= Symptome der paradoxen Nitratreaktion, wahrscheinlich aufgrund einer vagalen Entgleisung; durch Atropingabe zu beherrschen). Gegen eine Verwendung von Nitrolingual bei medikamentös eingestelltem Glaukom ist nichts einzuwenden, Kontrollen des intraokulären Druckes bei Patienten mit Winkelblockglaukom sind jedoch empfehlenswert. Toleranz, auch gegen andere Nitrate, kann auftreten. Alkohol ist zu vermeiden, da er zusammen mit Nitrolingual zu unerwünschten Wirkungen auf den Blutdruck führen kann. Therapie bei Überdosierung: Bei massiver Überdosierung kommt es zu Hautrötung, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Übelkeit, Blutdruckabfall bis zum Kreislaufkollaps, Tachykardie oder Bradykardie sowie zur Methämoglobinämie (Zyanose). Therapeutische Gegenmaßnahmen sind vor allem auf Wiederanhebung des Blutdruckes zu richten. Bei schweren Vergiftungen sind allgemeine Richtlinien der Vergiftungsbehandlung und/oder Schockbekämpfung anzuwenden. Bei ausgeprägter Hypotonie kann eine Volumensubstitution erfolgen. In Ausnahmefällen kommen Sympathomimetika zur Anwendung. Je nach Schweregrad bieten sich folgende Antidote an: 1. Vitamin C: 1 g p.o. oder als Natriumsalz i.v. 2. Methylenblau: bis zu 50 ml einer 1%igen Methylenblaulösung i.v. 3. Toluidinblau: initial 2 – 4 ml/kg Körpergewicht streng intravenös. 4. Sauerstoffbehandlung, Hämodialyse, Blutaustausch. Die Kapseln nicht der Wärme aussetzen, Packung in der Außentasche tragen. Packungsgrößen: 30 und 60 Stück. Haltbarkeit: 60 Monate. Lagerungshinweise: Vor Licht geschützt aufbewahren. Nicht über 25° C lagern. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig. Fachinformation: 11. Juni 1992. Stand der Information: Juni 1999.